Bundessozialgericht
Gesetzliche Krankenversicherung – intracytoplasmatische Spermainjektion (ICSI) – kein Ausschluß der Anspruchsberechtigung mit Hinweis auf privaten Versicherungsschutz des Ehegatten – Geltung des Erlaubnisvorbehalts durch Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen – Versicherungsfall – Qualität einer Behandlungsmethode – Prüfung neuer medizinischer Verfahren durch Bundesausschuß – kein Leistungsanspruch bei Fehlen einer Empfehlung – Nichtvorliegen eines Systemmangels
1. Die Krankenkasse kann dem Anspruch ihres Mitglieds auf Maßnahmen der extrakorporalen Befruchtung nicht entgegenhalten, für die betreffenden Leistungen sei die private Krankenversicherung des anderen Ehegatten zuständig.
2. Der Erlaubnisvorbehalt des § 135 Abs 1 SGB 5 gilt auch für neue Methoden der künstlichen Befruchtung.

BSG, Urteil vom 3. 4. 2001 – B 1 KR 22/00 R (lexetius.com/2001,2013)

[1] Tatbestand: Streitig ist, ob die beklagte Krankenkasse Kosten für Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft mittels intrazytoplasmatischer Spermainjektion (ICSI) zu tragen hat. Diese Technik der extrakorporalen Befruchtung wird im wesentlichen bei Ehepaaren angewandt, die infolge einer Fertilitätsstörung des Mannes auf natürlichem Wege keine Kinder zeugen können. In solchen Fällen genügt es in der Regel nicht, Samen- und Eizelle zur spontanen Verschmelzung im Reagenzglas zusammenzubringen (In-vitro-Fertilisation). Vielmehr muß ein einzelnes Spermium mit Hilfe einer mikroskopisch dünnen Nadel unmittelbar in die Eizelle injiziert werden. Die übrigen Einzelschritte des Verfahrens bestehen ebenso wie bei der In-vitro-Fertilisation darin, durch Hormonbehandlung der Frau mehrere Eizellen verfügbar zu machen, dem Körper zu entnehmen und nach dem Befruchtungsvorgang als Embryo wieder in den Körper zu übertragen (sog Embryonentransfer). Die ICSI wurde 1992 erstmals erfolgreich angewandt und hat sich seitdem auch in Deutschland zunehmend durchgesetzt. Die Häufigkeit einer Schwangerschaft wird pro Versuch mit 20 bis 25 % angegeben. Ende 1998 hat die Bundesärztekammer die ICSI als berufsrechtlich zulässiges Mittel der künstlichen Befruchtung in ihre "Richtlinien zur Durchführung der assistierten Reproduktion" (DÄ 1998, A-3166) aufgenommen. Demgegenüber hatte der Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen bereits am 1. Oktober 1997 eine Ergänzung seiner auf § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 10 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) basierenden Richtlinien über ärztliche Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung dahingehend beschlossen, daß die ICSI in der gesetzlichen Krankenversicherung bis auf weiteres nicht angewandt werden darf (BAnz 1997 Nr 243). Er hat hieran auch nach der Entscheidung der Bundesärztekammer ausdrücklich festgehalten und dies wie schon zuvor damit begründet, daß nach seiner Auffassung die bisher vorliegenden Unterlagen nicht ausreichen, die Unbedenklichkeit der Technik, insbesondere im Hinblick auf das Risiko einer erhöhten Rate von Fehlbildungen und genetischen Schäden bei den nach ICSI geborenen Kindern, zu belegen (vgl das Votum des Arbeitsausschusses Familienplanung vom 5. Oktober 1998 und die gemeinsame Stellungnahme der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Spitzenverbände der Krankenkassen vom 26. November 1998 – Die Leistungen 1999, 113).
[2] Der 1964 geborene Kläger ist Mitglied der Beklagten; seine Ehefrau ist privat versichert. Der Kinderwunsch der Eheleute konnte wegen einer kombinierten Fertilitätsstörung (Oligo-Astheno-Teratozoospermie beim Kläger; Hinweise auf eine Endometriose bei der Ehefrau) bisher nicht verwirklicht werden. Einen Antrag auf Übernahme der Kosten für eine extrakorporale Befruchtung mit ICSI beschied die Beklagte mit Schreiben vom 30. Juli 1996 zunächst dahin, daß sie die Kosten der Maßnahmen übernehme, die bei ihrem Versicherten durchgeführt würden. Es genüge, daß der Kläger dem Arzt seine Krankenversichertenkarte "zur Abrechnung der im Rahmen der In-vitro-Fertilisation der Kasse zugeschriebenen Gebührenpositionen" vorlege. Die Eheleute ließen die ICSI-Behandlung im August 1996 durchführen und versuchten zunächst eine Abrechnung über die private Krankenversicherung der Ehefrau. Als diese sich weigerte, die Kosten zu übernehmen, weil es sich um eine Behandlung des Ehemannes handele, erfolgte eine privatärztliche Abrechnung zu Lasten des Klägers. Die Beklagte lehnte eine Kostenerstattung mit der Begründung ab, daß die ICSI sich noch im Erprobungsstadium befinde. Sie als Krankenkasse des Klägers sei im übrigen nur für diejenigen Leistungen zuständig, die bei ihrem Versicherten durchgeführt würden. Die ICSI müsse als Begleitleistung der In-vitro-Fertilisation der Ehefrau zugeordnet und von deren privatem Versicherer übernommen werden (Bescheid vom 20. August 1997; Widerspruchsbescheid vom 12. Februar 1998).
