Bundesgerichtshof

BGH, Beschluss vom 1. 6. 2017 – AK 25/17 (lexetius.com/2017,1582)

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts sowie des Angeschuldigten und seines Verteidigers am 1. Juni 2017 gemäß §§ 121, 122 StPO beschlossen:
Die Untersuchungshaft hat fortzudauern.
Eine etwa erforderliche weitere Haftprüfung durch den Bundesgerichtshof findet in drei Monaten statt.
Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem Oberlandesgericht München übertragen.
[1] Gründe: I. Der Angeschuldigte wurde am 17. November 2016 aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom selben Tage (5 BGs 409/16) festgenommen und befindet sich seitdem in Untersuchungshaft.
[2] Gegenstand des Haftbefehls ist der Vorwurf, der jugendliche Angeschuldigte habe sich in den Jahren 2013 bis 2015 in Afghanistan und an anderen Orten im Ausland als Mitglied der "Taliban" und damit an einer außereuropäischen terroristischen Vereinigung beteiligt, deren Zwecke oder Tätigkeiten darauf gerichtet seien, Mord (§ 211 StGB) oder Totschlag (§ 212 StGB) zu begehen, strafbar gemäß § 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Sätze 1 und 2 StGB, §§ 1, 3 JGG.
[3] Der Senat hat mit Beschluss vom 11. Januar 2017 (StB 40/16) die Haftbeschwerde des Angeschuldigten verworfen. Der Generalbundesanwalt hat wegen des im Haftbefehl aufgeführten Tatvorwurfs, den er wegen hinzutretender Verstöße gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz nunmehr konkurrenzrechtlich abweichend als sechs rechtlich selbständige Fälle der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung wertet, unter dem 6. April 2017 Anklage vor dem Oberlandesgericht München erhoben.
[4] II. Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus liegen vor.
[5] 1. Hinsichtlich der Einzelheiten des für diese Entscheidung maßgeblichen Tatvorwurfs der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland, der den dringenden Tatverdacht begründenden Umstände und des Haftgrundes verweist der Senat auf die Gründe seiner Beschwerdeentscheidung vom 11. Januar 2017, die unverändert fortgelten. Die Ausführungen des Verteidigers des Angeschuldigten im Schriftsatz vom 23. Mai 2017 geben keinen Anlass zu einer abweichenden Beurteilung: Wie der Senat in seiner Beschwerdeentscheidung bereits ausgeführt hat, besteht jedenfalls der Haftgrund der Schwerkriminalität, zu dem sich das Verteidigungsvorbringen nicht verhält. Ebenso hat der Senat zu der Frage der Anwendbarkeit der UN- Kinderrechtskonvention und dazu, dass diese die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Angeschuldigten nicht berührt, bereits Stellung bezogen.
[6] 2. Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus (§ 121 Abs. 1 StPO) sind gegeben. Die besondere Schwierigkeit und der Umfang des Verfahrens haben ein Urteil bislang noch nicht zugelassen und rechtfertigen den weiteren Vollzug der Untersuchungshaft.
[7] Das Verfahren ist mit der in Haftsachen gebotenen Beschleunigung geführt worden.
[8] Nach der Festnahme des Angeschuldigten am 17. November 2016 mussten zunächst Asservate ausgewertet und ergänzend Zeugen vernommen werden. Dabei gestaltete sich insbesondere die Auswertung der schriftlichen Aufzeichnungen des Angeschuldigten schwierig, weil vorübergehend kein Übersetzer gefunden werden konnte, der der verwendeten Sprache mächtig war. Nachdem dies geschehen war, legte das Bayerische Landeskriminalamt die Akten mit einem abschließenden Ermittlungsbericht vom 10. März 2017 dem Generalbundesanwalt vor. Dieser hat – wie dargelegt – nur knapp vier Wochen später unter dem 6. April 2017 Anklage gegen den Angeschuldigten erhoben. Der Vorsitzende des zuständigen 9. Strafsenats des Oberlandesgerichts München hat nach Eingang der Anklageschrift am 11. April 2017 am folgenden Tag die Zustellung der Anklageschrift in deutscher Sprache verfügt und ihre Übersetzung in Auftrag gegeben. Nach Eingang der Übersetzung wurde die Anklageschrift am 2. Mai 2017 unter Setzung einer dreiwöchigen Erklärungsfrist nach § 201 Abs. 1 StPO an den Angeschuldigten versandt. Bereits am 24. April 2017 hatte der 9. Strafsenat die Verfahrensbeteiligten zu der von ihm beabsichtigten Einholung eines forensisch-psychiatrischen Sachverständigengutachtens zur Frage der Verantwortungsreife nach § 3 JGG und den medizinischen Voraussetzungen etwaiger Schuldunfähigkeits- oder Schuldeinschränkungsgründe im Sinne der §§ 20, 21 StGB angehört und im Anschluss ein entsprechendes Gutachten in Auftrag gegeben. Nach dessen Eingang, der spätestens Anfang Juni erwartet wird, soll zeitnah über die Eröffnung des Hauptverfahrens entschieden werden. Für den Fall der Eröffnung soll die Hauptverhandlung im Juli 2017 beginnen.
[9] Entgegen der Auffassung des Verteidigers des Angeschuldigten kommt es bei dieser Sachlage nicht entscheidend darauf an, ob das Bundeskriminalamt eine Erkenntnisanfrage des Generalbundesanwalts aus November 2016 erst im Februar 2017 beantwortet hat.
[10] 3. Der weitere Vollzug der Untersuchungshaft steht nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und der im Falle einer Verurteilung zu erwartenden Strafe (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO).