Europäischer Gerichtshof
"Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik – Spezifische restriktive Maßnahmen gegen Personen und Organisationen, die mit Osama bin Laden, dem Al-Qaida-Netzwerk und den Taliban in Verbindung stehen – Einfrieren von Geldern und wirtschaftlichen Ressourcen – Verordnung (EG) Nr. 881/2002 – Art. 2 Abs. 3 und Art. 4 Abs. 1 – Verbot, den in Anhang I dieser Verordnung aufgeführten Personen wirtschaftliche Ressourcen zur Verfügung zu stellen – Umfang – Verkauf eines Grundstückes – Vor der Aufnahme eines Erwerbers in die Liste in Anhang I geschlossener Vertrag – Antrag auf Eigentumsumschreibung im Grundbuch nach der Aufnahme in die Liste"
Art. 2 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 881/2002 des Rates vom 27. Mai 2002 über die Anwendung bestimmter spezifischer restriktiver Maßnahmen gegen bestimmte Personen und Organisationen, die mit Osama bin Laden, dem Al-Qaida-Netzwerk und den Taliban in Verbindung stehen, und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 467/2001 des Rates über das Verbot der Ausfuhr bestimmter Waren und Dienstleistungen nach Afghanistan, über die Ausweitung des Flugverbots und des Einfrierens von Geldern und anderen Finanzmitteln betreffend die Taliban von Afghanistan in der durch die Verordnung (EG) Nr. 561/2003 des Rates vom 27. März 2003 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass er, wenn der Abschluss eines Grundstückskaufvertrags und die Auflassungserklärung vor der Aufnahme des Erwerbers in die Liste in Anhang I der Verordnung Nr. 881/2002 in der durch die Verordnung Nr. 561/2003 geänderten Fassung erfolgten und auch der Kaufpreis vor diesem Zeitpunkt gezahlt wurde, der Eigentumsumschreibung im Grundbuch in Erfüllung dieses Vertrags nach diesem Zeitpunkt entgegensteht.

EuGH, Urteil vom 11. 10. 2007 – C-117/06 (lexetius.com/2007,2800)

[1] In der Rechtssache C-117/06 betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Kammergericht Berlin (Deutschland) mit Entscheidung vom 21. Februar 2006, beim Gerichtshof eingegangen am 1. März 2006, in dem Beschwerdeverfahren Gerda Möllendorf und Christiane Möllendorf-Niehuus erlässt DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer) unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. W. A. Timmermans (Berichterstatter) sowie der Richter L. Bay Larsen, K. Schiemann, P. Kris und J.-C. Bonichot, Generalanwalt: P. Mengozzi, Kanzler: J. Swedenborg, Verwaltungsrat, aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 8. März 2007, unter Berücksichtigung der Erklärungen – von Frau Möllendorf und Frau Möllendorf-Niehuus, vertreten durch K. Alich, Notar, – der deutschen Regierung, vertreten durch C. Schulze-Bahr, M. Lumma und A. Dittrich als Bevollmächtigte, – der italienischen Regierung, vertreten durch I. M. Braguglia als Bevollmächtigten im Beistand von G. Aiello, avvocato dello Stato, – der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch F. Hoffmeister und A. Manville als Bevollmächtigte, nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 8. Mai 2007 folgendes Urteil (*):
[2] 1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 2 Abs. 3 und Art. 4 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 881/2002 des Rates vom 27. Mai 2002 über die Anwendung bestimmter spezifischer restriktiver Maßnahmen gegen bestimmte Personen und Organisationen, die mit Osama bin Laden, dem Al-Qaida-Netzwerk und den Taliban in Verbindung stehen, und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 467/2001 des Rates über das Verbot der Ausfuhr bestimmter Waren und Dienstleistungen nach Afghanistan, über die Ausweitung des Flugverbots und des Einfrierens von Geldern und anderen Finanzmitteln betreffend die Taliban von Afghanistan (ABl. L 139, S. 9) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 561/2003 des Rates vom 27. März 2003 (ABl. L 82, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 881/2002).
[3] 2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen einer Beschwerde von Frau Möllendorf und Frau Möllendorf-Niehuus (im Folgenden: Verkäuferinnen) gegen eine Entscheidung des Grundbuchamts, mit der ihr Antrag auf Eigentumsumschreibung im Grundbuch in Erfüllung eines notariell beurkundeten Kaufvertrags abgelehnt wurde.
Rechtlicher Rahmen
Die Resolutionen des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen
[4] 3 Am 16. Januar 2002 verabschiedete der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen (im Folgenden: Sicherheitsrat) die Resolution 1390 (2002), mit der die Maßnahmen festgelegt werden, die die Staaten gegen Osama bin Laden, Mitglieder der Al-Qaida-Organisation und der Taliban sowie andere mit ihnen verbündete Personen, Gruppen, Unternehmen und Einrichtungen auf der entsprechend den Resolutionen 1267 (1999) und 1333 (2000) des Sicherheitsrats aufgestellten Liste ergreifen müssen.
