Bundessozialgericht
Arbeitslosengeldanspruch – Territorialitätsgrundsatz – grenznaher Auslandswohnsitz – Verlegung des Wohnsitzes zur Kindererziehung nach Eintritt der Arbeitslosigkeit in anderen Mitgliedstaat – fehlende Grenzgängereigenschaft – verfassungskonforme Auslegung

BSG, Urteil vom 7. 10. 2009 – B 11 AL 25/08 R (lexetius.com/2009,4301)

[1] Tatbestand: Streitig ist, ob der Kläger trotz seines Wohnsitzes in den Niederlanden für die Zeit vom 6. Januar bis 20. August 2006 Anspruch auf Arbeitslosengeld (Alg) hat.
[2] Der 1961 geborene Kläger wohnte und arbeitete vom 1. September 2002 bis 31. August 2003 als Sozialpädagoge in Aachen. Vom 1. September 2003 bis 24. Januar 2004 bezog er für seine am Januar 2003 geborene Tochter Erziehungsgeld. Seit Juli 2004 wohnt er in V. in den Niederlanden und seit August 2006 ist er wieder in Deutschland beitragspflichtig beschäftigt.
[3] Am 6. Januar 2006 meldete sich der Kläger bei der Beklagten arbeitslos und beantragte Alg. Die Beklagte lehnte die Gewährung von Alg ab, weil der Kläger seinen Wohnsitz nicht in Deutschland habe (Bescheid vom 13. Februar 2006). Den Widerspruch, den er mit einer ungerechtfertigten Ungleichbehandlung gegenüber anderen EU-Bürgern begründete, wies die Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom 3. April 2006).
[4] Die dagegen erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) abgewiesen. Zur Begründung hat das SG im Wesentlichen ausgeführt, das Sozialgesetzbuch (SGB) gelte nach § 30 Abs 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) nur für Personen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich des SGB hätten. Dies sei beim Kläger nicht der Fall. Er könne sich auch nicht auf den in § 30 Abs 2 SGB I enthaltenen Vorbehalt zu Gunsten des überstaatlichen Rechts berufen. Der als allein einschlägig in Betracht kommende Art 71 Verordnung (EWG) Nr 1408/71 vom 14. Juni 1971 (EWGV 1408/71) sei nicht anwendbar, weil der Kläger kein Grenzgänger im Sinne dieser Verordnung sei. Grenzgänger seien arbeitslose Arbeitnehmer, die während ihrer letzten Beschäftigung im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates als des zuständigen Beschäftigungsstaates gewohnt hätten. Habe ein Arbeitnehmer seine berufliche Tätigkeit durchgehend in seinem Wohnsitzstaat ausgeübt und verlege er erst nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses bzw Arbeitsverhältnisses den Wohnsitz in einen anderen Mitgliedstaat, könne er dadurch, dass er sich in einem anderen als dem Wohnstaat um Arbeitsvermittlung und Aufnahme einer Beschäftigung bemühe, nicht die Eigenschaft als echter oder unechter Grenzgänger iS der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nachträglich begründen. Das letzte Arbeits- und Beschäftigungsverhältnis des Klägers habe am 31. August 2003 geendet; zu diesem Zeitpunkt habe der Kläger noch im Geltungsbereich des SGB gewohnt. Dass der Kläger sich im folgenden Zeitraum der Erziehung seiner Tochter gewidmet habe, unterstelle ihn unter keinem Gesichtpunkt dem besonderen Grenzgängerschutz, weil er sich nicht im Erziehungsurlaub befunden habe und die Erziehung zudem am Wohnort stattgefunden habe (Urteil vom 28. November 2006). Die Berufung des Klägers, die dieser noch auf Pflichtbeitragszeiten für Kindererziehung vom 1. September 2003 bis 31. Januar 2006 für seine am 25. Januar 2003 geborene Tochter gestützt hatte, blieb ebenfalls ohne Erfolg. Das Landessozialgericht (LSG) hat auf die Entscheidungsgründe des SG verwiesen und zusätzlich ausgeführt, die Kindererziehungszeit des Klägers sei lediglich Versicherungspflichtzeit und könne unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BSG nicht wie eine Beschäftigung gewertet werden (Urteil vom 18. Juni 2008).
