Bundesgerichtshof

BGH, Beschluss vom 25. 4. 2017 – 3 StR 453/16 (lexetius.com/2017,1342)

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und der Angeklagten am 25. April 2017 gemäß § 8 Abs. 1 StrEG beschlossen:
Die Angeklagte ist für die in der Zeit vom 14. März 2016 bis zum 21. Dezember 2016 vollzogene Untersuchungshaft aus der Staatskasse zu entschädigen.
[1] Gründe: 1. Der Senat hat mit Beschluss vom 21. Dezember 2016 das Urteil des Landgerichts Trier vom 6. Juli 2016, soweit es die Angeklagte betraf, mit den Feststellungen aufgehoben und das Verfahren gegen sie eingestellt. Zugleich hat er ihre Freilassung angeordnet, nachdem seit dem 14. März 2016 auf Grund des Haftbefehls des Landgerichts Trier vom 10. März 2016 Untersuchungshaft gegen sie vollzogen worden war. Die Angeklagte ist noch am 21. Dezember 2016 entlassen worden.
[2] 2. Der Senat ist nach § 8 StrEG für den Ausspruch über die Entschädigung der Angeklagten zuständig, weil er die das Verfahren abschließende Entscheidung getroffen hat; weitere, vom Tatrichter zu treffende Feststellungen sind nicht mehr erforderlich. Die Voraussetzungen für eine Entschädigung wegen der erlittenen Untersuchungshaft sind nach § 2 Abs. 1 StrEG gegeben.
[3] Ausschluss- oder Versagungsgründe bestehen nicht:
[4] a) Insbesondere ist die Entschädigung nicht nach § 5 Abs. 2 Satz 1 StrEG ausgeschlossen.
[5] Zwar liegt ein in Bezug auf die Untersuchungshaft grob fahrlässiges Verhalten der Angeklagten vor. Zum einen beging sie nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Urteilsfeststellungen als Mittäterin rechtswidrig und schuldhaft den dem Haftbefehl vom 10. März 2016 zugrundeliegenden Wohnungseinbruchdiebstahl (vgl. – zu grober Fahrlässigkeit durch Begehung des verfahrensgegenständlichen Delikts – BGH, Beschlüsse vom 19. Dezember 1979 – 3 StR 396/79, BGHSt 29, 168, 171; vom 1. September 1998 – 4 StR 434/98, BGHR StrEG § 5 Abs. 2 Satz 1 Fahrlässigkeit, grobe 6). Zum anderen forderte sie den Erlass des Haftbefehls dadurch leichtfertig heraus (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl., § 5 StrEG Rn. 11 mwN), dass sie nach Eröffnung des Hauptverfahrens ein Verhalten zeigte, auf Grund dessen das Landgericht zu Recht davon ausging, sie wolle sich – nunmehr – dem Strafverfahren entziehen.
[6] Jedoch ist die Entschädigung nur ausgeschlossen, soweit die Angeklagte die Strafverfolgungsmaßnahme auch verursacht hat. Zu berücksichtigen ist dabei, dass der erforderliche Ursachenzusammenhang durch eine rechtsfehlerhafte Sachbehandlung seitens der Strafverfolgungsbehörden oder Gerichte unterbrochen sein kann (s. auch BGH, Urteil vom 14. Februar 1995 – 1 StR 765/94, BGHR StrEG § 5 Abs. 2 Satz 1 Ursächlichkeit 2; Beschluss vom 1. September 1998 – 4 StR 434/98, aaO). Eine derartige Unterbrechung tritt jedenfalls dann ein, wenn der Rechtsfehler zum Zeitpunkt der Anordnung oder Aufrechterhaltung der Maßnahme bei sorgfältiger Prüfung ohne weiteres erkennbar war (zu diesem Prüfungsmaßstab s. KG, Beschluss vom 20. Juni 2011 – 4 Ws 48/11, NStZ-RR 2012, 30, 31; BeckOK StPO/Cornelius, § 5 StrEG Rn. 10 f.; Meyer-Goßner/Schmitt, aaO Rn. 7).
[7] So liegt es hier. Schon bei Haftbefehlserlass fehlte es – wie im Beschluss vom 21. Dezember 2016 unter II. 1. b) dargelegt – an der Verfahrensvoraussetzung eines wirksamen Strafantrages; zudem war es ausgeschlossen, einen solchen noch einzuholen. Beides hätte eine sorgfältige Prüfung zweifelsfrei ergeben. Das Landgericht hat indes bei der Beurteilung der Haftvoraussetzungen augenscheinlich übersehen, dass die Regelung des § 77 Abs. 2 StGB auf das Strafantragserfordernis nach § 247 StGB nicht anwendbar ist, und sich dementsprechend mit einem originären Antragsrecht der Strafantragsteller erst gar nicht befasst. Weitere Tatvorwürfe gegen die Angeklagte waren weder angeklagt noch Gegenstand des Haftbefehls.
[8] b) Auch ist die Entschädigung auf Grund der vorbenannten Erwägungen nicht nach der – gegenüber § 5 Abs. 2 StrEG nachrangigen (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Dezember 1979 – 3 StR 396/79, aaO S. 170 ff.) – Ermessensvorschrift des § 6 Abs. 1 Nr. 2 StrEG zu versagen, die inhaltlich der Kostenregelung des § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO nachgebildet ist (s. hierzu Beschluss vom 21. Dezember 2016 unter III. 1.).