[5] 4 Ziff. 2 Buchst. a der Resolution 1390 (2002) lautet:
Der Sicherheitsrat "beschließt …, dass alle Staaten im Hinblick auf Osama Bin Laden, Mitglieder der Al-Qaida und der Taliban sowie andere mit ihnen verbündete Personen, Gruppen, Unternehmen und Einrichtungen auf der entsprechend den Resolutionen 1267 (1999) und 1333 (2000) aufgestellten Liste, die von dem Ausschuss des Sicherheitsrats nach Resolution 1267 (1999) (im Folgenden als '[Sanktionsausschuss]' bezeichnet) regelmäßig zu aktualisieren ist, die folgenden Maßnahmen ergreifen werden:
a) die Gelder und anderen finanziellen Vermögenswerte oder wirtschaftlichen Ressourcen dieser Personen, Gruppen, Unternehmen und Einrichtungen unverzüglich einzufrieren, einschließlich der Gelder, die aus Vermögensgegenständen stammen, die ihnen gehören oder die direkt oder indirekt von ihnen oder von Personen, die in ihrem Namen oder auf ihre Anweisung handeln, kontrolliert werden, sowie sicherzustellen, dass weder diese noch irgendwelche anderen Gelder, finanziellen Vermögenswerte oder wirtschaftlichen Ressourcen von ihren Staatsangehörigen oder von in ihrem Hoheitsgebiet befindlichen Personen direkt oder indirekt zu Gunsten solcher Personen zur Verfügung gestellt werden".
[6] 5 Am 20. Dezember 2002 verabschiedete der Sicherheitsrat die Resolution 1452 (2002), um die Erfüllung der Verpflichtungen zur Bekämpfung des Terrorismus zu erleichtern. Ziff. 1 dieser Resolution sieht von der in den Resolutionen 1267 (1999), 1333 (2000) und 1390 (2002) vorgesehenen Verpflichtung zum Einfrieren von Geldern und wirtschaftlichen Ressourcen eine Reihe von Abweichungen und Ausnahmen vor, die von den Staaten vorbehaltlich der Zustimmung des Sanktionsausschusses aus humanitären Gründen zugelassen werden können.
[7] 6 Ziff. 2 der Resolution 1452 (2002) lautet:
Der Sicherheitsrat "beschließt …, dass alle Staaten gestatten können, dass den Konten, die der Ziffer 4 b) der Resolution 1267 (1999) und den Ziffern 1 und 2 a) der Resolution 1390 (2002) unterliegen, Folgendes gutgeschrieben wird:
a) fällige Zinsen oder sonstige Erträge aus diesen Konten oder
b) fällige Zahlungen auf Grund von Verträgen, Vereinbarungen oder Verpflichtungen, die vor dem Datum entstanden sind, ab dem diese Konten den Bestimmungen der Resolutionen 1267 (1999), 1333 (2000) beziehungsweise 1390 (2002) unterliegen, vorausgesetzt, dass derartige Zinsen, sonstige Erträge und Zahlungen diesen Bestimmungen auch weiterhin unterliegen."
[8] 7 Am 6. Juli 2004 nahm der Sanktionsausschuss den Namen "Aqeel Abdulaziz Al-Aqil" in die konsolidierte Liste der natürlichen Personen und Einrichtungen auf, deren Gelder nach den Resolutionen 1267 (1999) und 1333 (2000) einzufrieren sind.
Rechtsvorschriften der Europäischen Union und der Europäischen Gemeinschaft
[9] 8 Um die Resolution 1390 (2002) umzusetzen, nahm der Rat der Europäischen Union am 27. Mai 2002 den Gemeinsamen Standpunkt 2002/402/GASP betreffend restriktive Maßnahmen gegen Osama bin Laden, Mitglieder der Al-Qaida-Organisation und die Taliban sowie andere mit ihnen verbündete Personen, Gruppen, Unternehmen und Einrichtungen und zur Aufhebung der Gemeinsamen Standpunkte 96/746/GASP, 1999/727/GASP, 2001/154/GASP und 2001/771/GASP (ABl. L 139, S. 4) an.
[10] 9 Die Verordnung Nr. 881/2002 wurde insbesondere ausweislich ihres vierten Erwägungsgrundes erlassen, um u. a. diese Resolution 1390 (2002) umzusetzen.
[11] 10 In Art. 1 der genannten Verordnung heißt es:
"Für die Zwecke dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck: …
2. 'wirtschaftliche Ressourcen' Vermögenswerte jeder Art, unabhängig davon, ob sie materiell oder immateriell und beweglich oder unbeweglich sind, die keine Gelder sind, aber für den Erwerb von Geldern, Waren oder Dienstleistungen verwendet werden können; …
4. 'Einfrieren von wirtschaftlichen Ressourcen' die Verhinderung ihrer Verwendung für jeden Erwerb von Geldern, Waren oder Dienstleistungen, einschließlich von – aber nicht beschränkt auf – den Verkauf, das Vermieten oder das Verpfänden dieser Ressourcen."
[12] 11 Art. 2 der Verordnung Nr. 881/2002 lautet:
"(1) Alle Gelder und wirtschaftlichen Ressourcen, die einer vom Sanktionsausschuss benannten und in Anhang I aufgeführten natürlichen oder juristischen Person, Gruppe oder Organisation gehören oder in deren Eigentum stehen oder von ihr verwahrt werden, werden eingefroren.
(2) Den vom Sanktionsausschuss benannten und in Anhang I aufgeführten natürlichen oder juristischen Personen, Gruppen oder Organisationen dürfen Gelder weder direkt noch indirekt zur Verfügung gestellt werden oder zugute kommen.
