Bundesgerichtshof
Richtlinie 2000/13/EG Art. 2 Abs. 1 Buchst. a, Abs. 3, Art. 3 Abs. 1 Nr. 2; LFGB aF § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1; Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 Art. 7 Abs. 1 Buchst. a und d, Abs. 4 Buchst. b, Art. 17 Abs. 5 in Verbindung mit Anhang VI Teil A Nr. 4; LFGB nF § 11 Abs. 1 Nr. 1; Richtlinie 2005/29/EG Art. 3 Abs. 4, Art. 7
a) Wird auf einer Produktaufmachung eines Lebensmittels der unzutreffende Eindruck hervorgerufen, das Erzeugnis weise bestimmte Bestandteile auf (hier: blickfangmäßige Herausstellung von Bestandteilen von Himbeerfrüchten und Vanillepflanzen oder jedenfalls aus diesen Bestandteilen gewonnene Aromen), so kann auch die Zutatenliste im Einzelfall nicht ausreichen, die Irreführungsgefahr auszuräumen.
b) Bei nicht traditionellen Lebensmitteln sind als "normalerweise verwendete Zutaten" im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. d und Art. 17 Abs. 5 in Verbindung mit Anhang VI Teil A Nr. 4 LMIV diejenigen Zutaten anzusehen, deren Verwendung der Verbraucher nach dem Aussehen, der Bezeichnung oder den bildlichen Darstellungen des Lebensmittels erwarten kann.
c) Aus Art. 7 der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken lassen sich bei Lebensmitteln keine Informationspflichten ableiten, die über die Informationspflichten nach der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel hinausgehen.

BGH, Urteil vom 2. 12. 2015 – I ZR 45/13 – Himbeer-Vanille-Abenteuer II; OLG Düsseldorf (lexetius.com/2015,4830)

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 2. Dezember 2015 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Büscher, die Richter Prof. Dr. Schaffert, Dr. Kirchhoff, Dr. Löffler und die Richterin Dr. Schwonke für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 19. Februar 2013 aufgehoben.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 8. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf vom 16. März 2012 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Rechtsmittel trägt die Beklagte.
[1] Tatbestand: Die Beklagte vertreibt unter der Bezeichnung "FELIX HIMBEER- VANILLE ABENTEUER" einen Früchtetee, auf dessen Verpackung sich Abbildungen von Himbeeren und Vanilleblüten sowie die Hinweise "nur natürliche Zutaten" und "FRÜCHTETEE MIT NATÜRLICHEN AROMEN" befinden. Tatsächlich enthält dieser Tee keine Bestandteile oder Aromen von Vanille oder Himbeere.
[2] Nach Ansicht des Klägers, des in die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 UKlaG eingetragenen Bundesverbands der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände, führen diese Angaben auf der Verpackung des Tees der Beklagten den Verbraucher über dessen Inhalt in die Irre. Aufgrund des Produktnamens, der Abbildungen von Himbeeren und Vanilleblüten und des Zusatzes "nur natürliche Zutaten" im goldenen Kreis erwarte der Verbraucher, dass der Tee Bestandteile von Vanille und Himbeere, jedenfalls aber natürliches Vanillearoma und natürliches Himbeeraroma enthalte.
[3] Der Kläger hat beantragt, die Beklagte unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen, im Rahmen geschäftlicher Handlungen für einen Tee wie nachfolgend abgebildet mit der Bezeichnung "HIMBEER-VANILLE ABEN- TEUER" und/oder der Abbildung von Himbeeren und Vanilleblüten zu werben oder werben zu lassen, wenn keine Bestandteile von Himbeeren und Vanille im Produkt enthalten sind:
[4] Darüber hinaus hat der Kläger Abmahnkosten in Höhe von 200 € erstattet verlangt.
[5] Das Landgericht hat der Klage stattgegeben (LG Düsseldorf, StoffR 2012, 167). Die Berufung der Beklagten hat zur Abweisung der Klage geführt (OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2013, 300).
