Europäisches Gericht
"Staatliche Beihilfen – Digitales terrestrisches Fernsehen – Beihilfe der deutschen Behörden zugunsten der Rundfunkanbieter, die das digitale terrestrische Rundfunknetz (DVB-T) in der Region Berlin-Brandenburg verwenden – Entscheidung, mit der die Unvereinbarkeit der Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt festgestellt und ihre Rückforderung angeordnet wird – Nichtigkeitsklage – Fehlende individuelle Betroffenheit – Unzulässigkeit"
1. Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.
2. Die Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB) trägt die Kosten.

EuG, Urteil vom 6. 10. 2009 – T-24/06 (lexetius.com/2009,2767)

[1] In der Rechtssache T-24/06 Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB) mit Sitz in Berlin (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: zunächst Rechtsanwalt M. Schütte und Solicitor B. Immenkamp, dann Rechtsanwalt M. Schütte, Klägerin, gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch H. van Vliet und K. Gross als Bevollmächtigte, Beklagte, unterstützt durch Deutscher Kabelverband e. V. mit Sitz in Berlin, Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte K. Struckmann, C. Arhold und N. Wimmer, Streithelfer, wegen Nichtigerklärung der Entscheidung 2006/513/EG der Kommission vom 9. November 2005 über die staatliche Beihilfe, die die Bundesrepublik Deutschland zugunsten der Einführung des digitalen terrestrischen Fernsehens (DVB-T) in Berlin-Brandenburg gewährt hat (ABl. 2006, L 200, S. 14), erlässt DAS GERICHT ERSTER INSTANZ DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Siebte Kammer) unter Mitwirkung des Präsidenten N. J. Forwood sowie der Richter D. Šváby und E. Moavero Milanesi (Berichterstatter), Kanzler: T. Weiler, Verwaltungsrätin, aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 20. Mai 2009 folgendes Urteil (*):
Sachverhalt
[2] 1 Ende 1997 beschloss die Bundesregierung, die Digitalisierung der Rundfunkübertragung zu fördern. Die Umstellung auf die digitale Rundfunkübertragung sollte bis 2010 abgeschlossen sein. Als erste Bundesländer trafen Berlin und Brandenburg Maßnahmen, um den Umstieg vom analogen auf das digitale terrestrische Fernsehen (DVB-T) zu ermöglichen.
[3] 2 Am 17. Dezember 2001 beschloss die Klägerin, die Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB), den Umstieg auf DVB-T finanziell zu fördern. Die MABB schloss lediglich mit den privaten Rundfunkanbietern Subventionsverträge; darin teilte sie erstens diesen Anbietern für die Dauer von sieben Jahren je einen Multiplex mit vier Programmplätzen zu, zweitens verpflichteten sich die Rundfunkanbieter, ihre Fernsehprogramme ab dem 1. März 2003 fünf Jahre lang digital terrestrisch zu verbreiten, und drittens sollte die von der MABB gewährte Beihilfe die Ausstrahlungskosten über DVB-T abdecken, wobei ihre Höhe etwa einem Drittel des von den Rundfunkanbietern an die Netzbetreiber zu entrichtenden Entgelts entsprach.
[4] 3 Die MABB finanzierte die Beihilfen aus ihrem Haushalt, der im Wesentlichen aus 2 % des nach § 40 des Staatsvertrags vom 31. August 1991 über den Rundfunk im vereinten Deutschland (im Folgenden: Rundfunkstaatsvertrag) und § 15 des Staatsvertrags vom 29. Februar 1992 über die Zusammenarbeit zwischen Berlin und Brandenburg im Bereich des Rundfunks (im Folgenden: Medienstaatsvertrag) auf diese beiden Länder entfallenden Rundfunkgebührenaufkommens bestand.
[5] 4 Die MABB gewährte diese Subvention lediglich den privaten Rundfunkanbietern, da die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in der Lage waren, ihre Aufwendungen für die DVB-T-Übertragung aus dem ihnen zustehenden Rundfunkgebührenaufkommen zu finanzieren.
