Bundesverwaltungsgericht
Sicherheitsüberprüfung; sicherheitsempfindliche Tätigkeit; Einstellung des Sicherheitsüberprüfungsverfahrens; Georgien; Ehefrau.
SÜG § 2 Abs. 2 Satz 1, 2, § 5 Abs. 2, § 14 Abs. 3, 4
1. Wird ein Aktualisierungs- oder Wiederholungsüberprüfungsverfahren für eine Sicherheitsüberprüfung nicht durch eine Feststellung nach § 14 Abs. 3 SÜG abgeschlossen, sondern abgebrochen oder eingestellt, ist gegen diese Abbruch- oder Einstellungsentscheidung des zuständigen Geheimschutzbeauftragten ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung zulässig.
2. Ist eine notwendige Überprüfung des Betroffenen oder einer nach § 2 Abs. 2 Satz 1 SÜG einzubeziehenden Person tatsächlich oder rechtlich nicht möglich, liegt ein Verfahrenshindernis vor, welches den zuständigen Geheimschutzbeauftragten zur Einstellung des Sicherheitsüberprüfungsverfahrens berechtigt.
3. Der zuständige Geheimschutzbeauftragte ist an die gesetzgeberische Entscheidung in § 13 Abs. 1 Nr. 17 SÜG gebunden, ausschließlich dem Bundesministerium des Innern als der Nationalen Sicherheitsbehörde die Feststellung der Staaten mit besonderen Sicherheitsrisiken zuzuweisen.
BVerwG, Beschluss vom 16. 9. 2004 – 1 WB 41.04 (lexetius.com/2004,3123)
[1] Der Antragsteller, ein Berufssoldat im Dienstgrad eines Oberst, lernte anlässlich einer Verwendung in Georgien eine georgische Staatsangehörige kennen, die er im Jahr 2003 in Deutschland heiratete. Das Verfahren zur Aktualisierung seiner im Jahr 2000 abgeschlossenen erweiterten Sicherheitsüberprüfung mit Sicherheitsermittlungen (Ü 3) stellte der Geheimschutzbeauftragte im Bundesministerium der Verteidigung (GB/BMVg) ein; zugleich lehnte er die weitere Betrauung des Antragstellers mit sicherheitsempfindlicher Tätigkeit ab.
[2] Der dagegen gerichtete Antrag auf gerichtliche Entscheidung blieb erfolglos.
[3] Gründe: Nach ständiger Rechtsprechung des Senats kann die Feststellung über das Bestehen eines Sicherheitsrisikos gemäß § 14 Abs. 3 SÜG durch einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung vor den Wehrdienstgerichten mit dem Ziel der Aufhebung des entsprechenden feststellenden Schreibens oder Bescheides angefochten werden (vgl. zuletzt Beschlüsse vom 24. Mai 2000 – BVerwG 1 WB 25.00 –, vom 18. Oktober 2001 – BVerwG 1 WB 54.01 –, vom 21. Februar 2002 – BVerwG 1 WB 77.01 m. w. N. und vom 18. August 2004 – BVerwG 1 WB 37.04). Dies gilt auch für ein Aktualisierungs bzw. Wiederholungsüberprüfungsverfahren, wenn es dazu führt, dass einem früher erteilten Sicherheitsbescheid bzw. einer Feststellung, dass kein Sicherheitsrisiko vorliegt, die Gültigkeit entzogen wird (Beschluss vom 2. April 1996 – BVerwG 1 WB 71.95 -). Wird ein Aktualisierungs oder Wiederholungsüberprüfungsverfahren für eine Sicherheitsüberprüfung nicht durch eine Feststellung nach § 14 Abs. 3 SÜG abgeschlossen, sondern abgebrochen oder – wie hier – eingestellt, kann eine entsprechende Abbruch bzw. Einstellungsentscheidung des zuständigen Geheimschutzbeauftragten ebenfalls in zulässiger Weise mit einem Antrag auf gerichtliche Entscheidung angefochten werden. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der zuständige Geheimschutzbeauftragte in einem förmlichen Bescheid feststellt, dass dem Betroffenen auf der Grundlage des früheren Sicherheitsbescheids keine sicherheitsempfindliche Tätigkeit mehr übertragen werden dürfe. Dann hat diese Aussage dieselben Folgen wie die förmliche Feststellung eines Sicherheitsrisikos (Beschluss vom 2. April 1996 – BVerwG 1 WB 71.95 -).
