Bundesfinanzhof
EStG § 15 Abs. 2, § 21 Abs. 1 Nr. 1
Das Vermieten eines in die Luftfahrzeugrolle eingetragenen Flugzeugs ohne Sonderleistungen des Vermieters ist regelmäßig keine gewerbliche Tätigkeit, sondern führt zu Einkünften aus Vermietung und Verpachtung i. S. von § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG.

BFH, Urteil vom 2. 5. 2000 – IX R 71/96; FG Münster (lexetius.com/2000,1393)

[1] Gründe: I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) erwarben als Gesellschafter einer zu diesem Zwecke gegründeten Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) im Streitjahr 1992 ein mehrstrahliges Verkehrsflugzeug und vermieteten es mit einem zeitgleich abgeschlossenen Mietvertrag an die Verkäuferin zurück. Die Mieterin hatte nach dem Vertrag ungeachtet der Eigentumsverhältnisse die Stellung als Halterin des Flugzeugs in luftrechtlicher, technischer und flugbetrieblicher Hinsicht zu übernehmen, sämtliche im Rahmen der Nutzung des Flugzeugs anfallenden Wartungs- und Reparaturkosten zu tragen und nach Ablauf der Mietzeit das Flugzeug generalüberholt mit neuen oder grundüberholten Triebwerken an die Vermieterin zurückzugeben.
[2] In ihrer Feststellungserklärung für das Streitjahr machten die Kläger im Zusammenhang mit der Vermietung des Flugzeugs bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung einen Werbungskostenüberschuss von 515 086 DM geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt – FA -) vertrat in dem von ihm erlassenen Feststellungsbescheid die Auffassung, es handele sich um sonstige Einkünfte i. S. von § 22 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
[3] Der gegen diese Zuordnung der Einkünfte gerichtete Einspruch und die Klage blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung seiner ablehnenden Entscheidung u. a. aus, die GbR habe keine Einkünfte aus Gewerbebetrieb nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 EStG erzielt, da sie nur an einen Mieter vermietet und über die Gebrauchsüberlassung hinaus weder mietvertragliche Nebenpflichten noch sonstige Leistungen übernommen habe. Die Vermietung eines Verkehrsflugzeugs führe auch nicht zu Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, weil weder der Tatbestand des § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG (Vermietung von unbeweglichem Vermögen oder grundstücksgleichen Rechten, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegen) noch der Tatbestand des § 21 Abs. 1 Nr. 2 EStG (Vermietung eines Sachinbegriffs) erfüllt sei. Es handele sich deshalb um sonstige Einkünfte i. S. von § 22 Nr. 3 EStG. Das Urteil der Vorinstanz ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1996, 428 veröffentlicht.
[4] Mit ihrer Revision rügen die Kläger Verletzung materiellen Rechts.
[5] Die Kläger beantragen sinngemäß, das Urteil der Vorinstanz aufzuheben und im Streitjahr wegen der Vermietung des Flugzeugs bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung einen Werbungskostenüberschuss in Höhe von 515 086 DM festzustellen.
[6] Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
[7] II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung – FGO -).
[8] Das FG hat die Einkünfte der Kläger aus der Vermietung des Flugzeugs zu Unrecht als sonstige Einkünfte i. S. von § 22 Nr. 3 EStG beurteilt.
[9] 1. Das FG hat zwar zutreffend keine gewerblichen Einkünfte angenommen. Nach § 15 Abs. 2 EStG ist Gewerbebetrieb eine selbständige nachhaltige Betätigung, die mit Gewinnabsicht unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt. Voraussetzung ist ferner, dass sie über den Rahmen einer privaten Vermögensverwaltung hinausgeht (z. B. Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 17. Juni 1998 XR 68/95, BFHE 186, 288, BStBl II 1998, 667). Das Vermieten einzelner beweglicher Gegenstände erfüllt zwar grundsätzlich die Voraussetzungen des § 15 Abs. 2 EStG, geht aber in der Regel über den Rahmen einer privaten Vermögensverwaltung nicht hinaus. Eine gewerbliche Vermietungstätigkeit ist erst dann – ausnahmsweise – anzunehmen, wenn nach dem Gesamtbild der Verhältnisse im Einzelfall besondere Umstände hinzutreten, die der Tätigkeit als Ganzes das Gepräge einer selbständigen, nachhaltigen, von Gewinnstreben getragenen Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr geben, hinter der die eigentliche Gebrauchsüberlassung des Gegenstandes in den Hintergrund tritt (vgl. BFH-Urteil vom 18. Mai 1999 III R 65/97, BFHE 188, 490, BStBl II 1999, 619, m. w. N. – Vermietung einer Segelyacht).
[10] In Anwendung dieser Rechtsgrundsätze hat das FG in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise die Vermietung des Flugzeugs durch die GbR nicht als gewerbliche Tätigkeit qualifiziert. Nach den mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen und damit den Senat bindenden Feststellungen des FG (vgl. § 118 Abs. 2 FGO) hat die GbR das Flugzeug auf Dauer an einen einzigen Mieter vermietet und über die bloße Gebrauchsüberlassung hinaus keine weiteren Pflichten übernommen.
