Freistellung zur Erfüllung des Urlaubsanspruchs?

BAG, Mitteilung vom 9. 6. 1998 – 33/98 (lexetius.com/1998,1099)

[1] Nach einer Kündigung haben die Parteien am 1. Juni 1994 sich in einem "Auseinandersetzungsvertrag" über die Auflösung des Arbeitsverhältnisses zum 30. Juni 1994 und die sofortige Freistellung des Klägers von der Arbeitspflicht geeinigt; mit der Zahlung des Junigehalts und der Ausstellung eines qualifizierten Zeugnisses sollten "alle gegenseitigen Forderungen erledigt" sein. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat der Kläger vergeblich die Abgeltung des anteiligen Urlaubs für das erste Halbjahr 1994 verlangt. Die Klage des Arbeitnehmers auf Urlaubsabgeltung war beim Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht ohne Erfolg. Das Landesarbeitsgericht hat zur Begründung der Klageabweisung ausgeführt, allein die Annahme, mit der vereinbarten Freistellung solle der Urlaubsanspruch erfüllt werden, entspreche dem Sinn und Zweck des Auseinandersetzungsvertrages.
[2] Dem ist der Neunte Senat des Bundesarbeitsgerichts nicht gefolgt. Zwar kann durch eine einvernehmliche Freistellung von der Arbeitspflicht auch der vom Arbeitgeber geschuldete Urlaubsanspruch erfüllt werden. Mit einer Freistellung können aber auch andere Ziele verfolgt werden, z. B. den Beschäftigungsanspruch des Klägers zur besseren Wahrung von Geschäftsgeheimnissen auszuschließen oder aus sonstigen Gründen auf die Annahme der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers zu verzichten. Eine Urlaubsgewährung setzt deshalb nach der Rechtsprechung des Neunten Senats voraus, daß der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer erkennbar macht, er befreie ihn von der Arbeitspflicht, um den Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers zu erfüllen. In dem angefochtenen Berufungsurteil fehlen Anhaltspunkte, daß der Kläger die Freistellung als Urlaubsgewährung verstehen mußte.
BAG, Urteil vom 9. 6. 1998 – 9 AZR 43/97; LAG Köln