[5] Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung seines Rechts auf Freizügigkeit. Art 71 Abs 1 EWGV 1408/71 regele zwar nicht unmittelbar die Situation, dass eine Person ihren Wohnsitz erst nach Ende des Arbeitsverhältnisses in einem anderen Mitgliedstaats nehme. Jedoch werde der Zweck der Freizügigkeit verfehlt, wenn Arbeitnehmer, die von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch machten, mit einem Verlust der durch Beiträge erworbenen Vergünstigungen der sozialen Sicherheit rechnen müssten. Mittelbar sei er dadurch diskriminiert, dass seine Freizügigkeit als Arbeitnehmer eingeschränkt werde, wenn ihm zur Erfüllung der Voraussetzungen für einen Anspruch auf Alg verwehrt werde, seinen Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat zu nehmen.
[6] Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts vom 28. November 2006 und das Urteil des Landessozialgerichts vom 18. Juni 2008 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 13. Februar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. April 2006 zu verurteilen, an den Kläger vom 6. Januar bis 20. August 2006 Arbeitslosengeld zu zahlen.
[7] Die Beklagte beantragt, die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts vom 18. Juni 2008 zurückzuweisen.
[8] Die Beklagte ist der Auffassung, das LSG habe unter Beachtung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zutreffend entschieden.
[9] Entscheidungsgründe: Die zulässige Revision des Klägers ist begründet (§ 170 Abs 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Der Bescheid der Beklagten vom 13. Februar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. April 2006, mit dem die Beklagte auf den Antrag des Klägers vom 6. Januar 2006 die Gewährung von Alg abgelehnt hat, ist rechtswidrig. Der Kläger hat einen Anspruch auf Alg für die Zeit vom 6. Januar bis 20. August 2006 (s unter 2.). Sein Wohnsitz in den Niederlanden, den er erst nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses dort begründet hat, steht der Anwendung innerstaatlichen Rechts nicht entgegen (s unter 1.). Auf das Gemeinschaftsrecht, das in Art 71 EWGV 1408/71 (ABl EG Nr L 149/2) unmittelbar lediglich Leistungen an einen im Ausland wohnenden arbeitslosen Grenzgänger ermöglicht, und die vom Kläger hieran anknüpfend aufgeworfene Frage, ob die Versagung von Alg bei fehlendem Inlandswohnsitz ohne Grenzgängerstatus das Recht auf Freizügigkeit unzulässig einschränkt, kommt es deshalb nicht an.
[10] 1. Dem geltend gemachten Anspruch kann nicht der allgemeine Grundsatz des § 30 Abs 1 SGB I entgegengehalten werden, der die Vorschriften des SGB auf Personen begrenzt, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben (Territorialitätsprinzip). Zwar kann eine Anwendung des § 30 Abs 1 SGB I auf den Alg-Anspruch nicht von vornherein mit der Begründung verneint werden, aus dem Regelungszusammenhang des Arbeitsförderungsrechts und dem Sinn und Zweck als Lohnersatzleistung (so Loytved, AuB 1985, 200, 204) bzw dem im Arbeitsförderungsrecht geltenden Strukturprinzip der Äquivalenz von Beitrag und Leistung (so Mrozynski, SGB I, 3. Aufl 2003, § 30 RdNr 39 ff; auch Hauck/Noftz, SGB I, Stand V/2000, § 30 RdNr 3) ergebe sich eine abweichende Regelung iS des § 37 Satz 1 SGB I (vgl hierzu auch BSGE 101, 224 = SozR 4—4300 § 421l Nr 2), welche die allgemeine Vorschrift des § 30 Abs 1 SGB I verdränge. Indes ist bei verfassungskonformer Auslegung § 30 Abs 1 SGB I zu berücksichtigen, dass territoriale Gründe nicht erstmals gegen die Einlösung eines mit Beiträgen erworbenen Versicherungsschutzes ins Feld geführt werden können, wenn diese der Auferlegung von Beiträgen nicht entgegenstehen.