[6] 5 Mit Schreiben vom 14. Juli 2004 setzte die Kommission der Europäischen Gemeinschaften die Bundesrepublik Deutschland von ihrem Beschluss in Kenntnis, wegen der fraglichen Maßnahmen ein förmliches Prüfverfahren nach Art. 88 Abs. 2 EG einzuleiten. Dieser Beschluss wurde im Amtsblatt der Europäischen Union vom 28. August 2004 veröffentlicht.
[7] 6 In der Entscheidung 2006/513/EG vom 9. November 2005 über die staatliche Beihilfe, die die Bundesrepublik Deutschland zugunsten der Einführung des digitalen terrestrischen Fernsehens (DVB-T) in Berlin-Brandenburg gewährt hat (ABl. 2006, L 200, S. 14, im Folgenden: angefochtene Entscheidung), stellte die Kommission fest, dass diese von der Bundesrepublik Deutschland den in Berlin-Brandenburg an DVB-T beteiligten privaten Rundfunkanbietern gewährte Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar ist (Art. 1 der angefochtenen Entscheidung).
[8] 7 Die Kommission ordnete an, die rechtswidrig zur Verfügung gestellte Beihilfe, zuzüglich Zinsen vom Zeitpunkt der Zahlung der rechtswidrigen Beihilfe bis zu ihrer tatsächlichen Rückzahlung, von den Begünstigten zurückzufordern (Art. 2 und 3 der angefochtenen Entscheidung).
Verfahren und Anträge der Beteiligten
[9] 8 Mit Klageschrift, die am 24. Januar 2006 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben.
[10] 9 Mit Schriftsatz, der am 3. März 2006 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Kommission gemäß Art. 50 § 1 der Verfahrensordnung des Gerichts beantragt, die vorliegende Rechtssache mit den Rechtssachen T-8/06, FAB/Kommission, und T-21/06, Deutschland/Kommission, zu verbinden. Die Klägerin hat dagegen keine Einwände erhoben.
[11] 10 Mit Schriftsatz, der am 19. Mai 2006 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat der Deutsche Kabelverband e. V. seine Zulassung als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Kommission beantragt. Durch Beschluss des Präsidenten der Vierten Kammer des Gerichts vom 19. April 2007 ist dem Antrag auf Zulassung als Streithelfer stattgegeben worden. Der Streithelfer hat seinen Streithilfeschriftsatz am 6. Juni 2007 eingereicht. Die Klägerin hat innerhalb der vorgeschriebenen Frist eine Stellungnahme abgegeben. Die Kommission hat sich nicht geäußert.
[12] 11 Aufgrund einer Änderung der Zusammensetzung der Kammern des Gerichts ist der Berichterstatter der Siebten Kammer zugeteilt worden, an die die vorliegende Rechtssache deshalb verwiesen worden ist. Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht (Siebte Kammer) beschlossen, das mündliche Verfahren zu eröffnen.
[13] 12 In der Sitzung hat das Gericht vor Beginn der mündlichen Ausführungen mit Zustimmung aller Parteien beschlossen, die vorliegende Rechtssache lediglich zum Zweck des mündlichen Verfahrens mit den Rechtssachen FAB/Kommission und Deutschland/Kommission zu verbinden. Anschließend haben die Parteien mündlich verhandelt und die Fragen des Gerichts beantwortet.
[14] 13 Die Klägerin beantragt,
- die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären;
- der Kommission die Kosten aufzuerlegen.
[15] 14 Die Kommission, unterstützt durch den Streithelfer, beantragt,
- die Klage abzuweisen;
- der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.