[6] Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des Urteils erster Instanz.
[7] Mit Beschluss vom 26. Februar 2014 hat der Senat dem Gerichtshof der Europäischen Union folgende Frage zur Auslegung des Art. 2 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2000/13/EG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Etikettierung und Aufmachung von Lebensmitteln sowie die Werbung hierfür zur Vorabentscheidung vorgelegt (GRUR 2014, 588 = WRP 2014, 694 – Himbeer-Vanille-Abenteuer I):
[8] Dürfen die Etikettierung und Aufmachung von Lebensmitteln sowie die Werbung hierfür durch das Aussehen, die Bezeichnung oder bildliche Darstellung den Eindruck des Vorhandenseins einer bestimmten Zutat erwecken, obwohl diese Zutat tatsächlich nicht vorhanden ist und sich dies allein aus dem Verzeichnis der Zutaten gemäß Art. 3 Abs. 1 Nr. 2 der Richtlinie 2000/13/EG ergibt?
[9] Der Gerichtshof der Europäischen Union hat hierüber durch Urteil vom 4. Juni 2015 (C-195/14, GRUR 2015, 701 = WRP 2015, 847 – Verbraucherzentrale Bundesverband/Teekanne) wie folgt entschieden:
Art. 2 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i und Art. 3 Abs. 1 Nr. 2 der Richtlinie 2000/13/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. März 2000 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Etikettierung und Aufmachung von Lebensmitteln sowie die Werbung hierfür sind dahin auszulegen, dass es mit ihnen nicht vereinbar ist, dass die Etikettierung eines Lebensmittels und die Art und Weise, in der sie erfolgt, durch das Aussehen, die Bezeichnung oder die bildliche Darstellung einer bestimmten Zutat den Eindruck des Vorhandenseins dieser Zutat in dem Lebensmittel erwecken können, obwohl sie darin tatsächlich nicht vorhanden ist und sich dies allein aus dem Verzeichnis der Zutaten auf der Verpackung des Lebensmittels ergibt.
[10] Entscheidungsgründe: I. Das Berufungsgericht hat eine Irreführung sowohl im Sinne von § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LFGB (in der Fassung, in der dieses Gesetz bis zum 12. Dezember 2014 gegolten hat; im Weiteren: LFGB aF), mit dem Art. 2 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i der Richtlinie 2000/13/EG in deutsches Recht umgesetzt worden ist, als auch nach § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 1 UWG verneint. Beide Tatbestände seien übereinstimmend richtlinienkonform dahin auszulegen, dass es auf die Verkehrserwartung des angemessen gut unterrichteten, angemessen aufmerksamen und kritischen Durchschnittsverbrauchers ankomme. Aus der auf der Verpackung ebenfalls abgedruckten Zutatenliste gehe hervor, dass die natürlichen Aromen Himbeer- und Vanillegeschmack hätten. Dadurch werde zweifelsfrei zum Ausdruck gebracht, dass die verwendeten Aromen nicht aus Himbeeren und Vanille gewonnen würden, sondern nur diesen Geschmack hätten. Die richtige und vollständige Information durch die Zutatenliste genüge nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union, um eine Irreführung auszuschließen.
[11] II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision des Klägers ist begründet und führt zur Wiederherstellung des der Klage stattgebenden Urteils erster Instanz. Die angefochtene Entscheidung stellt sich weder aus den vom Berufungsgericht angenommenen Gründen (dazu unten unter II 1) noch im Ergebnis als richtig dar (dazu unter II 2).
[12] 1. Das mit der Revision angefochtene Urteil des Berufungsgerichts hat mit der von diesem gegebenen Begründung keinen Bestand. Das Berufungsgericht hat zu Unrecht angenommen, dass dem Kläger kein Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte wegen der beanstandeten Produktaufmachung nach § 8 Abs. 1 Satz 1, §§ 3, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LFGB aF zusteht. Auch der Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten nach § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG kann nicht verneint werden.
[13] a) Der Gerichtshof der Europäischen Union hat in dem auf den Vorlagebeschluss des erkennenden Senats hin erlassenen Urteil vom 4. Juni 2015 in Fortführung seiner Rechtsprechung, die noch unter der Geltung der durch die Richtlinie 2000/13/EG abgelösten Richtlinie 79/112/EWG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Etikettierung und Aufmachung von für den Endverbraucher bestimmten Lebensmitteln sowie die Werbung hierfür ergangen ist (vgl. EuGH, Urteil vom 26. Oktober 1995 – C-51/94, Slg. 1995, I-3599 = ZLR 1995, 667 Rn. 34 – Kommission/Deutschland; Urteil vom 9. Februar 1999 – C-383/97, Slg. 1999, I-3599 = ZLR 1999, 237 Rn. 37 f. und 43 – Van der Laan; Urteil vom 4. April 2000 – C-465/98, Slg. 2000, I-2297 = GRUR Int. 2000, 756 Rn. 22 f. – Darbo), ausgesprochen, dass Verbraucher, die sich in ihrer Kaufentscheidung nach der Zusammensetzung des Erzeugnisses richten, zunächst das Verzeichnis der Zutaten lesen, dessen Angabe Art. 3 Abs. 1 Nr. 2 der Richtlinie 2000/13/EG vorschreibt (EuGH, GRUR 2015, 701 Rn. 37 – Verbraucherzentrale Bundesverband/Teekanne).
[14] Hieran anschließend hat der Gerichtshof der Europäischen Union – insoweit in Ergänzung seiner bisherigen Rechtsprechung – ausgeführt, der Umstand, dass das Verzeichnis der Zutaten auf der Verpackung des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Erzeugnisses angebracht sei, könne jedoch für sich allein nicht ausschließen, dass die Etikettierung dieses Erzeugnisses und die Art und Weise, in der sie erfolge, geeignet sein könnten, den Käufer gemäß Art. 2 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i der Richtlinie 2000/13/EG irrezuführen (EuGH, GRUR 2015, 701 Rn. 38 – Verbraucherzentrale Bundesverband/Teekanne). Die Etikettierung im Sinne von Art. 1 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2000/13/EG umfasse alle Angaben, Kennzeichnungen, Hersteller- und Handelsmarken, Abbildungen oder Zeichen, die sich auf ein Lebensmittel bezögen und auf dessen Verpackung angebracht seien; in der Praxis komme es vor, dass einige dieser verschiedenen Elemente unwahr, falsch, mehrdeutig, widersprüchlich oder unverständlich seien (EuGH, GRUR 2015, 701 Rn. 39 – Verbraucherzentrale Bundesverband/Teekanne). Soweit dies der Fall sei, könne das Verzeichnis der Zutaten, auch wenn es richtig und vollständig sei, in bestimmten Fällen gleichwohl nicht geeignet sein, einen falschen oder missverständlichen Eindruck des Verbrauchers bezüglich der Eigenschaften eines Lebensmittels zu berichtigen, der sich aus den anderen Elementen der Etikettierung dieses Lebensmittels ergebe (EuGH, GRUR 2015, 701 Rn. 40 – Verbraucherzentrale Bundesverband/Teekanne). Wenn die Etikettierung eines Lebensmittels und die Art und Weise, in der sie erfolge, insgesamt den Eindruck entstehen ließen, dass dieses Lebensmittel eine Zutat enthalte, die tatsächlich in ihm nicht vorhanden sei, sei eine solche Etikettierung daher geeignet, den Käufer über die Eigenschaften des Lebensmittels irrezuführen (EuGH, GRUR 2015, 701 Rn. 41 – Verbraucherzentrale Bundesverband/Teekanne).