[3] Klage und Berufung sind ohne Erfolg geblieben. Nach Auffassung des Landessozialgerichts (LSG) kann in dem Schreiben der Beklagten vom 30. Juli 1996 keine Zusicherung einer Kostenübernahme im Sinne des § 34 Abs 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) gesehen werden. Aus dem Inhalt des Schreibens ergebe sich, daß die Beklagte keine Leistung außerhalb des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung habe erbringen wollen. Auch ein Herstellungsanspruch wegen der unzulänglichen Beantwortung des Kostenübernahmeantrags komme nicht in Betracht. In der Sache selbst könne offenbleiben, ob die ICSI versicherungsrechtlich dem Mann oder der Frau zuzuordnen sei. Der Kostenerstattungsanspruch scheitere schon daran, daß die Methode nicht zu den von der Krankenversicherung geschuldeten Leistungen zähle. Neuartige Techniken der künstlichen Befruchtung seien genauso wie neue Methoden der Krankenbehandlung erst dann Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung, wenn der Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen ihre Wirksamkeit und Zweckmäßigkeit anerkannt habe. Ein dahingehendes Votum habe jedoch nicht vorgelegen. Der Bundesausschuß habe im Gegenteil im Oktober 1997 in den Richtlinien nach § 27a Abs 4, § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 10 SGB V festgelegt, daß die ICSI derzeit nicht als Methode der künstlichen Befruchtung in Betracht komme. Die Begründung der ablehnenden Entscheidung mit dem ungeklärten Fehlbildungsrisiko halte sich im Rahmen der Vorgaben aus § 2 Abs 1 Satz 3 und § 12 Abs 1 SGB V und begegne keinen Bedenken.
[4] Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 13 Abs 3 und des § 27a SGB V. Die ablehnende Stellungnahme des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen zur ICSI stehe dem Klageanspruch nicht entgegen, denn die Richtlinien des Bundesausschusses seien für das Leistungsrecht der Krankenversicherung nicht verbindlich. Normative Wirkung komme ihnen nicht zu, da dem Bundesausschuß entgegen der Auffassung des Bundessozialgerichts (BSG) keine Rechtsetzungsbefugnisse übertragen werden könnten. Auch eine indirekte Bindung an die in den Richtlinien ausgesprochenen Empfehlungen scheide im vorliegenden Fall aus, weil der Ausschluß der ICSI gegen höherrangiges Recht verstoße. Mit dem Fehlen ausreichender Untersuchungen zu den Risiken der Behandlung könne der Leistungsausschluß nicht begründet werden. Das Gesetz schreibe entsprechende statistische Erhebungen im Rahmen der Qualitätssicherung nicht vor. Für eine erhöhte Fehlbildungsrate bei den nach ICSI geborenen Kindern bestehe nach derzeitigem Erkenntnisstand kein Anhalt, was ua die Bundesärztekammer dazu bewogen habe, das Verfahren als unbedenklich einzustufen. Der Ausschluß der Behandlungsmethode ausschließlich aufgrund eines möglichen Mißbildungsrisikos stelle eine eugenische Entscheidung dar, zu welcher der Bundesausschuß nicht legitimiert sei.
[5] Der Kläger beantragt, die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 14. März 2000 und des Sozialgerichts Köln vom 24. August 1998 sowie den Bescheid der Beklagten vom 20. August 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Februar 1998 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger die Kosten der intrazytoplasmatischen Spermainjektion in Höhe von DM 2. 392, 90 zu erstatten.
[6] Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
[7] Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Im übrigen bekräftigt sie ihren Standpunkt, für die streitgegenständlichen Maßnahmen nicht zuständig zu sein, da es sich ausschließlich um Leistungen bei der Ehefrau des Klägers gehandelt habe.
[8] Entscheidungsgründe: Die Revision des Klägers ist unbegründet.
[9] Zutreffend geht das LSG davon aus, daß ein Kostenerstattungsanspruch nicht auf das Schreiben der Beklagten vom 30. Juli 1996 gestützt werden kann.