[11] Mit Blick auf Art 3 Abs 1 Grundgesetz hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) deshalb § 30 Abs 1 SGB I verfassungskonform dahingehend ausgelegt, dass dem Alg-Anspruch einer zuvor in Deutschland beitragspflichtigen österreichischen Grenzgängerin der Auslandswohnsitz in Belgien jedenfalls dann nicht entgegensteht, wenn die übrigen Leistungsvoraussetzungen gegeben sind. Der Gesetzgeber könne zwar den Wohn- und Aufenthaltsort als Kriterium wählen, nach dem sich neben anderen Voraussetzungen die Gewährung von Leistungen bei Arbeitslosigkeit bestimmt. Er könne auch für die Beitragspflicht an den Beschäftigungsort oder den Wohn- bzw Aufenthaltsort anknüpfen. Er sei aber nicht frei darin, ohne gewichtige sachliche Gründe den Anknüpfungspunkt zwischen Beitragserhebung und Leistungsberechtigung zu wechseln. Dies habe in der Arbeitslosenversicherung vor allem Bedeutung für Personen mit grenznahem Auslandswohnsitz, die gleichzeitig im Inland beschäftigt und versichert sind (sog Grenzgänger, vgl zur näheren Begriffsbestimmung bei EU-Grenzgängern Art 1 Buchst b EWGV 1408/71; dazu näher ua Waltermann/Kämpfer, Der Betrieb 2006, 893, 896 f). Deren besondere Situation sei durch ihre Nähe zum Staatsgebiet der Bundesrepublik, ihre zwangsweise Einbeziehung in das nationale Sicherungssystem des Beschäftigungsorts und nicht des Wohnsitzes mit entsprechender Beitragspflicht und durch den fortbestehenden Bezug zum Inlandsarbeitsmarkt gekennzeichnet. Gründe, die für die Gruppe der so genannten Grenzgänger einen Wechsel des Anknüpfungssachverhalts rechtfertigen könnten, seien nicht ersichtlich (BVerfG, Kammerbeschluss vom 30. Dezember 1999 – 1 BvR 809/95 – SozR 3—1200 § 30 Nr 20). Auf diese Rechtsprechung hat der erkennende Senat bereits in der Fallkonstellation eines Nicht-EU-Grenzgängers Bezug genommen (vgl BSG, Urteil vom 27. August 2008 – B 11 AL 7/07 R, zur Veröffentlichung vorgesehen in SozR, m krit Anm Eichenhofer, ZESAR 2009, 453 zur Einschränkung der Verfügbarkeitsfiktion bei Grenzgängern).
[12] Die aufgezeigten Maßstäbe sind darüber hinaus auf Personen – wie den Kläger – zu übertragen, die während ihrer Beschäftigung und Versicherung im Inland noch keinen Auslandswohnsitz hatten, diesen vielmehr erst nach der Beendigung der Beschäftigung grenznah begründet haben, deshalb aber keinen Grenzgängerstatus im eigentlichen Sinne besitzen (krit zur Unterscheidung dieser Personengruppe von Grenzgängern unter gemeinschaftsrechtlichen Freizügigkeitsgesichtspunkten schon Bieback, SGb 1996, 400 unter Bezug auf BSG SozR 3—6050 Art 71 Nr 8). Die vom 7. Senat – entgegen der Auffassung der Beklagten – nicht abschließend geklärten Zweifel an einer Übertragbarkeit der Rechtsprechung des BVerfG auf den Fall, dass ein Arbeitnehmer erst nach dem Ende des Beschäftigungsverhältnisses im Inland freiwillig seinen Wohnsitz ins (EU-) Ausland verlegt und erst dadurch seinen Anspruch gemäß § 30 Abs 1 SGB I verlieren könnte (BSG, Urteil vom 3. Juli 2003 – B 7 AL 42/02 R – SozR 4—6050 Art 71 Nr 2), teilt der Senat nicht. Die besondere Situation des betroffenen Personenkreises unterscheidet sich nicht wesentlich von der eines Grenzgängers. Sie ist ebenfalls durch die Nähe zum Staatsgebiet der Bundesrepublik, die zwangsweise Einbeziehung in das nationale Sicherungssystem des Beschäftigungsorts mit