Bundesverwaltungsgericht
Zulässigkeit von Einzelhandelsbetrieben in einem Mischgebiet; Unzulässigkeit allgemein zulässiger Anlagen im Einzelfall, Widerspruch zur Eigenart des Baugebiets, Anzahl und Umfang baulicher Anlagen, Gefahr der Funktionslosigkeit eines Bebauungsplans
BauGB § 30; BauNVO § 6 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3, § 11 Abs. 3, § 15 Abs. 1 S. 1
In einem Mischgebiet allgemein zulässige Einzelhandelsbetriebe (§ 6 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO) können im Einzelfall nach Anzahl und Umfang der Eigenart des Baugebiets widersprechen (§ 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO), weil im selben Gebiet bereits Einzelhandelsbetriebe zugelassen worden sind und das gebotene quantitative Mischungsverhältnis von Wohnen und nicht wesentlich störendem Gewerbe durch Zulassung eines weiteren gewerblichen Betriebes gestört würde.

BVerwG, Urteil vom 4. 5. 1988 – 4 C 34.86; VGH Baden-Württemberg (lexetius.com/1988,147)

[1] Tatbestand: Die Klägerin begehrt die Baugenehmigung für die Errichtung eines SB-Lebensmittel-Discount-Ladens auf dem aus mehreren Flurstücken bestehenden Grundstück an der H.-Straße Ecke Hos.-straße in der Unterstadt von H. Bei einer Geschoßfläche von 658 qm ist eine Verkaufsfläche von ca. 437 qm und eine Lagerfläche ca. 80 qm vorgesehen; außerdem sollen 43 Stellplätze für Kraftfahrzeuge angelegt werden.
[2] Das Baugrundstück liegt im Geltungsbereich des am 20. Dezember 1980 in Kraft getretenen Bebauungsplans "Hofgarten" der Beklagten. Dieser weist das von der H.-straße, der E.-F.-Straße, der Hos.-straße und der H.-Straße umgrenzte Gelände als Mischgebiet aus. Unter Nr. I 1 der dem Plan beigegebenen Bebauungsvorschriften ist als "Einschränkung der baulichen Nutzung (§ 1 Abs. 5 BauNVO)" bestimmt: "Einkaufszentren, großflächige Einzelhandelsbetriebe und sonstige großflächige Handelsbetriebe im Sinne von § 11 Abs. 3 Baunutzungsverordnung sind auch dann unzulässig, wenn die Geschoßfläche 1 500 qm unterschreitet". Nach der Begründung des Bebauungsplans soll dieser entsprechend der vorhandenen Bebauung eine Nutzung der noch unüberbauten Grundstücke mit nicht wesentlich störendem Gewerbe oder für Wohnzwecke ermöglichen.
[3] Mit Bescheid vom 29. November 1984 lehnte die Baurechtsbehörde der Beklagten den Bauantrag, gegen den der beigeladene Grenznachbar Einwendungen erhoben hatte, ab: Bei Berücksichtigung der schon vorhandenen Betriebe, insbesondere der nach Inkrafttreten des Bebauungsplans genehmigten Lebensmittelverkaufsstellen der Firmen A. und N., widerspreche die beabsichtigte bauliche Anlage nach Anzahl und Umfang im Sinne des § 15 BauNVO der Eigenart des Mischgebietes.
[4] Das Regierungspräsidium Tübingen wies den Widerspruch der Klägerin zurück: Durch die Zulassung des im Mischgebiet an sich zulässigen und – für sich gesehen – auch nicht großflächigen Lebensmittelmarktes auf der einzigen noch verfügbaren Fläche in dem mit 1, 7 ha verhältnismäßig kleinen Plangebiet würde es zu einer einseitigen, erdrückenden Häufung einer einzelnen Nutzungsart kommen. Betrachte man die drei Lebensmittelmärkte entsprechend ihren städtebaulichen Auswirkungen einheitlich, so wären auch die Voraussetzungen des § 11 Abs. 3 BauNVO erfüllt.