[15] Danach sei es im Streitfall Sache des nationalen Gerichts, die verschiedenen Bestandteile der Etikettierung des Früchtetees insgesamt zu prüfen, um festzustellen, ob ein normal informierter und vernünftig aufmerksamer und kritischer Verbraucher über das Vorhandensein von Himbeer- und Vanilleblütenzutaten oder von aus diesen Zutaten gewonnenen Aromen irregeführt werden könne (EuGH, GRUR 2015, 701 Rn. 35 f. und 42 – Verbraucherzentrale Bundesverband/Teekanne). Bei dieser Prüfung seien unter anderem die verwendeten Begriffe und Abbildungen sowie Platzierung, Größe, Farbe, Schriftart, Sprache, Syntax und Zeichensetzung der verschiedenen Elemente auf der Verpackung des Früchtetees zu berücksichtigen (EuGH, GRUR 2015, 701 Rn. 43 – Verbraucherzentrale Bundesverband/Teekanne).
[16] b) Nach diesen Maßstäben wird ein normal informierter und vernünftig aufmerksamer und kritischer Verbraucher, der sich in seiner Kaufentscheidung nach der Zusammensetzung des Erzeugnisses richtet, zwar das auf dessen Verpackung angebrachte Verzeichnis der Zutaten lesen. Dieser Umstand schließt es jedoch für sich allein nicht aus, dass die Etikettierung des Erzeugnisses und die Art und Weise, in der sie erfolgt, geeignet sind, den Verbraucher irrezuführen.
[17] aa) Die Etikettierung umfasst alle Angaben, Kennzeichnungen, Hersteller und Handelsmarken, Abbildungen oder Zeichen, die sich auf ein Lebensmittel beziehen und auf dessen Verpackung angebracht sind. Wenn die Etikettierung eines Lebensmittels und die Art und Weise, in der sie erfolgt, insgesamt den Eindruck entstehen lassen, dass das Lebensmittel eine Zutat enthält, die tatsächlich nicht vorhanden ist, ist eine Etikettierung geeignet, den Käufer über die Eigenschaften des Lebensmittels irrezuführen. Danach sind die verschiedenen Bestandteile der Etikettierung des Früchtetees insgesamt darauf zu überprüfen, ob ein normal informierter und vernünftig aufmerksamer und kritischer Verbraucher über das Vorhandensein von Zutaten oder Aromen irregeführt werden kann.
[18] bb) Das ist bei dem Produkt der Beklagten aufgrund der dort in den Vordergrund gestellten Angaben auf der Verpackung der Fall, die durchweg hervorgehoben auf das Vorhandensein von Himbeer- und Vanillebestandteilen in dem Tee hinweisen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass bereits der Name des Produkts "FELIX HIMBEER-VANILLE ABENTEUER" darauf hindeutet, dass der Tee der Beklagten Bestandteile von Himbeerfrüchten und Vanillepflanzen enthält. Dieser damit bereits von vornherein durch die Produktbezeichnung hervorgerufene Eindruck wird noch dadurch verstärkt, dass an den drei Stellen auf der Verpackung des Produkts, an denen dessen Name blickfangmäßig genannt ist, ebenfalls blickfangmäßig – Himbeerfrüchte und Vanilleblüten abgebildet sind.
[19] Weiterhin legt die diese Darstellungen jeweils ergänzende Angabe "nur natürliche Zutaten", die in einem Kreis enthalten und dadurch nach Art eines Qualitätssiegels gleichfalls blickfangmäßig herausgestellt ist, es fern anzunehmen, dass nicht immerhin das Aroma des Produkts der Beklagten aus Bestandteilen von Himbeerfrüchten und Vanillepflanzen gewonnen ist. Die genannten Hinweise führen, wenn nicht einzeln, so jedenfalls zusammengenommen dazu, dass der Durchschnittsverbraucher der – im Übrigen auch schon für sich gesehen nicht eindeutigen (vgl. dazu Fezer, VuR 2015, 289, 292 f.; Bings, GRUR-Prax 2015, 288) – Zutatenliste auf der beanstandeten Produktverpackung nicht (mehr) entnimmt, dass der Tee der Beklagten weder Himbeernoch Vanillebestandteile enthält. In einer solchen Fallkonstellation ist die Zutatenliste allein nicht geeignet, die in den Vordergrund gerückten, objektiv unrichtigen Angaben auf der Produktverpackung durch klarstellende Angaben aufzuklären.
[20] c) Der danach gegebene Verstoß gegen § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LFGB aF, bei dem es sich um eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG handelt (vgl. BGH, Urteil vom 2. Oktober 2008 – I ZR 220/05, GRUR 2008, 1118 Rn. 15 = WRP 2008, 1513 – MobilPlus-Kapseln), ist auch geeignet, die Interessen der Verbraucher im Sinne von § 3 Abs. 1 UWG spürbar zu beeinträchtigen (vgl. OLG Düsseldorf, MD 2015, 1109 juris Rn. 69 mwN).
[21] 2. Die vom Berufungsgericht noch unter der Geltung des der Umsetzung der Richtlinie 2000/13/EG dienenden § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LFGB aF getroffene Entscheidung stellt sich auch nicht im Blick auf die anstelle dieser Bestimmung inzwischen geltenden Vorschriften gemäß § 561 ZPO als im Ergebnis richtig dar.
[22] a) Da der vom Kläger geltend gemachte Unterlassungsanspruch in die Zukunft gerichtet ist, ist auch zu prüfen, ob dieser Anspruch gegenwärtig noch nach dem insoweit nunmehr geltenden Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel (im Weiteren: LMIV oder Lebensmittelinformationsverordnung) begründet ist (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 6. November 2014 – I ZR 26/13, GRUR 2015, 504 Rn. 8 = WRP 2015, 565 – Kostenlose Zweitbrille; Urteil vom 11. Juni 2015 – I ZR 226/13, GRUR 2016, 88 Rn. 20 = WRP 2016, 35 – Deltamethrin).
[23] Die Regelung ist nach Art. 55 Abs. 2 LMIV mit Wirkung vom 13. Dezember 2014 an die Stelle des Art. 2 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i der Richtlinie 2000/13/EG getreten und seither auch in § 11 Abs. 1 Nr. 1 LFGB nF angeführt.
[24] b) Die danach inzwischen geltende Regelung in der Lebensmittelinformationsverordnung ist allerdings nicht weniger streng, sondern strenger als die frühere, im Unionsrecht in der Richtlinie 2000/13/EG enthalten gewesene und durch § 11 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 1 LFGB aF in deutsches Recht umgesetzte Regelung. So bestimmt Art. 7 Abs. 1 Buchst. d LMIV, dass Informationen über Lebensmittel nicht irreführend sein dürfen, indem durch das Aussehen, die Bezeichnung oder bildliche Darstellungen das Vorhandensein eines bestimmten Lebensmittels oder einer Zutat suggeriert wird, obwohl tatsächlich in dem Lebensmittel ein von Natur aus vorhandener Bestandteil oder eine normalerweise in diesem Lebensmittel verwendete Zutat durch einen anderen Bestandteil oder eine andere Zutat ersetzt wurde. Weiterhin ist die in Art. 17 Abs. 5 in Verbindung mit Anhang VI Teil A Nr. 4 LMIV enthaltene Regelung für Lebensmittel zu berücksichtigen, bei denen ein Bestandteil oder eine Zutat, von dem/der die Verbraucher erwarten, dass er/sie normalerweise verwendet wird oder von Natur aus vorhanden ist, durch einen anderen Bestandteil oder eine andere Zutat ersetzt wurde. Danach muss deren Kennzeichnung – und zwar zusätzlich zum Zutatenverzeichnis – in unmittelbarer Nähe zum Produktnamen und in einer Schriftgröße, deren x-Höhe mindestens 75 % der x-Höhe des Produktnamens beträgt und nicht kleiner als die in Art. 13 Abs. 2 LMIV vorgeschriebene Mindestschriftgröße von 1, 2 mm sein darf, mit einer deutlichen Angabe des Bestandteils oder der Zutat versehen sein, der/die für die teilweise oder vollständige Ersetzung verwendet wurde (vgl. Grube, ZLR 2015, 478, 482 f.).