Zur Zulässigkeit
Vorbringen der Parteien
[16] 15 Die Kommission hält die Klage für unzulässig. Nach ihrer Ansicht ist die Klägerin als Anstalt des öffentlichen Rechts zwar rechtsfähig und damit grundsätzlich gemäß Art. 230 Abs. 4 EG klagebefugt; im vorliegenden Fall sei sie aber weder individuell betroffen, noch verfüge sie über ein eigenes Interesse an der Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung. Da sich die angefochtene Entscheidung an die Bundesrepublik Deutschland richte, wäre die Klägerin von ihr nur dann individuell betroffen, wenn die Kriterien erfüllt wären, die der Gerichtshof im Urteil vom 15. Juli 1963, Plaumann/Kommission (25/62, Slg. 1963, 213), aufgestellt habe.
[17] 16 Die Klägerin sei jedoch weder Empfängerin der streitigen Beihilfen, noch vertrete sie die Interessen der begünstigten Unternehmen. Die individuelle Betroffenheit könnte sich nur daraus ergeben, dass sie die fragliche Beihilfe gewährt habe. Dies allein reiche jedoch nicht aus.
[18] 17 Nach der Rechtsprechung könnten Gebietskörperschaften, die gegen eine Entscheidung der Kommission klagen wollten, individuell betroffen sein. Entscheidend sei hierbei, dass autonome Gebietskörperschaften als Träger spezifischer Rechte und Interessen angesehen würden, die nur sie selbst wahren könnten. In Bezug auf nationale Behörden, die sich nicht wie Gebietskörperschaften auf Autonomierechte berufen könnten, vertrete der Gerichtshof eine deutlich restriktivere Linie, so insbesondere im Urteil vom 10. Juli 1986, DEFI/Kommission (282/85, Slg. 1986, 2469).
[19] 18 Die Rechtsprechung zu autonomen Gebietskörperschaften sei auf die Klägerin nicht anwendbar. Als eine in die Staatsorganisation eingegliederte Behörde, die mit der Ausübung hoheitlicher Befugnisse betraut sei, habe die Klägerin keine eigenen, von den Rechten des Staates zu unterscheidenden originären Rechte wie eine autonome Gebietskörperschaft. Sie leite ihre Legitimation vielmehr indirekt von den Regierungen der Bundesländer ab, denen sie unterstellt sei und die ihr eine Reihe von Aufgaben zugewiesen hätten, zu deren Erfüllung sie über bestimmte Befugnisse verfüge.
[20] 19 Die Klägerin sei durch den Medienstaatsvertrag errichtet worden, der in den §§ 7 bis 18 ihre Organisation und Aufgaben regele. Zwar werde ihr dort ein begrenztes Recht auf Selbstverwaltung eingeräumt, doch seien ihre Aufgaben klar umschrieben und begrenzt. Insbesondere habe sie keinen Einfluss auf die Höhe der ihr zur Verfügung stehenden Mittel und besitze kaum Ermessensspielraum bei der Verwendung ihrer Haushaltsmittel. Außerdem unterlägen ihre Finanzordnung und ihre Haushaltsführung der staatlichen Rechtsaufsicht sowie der Kontrolle durch den Rechnungshof. Schließlich würden die Mitglieder des zentralen Organs der Klägerin, des Medienrats, zu gleichen Teilen vom Brandenburger Landtag und vom Berliner Abgeordnetenhaus bestimmt.
[21] 20 Die Klägerin könne ausschließlich in dem im Medienstaatsvertrag vorgesehenen Umfang tätig werden. Nach dessen § 46 Abs. 3 und 4 sei sie befugt, besondere Regelungen für die Vergabe digitaler terrestrischer Frequenzen zu treffen. Hierzu könne sie Verträge schließen, in denen die Entwicklung der digitalen Technologie und des Gesamtangebots festgelegt werde.
[22] 21 Die Ziele und Grenzen der Förderpolitik legten damit allein die Länder Berlin und Brandenburg im Medienstaatsvertrag fest. Die grundsätzliche Entscheidung über eine mögliche finanzielle Förderung der Umstellung auf die digitale Übertragung hätten folglich die Länder Berlin und Brandenburg getroffen, als sie den Medienstaatsvertrag entsprechend geändert hätten.
