Urteil gegen Dr. Johannes Zwick aufgehoben

BGH, Mitteilung vom 19. 12. 1997 – 97/97 (lexetius.com/1997,549)

[1] Das Landgericht Landshut hatte den Angeklagten Dr. Johannes Zwick wegen Steuerhinterziehung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt; die Vollstreckung der Strafe war zur Bewährung ausgesetzt worden. Einen Mitarbeiter des Angeklagten Dr. Zwick hatte das Landgericht wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung zu einer Bewährungsstrafe von neun Monaten und einen Steuerberater in diesem Zusammenhang wegen leichtfertiger Steuerverkürzung zu einer Geldbuße von 15. 000, – DM verurteilt.
[2] Die bayerische Finanzverwaltung wollte in den 80er Jahren gegen die Eltern es Angeklagten Dr. Johannes Zwick, Dr. Eduard und Dr. Angelika Zwick, Steuerschulden in Höhe von 41 Mio. DM sowie steuerliche Nebenleistungen von insgesamt 30 Mio. DM vollstrecken. Da die Eheleute Zwick ihren Wohnsitz in die Schweiz verlegt und ihr wesentliches Vermögen ins Ausland verlagert hatten, nahm der Angeklagte Dr. Johannes Zwick ab Mitte 1984 für seine Eltern mit der Finanzverwaltung Verhandlungen auf. Ziel dieser Gespräche war es ab Mitte 1987, eine einvernehmliche Lösung sämtlicher Steuerangelegenheiten der Eheleute Zwick gegen Zahlung eines einmaligen Betrages zu finden. Die Finanzverwaltung hatte an einer solchen Vereinbarung deshalb Interesse, weil wegen der Verlagerung des Vermögens ins Ausland eine Vollstreckung der Steuerforderungen überwiegend ins Leere ging. Im Rahmen dieser Verhandlungen legte der Angeklagte Dr. Johannes Zwick unter Mitwirkung der anderen beiden Angeklagten eine Aufstellung über das Vermögen seiner Eltern im In- und Ausland zum 31. Dezember 1987 vor, die in mehreren Ansätzen unzutreffend war, so daß sich ein zu geringes "Weltvermögen" ergab. Auf dieser Grundlage einigte man sich Ende 1988 auf einen einmaligen Zahlbetrag in Höhe von 10 Mio. DM. Nachdem der Vater des Angeklagten, Dr. Eduard Zwick, jedoch noch im Dezember 1988 die Zahlung verweigerte, war dieser Versuch einer Einigung fehlgeschlagen (Tatkomplex Bayern I).
[3] Auch im Saarland (Tatkomplex Saarbrücken) gelang es Dr. Eduard Zwick anschließend nicht, eine ihm genehme Lösung mit dem dortigen Finanzministerium auszuhandeln. Erst aufgrund neuer Gespräche kam im Herbst 1990 – ohne Einschaltung des Angeklagten Dr. Johannes Zwick – eine Vereinbarung mit dem Bayerischen Staatsministerium der Finanzen zustande (Tatkomplex Bayern II). Unter Bezugnahme auf die in den Akten noch vorliegenden Unterlagen zum Weltvermögen auf den 31. Dezember 1987 wurde nunmehr eine Niederschlagung sämtlicher Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis und Aufhebung aller noch offenen Vollstreckungsmaßnahmen gegen Zahlung eines einmaligen Betrages von 8, 3 Mio. DM vereinbart; nachdem dieser Betrag bezahlt worden war, wurden von Dr. Eduard Zwick sämtliche Rechtsbehelfe und Klagen gegen die Steuerbescheide zurückgenommen. Als die Unrichtigkeit des Vermögensstatuts bekanntgeworden war, hob der damalige bayerische Finanzminister im Oktober 1993 die Niederschlagung wieder auf.
