Bundesgerichtshof
ZPO § 3
Auch bei der Verurteilung zur Herausgabe von Geschäftsunterlagen richtet sich der Wert der Beschwer nach dem erforderlichen Aufwand an Zeit und Kosten sowie einem etwaigen Geheimhaltungsinteresse des Verurteilten (im Anschluß an BGHZ 128, 85 ff).

BGH, Beschluss vom 14. 7. 1999 – VIII ZR 29/99; OLG Nürnberg (lexetius.com/1999,1001)

[1] Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. Juli 1999 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Deppert und die Richter Dr. Zülch, Dr. Hübsch, Ball und Wiechers beschlossen:
[2] Der Antrag, die Beschwer der Beklagten auf einen 60.000 DM übersteigenden Betrag festzusetzen, wird abgelehnt.
[3] Gründe: I. Der Kläger nimmt die Beklagten im Zusammenhang mit dem Erwerb eines Altersheims auf Herausgabe von Geschäftsbüchern für die Jahre 1983 bis 1988 an die Firma S., hilfsweise auf Herausgabe der Geschäftsbücher an sich, sowie auf Zahlung wegen angeblicher "Unterdeckung" in Anspruch.
[4] Das Landgericht hat durch Teilurteil den mit dem Haupt- und Hilfsantrag verfolgten Herausgabeanspruch abgewiesen. Das Berufungsgericht hat auf die Berufung des Klägers die Beklagten zur Herausgabe der Geschäftsunterlagen der Firma S. für die Zeit von 1986 bis 31. Oktober 1988 an diese Gesellschaft verurteilt und im übrigen die Berufung zurückgewiesen. Dabei hat es das Interesse des Klägers an der Herausgabe der von ihm geforderten Unterlagen auf 100.000 DM geschätzt und dessen Beschwer hinsichtlich der erfolgten Klagabweisung mit 25.000 DM bewertet. Die Beschwer der Beklagten hat es hingegen lediglich nach dem Wert der herauszugebenden Unterlagen sowie dem möglichen Interesse, diese Unterlagen nicht herausgeben zu müssen, bemessen und auf 10.000 DM festgesetzt.
[5] II. Der Antrag der Beklagten, den Wert ihrer Beschwer auf einen 60.000 DM übersteigenden Betrag festzusetzen, ist nicht begründet.
[6] 1. Beim Streit über die Herausgabe von Urkunden ist der Wert der Beschwer, sofern nicht der Besitz der Urkunden unmittelbar den Wert eines Rechts verkörpert, gemäß § 3 ZPO nach freiem Ermessen zu bestimmen. Maßgebend für die Bemessung des Beschwerdewertes des zur Herausgabe verurteilten Beklagten ist dessen Interesse, seine Verurteilung zu beseitigen (BGH, Beschluß vom 13. Juli 1993 – III ZB 26/93, BGHR ZPO § 511 a, Wertberechnung 11; BGH, Beschluß vom 14. Oktober 1993 – IX ZR 104/93, BGHR ZPO § 3, Rechtsmittelinteresse 25 = WM 1993, 2229; Baumbach/Lauterbach, ZPO, 57. Aufl., Anh. § 3 Rdnr. 69). Die Wertfestsetzung des Berufungsgerichts auf einen Betrag bis zu 60.000 DM kann dabei vom Revisionsgericht voll nachgeprüft werden (Senatsbeschluß vom 15. Januar 1997 – VIII ZR 303/96, BGHR ZPO § 546 Abs. 2 Satz 2, Beschwer 2 = NJW 1997, 1241 f).
[7] 2. Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht das Interesse der Beklagten, ihre Verurteilung zur Herausgabe der Geschäftsunterlagen der Firma S. zu beseitigen, d. h. diese Unterlagen nicht herausgeben zu müssen, mit höchstens 10.000 DM bewertet. Wie die Beklagten selbst einräumen, sind die Unterlagen für sie ohne Wert, nachdem das Alterswohnheim durch notariellen Vertrag vom 4. November 1988 an den Kläger verkauft und von diesem Ende November 1988 übernommen worden ist. Der Herausgabeanspruch soll vielmehr der Vorbereitung eines Zahlungsanspruchs des Klägers dienen, den dieser auf Ziffer IV des weiter abgeschlossenen Abtretungsvertrages vom 4. November 1988 sowie auf bis zur Übergabe erfolgte Verwaltungstätigkeit der Beklagten stützt und den er zuletzt mit 1.708.569,21 DM beziffert hat. Daß der Kläger – wie an sich denkbar – darüber hinaus mit der Herausgabeklage die allgemeinen buchhalterischen und kaufmännischen Unterlagen des Unternehmens vervollständigen will, um ein ordnungsgemäßes Arbeiten sowie eine fundierte Kalkulation und Planung zu ermöglichen, hat die Revision nicht aufzuzeigen vermocht. Das Berufungsgericht hat daher zu Recht die vom Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätze zum Wert der Beschwer des zur Auskunftserteilung verurteilten Beklagten herangezogen, wonach insoweit der erforderliche Aufwand an Zeit und Kosten zur Erfüllung des titulierten Anspruchs sowie ein etwaiges Geheimhaltungsinteresse des Verurteilten maßgeblich sind. Das Interesse des Beklagten, die vom Kläger erstrebte und mit der Auskunftsklage vorbereitete Durchsetzung des Leistungsanspruchs zu verhindern oder zu erschweren, bleibt dagegen bei der Bewertung außer Betracht (BGHZ 128, 85 ff). Daß es zur Erfüllung des Herausgabeanspruchs regelmäßig eines geringeren Aufwandes als im Falle der Verurteilung zur Auskunftserteilung bedarf und auch die jeweiligen Verurteilungen unterschiedlich zu vollstrecken sind, rechtfertigt keine andere Beurteilung, jedenfalls nicht zu Gunsten der Beklagten.
[8] 3. Das Berufungsgericht hat daher zutreffend den Wert der Beschwer der Beklagten abweichend von der des Klägers auf einen Betrag von höchstens 10.000 DM festgesetzt.