Bundesgerichtshof

BGH, Beschluss vom 27. 1. 2015 – KRB 39/14; OLG Düsseldorf (lexetius.com/2015,639)

Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. Januar 2015 durch die Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck und Dr. Raum sowie die Richter Prof. Dr. Strohn, Dr. Bacher und Dr. Deichfuß beschlossen:
[1] Die Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des 4. Kartellsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 10. Februar 2014 wird gemäß § 79 Abs. 3 OWiG in Verbindung mit § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
[2] Die Beschwerdeführerin trägt die Kosten des Rechtsmittelverfahrens.
Ergänzend bemerkt der Senat:
[3] Das Oberlandesgericht hat ohne Rechtsverstoß eine Erstreckung der bußgeldrechtlichen Verantwortlichkeit auf die Nebenbetroffene bejaht. Nach den Feststellungen befindet sich das Vermögen der Melitta Kaffee GmbH im Wesentlichen ungeschmälert im Vermögen der aufnehmenden Nebenbetroffenen und ist faktisch getrennt von deren übrigem Vermögen, weil das Kaffeegeschäft aus derselben Betriebsstätte unter Fortbestand der Leitung mit unveränderter Belegschaft und damit räumlich, organisatorisch und personell getrennt vom Geschäftsbereich Haushaltsprodukte der früheren Melitta Haushaltsprodukte GmbH & Co. KG weitergeführt wird. Mit dem unverändert fortgeführten Kaffeevertrieb erzielt die Nebenbetroffene mehr als die Hälfte ihrer Umsätze; im
[4] Gegensatz zu den herkömmlichen Geschäftsbereichen der Nebenbetroffenen trägt der Kaffeebereich erheblich zum Gewinn des Unternehmens bei.
[5] Das haftende Vermögen macht – wie das Oberlandesgericht eingehend begründet hat – damit einen wesentlichen Teil des Vermögens der Nebenbetroffenen aus, was die Annahme einer wirtschaftlichen Nahezu-Identität der Melitta Kaffee GmbH mit der Nebenbetroffenen rechtfertigt. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (grundlegend BGH, Beschluss vom 11. März 1986 – KRB 8/85, WuW/E BGH 2265 = wistra 1986, 221) erfordert das hierfür maßgebliche Kriterium, dass das in einer anderen Organisation weiterhin vom Vermögen des gemäß § 30 OWiG Verantwortlichen getrennte, in gleicher oder ähnlicher Weise wie bisher eingesetzte Vermögen in der neuen juristischen Person einen wesentlichen Teil des Gesamtvermögens ausmacht, nicht in jedem Fall, dass das übrige Vermögen der neuen juristischen Person demgegenüber vollständig oder nahezu vollständig in den Hintergrund tritt. Diese Voraussetzung war auch in dem der Entscheidung vom 11. März 1986 zugrunde liegenden Fall nicht gegeben, in dem der Bundesgerichtshof vielmehr hat genügen lassen, dass das Vermögen der durch Umwandlung in der T Bauaktiengesellschaft aufgegangenen B und K AG für die T und deren überregionale Betätigung auf den Gebieten des Bauwesens von wesentlicher Bedeutung war. Da die Bejahung der Nahezu-Identität das Ergebnis einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise ist (BGH aaO), genügt es vielmehr, wenn das übernommene Vermögen eine wirtschaftlich selbständige, die neue juristische Person prägende Stellung behalten hat, demgegenüber der neue Rechtsträger insofern einem Wechsel der Rechtsform ähnlich – lediglich einen neuen rechtlichen und wirtschaftlichen Mantel bildet.
[6] Dem stehen auch nicht die beiden jüngeren Beschlüsse des Senats vom 10. August 2011 (KRB 55/10, BGHSt 57, 193 – Versicherungsfusion; KRB 2/10, wistra 2012, 152) entgegen. Beide Entscheidungen, die an die vorhergehende Rechtsprechung anknüpfen und sie ausdrücklich inhaltlich bestätigen, haben anders gelagerte Sachverhaltsgestaltungen zum Gegenstand. Während die Entscheidung KRB 55/10 eine Fallgestaltung betraf, bei der die Vermögensmassen des aufnehmenden und des auf dieses verschmolzenen Unternehmens nicht weiterhin faktisch getrennt waren, sondern auch operativ zusammengeführt wurden, lag der Entscheidung KRB 2/10 eine Verschmelzung der Tochtergesellschaft auf die Muttergesellschaft zu Grunde, die stattfand, nachdem die Tochtergesellschaft zuvor die Betriebsmittel und das verbliebene operative Geschäft auf eine Schwestergesellschaft übertragen hatte. In beiden Fällen machte das bisher eingesetzte Vermögen in der neuen juristischen Person keinen wesentlichen Teil des Gesamtvermögens aus, in dem einen Fall, weil es weder seine wirtschaftlich selbständige Stellung behalten hatte noch das übrige Vermögen der neuen juristischen Person deutlich überwog, in dem anderen Fall, weil es gar nicht auf den Rechtsnachfolger übergegangen war.