[5] Auf die Klage mit dem Antrag, die Beklagte unter Aufhebung der ablehnenden Bescheide zu verpflichten, der Klägerin die beantragte Baugenehmigung zu erteilen, hat das Verwaltungsgericht Sigmaringen die Beklagte verpflichtet, den Bauantrag der Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden; im übrigen hat es die Klage abgewiesen.
[6] Auf die Berufung der Beklagten hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg mit Urteil vom 18. Juni 1986 (VBl. BW 1986, 107) die Klage abgewiesen, im wesentlichen aus folgenden Gründen:
[7] Das Vorhaben sei jedenfalls nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO unzulässig. Ein Widerspruch zur Eigenart des ausgewiesenen Mischgebiets ergebe sich zwar nicht schon daraus, daß die Summe der Verkaufsflächen der vorhandenen Lebensmittelgeschäfte bei Zulassung des von der Klägerin geplanten Discount-Ladens eine Größe erreiche, die bei einem einheitlichen Betrieb die Grenze des § 11 Abs. 3 BauNVO überschritte. Das Vorhaben würde aber im Mischgebiet "H." zu einem derartigen Übergewicht der gewerblichen Nutzung im Verhältnis zur vorhandenen und in Zukunft noch möglichen Wohnnutzung führen, daß von einem "Umkippen" des Gebietes gesprochen werden müsse. Die Eigenart des Mischgebietes bestehe in einem gleichrangigen und gleichgewichtigen Nebeneinander von Wohnen und Gewerbe. Dies setze zum einen wechselseitige Rücksichtnahme der einen Nutzung auf die andere voraus und bedeute zum anderen, daß keine der Nutzungsarten ein deutliches Übergewicht – weder qualitativ noch quantitativ – über die anderen Nutzungsarten gewinnen solle. Letzteres sei hier aber nach dem Verhältnis der im Plangebiet für die einzelnen Nutzungsarten zur Verfügung stehenden Grundstücksflächen der Fall. Die für gewerbliche Zwecke in Anspruch genommene Fläche würde 85 v. H., die auf Wohnnutzung entfallende Fläche nur noch 15 v. H. der Plangebietsfläche (ausschließlich der Verkehrsflächen) ausmachen.
[8] Gegen dieses Urteil hat die Klägerin die vom Berufungsgericht zugelassene Revision eingelegt. Sie rügt mangelhafte Sachaufklärung und im übrigen die Verletzung materiellen Rechts. Zu Unrecht habe das Berufungsgericht keine Feststellungen zur Umgebungsbebauung getroffen und sich nur mit den tatsächlichen Verhältnissen im Plangebiet befaßt. Ein flächenmäßiges Gleichgewicht der beiden Hauptnutzungsarten gehöre nicht zur Eigenart des Mischgebietes. Eine über die Aussage in § 6 BauNVO hinausgehende Konkretisierung der planerischen Festsetzung lasse sich im vorliegenden Fall weder aus der örtlichen Situation noch aus dem in der Satzung zum Ausdruck gekommenen Planungswillen der Gemeinde ableiten.
[9] Die Klägerin beantragt, das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden- Württemberg aufzuheben und die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
[10] Die Beklagte tritt der Revision entgegen und verteidigt das angefochtene Urteil.
[11] Entscheidungsgründe: Die Revision der Klägerin ist nicht begründet.
