Verrechnungsschecks dürfen mit einfachem Brief versandt werden

BGH, Mitteilung vom 16. 6. 1998 – 47/98 (lexetius.com/1998,1395)

[1] Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, daß demjenigen, der zur Übermittlung auch einer hohen Geldleistung einen Verrechnungsscheck mit einfachem Brief zur Post gegeben hat, kein Vorwurf gemacht werden kann.
[2] Die Klägerin stellte am 4. Juli 1995 für ihre Lieferantin in Dresden einen auf die Rüsselsheimer Volksbank gezogenen Scheck über 306. 250, – DM aus, den sie am gleichen Tage in einem einfachen Brief am Schalter der Hauptpost Rüsselsheim ablieferte und der die Adressatin nicht erreichte. Eine unbekannte Person reichte den Scheck am 11. Juli 1995 bei der Beklagten zum Einzug und zur Gutschrift auf ihr Girokonto ein, das sie erst an diesem Tag eröffnet hatte. Das Konto der Klägerin wurde belastet.
[3] Daß die Beklagte schadensersatzpflichtig ist, weil sie bei der Hereinnahme des Verrechnungsschecks grob fahrlässig nicht erkannt hatte, daß der Scheck abhanden gekommen war, war nicht mehr streitig. Es ging allein noch um ein etwaiges Mitverschulden der Klägerin, das der Bundesgerichtshof im Gegensatz zum Oberlandesgericht Stuttgart verneint hat. Er hat u. a. ausgeführt:
[4] Es ist schon zweifelhaft, ob kriminellen Zugriffen auf Postsendungen durch einen Einschreibebrief besser begegnet werden kann als durch einfachen Brief. Angesichts der Massenhaftigkeit des Postverkehrs und der verschwindend geringen Zahl verlorengehender Postsendungen entspricht der Versand mit einfachem Brief jedenfalls dann noch der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt, wenn nicht ohne weiteres erkennbar ist, daß ein Scheck verschickt wird, wie es z. B. bei Fensterumschlägen der Fall sein kann. Es kann auch kein Mitverschulden begründen, wenn die Klägerin ergänzende Sicherheitsmaßnahmen unterließ. Sie war insbesondere nicht gehalten, die Scheckempfängerin telefonisch oder per Fax über den Versand zu informieren. In der kurzen Zeit zwischen Absenden des Schecks und dessen Einlösung hatte die Klägerin auch keinen Anlaß, sich nach dem Zugang des Schecks zu erkundigen.
BGH, Urteil vom 16. 6. 1998 – XI ZR 254/97