[23] 22 Den Ländern Berlin und Brandenburg sei daher "wahrscheinlich" als autonomen Gebietskörperschaften ein Klagerecht einzuräumen, während die Klägerin als ausführende Behörde kein vom Interesse dieser Länder unterscheidbares eigenes Interesse an der Durchführung einer bestimmten Förderpolitik habe.
[24] 23 Die Gegenposition zu dieser Auffassung würde darauf hinauslaufen, dass jeder Behörde, die bei der Beihilfegewährung über ein Ermessen verfüge, ein eigenständiges Klagerecht einzuräumen wäre. Eine solche Folgerung widerspräche aber dem Wesen der Kontrolle staatlicher Beihilfe als einem Verfahren zwischen der Kommission und dem jeweiligen Mitgliedstaat. Im Übrigen habe sich die Klägerin, anders als die Bundesregierung, nicht am förmlichen Prüfverfahren beteiligt.
[25] 24 Die Klageberechtigung juristischer Personen, die Beihilfen gewährten, müsse in Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung auf autonome Gebietskörperschaften, die tatsächlich "originäre Rechte und Interessen" besäßen, beschränkt bleiben. Sie dürfe keinesfalls auf Behörden ausgedehnt werden, die in die allgemeine Staatsverwaltung integriert seien und bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben lediglich über eine gewisse Eigenständigkeit verfügten. Die Klägerin sei somit nicht als individuell von der angefochtenen Entscheidung betroffen anzusehen.
[26] 25 Der Klägerin fehle folglich ein eigenes rechtliches Interesse an der Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung; ihre Klage sei daher unzulässig.
[27] 26 Die Klägerin hält dem entgegen, die Kommission sehe sie zu Unrecht als lediglich "ausführende Behörde" an, die kein eigenes Interesse an der Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung habe, und verkenne ihre rechtliche und tatsächliche Stellung.
[28] 27 Sie sei in ähnlicher Weise individualisiert wie die Bundesrepublik Deutschland als Adressatin der angefochtenen Entscheidung. Erstens sei sie als Geber der vermeintlichen Beihilfe in dieser Entscheidung namentlich genannt. Zweitens habe sie sich entgegen der Darstellung der Kommission sehr wohl am Verwaltungsverfahren beteiligt. Drittes habe sie die Förderung der privaten Rundfunkanbieter selbst beschlossen. Viertens sei sie von der Bundesrepublik Deutschland und den Ländern Berlin und Brandenburg sowie deren Regierungen unabhängig organisiert, so dass weder die Bundesregierung noch die Regierungen der Länder Berlin und Brandenburg Einfluss auf ihre Entscheidung nehmen könnten oder in irgendeiner Weise genommen hätten. Aufgrund dieser besonderen Stellung sei sie aus dem Kreis aller übrigen Personen herausgehoben und damit von der angefochtenen Entscheidung individuell betroffen.
[29] 28 Sie habe nicht lediglich das Förderkonzept einer Regierung "umgesetzt", wie die Kommission glauben machen wolle. Das Urteil DEFI/Kommission, in dem es um eine Beihilfe durch eine von der Französischen Republik beeinflusste und kontrollierte "Zahlstelle" der französischen Regierung gegangen sei, passe nicht auf ihre Situation. Anders als die DEFI sei sie keinesfalls eine mit der Auszahlung von Beihilfen betraute "Zahlstelle der Bundesregierung". Ihr Auftrag sei ganz anders gefasst. Zudem stelle die streitige Förderung der privaten Rundfunkanbieter eine autonome Entscheidung der Klägerin dar. Diese Entscheidung sei weder durch die Bundesrepublik Deutschland noch durch die Länder Berlin oder Brandenburg veranlasst noch sonst gesetzlich, per Rundfunkstaatsvertrag oder anderweitig, vorgegeben worden.