[10] Eine Zusicherung iS von § 34 Abs 1 SGB X, wie sie das Berufungsgericht erwogen hat, kommt insoweit von vornherein nicht in Betracht, denn das genannte Schreiben bezieht sich nicht auf einen noch zu erlassenden Verwaltungsakt, sondern auf die nach § 27a SGB V zu gewährende Leistung selbst. Es könnte daher allenfalls als eine verbindliche Leistungsbewilligung (Kostenzusage) interpretiert werden (vgl BSGE 77, 227, 228 = SozR 3—2500 § 29 Nr 3 S 11; zur Abgrenzung zwischen Zusicherung und abschließender Entscheidung auch: Senatsurteil vom 11. Juli 2000 – SozR 3—1300 § 39 Nr 7 S 10). Eine Kostenzusage ist in dem Schreiben aber weder enthalten, noch konnte sein Inhalt vom Kläger bei objektiver Würdigung so verstanden werden (zur Maßgeblichkeit des objektiven Empfängerhorizonts bei der Auslegung behördlicher Willenserklärungen: BSG SozR 3—1300 § 34 Nr 2 S 4; vgl auch BSG Breith 1999, 957, 959). Mit dem als Kurzmitteilung abgefaßten Brief vom 30. Juli 1996 hatte die Beklagte auf die Vorlage eines ärztlichen Attests vom 5. Juli 1996 reagiert, in dem der Frauenarzt Dr. P. um Erstattung der Kosten einer extrakorporalen Befruchtung mit ICSI gebeten hatte, weil dies angesichts der beim Kläger und seiner Ehefrau bestehenden kombinierten Fertilitätsstörung die einzig sinnvolle Behandlungsalternative darstelle. Die Antwort der Beklagten ging dahin, daß die Kasse nur Kosten der Maßnahmen übernehme, die beim Kläger durchgeführt würden; zur Abrechnung der im Rahmen der In-vitro-Fertilisation der Kasse zugeschriebenen Gebührenpositionen könne dem Arzt einfach die Krankenversichertenkarte vorgelegt werden. Daraus ergab sich gerade nicht, daß die Beklagte für die Kosten der Mikroinjektion und des Embryonentransfers aufkommen wollte, denn es handelt sich weder nach allgemeinem Sprachverständnis noch nach der Praxis der Krankenkassen (siehe das Gemeinsame Rundschreiben der Spitzenverbände vom 29. Juni 1990 – WzS 1990, 308) um Leistungen, die "bei" dem Kläger ausgeführt werden sollten. Auch bezog sich eine etwaige Zusage allenfalls auf die Gewährung von Sachleistungen und nicht auf die Erstattung von Kosten für eine selbstbeschaffte Behandlung. Demgegenüber kann sich der Kläger nicht darauf berufen, ihm als Laien seien diese Zusammenhänge nicht bekannt gewesen. Es mag sein, daß das Antwortschreiben der Beklagten einem mit der Materie nicht vertrauten Leser als Zusage erscheinen konnte. Hier ist aber zu beachten, daß die zugrundeliegende Anfrage nicht vom Kläger selbst, sondern von seinem mit der Abrechnung medizinischer Leistungen vertrauten Arzt verfaßt worden war. Angesichts dessen durfte die Beklagte in derselben fachbezogenen Weise antworten und davon ausgehen, daß der Kläger entweder selbst über den für eine rechtliche Bewertung erforderlichen Sachverstand verfügen oder auch das Antwortschreiben wiederum mit seinem Arzt besprechen werde.
[11] Auch das materielle Recht bietet für die Klageforderung keine Grundlage. Ein Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs 3 SGB V scheidet aus, weil die Beklagte die streitige Leistung nicht geschuldet hat.
[12] Nach § 27a Abs 1 SGB V umfassen die Leistungen der Krankenbehandlung medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft, wenn diese nach ärztlicher Feststellung erforderlich und erfolgversprechend sind und wenn die Personen, welche die Maßnahmen in Anspruch nehmen wollen, miteinander verheiratet sind und ausschließlich Ei- und Samenzellen der Ehepartner verwendet werden (sogenanntes homologes System). Weitere Voraussetzung ist, daß sich die Ehegatten vor Durchführung der Maßnahmen von einem Arzt, der die Behandlung nicht selbst vornimmt, über eine solche Therapie unter Berücksichtigung ihrer medizinischen und psychosozialen Gesichtspunkte haben unterrichten lassen und der Arzt sie an einen der Ärzte oder an eine der Einrichtungen überwiesen hat, denen eine Genehmigung nach § 121a SGB V erteilt worden ist. Ob letzteres im vorliegenden Fall geschehen ist, läßt sich weder dem angefochtenen Urteil noch den darin in Bezug genommenen Akten entnehmen, kann hier aber zugunsten des Klägers unterstellt werden.
[13] Die Klage scheitert nicht daran, daß § 27a Abs 3 SGB V die Leistungspflicht der Krankenkasse bei der künstlichen Befruchtung auf Maßnahmen beschränkt, die "bei" ihrem Versicherten durchgeführt werden. Die Leistungen, um deren Kosten es geht, sind zwar nicht beim Kläger, sondern außerhalb des Körpers in einem Kulturgefäß ("in vitro") bzw – wie die Eizellgewinnung und der Embryonentransfer – im wesentlichen bei der Ehefrau erbracht worden. § 27a Abs 3 SGB V kann aber entgegen dem Eindruck, den der Wortlaut vermittelt, nicht dahin verstanden werden, daß die jeweilige Krankenkasse nur für Untersuchungen oder Eingriffe aufzukommen habe, die unmittelbar am Körper ihres Versicherten vorgenommen werden. Würde die Vorschrift so ausgelegt, blieben bei den in der Praxis dominierenden Verfahren der extrakorporalen Befruchtung die wesentlichen Teile der Behandlung von der Leistungspflicht ausgenommen, weil sie sich, wie die In-vitro-Fertilisation und die Spermainjektion, keinem der Ehegatten zuordnen lassen. Ein teilweiser Leistungsausschluß war aber mit der Regelung nicht beabsichtigt. Ausweislich der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 11/6770, S 15) sollte lediglich "klargestellt werden, daß – für den Fall, daß die Ehegatten nicht in derselben Krankenkasse versichert sind oder daß nur einer der Ehegatten in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert ist – die Leistungen für den anderen Ehegatten keine 'Nebenleistungen' zu den Leistungen an dem versicherten Ehegatten und daher nicht von seiner Krankenkasse zu übernehmen sind". Der Gesetzgeber wollte offensichtlich Schlußfolgerungen entgegenwirken, wie sie die Rechtsprechung in anderen Fällen der Einbeziehung Dritter in eine Behandlung gezogen hatte (vgl etwa BSGE 35, 102, 103 = SozR Nr 54 zu § 182 RVO; BSGE 79, 53, 54 = SozR 3—2500 § 27 Nr 7 S 22 zur Behandlung des Organspenders als Nebenleistung bei der Organtransplantation; BSG SozR 2200 § 199 Nr 4 S 8 zur Anstaltspflege für einen gesunden Säugling als Nebenleistung zur Entbindungsanstaltspflege der Mutter). Durch § 27a Abs 3 SGB V werden daher im Ergebnis nur solche Maßnahmen von der Leistungspflicht der Krankenkasse ausgenommen, die unmittelbar und ausschließlich am Körper des anderen, nicht bei ihr versicherten Ehegatten ausgeführt werden. Darum handelt es sich hier nicht, denn die streitigen Kosten betreffen sämtlich Leistungen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Zusammenführung der Keimzellen außerhalb des Körpers stehen.