[4] Diese Voraussetzung ist hier erfüllt. Denn der GB/BMVg hat im Bescheid vom 30. Januar 2004 explizit zum Ausdruck gebracht, dass der Antragsteller eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit nicht mehr ausüben darf, nachdem sein Sicherheitsüberprüfungsverfahren ohne Ergebnis eingestellt worden ist. (wird ausgeführt)
[5] Der Antrag ist jedoch unbegründet.
[6] Zuständige Stelle für die Beurteilung, ob ein Sicherheitsrisiko vorliegt (§ 14 Abs. 3 Satz 1 SÜG) und ob die Betrauung mit einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit erfolgen kann oder abgelehnt werden muss (§ 14 Abs. 4 i. V. m. § 2 Abs. 1 Satz 1 SÜG), ist im Verfahren der erweiterten Sicherheitsüberprüfung mit Sicherheitsermittlungen (Ü 3) der GB/BMVg (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 SÜG i. V. m. § 35 Abs. 3 SÜG i. V. m. Nrn. 2416, 2705 ZDv 2/30 Teil C). Grundlage für die nach § 14 Abs. 3 und 4 SÜG zu treffende Entscheidung der zuständigen Stelle sind die Ermittlungen und Maßnahmen der mitwirkenden Behörde nach Maßgabe des § 14 Abs. 1 und 2 SÜG. Mitwirkende Behörde im Sicherheitsüberprüfungsverfahren im Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung (BMVg) ist nach § 3 Abs. 2 SÜG und § 1 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a und b MAD Gesetz das Amt für den Militärischen Abschirmdienst (MAD).
[7] Die auf § 14 Abs. 4 SÜG beruhende Entscheidung des GB/BMVg, die Betrauung bzw. die Weiterbeschäftigung (§ 6 Abs. 3 SÜG) des Antragstellers mit einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit abzulehnen, ist rechtmäßig.
[8] Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 SÜG sowie nach § 35 Abs. 3 SÜG i. V. m. Nr. 2713 ZDv 2/30 Teil C darf einer Person eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit grundsätzlich erst (und nur) zugewiesen bzw. übertragen werden, wenn die Mitteilung über das abschließende Ergebnis der Sicherheitsüberprüfung vorliegt und dieses Ergebnis die sicherheitsempfindliche Tätigkeit zulässt. § 15 SÜG lässt zwar unter bestimmten Voraussetzungen ausnahmsweise eine vorzeitige vorläufige Zuweisung einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit des Betroffenen zu, entbindet jedoch grundsätzlich nicht von dem Erfordernis einer abgeschlossenen Sicherheitsüberprüfung vor der dauerhaften Übertragung einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit.