[30] 29 Im Jahr 2001 habe sie Verhandlungen über DVB-T mit allen privaten und öffentlich-rechtlichen Rundfunkanbietern in der Region Berlin-Brandenburg geführt, wobei diese erklärt hätten, dass sie sich ohne eine finanzielle Abfederung ganz aus der terrestrischen Übertragung zurückziehen würden. Daher habe sie ohne Einflussnahme irgendwelcher Art durch die Länder oder den Bund beschlossen, einen DVB-T-Pilotversuch in der Region Berlin-Brandenburg für einen Zeitraum von fünf Jahren mit einem Zuschuss zu den Übertragungskosten zu fördern, um die Teilnahme der privaten Rundfunkanbieter am Umstieg auf DVB-T sicherzustellen.
[31] 30 Die Entwicklung des Förderkonzepts, die Verhandlungen mit den Anbietern, die DVB-T-Satzung, der Abschluss der Umstiegsvereinbarung sowie der Abschluss der Verträge mit den einzelnen Rundfunkanbietern seien allein ihre Sache gewesen. Weder die Bundes- noch eine Landesregierung seien in diesen Prozess involviert gewesen.
[32] 31 Das Argument der Kommission, ein Beschluss der Klägerin über die Förderung der privaten Anbieter sei nur möglich gewesen, weil der Medienstaatsvertrag eine entsprechende Förderung erlaubt habe, sei "unrichtig und irreführend". Die gesetzliche Möglichkeit zur Förderung von Projekten für neuartige Rundfunkübertragungstechniken gebe nicht vor, ob und wie neue Techniken gefördert würden. Die Entscheidung über die Förderung des DVB-T-Pilotprojekts in der Region Berlin-Brandenburg sowie dessen konkrete Ausgestaltung sei daher von ihr getroffen worden.
[33] 32 Anders als die in der Rechtssache DEFI/Kommission streitige Subvention stamme die von ihr gewährte Zuwendung nicht aus dem staatlichen Haushalt, sondern aus der von den Nutzern erhobenen Rundfunkgebühr, was den autonomen Charakter der Förderentscheidung noch verstärke.
[34] 33 Zu ihrer Unabhängigkeit sei festzustellen, dass sie nach deutschem Verfassungsrecht als Aufsichtsbehörde für den privaten Rundfunk über weitgehende Autonomie verfüge. Diese Autonomie spiegele sich darin wider, dass das Bundesverfassungsgericht den Landesmedienanstalten Grundrechtsfähigkeit zugesprochen habe, obwohl Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts grundsätzlich nicht Träger von Grundrechten seien. Dies belege, dass die Klägerin nicht, wie die Kommission meine, "Teil des Staates" sei, sondern eine eigenständige Einrichtung, die nicht als eine in die Bundesrepublik Deutschland oder die Länder integrierte Behörde anzusehen sei.
[35] 34 Entgegen der Auffassung der Kommission sei diese Tatsache entscheidend für die Frage der Eigenständigkeit ihres Rechtsschutzinteresses und ihrer Klagebefugnis.
[36] 35 Außerdem seien die Mitglieder des Medienrats entgegen dem Vorbringen der Kommission keine Vertreter der Länder. Vielmehr würden sie von den Landesparlamenten in Berlin und Brandenburg aufgrund ihrer besonderen Sachkunde auf dem Gebiet des Medienwesens gewählt und seien keineswegs Vertreter der Länder.
[37] 36 Außerdem habe sie einen erheblichen Spielraum bei der Verwendung ihrer Mittel. Nach § 40 des Rundfunkstaatsvertrags könnten ihre Mittel zur Förderung von Projekten für neuartige Rundfunkübertragungstechniken verwendet werden. Eine weitere gesetzliche Präzisierung hinsichtlich der Verwendung dieser Mittel bestehe nicht. Ihre Unabhängigkeit werde auch dadurch gewährleistet, dass ihr für die Wahrnehmung ihrer gesamten Aufgaben ein Anteil von 2 % der Rundfunkgebühr pauschal zugewiesen werde. Hierzu hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung erläutert, dass dieser ihr zugewiesene Teil der Gebühr 95 % ihres Haushalts ausmache. Ihre Mittel seien daher völlig unabhängig von den Landeshaushalten, so dass die Landesregierungen über die Zuweisung von Finanzmitteln keinen konkreten Einfluss auf ihre einzelnen Entscheidungen nehmen könnten.