(3) Den vom Sanktionsausschuss benannten und in Anhang I aufgeführten natürlichen oder juristischen Personen, Gruppen oder Organisationen dürfen weder direkt noch indirekt wirtschaftliche Ressourcen zur Verfügung gestellt werden oder zugute kommen, wodurch diese Personen, Gruppen oder Organisationen Gelder, Waren oder Dienstleistungen erwerben könnten."
[13] 12 Art. 4 Abs. 1 dieser Verordnung bestimmt:
"Die wissentliche und beabsichtigte Beteiligung an Tätigkeiten, deren Ziel oder Folge direkt oder indirekt die Umgehung des Artikels 2 oder die Förderung der in Artikel 3 genannten Transaktionen ist, ist untersagt."
[14] 13 Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 881/2002 ermächtigt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften u. a., "Anhang I auf der Grundlage der Entscheidungen des Sicherheitsrates … oder des Sanktionsausschusses zu ändern oder zu ergänzen".
[15] 14 Art. 9 dieser Verordnung lautet:
"Diese Verordnung gilt ungeachtet etwaiger Rechte und Pflichten, die sich aus vor ihrem Inkrafttreten unterzeichneten internationalen Übereinkünften, geschlossenen Verträgen oder erteilten Lizenzen oder Genehmigungen ergeben."
[16] 15 Anhang I der Verordnung Nr. 881/2002 enthält die "Liste der Personen, Gruppen und Organisationen nach Artikel 2" der Verordnung.
[17] 16 Aufgrund der Erwägung, dass die Gemeinschaft zur Umsetzung der Resolution 1452 (2002) tätig werden müsse, erließ der Rat am 27. Februar 2003 den Gemeinsamen Standpunkt 2003/140/GASP betreffend Ausnahmen zu den restriktiven Maßnahmen aufgrund des Gemeinsamen Standpunkts 2002/402/GASP (ABl. L 53, S. 62).
[18] 17 Der vierte Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 561/2003 stellt klar, dass es in Anbetracht der Resolution 1452 (2002) erforderlich ist, die von der Gemeinschaft erlassenen Maßnahmen anzupassen.
[19] 18 Art. 2a der Verordnung Nr. 881/2002, der in diese Verordnung durch die Verordnung Nr. 561/2003 eingefügt wurde, enthält folgenden Abs. 4:
"Artikel 2 Absatz 2 [der Verordnung Nr. 881/2002] gilt nicht für
a) die Gutschrift fälliger Zinsen oder sonstige [r] Erträge der eingefrorenen Konten,
b) fällige Zahlungen aufgrund von Verträgen, Vereinbarungen oder Verpflichtungen, die vor dem Datum entstanden sind, ab dem diese Konten denjenigen Resolutionen des Sicherheitsrates … unterliegen, die sukzessive durch die Verordnung (EG) Nr. 337/2000 …, die Verordnung (EG) Nr. 467/2001 … bzw. diese Verordnung umgesetzt werden.
Zinsen sowie sonstige Erträge und Zahlungen werden in der gleichen Weise wie das Konto, dem sie gutgeschrieben werden, ebenfalls eingefroren."
[20] 19 Am 12. Juli 2004 erließ die Kommission die Verordnung (EG) Nr. 1277/2004 zur 37. Änderung der Verordnung Nr. 881/2002 (ABl. L 241, S. 12).
[21] 20 Nach Art. 1 und Ziff. 2 des Anhangs der Verordnung Nr. 1277/2004 wird der Anhang I der Verordnung Nr. 881/2002 dahin geändert, dass unter "Natürliche Personen" der Eintrag "Aqeel Abulaziz Al-Aqil. Geburtsdatum: 29. April 1949" angefügt wird.
[22] 21 Gemäß ihrem Art. 2 trat die Verordnung Nr. 1277/2004 am Tag ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union, d. h. am 13. Juli 2004, in Kraft.
Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen
[23] 22 Mit notariellem Vertrag vom 19. Dezember 2000 schlossen die Verkäuferinnen als Gesellschafterinnen einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts einen Kaufvertrag mit Salem-Abdul Ghani El-Rafei, Kamal Rafehi und Ageel A. Al-Ageel (im Folgenden: Käufer) als Gesellschafter ebenfalls einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts.
[24] 23 Mit diesem Vertrag willigten die Verkäuferinnen ein, ein ihnen gehörendes bebautes Grundstück in Berlin an die Käufer zu einem Kaufpreis von 2 375 000 DM zu verkaufen.
[25] 24 Der Kaufvertrag enthielt auch die Auflassungserklärung der Parteien und die Einigung über die Eigentumsumschreibung im Grundbuch.
[26] 25 Ferner bestimmte dieser Vertrag, dass der Kaufpreis auf einem Notaranderkonto des beurkundenden Notars (im Folgenden: Notar) zu hinterlegen und nach Eintragung der Auflassungsvormerkung im Grundbuch an die Verkäuferinnen auszuzahlen war.
[27] 26 Am 8. März 2001 wurde eine Eigentumsübertragungsvormerkung zugunsten der Käufer in das Grundbuch eingetragen.
[28] 27 Mit Beschluss vom 29. Oktober 2003 wies das Grundbuchamt des Amtsgerichts Lichtenberg den Antrag des Notars vom 22. Januar 2003 auf Eigentumsumschreibung im Grundbuch mit der Begründung zurück, dass Unterlagen, die mit Schreiben vom 28. März 2003 angefordert worden seien, nicht fristgemäß vorgelegt worden seien.