[11] 2. Das FG hat jedoch zu Unrecht das Vorliegen von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung verneint. Nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG zählen hierzu die Einkünfte aus der Vermietung und Verpachtung von unbeweglichem Vermögen, insbesondere von Grundstücken, Gebäuden, Gebäudeteilen, Schiffen, die in ein Schiffsregister eingetragen sind, und Rechten, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegen (z. B. Erbbaurecht, Mineralgewinnungsrecht). Entgegen der Auffassung der Vorinstanz ergibt die Auslegung der Vorschrift, dass zum in ihr genannten unbeweglichen Vermögen auch die in die Luftfahrzeugrolle eingetragenen Flugzeuge zu rechnen sind.
[12] a) Hierfür spricht zunächst der Wortlaut des § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Die Verwendung des Wortes "insbesondere" zeigt, dass die als unbewegliches Vermögen im Sinne der Vorschrift aufgeführten Fälle nicht abschließend zu verstehen sind, sondern den Charakter von Beispielen haben. Die Erwähnung der im Schiffsregister eingetragenen Schiffe macht darüber hinaus deutlich, dass zum unbeweglichen Vermögen i. S. von § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG auch Wirtschaftsgüter gehören können, die zwar nach bürgerlichem Recht bewegliche Sachen darstellen, auf die aber zumindest teilweise dem Grundstücksrecht vergleichbare Vorschriften anzuwenden sind.
[13] b) Aufgrund der zwischenzeitlichen Rechtsentwicklung sind auch die in die Luftfahrzeugrolle eingetragenen Flugzeuge als unbewegliches Vermögen i. S. von § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG zu beurteilen. Die Eintragung in die Luftfahrzeugrolle war (und ist) zwar zunächst – neben der Zulassung – nur eine Voraussetzung für die Teilnahme am Luftverkehr (vgl. § 2 Abs. 1 des Luftverkehrsgesetzes – LuftVG – vom 1. August 1922, RGBl I 1922, 681; jetzt § 2 Abs. 1 Satz 1 LuftVG i. d. F. vom 27. März 1999, BGBl I 1999, 550; ferner Hofmann/Grabherr, Luftverkehrsgesetz, Kommentar, 2. Aufl., § 2 Rn. 28 f.). Durch das Gesetz über Rechte an Luftfahrzeugen (LuftRG) vom 26. Februar 1959 (BGBl I 1959, 57) wurde (u. a.) jedoch für in die Luftfahrzeugrolle eingetragene Luftfahrzeuge ein der Schiffshypothek (s. dazu nachfolgend) nachgebildetes Registerpfandrecht eingeführt (vgl. § 1 LuftRG; ferner Hofmann/Grabherr, a. a. O.; Haupt, Neue Juristische Wochenschrift – NJW – 1974, 1457). Seit dem In-Kraft-Treten des Gesetzes über Rechte an Luftfahrzeugen besteht für in die Luftfahrzeugrolle eingetragene Flugzeuge eine Rechtslage, wie sie bei den in ein Schiffsregister eingetragenen Schiffen bei Einführung des § 38 Abs. 1 Nr. 1 EStG 1925 (jetzt § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG) gegeben war.
[14] aa) Die heutige Fassung des § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG entspricht in Systematik und Aufbau dem durch das Einkommensteuergesetz vom 16. Oktober 1934 (RGBl I 1934, 1005) eingefügten § 21 (Abs. 1 Nr. 1) EStG, der seinerseits auf § 38 (Abs. 1 Nr. 1) des EStG vom 10. August 1925 (RGBl I 1925, 189) zurückzuführen ist. Die Gesetzesmaterialien lassen erkennen, dass der Gesetzgeber alle in der Vorschrift genannten Beispiele – und damit auch die in ein Schiffsregister eingetragenen Schiffe, obwohl sie im bürgerlich-rechtlichen Sinn bewegliche Sachen sind (vgl. Strutz, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 6 Anm. 28, und § 38 Anm. 4; ferner Holch in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 3. Aufl., § 90 Rdnr. 10) – als unbewegliches Vermögen i. S. von § 38 Abs. 1 Nr. 1 EStG 1925 (jetzt § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG) verstanden wissen wollte (vgl. Reichstag III. 1924/1925, Drucks Nr. 795, S. 59; ferner kritisch zur Formulierung des Gesetzes, Strutz, a. a. O.). Ein sachlicher Grund für diese steuerrechtliche Gleichstellung von bestimmten beweglichen Sachen mit Immobilien liegt darin, dass in ein öffentliches Register eingetragene bewegliche Sachen ähnlich wie Immobilien auf Dauer als Einkunftsquellen geeignet und für Zwecke der Besteuerung einfach zu erfassen sind. Dies gilt gleichermaßen für eingetragene Schiffe wie für eingetragene Flugzeuge.