[9] Die Wahrnehmung des zuletzt vom Antragsteller innegehabten Dienstpostens ist nach Mitteilung des Sicherheitsbeauftragten seiner Einheit mit sicherheitsempfindlichen Tätigkeiten der Stufe Ü 3 verbunden. Auch der Antragsteller zieht das nicht in Zweifel. In die erweiterte Sicherheitsüberprüfung des Antragstellers mit Sicherheitsermittlungen (§ 10 SÜG i. V. m. Nr. 2504 ZDv 2/30 Teil C) ist nach § 2 Abs. 2 Satz 1 SÜG auch die Ehegattin des Antragstellers einzubeziehen. Zwar ist § 2 Abs. 2 Satz 1 SÜG als "Soll" Vorschrift im verwaltungsrechtlichen Sinne ausgestaltet. Derartige Normen sind im Regelfall für die mit ihrer Durchführung betrauten Behörden rechtlich zwingend und verpflichten sie, grundsätzlich so zu verfahren, wie es im Gesetz bestimmt ist. Im Regelfall bedeutet das "Soll" ein "Muss". Nur bei Vorliegen von Umständen, die den Fall als atypisch erscheinen lassen, darf die Behörde anders verfahren als im Gesetz vorgesehen (Beschluss vom 27. Februar 2003 – BVerwG 1 WB 57.02 -). Das bedeutet, dass nur in eng begrenzten Ausnahmefällen die vorgesehene Einbeziehung des Ehegatten, des Lebenspartners oder des Lebensgefährten in die Sicherheitsüberprüfung des Betroffenen nach §§ 9 oder 10 SÜG unterlassen werden kann. Ein derartiger atypischer Fall, der eine Ausnahmeentscheidung rechtfertigen kann, kommt in Betracht bei getrennt lebenden (Ehe) Partnern, bei denen keine enge persönliche Beziehung mehr besteht, oder bei einem (Ehe) Partner, der zum Kreis der in § 2 Abs. 3 SÜG aufgeführten Personen zählt (vgl. Denneborg, Sicherheitsüberprüfungsrecht, § 2 SÜG RNr. 14).
[10] Im Verfahren des Antragstellers liegt hingegen kein atypischer Fall vor. Seine Ehefrau lebt nicht von ihm getrennt. Überdies bestehen in ihrer Person Anhaltspunkte für sicherheitserhebliche Erkenntnisse im Sinne des § 5 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 Satz 2 SÜG.
[11] Sicherheitserhebliche Erkenntnisse können sich aus der Staatsangehörigkeit des Betroffenen oder einer einzubeziehenden Person zu einem Staat ergeben, in denen nach Feststellung des Bundesministeriums des Innern (BMI) als Nationaler Sicherheitsbehörde besondere Sicherheitsrisiken für die mit sicherheitsempfindlicher Tätigkeit befassten Personen zu besorgen sind (§ 13 Abs. 1 Nr. 17 SÜG), wenn zusätzlich in der Person des Betroffenen oder der einzubeziehenden Person konkrete Hinweise darauf bestehen, dass eine besondere Gefährdung durch Anbahnungsversuche fremder Nachrichtendienste gegeben ist (vgl. Beschlüsse vom 9. Dezember 1999 – BVerwG 1 WB 60, 61. 99 und vom 31. Juli 2002 – BVerwG 1 WB 24.02 -).
[12] Georgien gehört nach Anlage 1 zum Runderlass des BMI vom 20. Dezember 2000 – IS 4 606 411 1/22 – (ebenso Anlage C 3 ZDv 2/30) zu den Staaten mit besonderen Sicherheitsrisiken (SmbS) im Sinne des § 13 Abs. 1 Nr. 17 SÜG. Die Ehefrau des Antragstellers ist Staatsangehörige Georgiens und verfügt über nahe Verwandte in Georgien, zu denen sie nach Darstellung des Antragstellers weiterhin Verbindungen und Kontakte pflegt.
[13] Angesichts dieser Sachlage bestand kein Raum für eine Entscheidung des GB/BMVg, nach § 2 Abs. 2 Satz 2 SÜG ausnahmsweise von der Einbeziehung der Ehefrau des Antragstellers in dessen Sicherheitsüberprüfung abzusehen.
