Bundesfinanzhof
Keine Zweckbetriebseigenschaft einer Kostümparty in der Karnevalswoche
1. Ein von einem gemeinnützigen Karnevalsverein in der Karnevalswoche durchgeführtes Kostümfest ist kein für die Vereinszwecke "unentbehrlicher Hilfsbetrieb" und deshalb kein Zweckbetrieb.
2. Ein Zweckbetrieb liegt nicht vor, wenn der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb nur einen finanziellen Beitrag zur gemeinnützigen Tätigkeit leistet und deshalb abstrakt gesehen eine Zweckerreichung auch ohne diesen Geschäftsbetrieb denkbar wäre.

BGH, Urteil vom 30. 11. 2016 – V R 53/15 (lexetius.com/2016,4371)

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 20. August 2015 10 K 3553/13 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
[1] Gründe: I. Die Beteiligten streiten darüber, ob die vom Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) im Streitjahr (2009) aus der Veranstaltung "Nacht der Nächte" erzielten Einkünfte bzw. Umsätze körperschaftsteuerpflichtig sind sowie der Umsatzsteuer zum Regelsteuersatz unterliegen, und in diesem Zusammenhang insbesondere über die Frage, ob die genannte Veranstaltung dem Bereich eines steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs zuzuordnen oder aber im Bereich eines steuerbegünstigten Zweckbetriebs anzusiedeln ist.
[2] Bei dem Kläger handelt es sich um einen im Jahr … gegründeten, vom Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt – FA -) als gemeinnützig i. S. des § 52 Abs. 2 Nr. 23 der Abgabenordnung (AO) anerkannten eingetragenen Verein mit Sitz in C. Ausweislich seiner Satzung widmet sich der Kläger "der Erhaltung und Pflege heimatlichen Brauchtums, insbesondere der Förderung des Karnevals in seinem historischen Sinne" und führt "karnevalistische und gesellige Veranstaltungen zur Verfolgung dieser Ziele" durch. Nach § 2 Nr. 1 Satz 2 der Satzung des Klägers wird der Vereinszweck insbesondere verwirklicht durch "die Teilnahme am traditionellen Festumzug (…), die Beschaffung und Verleihung von Karnevalsorden und die Organisation von Sitzungen und Bällen sowie anderen Veranstaltungen des heimatlichen Brauchtums". Im Streitjahr ermittelte er seinen Gewinn durch Einnahme-Überschussrechnung i. S. von § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes.
[3] Bei der "Nacht der Nächte" handelt es sich um eine durch den Kläger seit … jährlich am Karnevalssamstag durchgeführte, von ihm selbst als "Kostümparty" bezeichnete Veranstaltung mit im Streitjahr ca. 1 200 Gästen. Neben der "Nacht der Nächte" veranstaltet der Kläger auch klassische Karnevalssitzungen mit Büttenreden, tänzerischen und musikalischen Darbietungen karnevalistischer Art, Präsentation des Elferrates usw., namentlich die regelmäßig ca. drei Wochen vor der "Nacht der Nächte" stattfindende "Große Kostümsitzung".
[4] Das FA behandelte die "Nacht der Nächte" als eine dem steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zuzuordnende Veranstaltung und unterwarf die daraus erzielten Einkünfte der Körperschaftsteuer und die Umsätze dem Regelsteuersatz.
[5] Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2015, 1781 veröffentlichten Gründen statt.
[6] Hiergegen richtet sich die Revision des FA, mit der es Verletzung materiellen Rechts geltend macht. Das FG habe zu Unrecht einen Zweckbetrieb angenommen. Das Merkmal des "traditionellen Brauchtums einschließlich des Karnevals, der Fastnacht und des Faschings" i. S. des § 52 Abs. 2 Nr. 23 AO umfasse allein den Karneval in seiner traditionellen Form. Von Musik, Tanz und Geselligkeit geprägte Veranstaltungen, bei denen das karnevalistische Brauchtum eine nur untergeordnete Rolle spiele, seien demgegenüber nicht förderungswürdig. Diese Wertung folge auch aus § 58 Nr. 7 AO, wonach die Veranstaltung geselliger Zusammenkünfte nur dann steuerlich unschädlich sei, wenn sie im Vergleich zu der steuerbegünstigten Tätigkeit der Körperschaft von nur untergeordneter Bedeutung sei. Nur wenn die Programmpunkte mit traditionellem karnevalistischen Inhalt einen zeitlichen Anteil von über 50 % aufwiesen, könne eine Veranstaltung als Zweckbetrieb anerkannt werden. Der satzungsmäßige Zweck des Klägers könne auch nicht nur i. S. des § 65 Nr. 2 AO durch die streitige Veranstaltung erreicht werden. Die Annahme eines Zweckbetriebs scheitere zudem an § 65 Nr. 3 AO, weil der Kläger mit der vordergründig der Unterhaltung und Geselligkeit dienenden "Nacht der Nächte" in zumindest potentiellen Wettbewerb zu kommerziellen Veranstaltern trete.