[15] bb) Nach der bei Einführung des § 38 Abs. 1 Nr. 1 EStG 1925 gegebenen Rechtslage wies die Eigentumsübertragung bei in das Schiffsregister eingetragenen Schiffen keine Besonderheit auf; sie erfolgte grundsätzlich gemäß §§ 929 f. des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), d. h. entsprechend den Regeln für bewegliche Sachen (vgl. dazu Erman/Küchenhoff, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 8. Aufl., Vor § 1 Schiffsgesetz Rdnr. 5). Das Schiffsregister hatte – was die Begründung von bürgerlichen Rechten anging – nur insofern Bedeutung, als an den dort registrierten Schiffen gemäß den (inzwischen aufgehobenen) §§ 1259 bis 1272 BGB durch Einigung und Eintragung (ohne öffentlichen Glauben des Registers) ein Pfandrecht bestellt werden konnte, während nicht registrierte Schiffe nach den allgemein für bewegliche Sachen geltenden Vorschriften (§§ 1204 f. BGB) verpfändet wurden (vgl. dazu Erman/Küchenhoff, a. a. O.; ferner Schaps, Das deutsche Seerecht, 2. Aufl., Berlin und Leipzig 1921, S. 12 f.). Eine vergleichbare Rechtslage besteht heute für in die Luftfahrzeugrolle eingetragene Flugzeuge.
[16] cc) Zwar erfolgt seit dem In-Kraft-Treten des Gesetzes über Rechte an eingetragenen Schiffen und Schiffsbauwerken vom 15. November 1940 (RGBl I 1940, 1499) zum 1. Januar 1941 die Begründung, Übertragung, Belastung und Aufhebung von Rechten an in ein Schiffsregister eingetragenen Schiffen nach den Vorschriften dieses Gesetzes, das in weitem Umfang an das Grundstückssachenrecht anknüpft (vgl. dazu Staudinger/Nöll, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen, 13. Aufl., Einleitung zum Schiffsregistergesetz, Rdnr. 13 f.; Erman/Küchenhoff, a. a. O., 9. Aufl., Rdnr. 6 f.). Das ändert aber nichts daran, dass diese Schiffe – nach wie vor – im bürgerlich-rechtlichen Sinn bewegliche Sachen sind (Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 59. Aufl., Überblick vor § 90 Rn. 3). Es ist auch nicht zu erkennen, dass die ab dem Jahre 1941 bestehenden bürgerlich-rechtlichen Besonderheiten die Entscheidung des Steuergesetzgebers beeinflusst haben, die in ein Schiffsregister eingetragenen Schiffe auch weiterhin als Anwendungsfall des unbeweglichen Vermögens i. S. von § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG zu nennen.
[17] c) Danach besteht kein Anlass, die Einkünfte aus einer – wie im Streitfall – keine gewerbliche Tätigkeit darstellenden Vermietung eines in die Luftfahrzeugrolle eingetragenen Flugzeugs anders zu beurteilen als die Einkünfte aus der Vermietung eines in ein Schiffsregister eingetragenen Schiffes; sie sind ebenfalls den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung i. S. von § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG zuzuordnen (im Ergebnis ebenso Jansen, in: Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, § 21 EStG Anm. 93 und 99; Trzaskalik, in: Kirchhof/Söhn, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 21 Rdnr. B 2; Biergans, Einkommensteuer, 6. Aufl., S. 885; a. A. Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, Kommentar, 19. Aufl., § 21 Rz. 53). Für diese Gleichstellung von in die Luftfahrzeugrolle eingetragenen Flugzeugen mit in ein Schiffsregister eingetragenen Schiffen spricht ferner – wie die Revisionskläger zutreffend geltend machen –, dass der Gesetzgeber u. a. die Sonderabschreibungen nach § 51 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. w EStG und die Vollstreckung in das unbewegliche Vermögen gemäß § 322 der Abgabenordnung (AO 1977) jeweils bei in ein Schiffsregister eingetragenen Schiffen und in die Luftfahrzeugrolle eingetragenen Luftfahrzeugen für anwendbar erklärt.
[18] 3. Das FG ist von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen; die angefochtene Entscheidung ist aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG hat – aus seiner Sicht zu Recht – keine Feststellungen dazu getroffen, ob die Kläger im Streitjahr in der geltend gemachten Höhe Vermietungseinkünfte erzielt haben. Darüber hinaus muss das FG prüfen, ob die Kläger bei der Vermietung des Flugzeugs mit Einkünfteerzielungsabsicht gehandelt und damit den Tatbestand des § 21 Abs. 1 EStG auch in subjektiver Hinsicht erfüllt haben (z. B. Senatsurteile vom 30. Juni 1999 IX R 83/95, BFHE 190, 82, und IX R 68/96, BFHE 189, 378, BStBl II 1999, 718).