[38] 37 Die Kontrolle durch den Rechnungshof nach § 17 des Medienstaatsvertrags beschränke sich auf die Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit. Dieselben Maßstäbe fänden bei der Kontrolle der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten Anwendung, die sich wie die Klägerin aus Rundfunkgebühren finanzierten und staatsfern organisiert seien.
[39] 38 Es treffe nicht zu, dass sich die Klägerin am Verwaltungsverfahren nicht beteiligt habe; sie habe die Mitteilungen der Bundesregierung im förmlichen Prüfverfahren im Wesentlichen vorbereitet, so dass eine eigene Stellungnahme nach der Veröffentlichung des Beschlusses über die Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens im Amtsblatt der Europäischen Union entbehrlich gewesen sei. Sie habe sich sehr aktiv am Verfahren beteiligt, denn sie habe mündlich und schriftlich zu tatsächlichen Fragen und zur rechtlichen Bewertung der DVB-T-Förderung in der Region Berlin-Brandenburg Stellung genommen sowie auf Nachfrage der Kommission Auskünfte erteilt. Dies belege eine Reihe von Dokumenten, die sie im Verwaltungsverfahren vorgelegt habe. Durch ihre Beteiligung am Verfahren vor der Kommission sei sie daher individualisiert.
[40] 39 Sie habe auch ein "eigenständiges rechtliches Interesse" am Ausgang der Klage. Sie habe nämlich mit den privaten Rundfunkanbietern Vereinbarungen über die finanzielle Förderung gegen Übernahme einer Sendeverpflichtung getroffen. Nach der angefochtenen Entscheidung seien die aufgrund der geschlossenen Verträge gewährten Beihilfen zurückzufordern, und diese Rückforderung habe sie zu veranlassen. Außerdem müsse sie die Verträge und die sich daraus ergebenden Sendeverpflichtungen anpassen.
[41] 40 Ihr Rechtsschutzinteresse entfalle zudem nicht dadurch, dass auch die Bundesregierung Klage gegen die angefochtene Entscheidung erhoben habe. Zum einen hingen die Klagebefugnis und der Anspruch auf Rechtsschutz eines unmittelbar und individuell betroffenen Nicht-Adressaten einer Entscheidung nicht davon ab, ob der Adressat der Entscheidung Klage erhebe. Zum anderen seien die eigenständigen Interessen der Klägerin durch die Klageerhebung der Bundesregierung nicht notwendigerweise gewahrt. Die Klage sei somit zulässig.
Würdigung durch das Gericht
[42] 41 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin, da sie rechtsfähig ist, Nichtigkeitsklage gemäß Art. 230 Abs. 4 EG erheben kann. Da sich die angefochtene Entscheidung jedoch nicht an die Klägerin, sondern an die Bundesrepublik Deutschland richtet, ist zu prüfen, ob die Klägerin von der Entscheidung individuell betroffen ist.
[43] 42 Nach ständiger Rechtsprechung können andere Personen als die Adressaten einer Entscheidung nur dann geltend machen, im Sinne des Art. 230 Abs. 4 EG individuell betroffen zu sein, wenn diese Entscheidung sie wegen bestimmter persönlicher Eigenschaften oder wegen tatsächlicher Umstände, die sie aus dem Kreis aller übrigen Personen herausheben, berührt und sie dadurch in ähnlicher Weise individualisiert wie den Adressaten (Urteil Plaumann/Kommission, S. 238, und Urteil vom 28. Januar 1986, Cofaz u. a./Kommission, 169/84, Slg. 1986, 391, Randnr. 22).