[25] Der Anwendung der vorstehend genannten Bestimmungen der Lebensmittelinformationsverordnung auf Fälle wie den streitgegenständlichen steht nicht entgegen, dass es sich bei dem Produkt der Beklagten nicht um ein bereits bekannt gewesenes Lebensmittel, sondern um einen von der Beklagten neu kreierten Tee handelte (aA Delewski/Konnertz-Häußler, LMuR 2015, 117, 121 und 123). Bei einem solchen nicht traditionellen Lebensmittel sind als "normalerweise verwendete Zutaten" – zu denen nach Art. 2 Abs. 2 Buchst. f LMIV auch Aromen gehören – diejenigen Zutaten anzusehen, deren Verwendung der Verbraucher nach dem Aussehen, der Bezeichnung oder den bildlichen Darstellungen des Lebensmittels erwarten kann. Ein Grund, den Art. 7 Abs. 1 Buchst. d und den Art. 17 Abs. 5 in Verbindung mit Anhang VI Teil A Nr. 4 LMIV unter diesen Voraussetzungen auf nicht traditionelle Lebensmittel nicht anzuwenden, lässt sich weder dem Wortlaut dieser Bestimmungen noch deren Zweck entnehmen.
[26] Dagegen lassen sich aus Art. 7 der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken im Streitfall keine Informationspflichten ableiten, die über die Informationspflichten nach der Lebensmittelinformationsverordnung hinausgehen (vgl. Grube in Voit/Grube, LMIV, 2013, Art. 7 Rn. 24 bis 27 [vom generellen Vorrang der Vorschriften der Lebensmittelinformationsverordnung gegenüber Art. 7 der Richtlinie 2005/29/EG ausgehend]; aA Fezer, VuR 2015, 289, 292 f.; differenzierend Köhler, WRP 2014, 637, 639 f.). Die Frage, ob die Beklagte den Verbraucher mit der beanstandeten Aufmachung ihres Früchtetees hinreichend über dessen Merkmale aufgeklärt hat, ist nach den einschlägigen Bestimmungen des Lebensmittelrechts, das heißt der Lebensmittelinformationsverordnung und – zeitlich vorangehend – der Richtlinie 2000/13/EG und der diese in deutsches Recht umsetzenden nationalen Bestimmungen zu beurteilen. Für eine diese – jeweils abschließenden – Regelungen ergänzende Anwendung des Art. 7 Abs. 4 Buchst. a der Richtlinie 2005/29/EG, der mit der Bestimmung des § 5a Abs. 3 Nr. 1 UWG in deutsches Recht umgesetzt worden ist, im Anwendungsbereich der Lebensmittelinformationsverordnung ist nach Erwägungsgrund 10 Satz 3 und Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29/EG kein Raum (vgl. Köhler, WRP 2014, 637, 638 [Rn. 8 bis 11]; anders aber aaO S. 639 f. [Rn. 28]).
[27] 3. Eine weitere Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 Abs. 3 AEUV kommt nicht in Betracht. Die sich zur Auslegung des Art. 2 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2000/13/EG stellende Frage ist durch die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 4. Juni 2015 geklärt. Die Beurteilung, ob die angesprochenen Verkehrskreise durch die beanstandete Produktaufmachung irregeführt werden können, ist Aufgabe der nationalen Gerichte (EuGH, GRUR 2015, 701 Rn. 35 – Verbraucherzentrale Bundesverband/Teekanne). An der Auslegung der einschlägigen Bestimmungen der Lebensmittelinformationsverordnung bestehen keine vernünftigen Zweifel, so dass insoweit ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 Abs. 3 AEUV nicht geboten ist (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 – Rs. 283/81, Slg. 1982, 3415 Rn. 16 = NJW 1983, 1257 – C. I. L. F. I. T.).
[28] III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.