[14] Keine andere Beurteilung rechtfertigt die vom Antragsteller dargestellte militärpolitische Zusammenarbeit zwischen Georgien und Deutschland. …
[15] Der GB/BMVg ist an die gesetzgeberische Entscheidung gebunden, in § 13 Abs. 1 Nr. 17 SÜG ausschließlich dem BMI als der Nationalen Sicherheitsbehörde die Feststellung der SmbS zuzuweisen. Zu einer eigenständigen – abweichenden – Feststellung ist der BMVg auch durch § 35 Abs. 3 SÜG nicht ermächtigt. Der Antragsteller übersieht außerdem, dass in die Einschätzung des BMI, ob ein Staat als SmbS im Sinne des § 13 Abs. 1 Nr. 17 SÜG zu qualifizieren ist, nach dem gesetzlichen Regelungsgehalt nicht nur verteidigungspolitische Gesichtspunkte einfließen; vielmehr muss die Einstufung als SmbS auf einer umfassenden sicherheitsmäßigen Analyse beruhen, die über den Bereich der militärischen Sicherheit hinausgeht. Deshalb ist die Einschätzung des BMVg nicht zu beanstanden, dass einzelne militärpolitische Kooperationen zwischen Deutschland und Georgien nicht zu dem Schluss nötigen, Georgien insgesamt nicht mehr als SmbS einzustufen. …
[16] Ist danach die Einbeziehung der Ehefrau des Antragstellers in die erweiterte Sicherheitsüberprüfung des Antragstellers mit Sicherheitsermittlungen rechtmäßig, erweist sich die Entscheidung des GB/BMVg, das Sicherheitsüberprüfungsverfahren einzustellen und dem Antragsteller eine Weiterbeschäftigung in sicherheitsempfindlicher Tätigkeit zu untersagen, ebenfalls als rechtmäßig. Denn die notwendigen Ermittlungen des MAD als der mitwirkenden Behörde können nach dessen rechtlich nicht zu beanstandender Einschätzung für die Ehefrau des Antragstellers zurzeit nicht im erforderlichen Maße durchgeführt werden. Ist eine notwendige Überprüfung des Betroffenen oder einer einzubeziehenden Person nicht möglich, liegt ein Verfahrenshindernis vor, welches den Geheimschutzbeauftragten zur Einstellung des Verfahrens berechtigt (§ 35 Abs. 3 SÜG i. V. m. Nr. 2710 Abs. 1 Satz 2 ZDv 2/30 Teil C).
[17] Wird der MAD als mitwirkende Behörde vom GB/BMVg gemäß § 13 Abs. 6 Satz 4 SÜG mit der Durchführung der Sicherheitsüberprüfung beauftragt, hat er die Maßnahmen nach § 12 SÜG durchzuführen. Die erweiterte Sicherheitsüberprüfung mit Sicherheitsermittlungen umfasst nicht nur die Maßnahmen nach § 12 Abs. 1 und Abs. 2 SÜG, sondern zusätzliche Maßnahmen nach § 12 Abs. 3 (ausdrücklich: Nr. 2606 Abs. 1 ZDv 2/30 Teil C) und gegebenenfalls Abs. 5 SÜG, bei denen nach Maßgabe der gesetzlichen Voraussetzungen Referenzpersonen, weitere geeignete Auskunftspersonen und gegebenenfalls andere geeignete Stellen konsultiert werden, um zu prüfen, ob die Angaben des Betroffenen und der einzubeziehenden Person zutreffen und ob tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, die auf ein Sicherheitsrisiko schließen lassen. Die Sicherheitsüberprüfung nach § 10 SÜG erfordert also eingehende eigene Ermittlungen des MAD, um die Aufklärungsziele speziell des § 12 Abs. 2 und 3 SÜG sicherzustellen.
[18] Der nachvollziehbaren Darstellung des GB/BMVg in dem angefochtenen Bescheid, dass dem MAD diesbezügliche Erkenntnisquellen im Sinne des § 12 Abs. 2 und 3 SÜG in Georgien nicht zugänglich sind, ist der Antragsteller nicht substantiiert entgegengetreten. (wird ausgeführt)