[29] 28 Am 9. Dezember 2004 beantragte der Notar unter Bezugnahme auf den notariellen Vertrag vom 19. Dezember 2000 erneut die Eigentumsumschreibung im Grundbuch auf die Käufer.
[30] 29 Mit Beschluss vom 21. April 2005 wies das Grundbuchamt diesen Umschreibungsantrag unter Hinweis auf Art. 2 Abs. 3 und Art. 4 Abs. 1 der Verordnung Nr. 881/2002 zurück, nachdem es festgestellt hatte, dass einer der Käufer in der Liste in Anhang I dieser Verordnung namentlich genannt war.
[31] 30 Am 3. Mai 2005 legte der Notar gegen diesen Beschluss Beschwerde beim Grundbuchamt ein, das die Beschwerde mit Beschluss vom 11. Mai 2005 von Amts wegen an das Landgericht Berlin weiterleitete; dieses wies die Beschwerde mit Beschluss vom 27. September 2005 zurück.
[32] 31 Gegen diesen Beschluss legte der Notar am 7. Oktober 2005 weitere Beschwerde beim Kammergericht Berlin ein.
[33] 32 Nach den Ausführungen des Kammergerichts haben die Verkäuferinnen vor ihm erstens geltend gemacht, dass Art. 2 Abs. 3 und Art. 4 Abs. 1 der Verordnung Nr. 881/2002 und insbesondere die in der erstgenannten Bestimmung vorkommenden Wendungen "zur Verfügung gestellt" und "zugute kommen" dahin ausgelegt werden müssten, dass sie nur solche Rechtsgeschäfte beträfen, bei denen Leistung und Gegenleistung nicht in einem wirtschaftlichen Gleichgewicht stünden. Im vorliegenden Fall sei aber zwischen den Parteien ein erheblicher Kaufpreis für das Grundstück vereinbart und auch bereits an die Verkäuferinnen ausgezahlt worden.
[34] 33 Zweitens haben die Verkäuferinnen vor dem vorlegenden Gericht vorgebracht, dass die Käufer bei einer Rückabwicklung des Kaufvertrags einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises für das Grundstück gegen sie hätten, d. h., den Käufern würde ein diesem Kaufpreis entsprechender Betrag zur Verfügung gestellt. Dieses Ergebnis stehe aber im Widerspruch zum siebten Erwägungsgrund und zu Art. 2 Abs. 1 der Verordnung Nr. 881/2002.
[35] 34 Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass nach deutschem Recht der Erwerb des Eigentums an einem Grundstück nicht unmittelbar durch den Abschluss eines notariellen Kaufvertrags zwischen Verkäufer und Käufer erfolge, sondern dass dafür zusätzlich die Einigung der beiden Parteien über den Eigentumsübergang (Auflassung) gemäß § 925 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) sowie die Eigentumsumschreibung im Grundbuch gemäß § 873 BGB erforderlich sei.
[36] 35 Außerdem führt das Kammergericht zum deutschen Recht aus, dass eine Verfügungsbeschränkung, wie sie im Ausgangsverfahren wegen der auf einen der Käufer anwendbar gewordenen Verpflichtung zum Einfrieren der Gelder vorliege, vom Grundbuchamt grundsätzlich berücksichtigt werden müsse, wenn sie nach Abschluss des notariellen Kaufvertrags und nach Auflassung, aber vor Stellung des Antrags auf Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch eintrete.
[37] 36 Das vorlegende Gericht fügt hinzu, das Eintragungshindernis in Bezug auf die Eigentumsumschreibung im Grundbuch stehe der Erfüllung des Kaufvertrags entgegen, so dass die Verkäuferinnen den Käufern nach §§ 275 und 323 BGB den Kaufpreis zu erstatten hätten.
[38] 37 Es stelle sich jedoch die Frage, ob eine solche Erstattung mit dem Verbot nach Art. 2 Abs. 2 der Verordnung Nr. 881/2002 vereinbar sei.
[39] 38 In einem Ergänzungsbeschluss vom 23. Februar 2006 führt das vorlegende Gericht aus, dass Art. 2 Abs. 1 bis 3 und Art. 4 Abs. 1 dieser Verordnung keine Befugnis zur Anordnung an den Verkäufer, eine Summe in Höhe des Kaufpreises zu hinterlegen, zu entnehmen sei, wenn der Verkäufer nicht schon bei Abschluss des Kaufvertrags oder Empfang des für das Geschäft vereinbarten Betrags Kenntnis von der Sanktionsbetroffenheit des Käufers gehabt habe.
[40] 39 Zweifelhaft sei auch, ob bei einer Mehrzahl von Käufern oder, wie im Ausgangsverfahren, deren Verbundenheit in einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts der Anspruch auf Erstattung des Kaufpreises insgesamt oder aber nur in Höhe des Anteils des von den restriktiven Maßnahmen betroffenen Käufers einzufrieren sei.
[41] 40 Das vorlegende Gericht ist der Ansicht, dass die Entscheidung des bei ihm anhängigen Rechtsstreits von der Auslegung der Verordnung Nr. 881/2002 abhänge. Es hat daher beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
1. Verbieten die Bestimmungen des Art. 2 Abs. 3 und des Art. 4 Abs. 1 der Verordnung Nr. 881/2002 die in Erfüllung eines Kaufvertrags erfolgte Auflassung (Übereignung) eines Grundstücks an eine in Anhang I der genannten Verordnung aufgeführte natürliche Person?