[14] Welchem Ehegatten diese extrakorporalen Maßnahmen zugerechnet werden und wessen Krankenkasse sie zu erbringen hat, ist dem Gesetz unmittelbar nicht zu entnehmen. Die wegen des Standorts der Vorschrift im Leistungsrecht der Krankenversicherung naheliegende Annahme, die nicht unmittelbar personenbezogenen Leistungen sollten der Versicherung desjenigen Partners angelastet werden, dessen Infertilität die Behandlung notwendig macht, erweist sich bei näherer Betrachtung als nicht zwingend. Denn obwohl § 27a Abs 1 SGB V die Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft rechtstechnisch den Leistungen der Krankenbehandlung zuordnet, handelt es sich nicht um Krankenbehandlung im eigentlichen Sinne. Das Gesetz knüpft die Leistungspflicht der Krankenkasse nicht an einen regelwidrigen Körper- oder Geisteszustand ihres Mitglieds, sondern an die ungewollte Kinderlosigkeit des Ehepaares und die daraus resultierende Notwendigkeit einer künstlichen Befruchtung. Vorausgesetzt wird allein, daß die vorgesehenen Maßnahmen zur Herbeiführung der gewünschten Schwangerschaft erforderlich und erfolgversprechend sind. Welche Umstände die Infertilität verursachen und ob ihr eine Krankheit im krankenversicherungsrechtlichen Sinne zugrunde liegt, ist unerheblich. Ein Leistungsanspruch besteht auch dann, wenn keiner der Eheleute nachweisbar krank ist und die Unfruchtbarkeit des Paares medizinisch nicht erklärt werden kann (sog idiopathische Sterilität); denn aus medizinischer Sicht wird auch bei dieser Fallgestaltung eine Indikation zur künstlichen Befruchtung bejaht (vgl Nr 3. 2. 1 der Richtlinien der Bundesärztekammer zur Durchführung der assistierten Reproduktion, DÄ 1998, A-3166). Nicht die Krankheit, sondern die Unfähigkeit des Paares, auf natürlichem Wege Kinder zu zeugen und die daraus resultierende Notwendigkeit einer künstlichen Befruchtung bildet den Versicherungsfall.
[15] Für die Absicht des Gesetzgebers, mit der Indikation zur künstlichen Befruchtung einen eigenständigen Versicherungsfall zu schaffen, sprechen auch die Entstehungsgeschichte des § 27a SGB V und die Gesetzesbegründung (zur Rechtsentwicklung vgl auch Urteil des 8. Senats des BSG vom 25. Mai 2000 – SozR 3—2500 § 27a Nr 1 S 3 f – Kryokonservierung). Ob Maßnahmen der künstlichen Befruchtung zu den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung gehören, war bis zum Inkrafttreten des SGB V streitig und in der Rechtsprechung nicht geklärt (vgl BSGE 66, 248, 249 f = SozR 3—2200 § 182 Nr 2 S 4 f; LSG Rheinland-Pfalz, MedR 1987, 130, 131; LSG Niedersachsen, Breith 1989, 712, 713). Im Gesundheits-Reformgesetz vom 20. Dezember 1988 (BGBl I 2477) hat der Gesetzgeber die Frage durch die Ausschlußvorschrift des damaligen § 27 Satz 5 SGB V zunächst negativ entschieden, weil er davon ausging, daß "Leistungen, mit denen eine künstliche Befruchtung herbeigeführt wird, außerhalb des Aufgabenbereichs der GKV liegen" (so die amtliche Begründung zum Entwurf der Bundesregierung, BT-Drucks 11/2237 S 170). Mit der Einführung des § 27a SGB V durch das KOV-Anpassungsgesetz vom 26. Juni 1990 (KOV-AnpG 1990, BGBl I 1211) hat er diese Position zwar aufgegeben, zugleich aber die Sonderstellung der künstlichen Befruchtung im Leistungssystem der Krankenversicherung deutlich gemacht. In der Gesetzesbegründung wird nicht auf den einzelnen von Unfruchtbarkeit betroffenen Ehepartner abgestellt, sondern "den Ehegatten" ein Anspruch auf Maßnahmen der künstlichen Befruchtung eingeräumt (BT-Drucks 11/6760 S 10). Dieser Anspruch wird von den Behandlungsmaßnahmen nach § 27 SGB V abgegrenzt; er besteht erst, wenn diese keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (mehr) bieten, nicht möglich oder unzumutbar sind (BT-Drucks 11/6760 S 14). Die künstliche Befruchtung wird nur deshalb der Krankenbehandlung gleichgestellt, damit die einschlägigen Regelungen des SGB V auf sie anwendbar und besondere Verweisungsvorschriften entbehrlich sind (vgl BT-Drucks 11/6760 S 14 f und die Stellungnahme des Vertreters der Bundesregierung in der 122. Sitzung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung vom 25. April 1990, Protokolle des Deutschen Bundestages, 11. Wahlperiode, Protokoll Nr 122 S 17).
