Bundesverwaltungsgericht
Beschwerdefrist; Kenntnis vom Beschwerdeanlass; Personalgespräch; Vermerk; Bevollmächtigter.
WBO § 6 Abs. 1
Bei Mitbewerbern um eine Dienstposten, die lediglich von dem für die Personalentscheidung zuständigen Vorgesetzten mitbetrachtet wurden, ohne einen eigenen Antrag gestellt zu haben, oder bei sonstigen Soldaten, die der Ansicht sind, sie hätten mitbetrachtet werden müssen, ist Kenntnis vom Beschwerdeanlass dann anzunehmen, wenn sie erfahren, dass ein anderer Soldat für den Dienstposten endgültig vorgesehen ist oder dass sie selbst jedenfalls nicht berücksichtigt werden.
Wird eine Personalentscheidung im Rahmen eines Personalgesprächs bei der personalbearbeitenden Stelle bekannt gegeben, beginnt die Beschwerdefrist nicht erst mit der Aushändigung eines schriftlichen Vermerks über das Gespräch (Abgrenzung zu Beschluss vom 28. November 1989 BVerwG 1 WB 14.89 BVerwGE 86, 227).
Die Wehrbeschwerdeordnung enthält keine Bestimmung, wonach die Bekanntgabe einer Personalentscheidung, wenn sich ein bestellter Bevollmächtigter gemeldet hat, nur an diesen erfolgen kann.
BVerwG, Beschluss vom 13. 8. 2008 – 1 WB 45.07 (lexetius.com/2008,3609)
[1] Der Antragsteller wendet sich gegen die Entscheidung des Personalamts der Bundeswehr, nicht ihn, sondern einen anderen Soldaten für einen A 16-Dienstposten auszuwählen. Seine Beschwerde gegen die Auswahlentscheidung wies der Bundesminister der Verteidigung als verspätet zurück. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hatte keinen Erfolg.
Aus den Gründen: …
[2] 20 Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat keinen Erfolg. Er ist zwar zulässig, aber unbegründet.
[3] 21 Der Bundesminister der Verteidigung hat die Beschwerde des Antragstellers vom 20. September 2007 zu Recht als unzulässig zurückgewiesen, weil die Beschwerde nicht rechtzeitig eingelegt worden ist. Nach § 6 Abs. 1 WBO darf die Beschwerde frühestens nach Ablauf einer Nacht und muss binnen zwei Wochen eingelegt werden, nachdem der Beschwerdeführer von dem Beschwerdeanlass Kenntnis erhalten hat. Maßgeblich für den Beginn der Beschwerdefrist ist demnach, wann der Beschwerdeführer von dem Beschwerdeanlass Kenntnis erhalten hat. "Kenntnis" vom Beschwerdeanlass hat ein Soldat, wenn ihm die Umstände bekannt sind, aus denen sich die von ihn empfundene Beeinträchtigung ergibt (vgl. Beschluss vom 30. Juni 2006 BVerwG 1 WB 18.06 Buchholz 450. 1 § 6 WBO Nr. 4 = NZWehrr 2007, 127; Böttcher/Dau, WBO, 4. Aufl. 1997, § 6 Rn. 5). Anders als § 17 Abs. 4 Satz 1 WBO, der den Beginn der Antragsfrist an die "Bekanntgabe" des ablehnenden Bescheides anknüpft, setzt § 6 Abs. 1 WBO für den Beginn der Beschwerdefrist die tatsächliche, positive Kenntnis vom Beschwerdeanlass voraus (vgl. Böttcher/Dau, a. a. O.). Kenntnis vom Beschwerdeanlass ist somit nicht nur bei förmlicher Bekanntgabe einer Maßnahme gegeben, sondern (schon) dann, wenn der betroffene Soldat den Inhalt einer Maßnahme oder Entscheidung tatsächlich kennt. Bei "Konkurrentenklagen", wie hier, bedeutet dies, dass der Soldat von der endgültig getroffenen Verwendungsentscheidung zugunsten des Konkurrenten oder davon Kenntnis erhält, dass er selbst nicht auf dem angestrebten Dienstposten verwendet werden soll (vgl. Beschlüsse vom 