2. Falls die Frage zu 1. zu bejahen ist: Verbietet die Verordnung Nr. 881/2002 die für den Eigentumsübergang erforderliche Umschreibung im Grundbuch auch dann, wenn der zugrunde liegende Kaufvertrag vor Veröffentlichung der Verfügungsbeschränkung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften geschlossen und die Auflassung bindend erklärt worden ist und der nach dem Vertrag von der in Anhang I der Verordnung aufgeführten natürlichen Person als Käufer zu zahlende Kaufpreis vor diesem Zeitpunkt
a) auf einem Notaranderkonto hinterlegt oder
b) an den Verkäufer ausgezahlt worden ist?
Zu den Vorlagefragen
[42] 41 Mit seinen beiden zusammen zu prüfenden Fragen möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 2 Abs. 3 und Art. 4 Abs. 1 der Verordnung Nr. 881/2002 dahin auszulegen sind, dass sie, wenn der Abschluss eines Grundstückskaufvertrags und die Auflassungserklärung vor der Aufnahme des Erwerbers in die Liste in Anhang I dieser Verordnung erfolgten und auch der Kaufpreis vor diesem Zeitpunkt gezahlt wurde, der Eigentumsumschreibung im Grundbuch in Erfüllung dieses Vertrags nach diesem Zeitpunkt entgegenstehen.
[43] 42 Vorab ist festzustellen, dass diese Fragen allein anhand von Art. 2 Abs. 3 der Verordnung Nr. 881/2002 zu prüfen sind.
[44] 43 Wie nämlich der Generalanwalt in Nr. 62 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, ist dem Vorlagebeschluss nicht zu entnehmen, weshalb Art. 4 Abs. 1 dieser Verordnung, der den Fall einer Umgehung von Art. 2 der Verordnung betrifft, in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens einschlägig sein könnte.
[45] 44 Wie die Kommission – in diesem Punkt unwidersprochen – vorgetragen hat, birgt der Umstand, dass die Käufer den fraglichen Kaufvertrag in ihrer Eigenschaft als Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts geschlossen haben, keine solche Umgehungsgefahr in sich, weil für den Fall, dass die Eigentumsumschreibung im Grundbuch zulässig sein sollte, alle Gesellschafter einschließlich desjenigen, der in der Liste in Anhang I der Verordnung Nr. 881/2002 aufgeführt ist, im Grundbuch namentlich genannt werden müssten.
[46] 45 Im vorliegenden Fall stellt sich im Wesentlichen die Frage, ob unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens die Eigentumsumschreibung im Grundbuch bedeutet, dass im Sinne des Art. 2 Abs. 3 der Verordnung Nr. 881/2002 den vom Sanktionsausschuss benannten und in Anhang I dieser Verordnung aufgeführten natürlichen oder juristischen Personen, Gruppen oder Organisationen direkt oder indirekt wirtschaftliche Ressourcen zur Verfügung gestellt werden, wodurch diese Personen, Gruppen oder Organisationen Gelder, Waren oder Dienstleistungen erwerben könnten.
[47] 46 Insoweit ist zunächst festzustellen, dass der im Ausgangsverfahren in Rede stehende Vermögensgegenstand, nämlich ein bebautes Grundstück, eine wirtschaftliche Ressource im Sinne des Art. 2 Abs. 3 der Verordnung Nr. 881/2002 darstellt, da ein solcher Vermögensgegenstand als materieller, unbeweglicher Vermögensgegenstand, der zwar kein Geld ist, aber für den Erwerb von Geldern, Waren oder Dienstleistungen verwendet werden kann, eindeutig von der Definition des Begriffs "wirtschaftliche Ressourcen" in Art. 1 Nr. 2 dieser Verordnung erfasst ist.
[48] 47 Sodann geht aus dem Vorlagebeschluss hervor, dass einer der drei Käufer eine natürliche Person ist, die sowohl in der vom Sanktionsausschuss erstellten Liste als auch in der Liste in Anhang I der Verordnung Nr. 881/2002 aufgeführt ist.
[49] 48 Somit stellt sich nur noch die Frage, ob die Eigentumsumschreibung im Grundbuch bezüglich des betreffenden Grundstücks als Handlung anzusehen ist, durch die der in den genannten Listen aufgeführten natürlichen Person im Sinne des Art. 2 Abs. 3 der Verordnung Nr. 881/2002 "direkt [oder] indirekt [Mittel] zur Verfügung gestellt werden", "wodurch diese [Person] Gelder, Waren oder Dienstleistungen erwerben" könnte.
[50] 49 Dem Wortlaut dieser Bestimmung lässt sich nicht entnehmen, dass die Bestimmung entsprechend dem Vorbringen der Verkäuferinnen den Bezug wirtschaftlicher Ressourcen in einem Kontext wie dem des Ausgangsverfahrens – nämlich im Fall eines Geschäfts, bei dem zwischen Leistung und Gegenleistung ein wirtschaftliches Gleichgewicht besteht – nicht erfassen würde.
[51] 50 Vielmehr ist das in besagtem Art. 2 Abs. 3 aufgestellte Verbot besonders weit gefasst, wie es die Verwendung der Worte "weder direkt noch indirekt" belegt.