[16] Die Bindung des Anspruchs auf Maßnahmen der künstlichen Befruchtung an einen regelwidrigen Gesundheitszustand des Versicherten ließe sich schließlich mit der Leistungszusage in § 27a Abs 1 SGB V nicht vereinbaren, denn sie hätte zur Folge, daß der gesunde Partner die Kosten der Maßnahmen, die bei ihm erbracht werden, selbst tragen müßte. Es kann jedoch ausgeschlossen werden, daß der Gesetzgeber die an dem gesunden Partner notwendig vorzunehmenden medizinischen Maßnahmen von der Leistungspflicht der Krankenversicherung ausnehmen wollte. Gegenteiliges läßt sich auch der bereits angesprochenen Regelung in § 27a Abs 3 SGB V nicht entnehmen. Die Vorschrift begrenzt zwar die Leistungszuständigkeit der einzelnen Krankenkasse, besagt aber nicht, daß die bei dem anderen Ehegatten durchzuführenden Leistungen nicht Gegenstand der Versicherung wären. Vielmehr wird lediglich die Kostenlast zwischen den beteiligten Kassen aufgeteilt. Sind beide Eheleute gesetzlich versichert, können sie zusammen die Übernahme aller zur Herbeiführung der Schwangerschaft notwendigen medizinischen Leistungen verlangen, ohne daß es darauf ankommt, bei wem die Ursache für die Kinderlosigkeit zu suchen ist. Daraus ergibt sich als Konsequenz, daß (auch) der gesunde Ehegatte gegen seine Kasse einen Anspruch erwerben kann, obwohl bei ihm keine behandlungsbedürftige Störung besteht und ein entsprechender Versicherungsfall mithin nicht eingetreten ist. Hieran zeigt sich wiederum, daß in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht die Krankheit des versicherten Ehepartners, sondern die Sterilität des Paares den Anspruch auf Maßnahmen der künstlichen Befruchtung begründet.
[17] Aus diesem Befund folgt, daß bei ungewollter Kinderlosigkeit grundsätzlich jeder Ehegatte gegen seine Krankenkasse einen Anspruch auf alle zur Herbeiführung einer Schwangerschaft notwendigen Maßnahmen hat und nur die in § 27a Abs 3 SGB V genannten "Nebenleistungen" bei dem anderen Ehegatten hiervon ausgenommen sind. Sind beide Eheleute gesetzlich krankenversichert, muß allerdings die zuständige Krankenkasse bestimmt werden, weil die Leistungen im Ergebnis nur einmal beansprucht werden können. Da sich die Einzelansprüche der Eheleute bei dieser Konstellation lückenlos zu einem Anrecht des Paares auf alle für die künstliche Befruchtung notwendigen Leistungen ergänzen, muß sich die Kassenzuständigkeit nicht zwangsläufig nach der Ursache der Fruchtbarkeitsstörung richten, sondern kann, ohne daß dem Ehepaar ein Nachteil entsteht, auch nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten bestimmt werden, um den beteiligten Kassen eine praktikable, unnötigen Verwaltungsaufwand vermeidende Handhabung zu ermöglichen. Der Senat hat deshalb für diese Fälle die auf dem Gemeinsamen Rundschreiben der Spitzenverbände der Krankenkassen vom 29. Juni 1990 (WzS 1990, 308) basierende und auch in den Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über ärztliche Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung vom 14. August 1990 (BArbBl 12 S 21 unter Ziffer 3) vorgesehene Verfahrensweise gebilligt, unabhängig von den Ursachen der Kinderlosigkeit grundsätzlich alle extrakorporalen Maßnahmen kostenmäßig der Kasse der Frau zuzuordnen, bei der die Schwangerschaft eintreten soll (Urteil vom 3. April 2001 – B 1 KR 40/00 R, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). Die Leistungsansprüche der Ehegatten werden dadurch aber nicht berührt, so daß die Kasse ihrem Versicherten grundsätzlich nicht entgegenhalten kann, die Kosten der In-vitro-Fertilisation und der Spermainjektion müßten von der Versicherung des anderen Ehegatten getragen werden. Das gilt namentlich dann, wenn nur der eine Ehegatte Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse und der andere privat versichert ist. Die Rechtslage in der privaten Krankenversicherung oder im Beihilferecht unterscheidet sich wesentlich von derjenigen in der gesetzlichen Krankenversicherung. Es gibt dort für Maßnahmen der künstlichen Befruchtung keine gesonderte Regelung; sie können deshalb nur beansprucht werden, soweit sie sich als medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten bzw beihilfeberechtigten Person wegen Krankheit darstellen (vgl § 1 der Musterbedingungen des Verbandes der privaten Krankenversicherung für die Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung und dazu BGH NJW 1998, 824 = VersR 1998, 87 = MDR 1998, 285; zum Heilfürsorgeanspruch im öffentlichen Dienst: VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27. Oktober 1993 – 11 S 498/93). Ist – wie im vorliegenden Fall – nur der Ehemann Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse und besteht bei ihm die krankhafte Störung, derentwegen eine künstliche Befruchtung notwendig ist, bliebe dem betroffenen Ehepaar die in § 27a Abs 1 SGB V zugesagte Behandlung im Ergebnis versagt, weil bei dem männlichen Partner – von dem seltenen Ausnahmefall der Notwendigkeit einer operativen Spermienentnahme aus den Hoden oder Nebenhoden abgesehen – keine medizinischen Leistungen anfallen und sowohl die In-vitro-Fertilisation als auch die ICSI als extrakorporale Maßnahmen der Frau zugerechnet würden, deren private Versicherung und/oder Beihilfe jedoch mangels Krankheit nicht einträte. Ein solches Ergebnis ließe sich mit der gesetzlichen Regelung nicht vereinbaren.