[4] Das Landgericht hat das gesamte Vorgehen im Beitreibungsverfahren strafrechtlich als eine einzige Straftat angesehen, die erst im November 1990 ihre Beendigung gefunden habe. Somit sei die fünfjährige Verjährung – die mit Beendigung einer Tat zu laufen beginnt – durch einen amtsgerichtlichen Beschluß vom 30. Dezember 1993 rechtzeitig unterbrochen worden. Dasselbe gelte für die Mitangeklagten, bei denen die Verjährung ebenfalls rechtzeitig unterbrochen worden sei.
[5] Diese rechtliche Bewertung hat der für Steuerstrafrecht zuständige 5. (Leipziger) Strafsenat des Bundesgerichtshofs nicht gebilligt. Er hat vielmehr auf der Grundlage der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur sukzessiven Tatbegehung in den zeitlich, örtlich und personell abzugrenzenden Geschehensabschnitten zwischen 1984 und 1990 drei selbständige Taten (Tatkomplex Bayern I und II, Tatkomplex Saarbrücken) gesehen, die strafrechtlich voneinander getrennt zu beurteilen sind. Das hat zur Folge, daß für jede Tat die Verjährungsfrist separat zu berechnen ist. Deshalb ist die erste Tat (Bayern I), die nur eine versuchte Steuerhinterziehung darstellt, an der alle drei Angeklagten bis Ende 1988 aktiv (der Angeklagte Dr. Quack allerdings allenfalls in Form leichtfertigen Handelns) beteiligt waren, im Hinblick auf Dr. Johannes Zwick und seinen Mitarbeiter verjährt. Das Verfahren war insoweit einzustellen. Der amtsgerichtliche Durchsuchungsbeschluß vom 30. Dezember 1993 war für die Verjährungsunterbrechung der mehr als 5 Jahre vorher beendeten Tat nicht mehr rechtzeitig. Der angeklagte Steuerberater war in diesem Zusammenhang aus Rechtsgründen freizusprechen.
[6] Soweit auch in den Vorgängen in Saarbrücken, an denen der Angeklagte Dr. Zwick nur am Rande beteiligt war, ein steuerstrafrechtlich relevantes Verhalten liegen könnte, hat der Senat aufgrund des bisherigen Beweisergebnisses im Urteil des Landgerichts Landshut ausgeschlossen, daß in einer neuen Hauptverhandlung weitere Feststellungen möglich sind, die für eine Verurteilung ausreichen könnten. Insoweit waren alle drei Angeklagten freizusprechen.
[7] Hinsichtlich der dritten, nicht verjährten Tat (Bayern II) muß in einer neuen Hauptverhandlung geklärt werde, ob der Angeklagte Dr. Zwick sich einer Beihilfe durch Unterlassen schuldig gemacht hat, indem er in Kenntnis der erneuten Verhandlungen seines Vaters im bayerischen Finanzministerium dort nicht aufklärte, daß die früheren Angaben zum "Weltvermögen" falsch gewesen waren. Die beiden anderen Angeklagten trifft insoweit kein strafrechtlich relevanter Vorwurf, sie sind auch in diesem Zusammenhang freigesprochen worden.
[8] Die Revision der Staatsanwaltschaft hat der Bundesgerichtshof verworfen. Er hat die Auffassung des Landgerichts bestätigt, daß das Gesetz keine strafrechtliche Regelung für die Hinterziehung von Säumnis- und Verspätungszuschlägen sowie Zwangsgeldern enthält. Die Revision gegen die Höhe der Strafe zum Nachteil von Dr. Johannes Zwick blieb ohne Erfolg. In diesem Zusammenhang durfte das Landgericht u. a. berücksichtigen, daß Dr. Johannes Zwick von den Steuerschulden seines Vaters einen Betrag von 30 Mio. DM selbst getilgt hatte. Durch die Entscheidung des Senats hat sich der strafrechtliche Vorwurf zudem maßgeblich verringert.
[9] Der Senat hat im Einklang mit den übereinstimmenden Anträgen des Generalbundesanwalts und der Verteidigung des Angeklagten Dr. Zwick von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, das Verfahren an ein anderes Landgericht in Bayern zurückzugeben; er hat die Sache an eine Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Hof zurückverwiesen.
BGH, Urteil vom 19. 12. 1997 – 5 StR 569/96