[52] 51 Desgleichen ist die Wendung "zur Verfügung gestellt werden" in einem weiten Sinn zu verstehen, da sie sich nicht auf eine besondere rechtliche Qualifizierung bezieht, sondern jede Handlung erfasst, die nach dem anwendbaren nationalen Recht erforderlich ist, damit eine Person tatsächlich die vollständige Verfügungsbefugnis in Bezug auf die betreffende Sache erlangen kann.
[53] 52 Die Eigentumsumschreibung im Grundbuch ist eine solche Handlung, weil nach deutschem Recht der Käufer unstreitig erst danach nicht nur ein Grundpfandrecht bestellen, sondern auch und vor allem das Grundstück, das auf diese Weise in sein Eigentum übergegangen ist, veräußern kann.
[54] 53 Im Übrigen sind es gerade derartige Handlungen, die mit Art. 2 Abs. 3 der Verordnung Nr. 881/2002 unterbunden werden sollen, weil sie es einer Person, die in der Liste in Anhang I dieser Verordnung aufgeführt ist, ermöglichen, Gelder, Waren oder Dienstleistungen zu erwerben.
[55] 54 Hinzuzufügen ist, dass bei der Auslegung der Verordnung Nr. 881/2002 auch der Wortlaut und das Ziel der Resolution 1390 (2002) des Sicherheitsrats zu berücksichtigen sind, die mit dieser Verordnung ausweislich ihres vierten Erwägungsgrundes hat umgesetzt werden sollen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 30. Juli 1996, Bosphorus, C-84/95, Slg. 1996, I-3953, Randnrn. 13 und 14, sowie vom 9. März 2006, Aulinger, C-371/03, Slg. 2006, I-2207, Randnr. 30).
[56] 55 Nach dem Wortlaut von Ziff. 2 Buchst. a der Resolution 1390 (2002) sind die Staaten, die Mitglieder der Organisation der Vereinten Nationen sind, verpflichtet, "sicherzustellen, dass weder diese noch irgendwelche anderen Gelder [die Personen, Gruppen, Unternehmen und Einrichtungen auf der entsprechend den Resolutionen 1267 (1999) und 1333 (2000) aufgestellten Liste gehören], finanziellen Vermögenswerte oder wirtschaftlichen Ressourcen von ihren Staatsangehörigen oder von in ihrem Hoheitsgebiet befindlichen Personen direkt oder indirekt zu Gunsten solcher Personen zur Verfügung gestellt werden".
[57] 56 Der weite und eindeutige Wortlaut dieser Bestimmung bestätigt, dass Art. 2 Abs. 3 der Verordnung Nr. 881/2002 für jede Zurverfügungstellung einer wirtschaftlichen Ressource gilt und somit auch für eine Handlung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, die der Erfüllung eines synallagmatischen Vertrags dient und im Gegenzug für die Zahlung einer wirtschaftlichen Gegenleistung zugesagt worden ist.
[58] 57 Schließlich kann nicht in Abrede gestellt werden, dass im Ausgangsverfahren die Umsetzung des in Art. 2 Abs. 3 der Verordnung Nr. 881/2002 aufgestellten Verbots, soweit sie eine Person betrifft, die als Verbündeter vom Osama bin Laden, der Al-Qaida oder der Taliban gilt und an der Finanzierung terroristischer Handlungen beteiligt ist oder sie sogar plant, fördert, vorbereitet, begeht oder unterstützt, im Rahmen des Ziels der Sanktionen der Resolution 1390 (2002) erfolgt, das insbesondere dem dritten und dem neunten Absatz der Präambel sowie der Ziff. 4 dieser Resolution zu entnehmen ist und das darin besteht, den internationalen Terrorismus zu bekämpfen und auszurotten, indem u. a. die Netzwerke des internationalen Terrorismus von ihren finanziellen Quellen abgeschnitten werden.
[59] 58 Wie die deutsche Regierung zu Recht geltend macht, würde die Auffassung der Verkäuferinnen, sollte man ihr zustimmen, es im Übrigen erforderlich machen, in jedem Einzelfall zu ermitteln, ob ein tatsächliches wirtschaftliches Gleichgewicht zwischen den vereinbarten Leistungen besteht, würde die reale Gefahr einer Umgehung des genannten Verbots in sich bergen und die Mitgliedstaaten vor heikle Durchsetzungsprobleme stellen.
[60] 59 Entsprechend den Ausführungen der deutschen Regierung könnte selbst dann, wenn im Ausgangsfall ein solches wirtschaftliches Gleichgewicht gegeben sein sollte, nicht ausgeschlossen werden, dass der Vermögensgegenstand, den die in der Liste in Anhang I der Verordnung Nr. 881/2002 aufgeführte Person erhält, bessere Verwertungsmöglichkeiten, z. B. eine leichtere Konvertibilität, bietet oder gar, wie vom Generalanwalt in Nr. 72 seiner Schlussanträge ausgeführt, die Möglichkeit, durch eine spätere Verfügung über die Sache, an höhere Beträge zu gelangen als die für den Erwerb der Sache gezahlten.
[61] 60 Aus alledem muss die Schlussfolgerung gezogen werden, dass eine Handlung wie die Eigentumsumschreibung im Grundbuch nach Art. 2 Abs. 3 der Verordnung Nr. 881/2002 verboten ist, wenn ihre Zulassung bedeuten würde, dass einer Person, die in der Liste in Anhang I dieser Verordnung aufgeführt ist, eine wirtschaftliche Ressource zur Verfügung gestellt wird, wodurch sie Gelder, Waren oder Dienstleistungen erwerben könnte.