[18] Wenn der Kläger somit auch im Grundsatz alle zur extrakorporalen Befruchtung notwendigen medizinischen Leistungen mit Ausnahme der bei seiner Ehefrau vorzunehmenden Maßnahmen von seiner Krankenkasse verlangen kann, so scheitert er mit dem erhobenen Anspruch dennoch, weil die ICSI zur Zeit der Behandlung im August 1996 (noch) nicht zu den in der gesetzlichen Krankenversicherung zugelassenen Methoden der künstlichen Befruchtung gehörte. Letzteres folgt aus § 135 Abs 1 SGB V in Verbindung mit den Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Einführung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (NUB-Richtlinien). Nach § 135 Abs 1 SGB V in der hier anzuwendenden Fassung des Gesundheitsstrukturgesetzes vom 21. Dezember 1992 (BGBl I 2266) dürfen neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur abgerechnet werden, wenn der Bundesausschuß in Richtlinien nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 5 SGB V Empfehlungen ua über die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode abgegeben hat. Damit wird zugleich der Leistungsanspruch des Versicherten begrenzt: Solange der Bundesausschuß die umstrittene Therapie nicht empfohlen hat, ist nicht nur ein entsprechender Sachleistungsanspruch, sondern auch eine Kostenerstattung nach § 13 Abs 3 SGB V ausgeschlossen. Denn letztere kann nur für Leistungen beansprucht werden, die zumindest ihrer Art nach zum Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung gehören (ständige Rechtsprechung, siehe zuletzt Senatsurteil vom 28. März 2000 – BSGE 86, 54, 56 = SozR 3—2500 § 135 Nr 14 S 61 f mwN).
[19] Neuartige Methoden der künstlichen Befruchtung sind von dem Erlaubnisvorbehalt in § 135 Abs 1 SGB V nicht ausgenommen. Die Zuordnung der Maßnahmen nach § 27a SGB V zur Krankenbehandlung bewirkt, daß die für die Krankenbehandlung maßgebenden Vorschriften auch für sie gelten, soweit das Gesetz keine abweichenden Regelungen trifft. Das ist für die in Rede stehende Materie weder ausdrücklich noch sinngemäß geschehen. Es ist auch nichts dafür ersichtlich, daß der Gesetzgeber medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft abweichend von anderen ärztlichen Therapieverfahren ohne vorherige Qualitätsprüfung zur Anwendung kommen lassen wollte. Sein Konzept, durch ein Zulassungsverfahren im Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen sicherzustellen, daß nur ausreichend erprobte und medizinisch sinnvolle Untersuchungs- und Behandlungsmethoden neu in den Leistungskatalog der Krankenversicherung aufgenommen werden, bezieht sich auf die ambulante ärztliche Versorgung in ihrer Gesamtheit und schließt deshalb Maßnahmen der künstlichen Befruchtung mit ein. Die Geltung des § 135 Abs 1 SGB V wird schließlich nicht dadurch in Frage gestellt, daß die medizinischen Einzelheiten zu Voraussetzungen, Art und Umfang der Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft gemäß § 27a Abs 4 SGB V in besonderen Richtlinien nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 10 SGB V zu regeln sind. Entgegen der Auffassung des LSG wird die Ermächtigung zum Erlaß von Richtlinien über die Einführung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 5 SGB V durch diese spezielle Ermächtigung nicht verdrängt. Der Regelungsauftrag in § 27a Abs 4 SGB V beschränkt sich nach Wortlaut und Systematik auf eine Konkretisierung der in Absatz 1 der Vorschrift aufgestellten Leistungsvoraussetzungen. Dazu gehören Regelungen über die Indikationen für die einzelnen Befruchtungstechniken, die Kriterien für die Feststellung der geforderten Erfolgsaussicht oder die Anforderungen an die fachliche Qualifikation des unterrichtenden Arztes sowie weitere Einzelheiten der Durchführung der Maßnahmen (vgl die amtliche Begründung zum Entwurf des KOV-AnpG 1990, BT-Drucks 11/6760 S 15). Dagegen kann der Vorschrift keine Befugnis entnommen werden, über die Zulassung von Methoden der künstlichen Befruchtung zu befinden oder solche Methoden von der Leistungspflicht der Krankenversicherung auszuschließen. Aber auch wenn dies anders beurteilt würde und § 27a Abs 4 SGB V Leistungsausschlüsse grundsätzlich zuließe, wären die hier interessierenden Entscheidungen aus rechtssystematischen Gründen in den Richtlinien nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 5 SGB V zu treffen. Denn § 135 Abs 1 SGB V erweist sich bei neuen Maßnahmen der künstlichen Befruchtung als die gegenüber § 27a Abs 4 SGB V speziellere Ermächtigungsnorm. Methoden zur Überwindung der Sterilität stellen zwar einen Teilbereich der Gesamtheit der Behandlungsmethoden dar; hiervon sind die neuen Methoden der künstlichen Befruchtung jedoch wiederum eine Untergruppe, so daß die für die Einführung neuer Methoden getroffenen Regelungen vorrangig sind.