entsprechender Beitragspflicht und durch den fortbestehenden Bezug zum Inlandsarbeitsmarkt gekennzeichnet. Auch bei diesen Personen sind deshalb unter Äquivalenzgesichtspunkten keine rechtfertigenden Gründe ersichtlich, die eine Beitragserhebung im Inland ermöglichen, aber eine Leistungserbringung – beim Vorliegen aller übrigen Voraussetzungen des Leistungsanspruchs (s dazu unter 2.) – am inlandsnahen Auslandswohnort ausschließen. Der notwendige und verfassungsrechtlich unbedenkliche Bezug zum Geltungsbereich des Gesetzes ergibt sich aus den allgemeinen Leistungsvoraussetzungen für das Alg. Dazu gehört vor allem die subjektive und objektive Verfügbarkeit bezogen auf den inländischen Arbeitsmarkt (vgl BVerfG, Kammerbeschluss vom 30. Dezember 1999 – 1 BvR 809/95 = SozR 3—1200 § 30 Nr 20 S 40; auch Mutschler, SGb 2000, 110, 115 f), die damit letztlich auch das Kriterium der Grenznähe inhaltlich näher ausdifferenziert. Hieran und an den sonstigen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Alg dem Grunde nach bestehen allerdings vorliegend keine Zweifel.
[13] 2. Nach § 118 Abs 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) idF des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2003 (BGBl I 2848) haben Anspruch auf Alg Arbeitnehmer, die arbeitslos sind, sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet und die Anwartschaftszeit erfüllt haben.
[14] Nach § 119 Abs 1 SGB III idF des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (aaO) ist ein Arbeitnehmer arbeitslos, wenn er nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht, sich bemüht, seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden und den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung steht. Nach § 119 Abs 5 SGB III steht den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung, wer eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarktes ausüben kann und darf, bereit ist, jede Beschäftigung dieser Art anzunehmen und auszuüben, bereit ist, an Maßnahmen zur beruflichen Eingliederung in das Erwerbsleben teilzunehmen und Vorschlägen der Agentur für Arbeit zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten kann. Die Feststellungen des LSG lassen im Gesamtzusammenhang mit noch hinreichender Deutlichkeit erkennen, dass der Kläger in der Zeit vom 6. Januar bis 20. August 2006 beschäftigungslos war und es weder Anhaltspunkte dafür gibt, dass er sich nicht bemüht hat, seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden, noch Anhaltspunkte dafür, dass er nicht verfügbar war. Dies bestätigen die näheren Angaben seines Prozessbevollmächtigten im Termin zur mündlichen Verhandlung am 7. Oktober 2009. Der Kläger war insbesondere in der Lage, Vorschlägen der Agentur für Arbeit zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge zu leisten (vgl auch § 1 der Erreichbarkeitsanordnung vom 23. Oktober 1997 [ANBA S 1685]), da der Wohnort des Klägers, V. in den Niederlanden, direkt an der deutschen Grenze liegt. Seine Sprachkenntnisse und beruflichen Qualifikationen als Sozialberater legen es in diesem Zusammenhang entsprechend den Vorgaben der Rechtsprechung des BVerfG (s unter 1.) zudem nahe, dass trotz Auslandswohnsitzes die besseren Eingliederungschancen auf dem deutschen Arbeitmarkt bestehen (vgl auch Valgolio in Hauck/Noftz, SGB III, Stand V/2005, § 122 RdNr 57).
