Bundesgerichtshof

BGH, Urteil vom 21. 12. 2016 – 2 StR 199/16 (lexetius.com/2016,4643)

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 21. Dezember 2016, an der teilgenommen haben: Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Fischer, die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Appl, Dr. Eschelbach, Zeng, Dr. Grube, Staatsanwalt als Vertreter der Bundesanwaltschaft, Rechtsanwalt als Verteidiger, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle, für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Aachen vom 26. Oktober 2015 wird verworfen.
Die Staatskasse trägt die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen.
[1] Gründe: Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Bestechung zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt und ihn im Übrigen freigesprochen. Gegen die Freisprechung richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
[2] I. 1. Nach der unverändert zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklageschrift stellte der Angeklagte im Mai 2014 in der Justizvollzugsanstalt A. dem damaligen Mitgefangenen F. eine Zahlung von 10.000 Euro dafür in Aussicht, dass er Dritte dazu veranlassen werde, die Zeugin K. zu entführen, sie unter Drogen zu setzen und zur Prostitution zu zwingen. Dadurch sollte die Zeugin gehindert werden, weiterhin den Angeklagten belastende Angaben zu machen. Im Wesentlichen aufgrund ihrer Zeugenaussage war der Angeklagte nämlich wegen Vergewaltigung in sechzehn Fällen u. a. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von elf Jahren verurteilt worden. Er hatte dagegen Revision eingelegt, über die zurzeit der versuchten Anstiftung zum Verbrechen noch nicht entschieden war.
[3] 2. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen beruhte die vorangegangene Verurteilung des Angeklagten tatsächlich vor allem auf den Angaben der Zeugin K.. Der Angeklagte befand sich im Mai 2014 deshalb in Untersuchungshaft und die Zeugen F. und J. waren in derselben Justizvollzugsanstalt inhaftiert. Diese wandten sich am 3. Juni 2014 telefonisch an die Ermittlungsbehörden und wurden am gleichen Tag vernommen. Dabei machten sie Angaben im Sinne des Anklagevorwurfs.
[4] 3. Das Landgericht hat offen gelassen, ob den Bekundungen der Zeugen dahin gefolgt werden könne, dass der Angeklagte mit dem Ansinnen auf sie zugekommen sei die Zeugin K. zu entführen. Jedenfalls könne nicht sicher festgestellt werden, dass die Gespräche des Angeklagten mit den Zeugen auf ein Verbrechen gerichtet gewesen seien. Konkret könne die Strafkammer "nicht feststellen, dass – über die reine Entführung hinaus – die Zeugin K. getötet (§ 211 Abs. 2 letzte Var. StGB), unter Drogen gesetzt (§ 239 Abs. 3 Nr. 2 StGB), zur Prostitution gezwungen (§ 232 Abs. 4 Nr. 2 StGB) oder länger als eine Woche der Freiheit beraubt (§ 239 Abs. 3 Nr. 1, § 239b Abs. 1 StGB) werden sollte." Zwar hätten die Zeugen F. und J. in ihren Vernehmungen durch die Polizei jeweils angegeben, die Zeugin K. habe entführt, drogenabhängig gemacht und auf den Strich geschickt werden sollen, bevor sie habe "entsorgt" werden sollen. Bei der staatsanwaltschaftlichen Vernehmung habe der Zeuge F. aber nur noch davon gesprochen, dass die Zeugin K. "erst mal so gepackt" und bedroht werden solle. Später habe er behauptet, der Angeklagte habe geäußert, es sei ihm egal, was die Täter mit dem Mädchen machen würden. Dann sei von "Anschaffen" und "voll auf Drogen bringen" die Rede gewesen. Zu einer Tötung ("entsorgen") habe sich der Zeuge F. nicht mehr geäußert. In der Hauptverhandlung habe er angegeben, dass die Zeugin K. an den Angeklagten habe ausgeliefert werden sollen, nachdem er sich aus der Untersuchungshaft befreit haben würde. Der Zeuge J. habe in der Hauptverhandlung nur noch eine Entführung als Gegenstand der Gespräche genannt. Auf Nachfrage habe er zwar ergänzt, dass auch "das komplette Verschwinden des Mädchens" ein Thema gewesen sei.
[5] Allerdings habe der Zeuge F. dazu nur gesagt, dass dies teuer würde.
[6] II. Die Revision der Staatsanwaltschaft ist unbegründet.
[7] 1. Wird der Angeklagte aus tatsächlichen Gründen freigesprochen, müssen nach Mitteilung des Anklagevorwurfs im Urteil zunächst die Tatsachen festgestellt werden, die der Tatrichter für erwiesen hält. Erst hiernach ist gegebenenfalls in der Beweiswürdigung darzulegen, aus welchen Gründen die für einen Schuldspruch erforderlichen zusätzlichen Feststellungen nicht getroffen werden können. Nur hierdurch wird das Revisionsgericht in die Lage versetzt zu prüfen, ob der Freispruch auf rechtlich bedenkenfreien Erwägungen beruht (vgl. BGH, Urteil vom 5. Februar 2013 – 1 StR 405/12, NJW 2013, 1106). Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil gerecht.
[8] Das Landgericht, das eine "reine Entführung" als Gegenstand von Gesprächen zwischen dem Angeklagten sowie den Zeugen F. und J. offen gelassen hat, hat Mindestfeststellungen zum Rahmengeschehen getroffen. Es konnte keine weiter gehenden Feststellungen zu einem Gespräch zwischen dem Angeklagten und den Zeugen F. und J. über geplante Straftaten treffen.
[9] 2. Auch die Beweiswürdigung des Landgerichts ist nicht rechtsfehlerhaft.
[10] Es hat eine "reine Freiheitsberaubung" als Gegenstand von Erörterungen für möglich gehalten, sich aber jedenfalls nicht die sichere Überzeugung davon verschaffen können, dass den Zeugen die Begehung eines Verbrechens angetragen wurde. Das ist rechtlich unbedenklich, weil dem generelle Bedenken gegen die Glaubhaftigkeit der den Angeklagten belastenden Zeugenaussagen zu Grunde lagen.
[11] Gab das wechselnde Aussageverhalten der Zeugen F. und J. Grund zu der Annahme, dass ihre – eigennützig gemachten – Angaben zu einem Gespräch mit dem Angeklagten über die Begehung von Straftaten zum Nachteil der Zeugin K. insgesamt in Zweifel zu ziehen sind, kam es auf die in den Raum gestellte Möglichkeit eines Gesprächs über "reine Freiheitsberaubung" nicht an.
[12] 3. Aus demselben Grund ist auszuschließen, dass das Landgericht die Mindestfeststellungen aufgrund einer fehlerhaften rechtlichen Bewertung getroffen hat. Der Senat versteht im Übrigen die Bemerkung des Landgerichts, es habe eine "beabsichtigte Freiheitsberaubung für länger als eine Woche" nicht feststellen können, nicht dahin, dass es die rechtliche Möglichkeit einer Anstiftung zu einem Verbrechen mit zumindest bedingtem Vorsatz übersehen hat.