[20] Bei der künstlichen Befruchtung mittels Spermainjektion handelt es sich um eine neue Behandlungsmethode iS von § 135 Abs 1 SGB V. Die ICSI ist bisher nicht Gegenstand der vertragsärztlichen Versorgung. Der Einheitliche Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen enthält Abrechnungsziffern nur für die einfache In-vitro-Fertilisation einschließlich Embryotransfer (Gebührennummern 1180 ff). Darunter läßt sich die ICSI nicht subsumieren, so daß sie als Sachleistung zu Lasten der Krankenkassen nicht erbracht und abgerechnet werden kann. Eine Verwandtschaft zu einer anerkannten Methode, die eine Qualitätsprüfung erübrigen könnte, ist nicht erkennbar. Die Gemeinsamkeit mit der konventionellen In-vitro-Fertilisation ohne ICSI erschöpft sich darin, daß die Befruchtung extrakorporal stattfindet und daß deshalb Eizellen und Spermien dem Körper entnommen sowie Embryonen in den Körper eingebracht werden müssen. Der Befruchtungsvorgang selbst wird bei der In-vitro-Fertilisation lediglich begünstigt, während er bei der ICSI gezielt manipuliert wird. Infolgedessen kann die medizinische Bewertung des Zusammenbringens von Samen- und Eizelle in einer die Befruchtung begünstigenden Umgebung bei der In-vitro-Fertilisation auf den technisch völlig anderen Vorgang des Eindringens in die Eizelle mit einer Injektionsnadel bei der ICSI nicht übertragen werden. Die Tatsache, daß die In-vitro-Fertilisation vorwiegend bei Funktionsstörungen der weiblichen Eileiter, die ICSI dagegen bei gestörter Fertilität des Mannes zum Einsatz kommt, unterstreicht ebenso wie die Diskussion um die ethische Vertretbarkeit und die besonderen Risiken der ICSI die Notwendigkeit einer eigenständigen medizinischen Bewertung dieser Befruchtungstechnik.
[21] Unter diesen Umständen fällt nicht ins Gewicht, daß die ICSI nicht auf anderen medizinisch-wissenschaftlichen Grundlagen beruht als die In-vitro-Fertilisation. Nach der Rechtsprechung des Senats hat ein medizinisches Vorgehen allerdings regelmäßig nur dann die Qualität einer Behandlungsmethode, wenn ihm ein eigenes theoretisch-wissenschaftliches Konzept zugrunde liegt, das es von anderen Therapieverfahren unterscheidet und seine systematische Anwendung in der Behandlung bestimmter Krankheiten rechtfertigen soll (Urteil vom 23. Juli 1998 – BSGE 82, 233, 237 = SozR 3—2500 § 31 Nr 5 S 19; Urteil vom 28. März 2000 – BSGE 86, 54, 57 = SozR 3—2500 § 135 Nr 14 S 70; ebenso Urteil des 6. Senats vom 25. August 1999 – BSGE 84, 247, 250 = SozR 3—2500 § 135 Nr 11 S 50). Diese inhaltliche Präzisierung dient der Abgrenzung der Behandlungsmethode von der einzelnen vertragsärztlichen Leistung. Die Aufgabe des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen, vor der Einbeziehung neuer medizinischer Verfahren in die ambulante vertragsärztliche Versorgung deren Qualität und Wirtschaftlichkeit zu prüfen und gegebenenfalls persönliche und apparative Voraussetzungen für eine sachgerechte Anwendung festzulegen, kann sich naturgemäß nicht auf einzelne ärztliche Maßnahmen oder Verrichtungen, sondern nur auf leistungsübergreifende methodische Konzepte beziehen, die auf ein bestimmtes diagnostisches oder therapeutisches Ziel ausgerichtet sind. Eine eigenständige theoretische Fundierung ist bei der ICSI nicht erkennbar, denn es geht ebenso wie bei anderen Methoden der künstlichen Befruchtung lediglich darum, die von einer Fertilitätsstörung herrührenden Hindernisse für den Befruchtungsvorgang zu überwinden. Die medizinische Erklärung für die jeweilige Vorgehensweise erschöpft sich in der Kenntnis des äußeren Ablaufs der Befruchtung und hat – auch in Abgrenzung zu anderen Verfahren – keine darüber hinausreichende wissenschaftliche Grundlage. Trotzdem unterfällt die ICSI dem Anwendungsbereich des § 135 SGB V. Der Begriff der Behandlungsmethode muß in erster Linie vom Zweck der Vorschrift her bestimmt werden, wobei sich die Notwendigkeit der Qualitätssicherung nicht nur aus der neuartigen, bisher nicht erprobten Wirkungsweise einer Behandlung, sondern auch aus der Komplexität des technischen Ablaufs oder