6. November 1985 BVerwG 1 WB 26.85 und vom 6. September 2007 BVerwG 1 WB 14.07 –; Böttcher/Dau, a. a. O.). Da die Kenntniserlangung keine "Bekanntgabe" voraussetzt, ist diese vorbehaltlich spezieller gesetzlicher Regelungen oder einer z. B. auf entsprechenden Verwaltungsvorschriften beruhenden ständigen Verwaltungspraxis an keine bestimmte Form gebunden. Sie kann daher nicht nur auf schriftlichen, sondern auch auf mündlichen Mitteilungen oder sonstigen Informationen beruhen. Gerade bei Konkurrentenklagen gilt, dass nicht jedem von einer Personalentscheidung möglicherweise betroffenen Soldaten ein schriftlicher Bescheid und eine Rechtsbehelfsbelehrung erteilt werden können, zumal häufig diese "Konkurrenten" auch für die personalführende Stelle nicht ohne Weiteres ersichtlich sind (vgl. Beschluss vom 30. Oktober 1991 BVerwG 1 WB 27.91 DokBer B 1992, 99 = juris Rn. 4). Ob etwas anderes anzunehmen wäre, wenn ein nicht berücksichtigter Soldat zuvor schriftlich seine Versetzung auf den Dienstposten beantragt hat, bedarf hier keiner Entscheidung. Jedenfalls für solche Mitbewerber, die lediglich von dem für die Personalentscheidung zuständigen Vorgesetzten mitbetrachtet wurden, ohne einen eigenen Antrag gestellt zu haben, oder für sonstige Soldaten, die der Ansicht sind, sie hätten mitbetrachtet werden müssen, ist Kenntnis vom Beschwerdeanlass dann anzunehmen, wenn sie erfahren, dass ein anderer Soldat für den Dienstposten endgültig vorgesehen ist oder dass sie selbst jedenfalls nicht berücksichtigt werden.
[4] 22 Der Antragsteller hat sich für den hier streitigen Dienstposten nicht von sich aus beworben. Er ist lediglich in den Sitzungen des Personalberaterausschusses vom November 2006 und vom Mai 2007 auf Vorschlag der personalbearbeitenden Stelle mitbetrachtet worden. Einer schriftlichen Bekanntgabe der Entscheidung ihm gegenüber bedurfte es daher nicht. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass ihm bei dem Personalgespräch am 16. Juli 2007 – wie üblich (vgl. Nr. 12 der Richtlinien für Gespräche in Personalangelegenheiten des Bundesministeriums der Verteidigung – PSZ I 1 – Az.: 16—26—00/13 – Schnellbrief R 4/03 vom 1. Juli 2003) – die Übersendung eines Vermerks zu dem Personalgespräch angekündigt worden ist. Dies führt entgegen der Ansicht des Antragstellers nicht dazu, dass die Beschwerdefrist erst mit Aushändigung des Vermerks zu laufen begonnen hätte. Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Beschluss des Senats vom 28. November 1989 BVerwG 1 WB 14.89 (BVerwGE 86, 227). Zwar heißt es in diesem Beschluss, dass bei einem Antrag auf gerichtliche Entscheidung, der sich gegen die in einem Personalgespräch getroffenen Aussagen über mögliche Verwendungen richtet, für den Beginn der Rechtsbehelfsfrist nicht das Personalgespräch selbst, sondern erst die Eröffnung des Vermerks über dieses Personalgespräch maßgebend ist (vgl. auch Böttcher/Dau, a. a. O.). Zur Begründung wurde auf die Regelung unter 2. 5. 5 der Anlage 2/1 zur Kurzmitteilung über personelle Grundsatzfragen – PersKM – 1/87 verwiesen, wo es heißt, dass
"der Soldat darüber zu belehren ist, dass das Ergebnis des Personalgesprächs erst dann verbindlich ist, wenn dieses schriftlich durch die personalbearbeitende Stelle bestätigt worden ist."
