Bundesgerichtshof spricht ehemalige Angehörige des Ministeriums für Staatssicherheit vom Vorwurf der Strafvereitelung frei

BGH, Mitteilung vom 5. 3. 1998 – 20/98 (lexetius.com/1998,1374)

[1] Das Landgericht Berlin hat drei ehemalige Angehörige des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS der DDR) der Strafvereitelung schuldig befunden, sie verwarnt und die Verurteilung zu Geldstrafen vorbehalten. Die Angeklagten hatten auf Anweisung von Erich Mielke daran mitgewirkt, daß zwischen 1979 und 1982 zehn ehemalige Mitglieder der terroristischen Vereinigung RAF, die von den Ermittlungsbehörden der Bundesrepublik Deutschland wegen Mordanschlägen und weiterer schwerwiegender Straftaten mit Haftbefehlen gesucht wurden, in die DDR einreisen durften. Die RAF-Aussteiger, deren Aufnahme in die DDR unter anderem an die endgültige Abkehr vom Terrorismus geknüpft wordenwar, erhielten durch Vermittlung des MfS Wohnung und Arbeitsplatz und wurden unter einer neuen Identität in die DDR eingebürgert. Im Juni 1990 wurden alle Aussteiger in der DDR festgenommen und – mit Ausnahme von zwei Personen, deren Straftaten inzwischen verjährt waren – durch Gerichte der Bundesrepublik Deutschland rechtskräftig zu langjährigen Freiheitsstrafen verurteilt.
[2] Der 5. (Leipziger) Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat die Angeklagten freigesprochen. Soweit sich ihr Verhalten gegen die Strafrechtspflege der Bundesrepublik Deutschland richtete, hat er dies damit begründet, daß sich die Angeklagten angesichts der schwierigen völkerrechtlichen Rechtslage des Unrechts ihres Tuns möglicherweise nicht bewußt waren. Soweit ein eigener Strafverfolgungsanspruch der DDR gegen die in der DDR aufgenommenen RAF-Aussteiger in Betracht kam, kam den Angeklagten zugute, daß sie als Angehörige des MfS aufgrund eines militärischen Befehls von Erich Mielke gehandelt hatten.
BGH, Urteil vom 5. 3. 1998 – 5 StR 494/97