aus dem Vorliegen unbekannter, bisher nicht ausreichend erforschter Risiken ergeben kann. Die künstliche Befruchtung mittels ICSI ist ersichtlich keine untergeordnete Einzelleistung, die ihre Rechtfertigung erst in der Kombination mit anderen Maßnahmen aus einem übergreifenden theoretischen Konzept bezieht. Zwar ist die Mikroinjektion als solche nur eine einzelne ärztliche Verrichtung im Rahmen der Gesamtmaßnahme; sie gibt aber dieser Art der künstlichen Befruchtung erst ihr Gepräge. Durch das mechanische Eindringen in die Eizelle eröffnet sie neue Möglichkeiten der Überwindung (auch) andrologischer Fertilitätsstörungen und schafft zugleich neue gesundheitliche Risiken. Nach Sinn und Zweck des § 135 Abs 1 SGB V kann deshalb auf eine gesonderte Qualitätsprüfung nicht verzichtet werden. Daran ändert nichts, daß der Gesetzgeber bei den Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft bestimmte Risiken wie die Gefahr von Fehlbildungen oder genetischen Schäden bei den durch künstliche Befruchtung gezeugten Kindern bewußt in Kauf genommen und einer Bewertung durch den Bundesausschuß entzogen hat (dazu Senatsurteil vom 3. April 2001 – B 1 KR 40/00 R, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). Andere mit der ICSI verbundene methodenspezifische Gefahren, die sich ebenfalls auf die Beurteilung der Zweckmäßigkeit und der Erfolgsaussichten der Vorgehensweise auswirken, bleiben davon unberührt.
[22] Bis zur Durchführung der hier streitigen künstlichen Befruchtung im August 1996 hatte der Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen die Prüfung der ICSI noch nicht abgeschlossen und sich weder in den NUB-Richtlinien noch in den Richtlinien zur künstlichen Befruchtung zur Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit sowie zum therapeutischen Nutzen der Methode geäußert. Damit war zum damaligen Zeitpunkt ihre Anwendung zu Lasten der Krankenkassen ausgeschlossen. Der Ausschluß nicht anerkannter Untersuchungs- und Behandlungsmethoden aus der vertragsärztlichen Versorgung nach Maßgabe des § 135 Abs 1 SGB V verletzt kein Verfassungsrecht. Mit der Zulässigkeit der Übertragung von Rechtssetzungsbefugnissen auf die Bundesausschüsse der (Zahn) Ärzte und Krankenkassen hat sich das BSG wiederholt befaßt und dabei auch zu den von der Revision aufgegriffenen verfassungsrechtlichen Einwänden ausführlich Stellung genommen (siehe ua Urteile des erkennenden Senats vom 16. September 1997 – BSGE 81, 73, 80 ff = SozR 3—2500 § 92 Nr 7 S 55 ff und des 6. Senats vom 18. März 1998 – BSGE 82, 41, 46 ff = SozR 3—2500 § 103 Nr 2 S 15 ff). Das Vorbringen im jetzigen Prozeß gibt keine Veranlassung, die bisherige Beurteilung zu ändern.
[23] Das Fehlen einer Empfehlung des Bundesausschusses zum Zeitpunkt der Behandlung im August 1996 begründet auch keinen Systemmangel, aus dem der Kläger Rechte herleiten könnte. Ein Kostenerstattungsanspruch des Versicherten kommt ausnahmsweise in Betracht, wenn die fehlende Anerkennung der neuen Methode darauf zurückzuführen ist, daß das Verfahren vor dem Bundesausschuß trotz Erfüllung der für eine Überprüfung notwendigen formalen und inhaltlichen Voraussetzungen willkürlich oder aus sachfremden Erwägungen nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt wird. Denn in einem solchen Fall dient der Erlaubnisvorbehalt des § 135 Abs 1 SGB V nicht mehr der Qualitätssicherung und die hieraus entstehende Versorgungslücke muß zugunsten des Versicherten mit Hilfe des § 13 Abs 3 SGB V geschlossen werden (vgl BSGE 81, 54, 65 f = SozR 3—2500 § 135 Nr 4 S 21; BSGE 86, 54, 60 f = SozR 3—2500 § 135 Nr 14 S 66 f). Für etwaige Versäumnisse des Bundesausschusses ist indessen nichts ersichtlich. Nachdem die ICSI erst 1993 erstmals in Deutschland angewandt wurde und wissenschaftliche Studien über Erfolgsaussichten und Risiken nicht abgeschlossen waren, war der für eine gründliche Prüfung und Bewertung anzusetzende Zeitrahmen im Sommer 1996 keinesfalls überschritten.
[24] Die Revision des Klägers war nach allem zurückzuweisen.
[25] Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.