[5] 23 Diese in der damaligen Entscheidung zitierte Regelung steht aber im Abschnitt 2. 5 der Anlage 2/1 (Gespräche in Personalangelegenheiten), der Regelungen über "Das Führen von Personalgesprächen durch Disziplinarvorgesetzte im Auftrag der personalbearbeitenden Stelle" enthält, die über die in "Abschnitt 2. 4 genannten Grundsätze hinaus" zu beachten sind (vgl. dazu heute Nr. 14 Abs. 2 Satz 3 der Richtlinien vom 1. Juli 2003). Dass bei solchen im Auftrag der personalbearbeitenden Stelle geführten Gesprächen der Inhalt, sofern er über das von der personalbearbeitenden Stelle für das Gespräch vorgegebene Thema hinausgeht, noch der Bestätigung durch die personalbearbeitende Stelle bedarf, versteht sich. Das gilt aber nicht generell für Vermerke über Personalgespräche, soweit diese von der personalbearbeitenden Stelle selbst geführt worden sind. Die Spezialregelung für Gespräche im Auftrag der personalbearbeitenden Stelle lässt sich daher nicht verallgemeinern. Im Gegenteil legt sie den Schluss nahe, dass es bei von der personalbearbeitenden Stelle selbst geführten Gesprächen einer solchen schriftlichen Bestätigung für die Verbindlichkeit der Gesprächsergebnisse nicht bedarf. Soweit der Beschluss vom 28. November 1989 BVerwG 1 WB 14.89 (a. a. O.) in einem weitergehenden Sinne gemeint gewesen sein sollte, hält der Senat an dieser Entscheidung nicht fest.
[6] 24 Es kommt hinzu, dass die streitige Entscheidung hinsichtlich des A 16 Dienstpostens in K. auch nicht das "Ergebnis" des Personalgesprächs war. Vielmehr wurde die Entscheidung von anderen Stellen getroffen und wurde in dem Personalgespräch am 16. Juli 2007 in Verbindung mit der am 27. Juli 2007 erteilten Information lediglich bekanntgegeben.
[7] 25 Kommt es demnach im vorliegenden Fall nicht auf die Bekanntgabe des erst unter dem 9. Oktober 2007 gefertigten Vermerks über das Personalgespräch an, begann die Beschwerdefrist am 27. Juli 2007. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist der Senat davon überzeugt, dass dem Antragsteller aufgrund der Mitteilung in dem Personalgespräch vom 16. Juli 2007 und der ihm in dem persönlichen Gespräch mit dem Personalführer am 27. Juli 2007 erteilten ergänzenden Informationen bekannt war, dass er definitiv für den angestrebten Dienstposten in K. nicht vorgesehen war und dass stattdessen der Konkurrent für den Dienstposten ausgewählt worden war. … (wird ausgeführt)
[8] 33 Entgegen der Ansicht des Antragstellers folgt aus dem Umstand, dass seine Bevollmächtigten bereits mit ihrem Schriftsatz vom 22. Mai 2007 eine schriftliche Vollmacht des Antragstellers vorgelegt hatten, nicht, dass die Entscheidung nur ihnen gegenüber hätte eröffnet werden können. Abgesehen davon, dass die Vollmacht in dem später durch eine entsprechende klarstellende Erklärung beendeten ersten Beschwerdeverfahren dem Bundesministerium der Verteidigung vorgelegt worden war und nicht dem Personalamt der Bundeswehr, enthält die Wehrbeschwerdeordnung keine Bestimmung, wonach die Bekanntgabe einer Personalentscheidung nur an einen bestellten Bevollmächtigten erfolgen könnte. Auch in § 41 Abs. 1 Satz 2 VwVfG ist lediglich geregelt, dass die Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes auch gegenüber einem bestellten Bevollmächtigten vorgenommen werden "kann". Die Regelung des § 7 Abs. 1 Satz 2 VwZG, wonach eine Zustellung an den bestellten Bevollmächtigten zu richten ist, wenn er schriftliche Vollmacht vorgelegt hat, ist hier schon deswegen nicht einschlägig, weil die Entscheidung nicht förmlich zugestellt wurde und auch nicht förmlich zugestellt werden musste. …
[9] 34 Begann die Zwei-Wochen-Frist für die Einlegung der Beschwerde nach § 6 Abs. 1 WBO demnach am 27. Juli 2007, so endete sie nach der im Wehrbeschwerdeverfahren entsprechend anwendbaren Regelung des § 57 Abs. 2 VwGO i. V. m. § 222 Abs. 1 ZPO, § 188 Abs. 2, § 187 Abs. 1 BGB mit Ablauf des 10. August 2007. Die Beschwerde ist aber erst am 20. September 2007 bei dem Disziplinarvorgesetzten des Antragstellers eingegangen und war damit verspätet.