Bundesverfassungsgericht

BVerfG, Beschluss vom 17. 1. 2017 – 1 BvQ 4/17 (lexetius.com/2017,32)

In dem Verfahren über den Antrag, im Wege der einstweiligen Anordnung
a) die Beschlüsse des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 13. Januar 2017 – 3 B 7/17 –,
b) den Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 13. Januar 2017 – 3 A 13/17 –,
c) den Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 11. Januar 2017 – 3 B 4/17 –,
d) die Umsetzungsverfügung der Landeshauptstadt Kiel vom 13. Dezember 2016 – 55. 2. 2. 20 -
aufzuheben und vorläufig die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs vom 13. Januar 2017 gegen die Umsetzungsverfügung der Landeshauptstadt Kiel vom 13. Dezember 2016 – 55. 2. 2. 20 – anzuordnen, Antragstellerin: B …, vertreten durch den Vater Dr. jur. B …, hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Vizepräsidenten Kirchhof, den Richter Schluckebier und die Richterin Ott gemäß § 32 Abs. 1 in Verbindung mit § 93d Abs. 2 BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 17. Januar 2017 einstimmig beschlossen:
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
[1] Gründe: Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 32 Abs. 1 BVerfGG liegen nicht vor. Der Antrag ist unzulässig.
[2] 1. Nach § 32 Abs. 1 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Es ist zwar nicht erforderlich, dass zum Zeitpunkt der Antragstellung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits ein Verfassungsbeschwerdeverfahren in der Hauptsache anhängig ist (vgl. BVerfGE 105, 235 [238]; 113, 113 [119 f.]; stRspr). Jedoch gilt auch im vorgelagerten verfassungsgerichtlichen Eilrechtsschutzverfahren der Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde (vgl. § 90 Abs. 2 BVerfGG). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 32 Abs. 1 BVerfGG kommt nur in Betracht, wenn der Antragsteller bestehende Möglichkeiten, fachgerichtlichen Eilrechtsschutz zu erlangen, ausgeschöpft hat (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 24. März 2014 – 1 BvQ 9/14 –, NVwZ 2014, S. 882 [883]; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 22. September 2016 – 2 BvQ 52/16 –, juris, Rn. 2; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 13. Oktober 2016 – 1 BvQ 42/16 –, juris, Rn. 2).
[3] Die Antragstellerin hat den fachgerichtlichen Rechtsweg insoweit nicht erschöpft, als über ihre Beschwerde gegen die Eilrechtsbeschlüsse des Verwaltungsgerichts noch nicht entschieden ist. Ebenso wenig ist – gerade vor dem Hintergrund, dass bei Prüfung der Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 BVerfGG ein strenger Maßstab zugrunde zu legen ist (vgl. BVerfGE 3, 41 [44]; 6, 1 [3 f.]; 55, 1 [3]; 82, 310 [312]; 87, 107 [111]; 94, 166 [216 f.]; 104, 23 [27]; 106, 51 [58]; 132, 195 [232 Rn. 86]; stRspr) – ersichtlich, dass ihr ein Zuwarten bis zur Entscheidung des Beschwerdegerichts nach dem Rechtsgedanken des § 90 Abs. 2 BVerfGG nicht zuzumuten wäre, weil ihr sonst ein schwerer oder unabwendbarer Nachteil entstünde. Die Antragstellerin macht insoweit nur etwaige gesundheitliche Folgen aus dem Vollzug der streitigen Umsetzungsverfügung geltend, ohne auch nur darzulegen, dass eine Beschwerdeentscheidung bis zur Räumungsentscheidung nicht zu erlangen sein wird. Auch kann sie daraus, dass vorangegangene Verwaltungsstreitsachen zu ihren Ungunsten ausgegangen sind, nichts ableiten. Allein hieraus ergibt sich nicht, dass eine andere Bewertung durch die Fachgerichte auch im vorliegenden Fall offensichtlich ausgeschlossen wäre (vgl. BVerfGE 68, 376 [380 f.]). Schließlich ist das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vor dem Bundesverfassungsgericht – anders als der vorläufige Rechtsschutz im fachgerichtlichen Verfahren – nicht darauf angelegt, möglichst lückenlos vorläufigen Rechtsschutz zu bieten (vgl. BVerfGE 94, 166 [216]). Erst recht dient es nicht dazu, das fachgerichtliche Verfahren vorwegzunehmen (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 24. März 2014 – 1 BvQ 9/14 –, NVwZ 2014, S. 882 [883]; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 22. September 2016 – 2 BvQ 52/16 –, juris, Rn. 4).
[4] 2. Im Übrigen erfüllt der Antrag nicht die gesetzlichen Anforderungen an seine Begründung. Eine einstweilige Anordnung kann nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht ergehen, wenn eine Verfassungsbeschwerde von vornherein unzulässig oder offensichtlich unbegründet wäre (vgl. BVerfGE 111, 147 [152 f.]; stRspr). Ein Antrag nach § 32 Abs. 1 BVerfGG ist zudem nur zulässig, wenn die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung substantiiert dargelegt sind (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 17. November 2006 – 1 BvQ 33/06 –, juris, Rn. 2; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 29. Oktober 2013 – 1 BvQ 44/13 –, juris, Rn. 2; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 14. Januar 2016 – 2 BvQ 1/16 –, juris, Rn. 2; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 13. Oktober 2016 – 1 BvQ 42/16 –, juris, Rn. 4; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 14. November 2016 – 1 BvQ 46/16 –, juris, Rn. 3). Diesen Anforderungen wird die Antragsbegründung nicht gerecht.
[5] Diese Entscheidung ist unanfechtbar.