[44] 43 Folglich ist im vorliegenden Fall zu prüfen, ob die angefochtene Entscheidung die Klägerin wegen bestimmter persönlicher Eigenschaften berührt oder ob tatsächliche Umstände vorliegen, die sie aus dem Kreis aller übrigen Personen herausheben.
[45] 44 Die Klägerin trägt erstens vor, dass sie bei der Wahrnehmung der ihr übertragenen Aufgaben über weitgehende Autonomie verfüge und dass sie keiner Einflussnahme der Bundesregierung oder der Regierungen der Länder Berlin und Brandenburg unterliege.
[46] 45 Fest steht, dass die der MABB übertragenen Aufgaben und Zuständigkeiten u. a. in § 8 des Medienstaatsvertrags festgelegt sind. Zu ihren Aufgaben gehören insbesondere die "Förderung der technischen Infrastruktur für die Rundfunkversorgung und von Projekten für neuartige Rundfunkübertragungstechniken", die "Unterstützung der Entwicklung der Region Berlin-Brandenburg als Medienstandort von nationaler und europäischer Bedeutung" und die "Förderung von Projekten der Medienkompetenz bei herausragendem öffentlichen Interesse".
[47] 46 Die Aufgaben und Zuständigkeiten der MABB, die im Medienstaatsvertrag, durch den sie errichtet wurde, klar umschrieben und festgelegt sind, wurden ihr somit von den betreffenden Ländern übertragen (vgl. in diesem Sinne Urteil DEFI/Kommission, Randnr. 18).
[48] 47 Außerdem können die meisten dieser Aufgaben und Kompetenzen auf den Auftrag zur Förderung des Rundfunks, neuer Techniken der Rundfunkübertragung und der Medien zurückgeführt werden. Der Begriff der Förderung schließt dabei u. a. die Möglichkeit ein, den betreffenden Unternehmen Beihilfen zu gewähren.
[49] 48 Somit ist festzustellen, dass die Existenz der fraglichen Beihilferegelung nicht vom Umfang der Entscheidungsfreiheit der Klägerin abhängt (Urteile des Gerichts vom 30. April 1998, Vlaams Gewest/Kommission, T-214/95, Slg. 1998, II-717, Randnr. 29, und vom 15. Dezember 1999, Freistaat Sachsen u. a./Kommission, T-132/96 und T-143/96, Slg. 1999, II-3663, Randnrn. 84 und 85). Ihre Autonomie betrifft vielmehr bestimmte Durchführungsmodalitäten der Beihilferegelung, insbesondere die Bestimmung neuer Technologien der Rundfunkübertragung, deren Entwicklung gefördert werden soll, die konkreten operativen Aspekte der Beihilfe und deren Gewährung an die ausgewählten Empfänger.
[50] 49 Zweitens trägt die MABB zu ihren finanziellen Mitteln vor, ihre Unabhängigkeit sei dadurch gewährleistet, dass ihr ein Teil des Rundfunkgebührenaufkommens, der fast ihren gesamten Haushalt ausmache, zur Erfüllung ihrer Aufgaben und Kompetenzen zugewiesen werde. In § 15 des Medienstaatsvertrags heißt es nämlich: "Die Medienanstalt finanziert sich aus … dem … Rundfunkgebührenaufkommen …"
[51] 50 Hierzu ist festzustellen, dass diese Mittel staatliche Mittel im Sinne des Art. 87 EG darstellen, da die Höhe des Gebührenaufkommens durch öffentliche Stellen festgesetzt wird, da jeder Einzelne die an den bloßen Besitz eines Fernseh- oder Radiogeräts und nicht an eine vertragliche Beziehung anknüpfende Gebühr zahlen muss und da die öffentlichen Stellen auch festlegen, welcher Teil des Gebührenaufkommens der MABB zufließt, damit sie ihre Aufgaben erfüllen kann (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 22. Oktober 2008, TV 2/Danmark u. a./Kommission, T-309/04, T-317/04, T-329/04 und T-336/04, Slg. 2008, II-0000, Randnr. 158). Ferner heißt es in § 15 Abs. 1 des Medienstaatsvertrags: "Die nicht in Anspruch genommenen Mittel werden durch Beschluss des Medienrates an die Landesrundfunkanstalten … aus beiden Ländern abgeführt."