[15] Ausgehend von diesen Gegebenheiten hat der Kläger sich am 6. Januar 2006 bei der zuständigen Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet. Infolgedessen ist die Anwartschaftszeit für die Begründung eines Anspruchs auf Alg noch nach Maßgabe der §§ 123, 124 SGB III idF bis zum Inkrafttreten des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (aaO) am 1. Januar 2004 zu bestimmen. Denn nach der ab 1. Januar 2004 gültigen Übergangsregelung des § 434j Abs 3 SGB III idF des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (aaO) sind für Personen, deren Anspruch auf Alg bis zum 31. Januar 2006 entstanden ist, die §§ 123, 124 SGB III weiterhin in der bis zum 31. Dezember 2003 geltenden Fassung anzuwenden. Nach § 123 Satz 1 Nr 1 SGB III in der bis zum 31. Dezember 2003 gültigen Fassung des Ersten SGB III-Änderungsgesetzes vom 16. Dezember 1997 (BGBl I 2970) hat die Anwartschaftszeit erfüllt, wer in der Rahmenfrist mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat. Die Rahmenfrist beträgt nach § 124 Abs 1 SGB III in der bis zum 31. Dezember 2003 gültigen Fassung des Arbeitsförderungs-Reformgesetzes (AFRG) vom 24. März 1997 (BGBl I 594) drei Jahre und beginnt mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Alg. Damit reicht die dreijährige Rahmenfrist vom 6. Januar 2003 bis 5. Januar 2006, dem Tag vor der Arbeitslosmeldung des Klägers. In dieser Zeit war der Kläger nach §§ 24, 25 SGB III bis zum Ende seiner Beschäftigung am 31. August 2003 durch diese Beschäftigung 7 Monate und 26 Tage in der Arbeitslosenversicherung versicherungspflichtig. Nach § 26 Abs 2a Satz 1 SGB III idF des Job-AQTIV-Gesetzes vom 10. Dezember 2001 (BGBl I 3443) sind darüber hinaus auch Personen in der Zeit, in der sie ein Kind erziehen, das das dritte Lebensjahr noch nicht vollendet hat, versicherungspflichtig, wenn sie unmittelbar vor der Kindererziehung versicherungspflichtig waren und sich mit dem Kind im Inland gewöhnlich aufhalten. Haben mehrere Personen ein Kind gemeinsam erzogen, besteht nach § 26 Abs 2a Satz 3 SGB III Versicherungspflicht nur für die Person, der nach den Regelungen des Rechts der gesetzlichen Rentenversicherung die Erziehungszeit zuzuordnen ist (§ 56 Abs 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch [SGB VI]). Der Kläger hat seine am Januar 2003 geborene Tochter vom 1. September 2003 bis 31. Januar 2006 erzogen und ihm sind diese Zeiten als Kindererziehungszeiten nach § 56 Abs 2 SGB VI zugeordnet worden. Damit war der Kläger auch unmittelbar im Anschluss an seine am 31. August 2003 beendete versicherungspflichtige Beschäftigung in jedem Fall bis zu seinem Umzug im Juli 2004 durch die Kindererziehung und innerhalb der dreijährigen Rahmenfrist insgesamt mehr als 12 Monate versicherungspflichtig, sodass die Anwartschaftszeit für einen Anspruch auf Alg erfüllt ist.
[16] Der Anspruch auf Alg scheitert unter Kumulierungsgesichtspunkten (vgl § 142 Abs 3 SGB III) auch nicht etwa an einem vergleichbaren Anspruch nach niederländischem Recht, welchen das BSG mangels Vorbefassung durch das LSG trotz fehlender Revisibilität eigenständig zu berücksichtigen hätte (vgl Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 162 RdNr 7b mwN). Beim Kläger sind die Voraussetzungen eines Leistungsanspruchs nach niederländischem Recht (Werkloosheidswet [WW]) nicht gegeben, weil er dort zu keiner Zeit als Arbeitnehmer tätig gewesen ist und aus diesem Grund erst recht nicht die nach niederländischem Recht vorgegebene Anwartschaftszeit von 26 Wochen innerhalb einer Rahmenfrist von 39 Wochen zurückgelegt hat (Art 3, 17 WW, vgl Albrecht, Das Recht der Arbeitsförderung in den Niederlanden – Mit vergleichenden Anmerkungen zum deutschen Recht, 2005, S 22 f, 77 f, 85). Dementsprechend hat die niederländische Ausführungsbehörde für Arbeitnehmerversicherungen (Uitvoeringsinstituut werknemersverzekeringen) Leistungen an den Kläger abgelehnt (Bescheid vom 17. Mai 2005).
[17] 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt, dass der Kläger in dem Rechtsstreit vollständig obsiegt hat.