Die Anträge der Bundesregierung, die Verwirkung von Grundrechten auszusprechen, sind nicht hinreichend begründet

BVerfG, Mitteilung vom 30. 7. 1996 – 43/96 (lexetius.com/1996,517)

[1] Der Zweite Senat des BVerfG hat durch einstimmigen Beschluß Anträge der Bundesregierung verworfen, gegenüber zwei 1938 und 1961 geborenen Antragsgegnern gemäß Artikel 18 GG die Verwirkung von Grundrechten auszusprechen, weil sie rechtsextremistische Auffassungen verbreitet hätten und kämpferisch für sie eingetreten seien. Der Beschluß selbst enthält gemäß § 24 Satz 2 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes keine schriftliche Begründung, weil der Senat mit Schreiben der Vorsitzenden vom 18. Juni 1996 die Antragstellerin – die Bundesregierung, vertreten durch den Bundesminister des Innern – darauf hingewiesen hat, daß Bedenken bestünden, ob die Anträge zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch hinreichend begründet seien. Die Verwerfung des Antrags beruht wesentlich darauf, daß Freiheitsstrafen, zu denen beide Antragsgegner im Zusammenhang mit ihrer rechtsextremistischen Betätigung verurteilt wurden, nach der Antragstellung jeweils zur Bewährung ausgesetzt worden sind. Bei den hierzu angestellten Prognosen haben die Strafgerichte nach eingehender Würdigung die Erwartung für berechtigt gehalten, daß die Antragsgegner ihre rechtsextremistische Gesinnung in Zukunft nicht mehr kämpferisch vertreten und sich daher nicht mehr in der bisherigen Weise strafbar machen werden. Bei dieser Sachlage konnte der Senat jedenfalls nicht feststellen, daß – wie es Artikel 18 GG voraussetzt – die Antragsgegner in Zukunft noch eine Gefahr für die freiheitliche demokratische Grundordnung darstellen.
BVerfG, Beschluss vom 18. 7. 1996 – 2 BvA 1/92