Fernsehgebühren einschließlich "Aufsichtsgroschen" rechtmäßig
BVerwG, Mitteilung vom 9. 12. 1998 – 40/98 (lexetius.com/1998,1284)
[1] Die Gebührenfinanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist nicht zu beanstanden, auch nicht deswegen, weil ein Anteil von 2 % der Finanzierung der Landesmedienanstalten dient. Das hat heute der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts entschieden.
[2] Der Kläger wandte sich gegen die Erhebung von Rundfunk- und Fernsehgebühren allein für das Bereithalten eines Fernsehers. Es gebe genug private Vollprogramme. Er wolle deshalb ausschließlich die Programme von Privatsendern nutzen und nicht auch noch die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten mitbezahlen. Diese könnten ohne weiteres ihre Programme codiert verbreiten und dann ihre Gebühren allein von den Empfängern mit entsprechenden Decodern verlangen. Außerdem sehe er nicht ein, daß er auch noch die Landesmedienanstalten mitfinanziere. Diese übten Aufsichtsfunktionen aus, die entweder aus Steuermitteln oder aber durch Gebühren finanziert werden müßten, die von den beaufsichtigten Rundfunk- und Fernsehveranstaltern zu erheben wären.
[3] Das Bundesverwaltungsgericht hat diese Angriffe zurückgewiesen. Die Rundfunk- und Fernsehordnung wie auch die Gebührenfinanzierung sind in Staaatsverträgen geregelt, die zwischen Bundesländern abgeschlossen worden sind und Gesetzescharakter haben. Den Ländern als Gesetzgeber steht hinsichtlich der Ausgestaltung des dualen Rundfunksystems mit öffentlich-rechtlichen und privaten Anbietern wie auch hinsichtlich der Finanzierung nicht nur ein Gestaltungsspielraum zu, sondern auch ein Einschätzungsvorrecht. Dieses betrifft einmal die Frage, ob das gesamte Rundfunk- und Fernsehsystem ohne eine Grundversorgung durch die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten hinsichtlich der erforderlichen Meinungs- und Programmvielfalt an nicht hinnehmbaren Defiziten leiden würde. Dies betrifft aber auch die Frage, ob eine andere Form der Finanzierung einen negativen Einfluß auf die Erfüllung dieser Anforderungen haben würde. Die Grenzen dieses Einschätzungsvorrechts werden erst überschritten, wenn sich die Ausgangslage offenkundig und nachhaltig in dem Sinne verändern sollte, daß Programmvielfalt auch so problemlos gewährleistet wäre. Davon ist gegenwärtig nicht auszugehen. Dagegen sprechen schon strukturelle Gründe, insbesondere die nahezu ausschließliche Finanzierung privater Rundfunk- und Fernsehveranstalter durch Werbeeinnahmen und die deshalb zwangsläufig gegebene Abhängigkeit des Programmangebots von den Einschaltquoten. Daher ist in der gegenwärtig im öffentlichen Interesse beizubehaltenden dualen Rundfunkordnung die Gebührenfinanzierung durch alle Teilnehmer an dem System des sich gegenseitig ergänzenden öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunks weiterhin eine dem Auftrag des öffentlichen Rundfunks angemessene Finanzierungsform. Für sie durften sich die Landesgesetzgeber entscheiden. Das öffentlich-rechtliche Fernsehen auf das Pay-TV zu verdrängen, widerspräche hingegen dem Grundversorgungsauftrag. Denn dieser schließt es ein, daß dieser Teil des Programmangebots die Gesamtheit der Bevölkerung erreichen kann.
[4] Für die Finanzierung der Landesmedienanstalten gilt nichts grundsätzlich anderes. Auch diese Anstalten sind wie der Rundfunk staatsfern organisiert. Ihre Organe sind pluralistisch zusammengesetzt und nicht weisungsgebunden. Es handelt sich damit nicht um Staatsverwaltung. Diese Anstalten dienen ebenfalls der Meinungs- und Programmvielfalt im Gesamtsystem des öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunks, unter anderem auch durch Vorsorge gegen Medienkonzentration. Ihre Tätigkeit kommt damit letztlich allen Rundfunk- und Fernsehteilnehmern zugute. Bei dieser Sachlage durften die Landesgesetzgeber der allgemeinen Gebührenfinanzierung gegenüber anderen Finanzierungsformen, die mögliche Abhängigkeiten von den Geldgebern begründet hätten, im Rahmen ihrer Gestaltungsfreiheit den Vorzug geben.
BVerwG, Urteil vom 9. 12. 1998 – 6 C 13.97