[12] Ohne Erfolg rügt die Klägerin mangelhafte Sachaufklärung (§ 86 Abs. 1 VwGO) durch das Berufungsgericht. Dieses hat aufgrund des Beschlusses vom 16. Juni 1986 das für die Bebauung vorgesehene Gelände und die Umgebung besichtigt. In der über die Augenscheinseinnahme gefertigten Niederschrift des Berufungsgerichts heißt es u. a., die bei Besichtigung des Plangebiets "H.", insbesondere der für die Bebauung vorgesehenen Fläche getroffenen Feststellungen entsprächen den vorliegenden Plänen und den Feststellungen des Verwaltungsgerichts. Jenes hatte ausweislich des Protokolls über seine Ortsbesichtigung vom 3. Februar 1986 auch die nähere Umgebung des Plangebiets in Augenschein genommen und hierbei getroffene Feststellungen schriftlich niedergelegt. Bei dieser Sachlage hätte die Klägerin in der Revisionsbegründung substantiiert darlegen müssen, auf welche von ihm nicht in Augenschein genommenen Teile der näheren Umgebung im einzelnen das Berufungsgericht seine Ortsbesichtigung noch hätte erstrecken sollen. Dies ist nicht geschehen. – Hiervon abgesehen kam es nach der für den Umfang der gebotenen Sachaufklärung maßgeblichen Auffassung des Berufungsgerichts zum materiellen Recht für die Bestimmung der Eigenart des Baugebiets und für die Frage, ob das klägerische Vorhaben dieser Eigenart widerspricht, auf die Bebauung in der näheren Umgebung des Plangebiets nicht an.
[13] Auch mit ihren Angriffen gegen die Anwendung des sachlichen Rechts durch das Berufungsgericht dringt die Revision nicht durch. Das angefochtene Urteil beruht im Ergebnis nicht auf der Verletzung von Bundesrecht. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung. Ihr Vorhaben, ein Lebensmittel-Einzelhandelsgeschäft zu errichten, widerspricht nach Anzahl und Umfang der Eigenart des durch den Bebauungsplan "H." festgesetzten Mischgebiets (§ 15 Abs. 1 Satz 1 der Baunutzungsverordnung – BauNVO -).
[14] Der gemäß § 30 Abs. 1 BauGB für die Beurteilung der planungsrechtlichen Zulässigkeit maßgebliche Bebauungsplan "H.", gegen dessen Rechtsgültigkeit keine Bedenken ersichtlich sind, setzt als Art der baulichen Nutzung für das gesamte Plangebiet ein Mischgebiet fest. Gemäß § 6 Abs. 2 Nr. 3 in Verbindung mit § 1 Abs. 3 BauNVO sind im Mischgebiet Einzelhandelsbetriebe an sich zulässig. Jedoch sind gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO die in den §§ 2 bis 14 BauNVO aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Dies ist beim Vorhaben der Klägerin der Fall.
[15] Die Eigenart des Mischgebiets als Baugebietstyp (vgl. § 1 Abs. 2 BauNVO) wird gemäß § 6 Abs. 1 BauNVO dadurch gekennzeichnet, daß es sowohl dem Wohnen als auch der Unterbringung von Gewerbebetrieben, die das Wohnen nicht wesentlich stören, dienen soll. Der Verordnunggeber hat die beiden Hauptnutzungsarten nicht in ein Rangverhältnis zueinander gestellt. Dadurch unterscheidet sich die Umschreibung des Baugebietstyps in § 6 Abs. 1 BauNVO von derjenigen der anderen Baugebiete in den jeweiligen Absätzen 1 der §§ 2 bis 5 und §§ 7 bis 9 BauNVO. Das Mischgebiet ist nach seiner typischen Eigenart also für Wohnen und nichtstörendes Gewerbe gleichermaßen offen. Der erkennende Senat hat