[52] 51 Angesichts dessen, dass die der MABB zugewiesenen Mittel staatlicher Natur sind und dass sie verpflichtet ist, nicht in Anspruch genommene Mittel abzuführen, vermag die Klägerin mit diesem Vorbringen ihre Unabhängigkeit nicht zu belegen (vgl. in diesem Sinne Urteile Vlaams Gewest/Kommission, Randnr. 30, und Freistaat Sachsen u. a./Kommission, Randnr. 91).
[53] 52 Soweit es sich drittens um die von den deutschen Behörden ausgeübte Kontrolle über die MABB und deren Tätigkeit handelt, ergibt sich zum einen aus § 17 des Medienstaatsvertrags, dass der "Rechnungshof von Berlin … die Haushalts- und Wirtschaftsführung sowie die Rechnungslegung der Medienanstalt [prüft]". Zum anderen wird nach diesem Artikel das Abgeordnetenhaus von Berlin über die wesentlichen Ergebnisse der Prüfung des Rechnungshofs unterrichtet. Ferner werden nach § 10 des Medienstaatsvertrags je drei Mitglieder des Medienrates, des Entscheidungsorgans der MABB, vom Abgeordnetenhaus von Berlin und vom Brandenburger Landtag gewählt. Der Vorsitzende des Medienrates, das siebte Mitglied, wird von beiden Parlamenten gemeinsam bestimmt. Schließlich geht aus § 18 des Medienstaatsvertrags hervor, dass die MABB der staatlichen Rechtsaufsicht untersteht, die im Wechsel von den Ländern Berlin und Brandenburg ausgeübt wird.
[54] 53 Unter diesen Umständen kann die MABB nicht geltend machen, dass sie wie eine Gebietskörperschaft selbständige Aufgaben wahrnehme (vgl. in diesem Sinne Urteile DEFI/Kommission, Randnr. 18, Vlaams Gewest/Kommission, Randnrn. 29 und 30, und Freistaat Sachsen u. a./Kommission, Randnrn. 84 bis 91). Sie ist daher als eine zur Organisation der betreffenden Länder und somit des Staates im Sinne von Art. 87 EG gehörende Behörde anzusehen.
[55] 54 Viertens ist zum Vorbringen der MABB, dass sie bei der Erfüllung ihrer Aufgaben und Zuständigkeiten unabhängig sei, hervorzuheben, dass es in § 7 Abs. 1 des Medienstaatsvertrags ausdrücklich heißt, dass sie nur über ein "Recht auf Selbstverwaltung" verfügt. In diesem Rahmen unterliegt sie im Übrigen, wie oben in Randnr. 52 ausgeführt, einer staatlichen Haushaltskontrolle und der Rechtsaufsicht.
[56] 55 Fünftens vermag die MABB, selbst wenn man unterstellt, dass sie als die mit der Durchführung der Beihilferegelung – nämlich der Auszahlung von Beihilfen und gegebenenfalls ihrer Rückforderung von den Begünstigten – betraute Behörde eigene Interessen zu verteidigen hätte, nicht darzutun, wodurch sich ihre eigenen Interessen hinsichtlich der Beihilferegelung von denen der Bundesrepublik Deutschland und der Länder Berlin und Brandenburg unterscheiden sollen (vgl. in diesem Sinne Urteil DEFI/Kommission, Randnr. 18).
[57] 56 Nach alledem ist die MABB von der angefochtenen Entscheidung nicht individuell betroffen; ihre Klage ist daher unzulässig.
Kosten
[58] 57 Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr, wie von der Kommission und dem Streithelfer beantragt, die Kosten aufzuerlegen.
* Verfahrenssprache: Deutsch.