[7] Das FA beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
[8] Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
[9] Er macht sich im Wesentlichen die Begründung des FG-Urteils zu eigen.
[10] II. Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO -).
[11] Das FG hat hinsichtlich der vom Kläger veranstalteten "Nacht der Nächte" zu Unrecht das Vorliegen der Voraussetzungen eines Zweckbetriebs i. S. des § 65 AO bejaht. Entgegen der Auffassung des FG sind die Einnahmen hieraus körperschaftsteuerpflichtig und die Umsätze des Klägers unterliegen insoweit dem Regelsteuersatz.
[12] 1. Der Kläger hat im Streitjahr nach seiner Satzung und tatsächlichen Geschäftsführung unmittelbar einen gemeinnützigen Zweck verfolgt (Förderung des traditionellen Brauchtums einschließlich des Karnevals, § 52 Abs. 2 Nr. 23 AO). Das Vorliegen der formellen und materiellen Voraussetzungen für die Gemeinnützigkeit des Klägers ist zwischen den Beteiligten unstreitig und das FA hat den Kläger dementsprechend als gemeinnützig anerkannt.
[13] a) Der Kläger ist deshalb gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 9 Satz 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) grundsätzlich von der Körperschaftsteuer befreit und gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 KStG nur mit seinen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben steuerpflichtig, soweit es sich nicht um Zweckbetriebe i. S. der §§ 65 bis 68 AO handelt (§ 64 Abs. 1 AO).
[14] b) Umsatzsteuerrechtlich ist gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) auf die Leistungen der Körperschaften, die ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke verfolgen (§§ 51 bis 68 AO), der ermäßigte Steuersatz anzuwenden. Das gilt nicht für Leistungen, die im Rahmen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs ausgeführt werden. Für Leistungen, die im Rahmen eines Zweckbetriebs ausgeführt werden, gilt die Steuerermäßigung nur, wenn der Zweckbetrieb nicht in erster Linie der Erzielung zusätzlicher Einnahmen durch die Ausführung von Umsätzen dient, die in unmittelbarem Wettbewerb mit dem allgemeinen Steuersatz unterliegenden Leistungen anderer Unternehmer ausgeführt werden, oder wenn die Körperschaft mit diesen Leistungen ihrer in den §§ 66 bis 68 AO bezeichneten Zweckbetriebe ihre steuerbegünstigten satzungsgemäßen Zwecke selbst verwirklicht.
[15] 2. Nach den Feststellungen des FG hat es sich bei der "Nacht der Nächte" unstreitig um einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb i. S. des § 14 AO gehandelt. Die Voraussetzungen eines Zweckbetriebs (§ 65 AO) werden durch die Veranstaltung "Nacht der Nächte" nicht erfüllt.
[16] a) Ein Zweckbetrieb liegt gemäß § 65 AO vor, wenn der Betrieb in seiner Gesamtrichtung dazu dient, die steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke der Körperschaft zu verwirklichen (§ 65 Nr. 1 AO), diese Zwecke nur durch einen solchen Geschäftsbetrieb erreicht werden können (§ 65 Nr. 2 AO) und der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb zu nicht begünstigten Betrieben derselben oder ähnlicher Art nicht in größerem Umfang in Wettbewerb tritt als es bei Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke unvermeidbar ist (§ 65 Nr. 3 AO). Für die Annahme eines Zweckbetriebs müssen alle drei Voraussetzungen erfüllt sein (Urteile des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 13. Juni 2012 I R 71/11, BFH/NV 2013, 89, Rz 11; vom 18. August 2011 V R 64/09, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2012, 784, Rz 30; vom 29. Januar 2009 V R 46/06, BStBl II 2009, 560, Rz 42; vom 23. Juli 2009 V R 93/07, BFHE 226, 435, Rz 40; vom 12. Juni 2008 V R 33/05, BFHE 221, 536, BStBl II 2009, 221, Rz 26).
[17] b) Die "Nacht der Nächte" hat in ihrer Gesamtrichtung nicht dazu gedient, die satzungsmäßigen Zwecke des Klägers zu verwirklichen (§ 65 Nr. 1 AO). Denn die Förderung der Allgemeinheit i. S. des § 52 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 23 AO setzt voraus, dass es sich bei einem der Brauchtumspflege gewidmeten Zweckbetrieb um einen Geschäftsbetrieb zur Kulturförderung, nicht aber zur Förderung kommerzieller Ziele handelt. Deshalb wird – entgegen der Auffassung des FG – nicht jede von einem gemeinnützigen Karnevalsverein in der Karnevalswoche durchgeführte gesellige Veranstaltung, die durch Kostümierung der Teilnehmer, musikalische und tänzerische Darbietungen sowie ausgelassenes Feiern geprägt ist, vom Begriff des traditionellen Brauchtums in Gestalt des Karnevals umfasst. Erforderlich ist vielmehr, dass die Veranstaltung selbst durch Elemente des Karnevals in seiner traditionellen Form geprägt wird. Hierfür reicht die Darbietung von Stimmungsmusik und Stimmungsbeiträgen ohne Bezug zum traditionellen Karneval, die der Veranstaltung das Gepräge im Sinne einer Kostümparty geben, nicht aus. Derartige Veranstaltungsbeiträge haben aber bei der "Nacht der Nächte" in der im Streitjahr durchgeführten Form einen wesentlichen Anteil gehabt.
[18] c) Zudem hat es sich bei der "Nacht der Nächte" nicht um einen für die Vereinszwecke i. S. des § 65 Nr. 2 AO "unentbehrlichen Hilfsbetrieb" gehandelt (vgl. BFH-Urteile vom 5. August 2010 V R 54/09, BFHE 231, 289, BStBl II 2011, 191, Rz 31; in BFHE 226, 435, Rz 41; vom 22. April 2009 I R 15/07, BFHE 224, 405, BStBl II 2011, 475, Rz 10; vom 16. Dezember 2009 I R 49/08, BFHE 228, 53, BStBl II 2011, 398, Rz 23). Steuerbegünstigte Zwecke sind nur dann nicht ohne die wirtschaftliche Betätigung erreichbar, wenn sich der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb von der Verfolgung des steuerbegünstigten Zwecks nicht trennen lässt, sondern vielmehr als das unentbehrliche und einzige Mittel zur Erreichung des steuerbegünstigten Zwecks anzusehen ist (vgl. BFH-Urteile in BFHE 228, 53, BStBl II 2011, 398, Rz 23; in BFHE 221, 536, BStBl II 2009, 221, Rz 29). Entscheidend ist, ob mit der Leistungserbringung als solcher das Gemeinwohl unmittelbar gefördert wird (Fischer in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 65 AO Rz 103). Ein Zweckbetrieb ist deshalb nicht gegeben, wenn der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb nur einen finanziellen Beitrag zur gemeinnützigen Tätigkeit leistet und deshalb abstrakt gesehen eine Zweckerreichung auch ohne diesen Geschäftsbetrieb denkbar wäre (Hüttemann, Gemeinnützigkeit und Spendenrecht, 3. Aufl., Köln 2015, Rz 6179). Es ist nicht ersichtlich, unter welchem Gesichtspunkt eine Kostümparty, bei der die Darbietungen, die nicht im engeren Sinne karnevalistischer Art sind, einen wesentlichen Anteil ausmachen, das unentbehrliche und einzige Mittel zur unmittelbaren Förderung des Karnevals in seiner historischen Form sein könnte.
[19] d) Die Annahme eines Zweckbetriebs scheitert zudem am Fehlen der Voraussetzungen des § 65 Nr. 3 AO. Danach darf der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb zu nicht begünstigten Betrieben derselben oder ähnlicher Art nicht in größerem Umfang in Wettbewerb treten als es bei Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke unvermeidbar ist. Wettbewerb i. S. des § 65 Nr. 3 AO setzt dabei nicht voraus, dass die Körperschaft auf einem Gebiet tätig ist, in dem sie tatsächlich in Konkurrenz zu steuerpflichtigen Betrieben derselben oder ähnlicher Art tritt. Der Sinn und Zweck des § 65 Nr. 3 AO liegt in einem umfänglichen Schutz des Wettbewerbs, der auch den potentiellen Wettbewerb umfasst (BFH-Urteile vom 18. August 2011 V R 64/09, Rz 34, juris; in BStBl II 2009, 560, m. w. N.).
[20] aa) Zum einen kann eine Kostümparty während der Karnevalszeit auch von anderen Unternehmern veranstaltet werden, zum anderen hat das FG selbst festgestellt, dass der Kläger in Wettbewerb mit nicht steuerbegünstigten kommerziellen Anbietern vergleichbarer Veranstaltungen tritt.
[21] bb) Die Annahme des FG, dass der Wettbewerbsgedanke hinter dem Interesse der Allgemeinheit an der steuerlichen Förderung gemeinnütziger Tätigkeiten zurücktreten müsse, weil der Wettbewerb bei Erfüllung der satzungsmäßigen Zwecke des Klägers unvermeidbar gewesen sei (vgl. hierzu BFH-Urteile vom 17. Februar 2010 I R 2/08, BFHE 228, 388, BStBl II 2010, 1006, Rz 30; vom 26. April 1995 I R 35/93, BFHE 177, 339, BStBl II 1995, 767, Rz 21, 22), trifft aus den oben unter aa und bb genannten Gründen nicht zu.
[22] 3. Die Umsätze des Klägers aus der Veranstaltung "Nacht der Nächte" unterliegen dem Regelsteuersatz; sie werden nicht von der Steuerermäßigung des § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG umfasst.
[23] Die in § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 1 UStG angeordnete Steuerermäßigung für die Leistungen der Körperschaften, die ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke verfolgen (§§ 51 bis 68 AO), gilt gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 2 UStG nicht für Leistungen, die im Rahmen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs, der – wie hier – kein Zweckbetrieb ist, ausgeführt werden.
[24] 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.