hierzu bereits in seinem Urteil vom 28. April 1972 – BVerwG 4 C 11.69 – (BVerwGE 40, 94 [100]) ausgeführt, die Nutzungen des Mischgebiets zum Wohnen und zur Unterbringung nicht wesentlich störender Gewerbebetriebe stünden als gleichwertige Funktionen nebeneinander, wobei das Verhältnis der beiden Nutzungsarten weder nach der Fläche noch nach Anteilen bestimmt sei. Auch in seiner jüngeren Rechtsprechung hat der Senat die Gleichwertigkeit und Gleichgewichtigkeit von Wohnen und das Wohnen nicht störendem Gewerbe sowie deren wechselseitige Verträglichkeit als kennzeichnend für den Baugebietstyp "Mischgebiet" herausgestellt. Dieses gleichwertige Nebeneinander zweier Nutzungsarten setze zum einen wechselseitige Rücksichtnahme der einen Nutzung auf die andere und deren Bedürfnisse voraus; es bedeutet zum anderen aber auch, daß keine der Nutzungsarten ein deutliches Übergewicht über die andere gewinnen solle (vgl. Urteile vom 25. November 1983 – BVerwG 4 C 64.79 – [BVerwGE 68, 207, 210 f.] und vom 21. Februar 1986 – BVerwG 4 C 31.83 – [Buchholz 406. 12 § 6 Nr. 7 = NVwZ 1986, 643]). In den beiden letztgenannten Urteilen hatte der Senat darüber zu entscheiden, ob jeweils ein einzelner Gewerbebetrieb, der zugleich den Merkmalen einer für ein Kerngebiet typischen Vergnügungsstätte (vgl. § 7 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO) entsprach (in dem einen Fall eine Tanzbar für Striptease-Aufführungen mit 60 Sitzplätzen und einem Spielcasino im Obergeschoß, in dem anderen Fall ebenfalls ein Spielcasino), aufgrund des § 6 Abs. 2 Nr. 4 BauNVO in einem Mischgebiet zuzulassen war. In beiden Fällen hat der Senat darauf abgestellt, ob das jeweilige einzelne Vorhaben generell geeignet sei, die nach der Baugebietsvorschrift typisierend vorausgesetzte Gleichgewichtigkeit und wechselseitige Verträglichkeit von Wohnen und Gewerbe wesentlich zu stören. Dies rechtfertigt indessen nicht den Schluß, daß die das Mischgebiet kennzeichnende Gleichwertigkeit und Gleichgewichtigkeit von Wohnen und nicht störendem Gewerbe ausschließlich qualitativ zu verstehen wäre und etwa nur gebietsunverträgliche und in diesem Sinne "übergewichtige" gewerbliche Nutzungen im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO der gebietstypischen Eigenart des Mischgebiets widersprechen können. Die zwei Hauptnutzungsarten Wohnen und nicht wesentlich störendes Gewerbe sind – wie schon erwähnt – ohne abstufenden Zusatz nebeneinandergestellt worden. § 6 Abs. 1 BauNVO bringt dadurch – dies hebt der erkennende Senat zugleich zur Verdeutlichung seines Urteils vom 28. April 1972 – BVerwG 4 C 11.69 – (a. a. O.) hervor – die städtebauliche Gestaltungsabsicht des Verordnunggebers zum Ausdruck, daß diese beiden Nutzungsarten in den durch Bebauungsplan festgesetzten Mischgebieten auch in ihrer jeweiligen Quantität "gemischt" sein sollen. In dieser sowohl qualitativ als auch quantitativ zu verstehenden Durchmischung von Wohnen und nicht wesentlich störendem Gewerbe liegt die normativ bestimmte besondere Funktion des Mischgebiets, mit der dieses sich von den anderen Baugebietstypen der Baunutzungsverordnung unterscheidet; sie bestimmt damit zugleich dessen Eigenart.