[62] 61 Zunächst kann diese Schlussfolgerung nicht dadurch erschüttert werden, dass im Ausgangsverfahren verschiedene Schritte des Grundstücksgeschäfts, die nach dem anwendbaren deutschen Recht zur Übertragung des Eigentums an einem Grundstück erforderlich sind, insbesondere der Abschluss des Kaufvertrags und die Erklärung der Auflassung wie im Übrigen auch die Zahlung des Kaufpreises, bereits vollzogen waren, bevor dieses Verbot gegenüber einem Käufer infolge seiner Aufnahme in die genannte Liste anwendbar wurde.
[63] 62 Art. 9 der Verordnung Nr. 881/2002 ist nämlich so zu verstehen, dass die mit dieser Verordnung angeordneten Maßnahmen, zu denen das Einfrieren der wirtschaftlichen Ressourcen gehört, auch die Handlungen zur Erfüllung von vor Inkrafttreten der Verordnung geschlossenen Verträgen wie die Eigentumsumschreibung im Grundbuch untersagen.
[64] 63 Wie der Generalanwalt in Nr. 78 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, ist eine solche sofortige Anwendung dieser Maßnahmen außerdem kohärent mit dem von der Verordnung Nr. 881/2002 verfolgten Ziel, das darin besteht, die mit Osama bin Laden, dem Al-Qaida-Netzwerk und den Taliban verbündeten Personen unverzüglich am Zugriff auf alle finanziellen und wirtschaftlichen Ressourcen zu hindern, damit der Finanzierung terroristischer Tätigkeiten Einhalt geboten wird; dieses Ziel könnte nicht genauso effektiv erreicht werden, wenn solchen Personen gestattet würde, Geschäfte, die vor ihrer Aufnahme in die Liste des Anhangs I der genannten Verordnung abgeschlossen wurden, zu Ende zu führen.
[65] 64 Für die sofortige Anwendung der Bestimmungen der Verordnung Nr. 881/2002 spricht im Übrigen auch, dass die Gemeinschaftsregelung keine Ausnahme enthält, die es gestatten würde, nach Inkrafttreten der Regelung eine Handlung zur Erfüllung eines vor diesem Zeitpunkt geschlossenen Vertrags wie im Ausgangsverfahren die Eigentumsumschreibung im Grundbuch vorzunehmen, die, wie bereits ausgeführt, bedeuten würde, dass die betreffende Sache im Sinne des Art. 2 Abs. 3 dieser Verordnung zur Verfügung gestellt wird.
[66] 65 In diesem Zusammenhang ist festzustellen, dass Art. 2a Abs. 4 Buchst. b der Verordnung Nr. 881/2002, der Ziff. 2 der Resolution 1452 (2002) des Sicherheitsrats inhaltlich übernimmt, eine Ausnahme von dem Verbot nach Art. 2 Abs. 2 dieser Verordnung in Bezug auf die Gutschrift solcher Zahlungen auf den eingefrorenen Konten vorsieht, die aufgrund von Verträgen, Vereinbarungen oder Verpflichtungen fällig sind, die vor dem Datum entstanden sind, ab dem diese Konten den Bestimmungen der Resolutionen des Sicherheitsrats unterliegen, die u. a. durch die oben genannte Verordnung umgesetzt werden, wobei auch diese Zahlungen in der gleichen Weise wie das Konto, dem sie gutgeschrieben werden, einzufrieren sind.
[67] 66 Die Gemeinschaftsregelung sieht eine solche Ausnahme jedoch nicht in Bezug auf das Verbot nach Art. 2 Abs. 3 der Verordnung Nr. 881/2002 vor, das die Zurverfügungstellung wirtschaftlicher Ressourcen wie derjenigen des Ausgangsverfahrens betrifft. Eine solche Ausnahme findet sich im Übrigen auch nirgendwo in den einschlägigen Resolutionen des Sicherheitsrats.
[68] 67 Sodann kann die Schlussfolgerung, dass das Verbot nach Art. 2 Abs. 3 der Verordnung Nr. 881/2002 in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens Anwendung findet, auch nicht durch die Schwierigkeiten in Frage gestellt werden, die nach der Darstellung des vorlegenden Gerichts entstehen, wenn der Übergang des Eigentums an dem betreffenden Grundstück nicht in das Grundbuch eingetragen werden darf.
[69] 68 Wie das Kammergericht erläutert hat, müssen die Verkäuferinnen nach dem anwendbaren deutschen Recht, da die Nichteintragung einer Erfüllung des Kaufvertrags entgegensteht, den Käufern den Kaufpreis für das von diesen gekaufte Grundstück erstatten. Für das vorlegende Gericht stellt sich damit jedoch die Frage nach der Vereinbarkeit einer solchen Erstattung mit dem Verbot nach Art. 2 Abs. 2 der Verordnung Nr. 881/2002.
[70] 69 Ein solches Problem, falls es auftreten sollte, kann sich keinesfalls auf die Beantwortung der Frage auswirken, ob das in Art. 2 Abs. 3 der Verordnung Nr. 881/2002 angeordnete Verbot nach dem Gemeinschaftsrecht in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens Anwendung findet, da es sich aus den Folgen ergibt, die die Anwendung der genannten Bestimmung für das nationale Recht nach sich zieht.
