Bundesgerichtshof beanstandet Verurteilung wegen Bestechung eines im Auftrag der Stadtverwaltung tätigen freiberuflichen Prüfingenieurs

BGH, Mitteilung vom 15. 5. 1997 – 31/97 (lexetius.com/1997,490)

[1] Das Landgericht München I hat mehrere Angeklagte unter anderem wegen Bestechung und Betruges zu Freiheitsstrafen verurteilt. Sie hatten als Mitarbeiter der Firma Siemens AG im Zusammenhang mit einem Ausschreibungsverfahren zur Vergabe von Werkaufträgen bei der Errichtung öffentlicher Kläranlagen im München und Kaufbeuren durch Zahlung sechsstelliger Beträge geheime Informationen erlangt. Auf der Grundlage dieser Informationen konnte die Firma Siemens Absprachen über die Abgabe von Scheinangeboten mit Mitbietern treffen.
[2] Gezahlt wurden Schmiergelder an einen freiberuflichen Prüfingenieur, der teils unmittelbar im Auftrag der Stadt, teils im Unterauftrag in die Vorbereitung der Ausschreibung eingeschaltet war. Der Bundesgerichtshof hat die Annahme beanstandet, daß der freiberufliche Prüfingenieur bereits aufgrund seiner Beauftragung durch die Stadtverwaltung ein "Amtsträger" sei und damit – was die Vorschriften über die Bestechung anlangt – Beamten, Richter, Angestellten im öffentlichen Dienst oder Personen, die für den öffentlichen Dienst besonders verpflichtet sind, gleichzustellen sei. Dies entspreche nicht dem Gesetz. Die aus dem Jahre 1974 stammende Regelung im Strafgesetzbuch trägt der neueren Entwicklung, immer mehr Aufgaben der öffentlichen Verwaltung auf Privatpersonen und Unternehmen zu übertragen, nicht in ausreichendem Maße Rechnung. Sie erfaßt mit der Bestechungsvorschrift in vielen Fällen nicht mehr die heutigen Korruptionspraktiken. Eine den heutigen Gegebenheiten entsprechende Auslegung der bestehenden Vorschriften ist nicht möglich.
[3] Der Wegfall der Verurteilung wegen Bestechung führt allerdings nicht ohne weiteres zum Freispruch. Das Landgericht, an das die Sache zurückverwiesen wurde, hat nun zu prüfen, ob die für den privaten Wirtschaftsverkehr geltende Vorschrift des § 12 UWG eingreift oder eine Beteiligung an einer Untreue zum Nachteil der Städte München und Kaufbeuren in Betracht kommt.
[4] Bestätigt hat der Bundesgerichtshof die Verurteilung der Angeklagten wegen Submissionsbetrugs. In der Berücksichtigung von Schmiergeldern bei der Berechnung der Angebotssumme hat das Landgericht rechtsfehlerfrei ein wesentliches Anzeichen für einen Betrugsschaden gesehen.
BGH, Urteil vom 15. 5. 1997 – 1 StR 233/96