[16] Für die hiernach zu beachtende auch quantitative Mischung kommt es – wie gleichzeitig durch § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO bestätigt wird – darauf an, in welchem Verhältnis die dem Wohnen und die gewerblichen Zwecken dienenden Anlagen im Baugebiet nach Anzahl und Umfang zueinander stehen. Dabei ist einerseits nicht erforderlich, daß die beiden Hauptnutzungsarten zu genau oder annähernd gleichen – wie auch immer rechnerisch zu bestimmenden – Anteilen im jeweiligen Gebiet vertreten sind. Auf der anderen Seite wird jedoch die Bandbreite der typischen Eigenart des Mischgebiets, soweit es um die quantitative Seite des Mischungsverhältnisses geht, nicht erst dann verlassen, wenn eine der beiden Hauptnutzungsarten als eigenständige Nutzung im Gebiet völlig verdrängt wird und das Gebiet deshalb in einen anderen Gebietstyp "umkippt" mit der Folge, daß sich die Festsetzung als Mischgebiet letztlich als funktionslos (geworden) darstellen würde. Um ein solches "Umkippen" des Gebietes zu verhindern und seine Eigenart zu wahren, ist es erforderlich und zugleich aber auch ausreichend, daß im jeweiligen Gebiet eine der beiden Hauptnutzungsarten nicht nach Anzahl und/oder Umfang beherrschend und in diesem Sinne "übergewichtig" in Erscheinung tritt. Ob dies der Fall ist oder nicht, läßt sich – anders als das Berufungsgericht ausgeführt hat – nicht notwendig, jedenfalls aber nicht ausschließlich, danach beurteilen, mit welchen Prozentsätzen die Grundfläche des jeweiligen Mischgebiets für die eine und die andere Nutzungsart in Anspruch genommen werden soll. Die Störung des gebotenen quantitativen Mischungsverhältnisses und damit zugleich der Widerspruch zur Eigenart des Baugebiets k a n n sich aus einem solchen übermäßig großen Anteil einer Nutzungsart an der Grundfläche des Baugebiets, aber auch aus anderen Umständen, z. B. auch aus einem Mißverhältnis der Geschoßflächen oder der Zahl der eigenständigen gewerblichen Betriebe im Verhältnis zu den vorhandenen Wohngebäuden, oder auch erst aus mehreren solcher Merkmale zusammengenommen ergeben. Erforderlich ist stets eine Bewertung aller für eine quantitative Beurteilung in Frage kommenden tatsächlichen Umstände im einzelnen Fall.
[17] Hiervon ausgehend ist das Vorhaben der Klägerin im Mischgebiet "H." zu Recht nicht zugelassen worden. Nach dem vom Berufungsgericht bindend festgestellten Sachverhalt würden, sofern die Klägerin ihr Vorhaben verwirklicht, bei Berücksichtigung der beiden schon vorhandenen Supermärkte der Firmen A. und N. 85 v. H. der Grundfläche des Gebiets von gewerblichen Betrieben samt den ihnen zuzurechnenden Parkflächen für Kraftfahrzeuge in Anspruch genommen. Außer den drei Einzelhandelsbetrieben sind als weitere gewerbliche Nutzungen im Mischgebiet noch ein zu einer Fahrschule gehörendes Betriebsgaragengebäude und eine Tankstelle vorhanden. Dem stehen nur vier eigenständige Wohngebäude sowie ein zur Tankstelle gehörender Wohntrakt gegenüber. Weitere für eine Wohnnutzung bebaubare Flächen sind nicht vorhanden. Aus alledem folgt, daß das Vorhaben der Klägerin nach Anzahl und Umfang der typischen Eigenart eines Mischgebiets widerspricht, weil die gewerbliche Nutzung sowohl nach der Zahl der Betriebe als auch nach dem Umfang der Inanspruchnahme des Gebiets ein beherrschendes Übergewicht über die dort vorhandenen und noch möglichen Wohnnutzungen erlangen würde.
