Keine Bedenken gegen Einführung des Semestertickets an Hochschulen Nordrhein-Westfalens

BVerwG, Mitteilung vom 12. 5. 1999 – 24/99 (lexetius.com/1999,2416)

[1] Das Bundesverwaltungsgericht hat heute über die Klagen zweier Studenten entschieden, die sich gegen die Einführung eines beitragsfinanzierten "Semestertickets" zur verbilligten Inanspruchnahme des öffentlichen Nahverkehrs und die Werbung hierfür durch die Studierendenschaft wandten.
[2] Der Kläger des ersten Verfahrens, ein Studierender an der Universität Münster, begehrte die Unterlassung von Äußerungen der Studierendenschaft zum ökologischen und verkehrspolitischen Nutzen des seit dem Sommersemester 1993 eingeführten Semestertickets (BVerwG 6 C 10.98). Der Kläger des zweiten Verfahrens, ein Student an der Universität-Gesamthochschule Duisburg, verlangte die Rückzahlung des auf das Semesterticket entfallenden Anteils an dem für das Wintersemester 1992/93 entrichteten Studentenbeitrag (BVerwG 6 C 14.98).
[3] Das Bundesverwaltungsgericht hat in beiden Verfahren die Revision der Kläger zurückgewiesen. Es bestehen keine bundesrechtlichen Bedenken dagegen, daß die Studierendenschaften im Rahmen der ihnen durch den nordrhein-westfälischen Landesgesetzgeber übertragenen Aufgabe der Wahrnehmung der "sozialen Belange" ihrer Mitglieder nach Maßgabe der Verhältnisse am Hochschulort ein beitragsfinanziertes Semesterticket einführen. Insbesondere verstößt nicht schon die Errichtung verfaßter Studierendenschaften durch den Landesgesetzgeber gegen Bundesrecht. Sich für eine verbilligte Nutzung des Nahverkehrs durch die Studierenden zu bemühen, gehört unabhängig von der Art und Weise der Finanzierung zu den einer Studierendenschaft legitimerweise übertragbaren Aufgaben. Das umfaßt auch die Einführung eines Semestertickets. Darf sich die Studierendenschaft aber mit seiner Einführung befassen, so darf sie sich hierzu auch werbend äußern. Daß sie insoweit nicht nur auf den finanziellen Vorteil des Semestertickets für die Studierenden, sondern als Nebeneffekt auch auf dessen ökologischen und verkehrspolitischen Nutzen hinweist, bedeutet keine unzulässige Wahrnehmung eines allgemein-politischen Mandats. Der Kläger des einen Verfahrens kann somit eine Unterlassung derartiger Äußerungen nicht verlangen. Der Kläger des anderen Verfahrens kann auch nicht die Rückzahlung des auf das Semesterticket entfallenden Beitragsanteils durchsetzen. Das nordrhein-westfälische Hochschulgesetz bietet nach der Auslegung durch das Berufungsgericht eine ausreichende gesetzliche Grundlage für ein aus den Beiträgen der Studierenden finanziertes Semesterticket. Dieses bringt hier nahezu für alle Studierenden der Universität einen Vorteil im Sinne des Äquivalenzprinzips. Seine Einführung verletzt auch nicht den allgemeinen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Der für das Semesterticket erhobene Beitragsanteil von monatlich 14. – DM – die Monatskarte für Studierende kostete vorher 59. – DM – ist so gering, daß seine Entrichtung auch für Studierende zumutbar ist, die von dem Semesterticket keinen Gebrauch machen wollen. Zudem kann Studierenden, die wegen fehlender wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit den Beitragsanteil für das Semesterticket nicht aufbringen können, der Anteil aus einem "Sozialfonds" erstattet werden.
BVerwG, Urteil vom 12. 5. 1999 – 6 C 10.98