[71] 70 Jedenfalls scheint die im nationalen Recht vorgesehene Erstattung des Kaufpreises für die besagte Sache nach Art. 2a Abs. 4 Buchst. b der Verordnung Nr. 881/2002 zulässig zu sein. Diese Bestimmung sieht nämlich eine Ausnahme vom Verbot nach Art. 2 Abs. 2 dieser Verordnung vor, sofern die Bedingungen für die Anwendung der Ausnahme, zu denen das Einfrieren der erstatteten Gelder gehört, erfüllt sind.
[72] 71 Im Übrigen geht es bei der Frage, ob bei einer Mehrheit von Käufern und insbesondere bei deren Verbundenheit in einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts der Betrag des zu erstattenden Kaufpreises für die betreffende Sache insgesamt oder aber nur in Höhe des Anteils des von den restriktiven Maßnahmen betroffenen Käufers einzufrieren ist, ebenfalls um den Vollzug des mit Art. 2 Abs. 3 der Verordnung Nr. 881/2002 angeordneten Verbots im nationalen Recht.
[73] 72 Wie aber bereits oben in Randnr. 69 entschieden worden ist, kann eine solche Frage, die die Tragweite der nationalen Rechtsvorschriften über die Folgen der Anwendung des genannten Verbots betrifft, keine Auswirkungen auf die Auslegung des besagten Art. 2 Abs. 3 durch den Gerichtshof haben.
[74] 73 In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission und die Mitgliedstaaten einander nach Art. 8 der Verordnung Nr. 881/2002 u. a. über die Probleme bei der Durchsetzung dieser Verordnung unterrichten.
[75] 74 Schließlich haben die Verkäuferinnen und der Notar in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht, dass die Anwendung des mit Art. 2 Abs. 3 der Verordnung Nr. 881/2002 aufgestellten Verbots in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit mit dem Grundrecht des Eigentümers, über seine Sachen zu verfügen, unvereinbar sei.
[76] 75 Insoweit ist festzustellen, dass es sich im vorliegenden Fall nicht um einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Eigentumsrecht einer in der Liste in Anhang I der Verordnung Nr. 881/2002 aufgeführten Person aufgrund der in der Verordnung gegen sie angeordneten restriktiven Maßnahmen handelt.
[77] 76 Der behauptete Eingriff in das Eigentumsrecht bezieht sich auf mittelbare Auswirkungen, die die Erstattungspflicht – die gegebenenfalls nach dem anwendbaren nationalen Recht aus der durch Art. 2 Abs. 3 der Verordnung Nr. 881/2002 bedingten Unmöglichkeit der Eigentumsumschreibung im Grundbuch folgt – auf das Eigentumsrecht anderer als der in der genannten Liste aufgeführten Personen hat.
[78] 77 Somit kann die Frage, ob eine solche Erstattungspflicht angesichts der Besonderheiten des Ausgangsverfahrens einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Eigentumsrecht darstellt, keinen Einfluss auf die Frage der Anwendbarkeit von Art. 2 Abs. 3 der Verordnung Nr. 881/2002 auf einen Sachverhalt wie den des Streitfalls haben. Folglich handelt es sich um eine Frage des nationalen Rechts, die im Rahmen des vorliegenden Vorabentscheidungsersuchens nicht zu prüfen ist.
[79] 78 Bezüglich der Anwendung der Verordnung Nr. 881/2002 ist jedoch im Übrigen daran zu erinnern, dass nach ständiger Rechtsprechung auch die Mitgliedstaaten bei der Durchführung der gemeinschaftsrechtlichen Regelungen die Erfordernisse des Grundrechtschutzes in der Gemeinschaftsrechtsordnung zu beachten haben und diese Regelungen deshalb so weit wie möglich so anwenden müssen, dass die genannten Erfordernisse nicht missachtet werden (vgl. u. a. Urteil vom 10. Juli 2003, Booker Aquaculture und Hydro Seafood, C-20/00 und C-64/00, Slg. 2003, I-7411, Randnr. 88 und die dort angeführte Rechtsprechung).
[80] 79 Es ist somit Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob angesichts der Besonderheiten des Ausgangsverfahrens eine etwaige Erstattung der empfangenen Beträge durch die Verkäuferinnen einen unverhältnismäßigen Eingriff in ihr Eigentumsrecht darstellen würde, und, wenn dies zutreffen sollte, die betreffende nationale Regelung so weit wie möglich so anzuwenden, dass die genannten Erfordernisse, die sich aus dem Gemeinschaftsrecht ergeben, nicht missachtet werden.
[81] 80 Nach alledem ist auf die Vorlagefragen zu antworten, dass Art. 2 Abs. 3 der Verordnung Nr. 881/2002 dahin auszulegen ist, dass er, wenn der Abschluss eines Grundstückskaufvertrags und die Auflassungserklärung vor der Aufnahme des Erwerbers in die Liste in Anhang I dieser Verordnung erfolgen und auch der Kaufpreis vor diesem Zeitpunkt gezahlt wurde, der Eigentumsumschreibung im Grundbuch in Erfüllung dieses Vertrags nach diesem Zeitpunkt entgegensteht.
Kosten
[82] 81 Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
* Verfahrenssprache: Deutsch.