[18] Die Eigenart des in einem konkreten Bebauungsplan festgesetzten einzelnen Baugebiets im Sinne des § 15 Abs. 1 BauNVO ergibt sich allerdings nicht allein aus den typisierenden Regelungen der Baunutzungsverordnung. Sie läßt sich vielmehr abschließend erst bestimmen, wenn zusätzlich auch die jeweilige örtliche Situation, in die ein Gebiet "hineingeplant" worden ist, und der jeweilige Planungswille der Gemeinde, soweit dieser in den zeichnerischen und textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans unter Berücksichtigung der hierfür gegebenen Begründung zum Ausdruck gekommen ist, berücksichtigt werden (vgl. Urteile des Senats vom 25. November 1983 – BVerwG 4 C 21.83 – [BVerwGE 68, 213, 218] und vom 3. Februar 1984 – BVerwG 4 C 17.82 – [BVerwGE 68, 369, 376]). Auch dies führt indes zu keiner für die Klägerin günstigeren Beurteilung:
[19] Bei der örtlichen Situation, in die ein Baugebiet "hineingeplant" wird und die dessen Eigenart mit charakterisiert, handelt es sich – jedenfalls in erster Linie – um die örtlichen Verhältnisse, auf die ein Plan in dem Gebiet trifft, für das er gelten soll. Aus den insoweit vom Berufungsgericht durch Augenscheinseinnahme getroffenen tatsächlichen Feststellungen ergibt sich nichts, was für einen von der normativen Typisierung des Mischgebiets abweichenden Charakter des Baugebiets im vorliegenden Fall sprechen könnte. – Das gleiche gilt aber auch, wenn man – etwa mit Rücksicht auf die verhältnismäßig geringe Größe des hier zu beurteilenden Plangebiets – zusätzlich auch noch die örtlichen Verhältnisse in der angrenzenden Umgebung heranzieht, um die besondere Eigenart des konkreten Baugebiets, in dem die Klägerin ihr Vorhaben verwirklichen will, genau zu bestimmen. Die Anwendung eines solchen das Plangebiet überschreitenden Rahmens zur Bestimmung seiner konkreten örtlichen Eigenart käme etwa dann in Betracht, wenn nach der gegebenen örtlichen Situation die Festsetzung eines kleineren Mischgebiets nur der "Abpufferung" zwischen Gebieten mit einer das Wohnen störenden gewerblichen Nutzung und einer überwiegenden oder reinen Wohnnutzung diesen soll. Das Berufungsgericht hat insoweit bei seiner Augenscheinseinnahme des Plangebiets die vom Verwaltungsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen bestätigt gefunden und sie durch Bezugnahme auf die Akten des Verwaltungsgerichts zum Gegenstand auch seines Verfahrens gemacht. Aus den vom Verwaltungsgericht über die nähere Umgebung des Plangebiets getroffenen tatsächlichen Feststellungen ist kein Anhaltspunkt dafür zu entnehmen, daß abweichend von dem durch die Gebietsvorschrift vorausgesetzten, auch quantitativ zu verstehenden Mischungsverhältnis hier – ausnahmsweise – eine Nutzung des Mischgebiets "H." ganz überwiegend für gewerbliche Zwecke zulässig sein könnte. Die nähere Umgebung des Plangebiets "H." unterscheidet sich nämlich danach nicht von der örtlichen Situation im Plangebiet selbst; auch auf den ringsum angrenzenden Grundstücken sind sowohl verschiedenartige Gewerbebetriebe als auch Wohnnutzungen anzutreffen.
[20] Der in den textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans "H." einschließlich seiner Begründung zum Ausdruck gekommene Planungswille der Gemeinde läßt zweierlei erkennen: Zum einen ist das Mischgebiet "entsprechend der vorhandenen Bebauung" festgesetzt worden, um eine Nutzung der noch unüberbauten Grundstücke mit nicht wesentlich störendem Gewerbe "oder" für Wohnzwecke zu ermöglichen. Mit der textlichen Festsetzung unter Nr. I 1 der Bebauungsvorschriften hat die Beklagte zum anderen ihren planerischen Willen zum Ausdruck gebracht, keine großflächigen Betriebe im Sinne des § 11 Abs. 3 BauNVO zuzulassen, auch wenn diese eine Geschoßfläche von 1 500 qm unterschreiten. Von der letztgenannten Festsetzung wird das Vorhaben der Klägerin allerdings nicht erfaßt; mit einer geplanten Geschoßfläche von 658 qm und einer Verkaufsfläche von 437 qm ist der geplante Betrieb nicht "großflächig" im Sinne des § 11 Abs. 3 BauNVO (vgl. hierzu die Urteile des Senats vom 22. Mai 1987 – BVerwG 4 C 19.85 – [Buchholz 406. 12 § 11 Nr. 9 = NVwZ 1987, 1076] und – BVerwG 4 C 30.86 – [NVwZ 1987, 969]). Zutreffend hat das Berufungsgericht auch dargelegt, daß das Vorhaben der Klägerin nicht etwa deshalb gegen die genannte Bebauungsvorschrift bzw. gegen § 11 Abs. 3 BauNVO verstößt, weil es zusammen mit den schon vorhandenen Einzelhandelsbetrieben der Firma A. (Geschoßfläche 945 qm) und N. (Geschoßfläche 770 qm) wie ein großflächiger Betrieb zu beurteilen sei. Eine solche "summierende" Betrachtungsweise ist vom geltenden Recht nicht gedeckt. Anhaltspunkte für eine Funktionseinheit zwischen den drei Märkten, die eine rechtliche Wertung aller Betriebe als einen – und dann auch großflächigen – Einzelhandelsbetrieb im Sinne des § 11 Abs. 3 BauNVO rechtfertigen könnten, ergeben sich aus dem festgestellten Sachverhalt nicht. – Indessen läßt sich aus dem in der Bebauungsvorschrift und der hierfür gegebenen Begründung des Bebauungsplans dokumentierten Planungswillen der Gemeinde zur Charakterisierung der besonderen Eigenart des Mischgebiets "H." ableiten, daß dort keine Häufung von Einzelhandel zulässig sein solle: Unter Hinweis auf ein in einem benachbarten Sanierungsgebiet ausgewiesenes Sondergebiet für ein Einkaufszentrum wird nämlich ausgeführt, hiermit sei der Bedarf an Einzelhandelsbetrieben für den Stadtkern neben den bereits vorhandenen Einrichtungen abgedeckt; einem Kaufkraftabzug aus dem Stadtkern solle aus stadtstrukturellen Gründen entgegengewirkt werden. Für die Beurteilung des Vorhabens der Klägerin folgt daraus, daß die besondere Eigenart des Mischgebiets "Hofgarten" keinesfalls etwa im Sinne einer – vom normativ vorgegebenen Baugebietstyp abweichenden – verstärkten Zulässigkeit gewerblicher Nutzung, insbesondere von Einzelhandelsbetrieben, näher charakterisiert ist; vielmehr deutet der die Eigenart des Mischgebiets mitbestimmende Planungswille der Gemeinde hier eher – zu Lasten der Klägerin – dahin, daß die baugebietstypische Mischung jedenfalls nicht durch eine Massierung von Einzelhandelsbetrieben – wie sie hier mit der Zulassung des klägerischen Vorhabens eintreten würde – in Frage gestellt werden soll.
[21] Ohne Erfolg verweist die Klägerin darauf, daß die Beklagte nach dem Inkrafttreten des Bebauungsplans in dem festgesetzten Mischgebiet bereits die beiden Einzelhandelsbetriebe der Firmen A. und N. zugelassen habe. Damit habe – so trägt die Klägerin vor – die Beklagte gezeigt, daß auch aus ihrer Sicht auf den freien Flächen des Plangebiets nur eine gewerbliche Ansiedlung in Betracht komme. Die Klägerin macht in diesem Zusammenhang sinngemäß geltend, ihr an sich in einem Mischgebiet zulässiges Vorhaben dürfe nicht allein deshalb abgelehnt werden, weil infolge der schon vorher zugelassenen Einzelhandelsbetriebe nunmehr das auf diese Nutzungsart entfallende Kontingent erschöpft sei. Eine solche Praxis der Behörde sei für den Eigentümer nicht berechenbar und deshalb rechtsstaatlich bedenklich; sie komme auch einem nach § 15 Abs. 3 BauNVO verbotenen Konkurrentenschutz gleich. Damit kann die Klägerin jedoch die Unzulässigkeit ihres Vorhabens gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO nicht ausräumen. Vorhaben, die an sich ihrer Art nach bauplanungsrechtlich zulässig sind, können im Einzelfall unzulässig sein, wenn sie in einer Situation verwirklicht werden sollen, in der sie städtebaulich nicht (mehr) verträglich sind und die Umgebung sie nicht (mehr) aufnehmen kann. Dies kann seinen Grund auch darin haben, daß in dem fraglichen Gebiet bereits früher – in planungsrechtlich zulässiger Weise – andere Vorhaben verwirklicht worden sind. Eine solche Beurteilung unter Berücksichtigung der zeitlichen Abfolge, in der sich ein Gebiet entwickelt, und einer daraus folgenden Priorität einzelner Vorhaben ist – wie sich etwa bei der Bestimmung des Rahmens der näheren Umgebung zeigt, in die sich ein Vorhaben gemäß § 34 Abs. 1 BauGB einfügen muß – für das Bauplanungsrecht nicht ungewöhnlich. Sie greift notwendigerweise auch im Rahmen des § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO Platz, soweit es darum geht, ob an sich gemäß §§ 2 bis 14 BauNVO zulässige bauliche oder sonstige Anlagen im Einzelfall nach ihrer A n z a h l der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Meint ein Bauwilliger, die Situation in einem Baugebiet unter diesem Aspekt nicht sicher beurteilen zu können, so kann er sich mit einer Bauvoranfrage auf verhältnismäßig einfache Weise Gewißheit über die Zulässigkeit seines Vorhabens verschaffen.
[22] Auch mit ihrem Einwand, die Beklagte dürfe nicht mit Hilfe des § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO einzelne im Baugebiet allgemein zulässige Vorhaben abwehren, nachdem sie versäumt habe, ein Übergewicht von Einzelhandelsbetrieben bzw. von gewerblichen Nutzungen im Mischgebiet durch planerische Festsetzungen gemäß § 1 Abs. 4 bis 9 BauNVO zu verhindern, kann die Klägerin nicht durchdringen. Durch spezielle Festsetzungen nach § 1 Abs. 4 bis 9 BauNVO kann die Gemeinde allerdings innerhalb gewisser Grenzen u. a. ein Baugebiet oder Teile eines Baugebiets gliedern sowie die Zulässigkeit von allgemein oder ausnahmsweise zulässigen Arten von Nutzungen oder Arten von Anlagen abweichend von den in den Baugebietsvorschriften aufgestellten Regeln bestimmen (vgl. dazu näher die Entscheidungen des Senats vom 22. Mai 1987 – BVerwG 4 N 4. 86 – [BVerwGE 77, 308] und – BVerwG 4 C 77.84 – [BVerwGE 77, 317]). Diese der Gemeinde durch die Baunutzungsverordnung an Hand gegebenen Möglichkeiten planerischer Feinsteuerung ändern aber nichts daran, daß ein durch Bebauungsplan festgesetztes Mischgebiet auch ohne solche ins einzelne gehenden Satzungsbestimmungen eine schon durch die Baugebietsvorschrift (§ 6 in Verbindung mit § 1 Abs. 3 BauNVO) und die konkrete örtliche Situation und den dokumentierten Planungswillen der Gemeinde bestimmte Eigenart besitzt; Vorhaben, die dieser Eigenart widersprechen, ist mit Hilfe des § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO zu begegnen. Festsetzungen nach § 1 Abs. 4 bis 9 BauNVO sind demgegenüber spezielleren Situationen und verfeinerten Differenzierungen der Zulässigkeit von Vorhaben – innerhalb des durch die Eigenart des Baugebiets abgesteckten Rahmens – vorbehalten.