Europäischer Gerichtshof
"Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 – Zollkodex der Gemeinschaften – Art. 221 Abs. 3 und 4 – Nacherhebung der Zollschuld – Verjährung – Strafbare Handlung"
Art. 221 Abs. 3 und 4 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften in der durch die Verordnung (EG) Nr. 2700/2000 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. November 2000 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, wonach die Verjährungsfrist, wenn die Zölle infolge einer Straftat nicht entrichtet worden sind, von dem Tag an zu laufen beginnt, an dem der Beschluss oder das Urteil, der oder das im Strafverfahren ergeht, rechtskräftig geworden ist.

EuGH, Urteil vom 17. 6. 2010 – C-75/09 (lexetius.com/2010,1585)

[1] In der Rechtssache C-75/09 betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht von der Commissione tributaria provinciale di Alessandria (Italien) mit Entscheidung vom 28. Januar 2009, beim Gerichtshof eingegangen am 20. Februar 2009, in dem Verfahren Agra Srl gegen Agenzia Dogane – Ufficio delle Dogane di Alessandria erlässt DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer) unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J.-C. Bonichot, der Richterin C. Toader (Berichterstatterin) sowie der Richter K. Schiemann, P. Kris und L. Bay Larsen, Generalanwältin: E. Sharpston, Kanzler: R. ere, aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 3. März 2010, unter Berücksichtigung der Erklärungen – der Agra Srl, vertreten durch C. D'Andria, avvocato, – der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von G. Albenzio und F. Arena, avvocati dello Stato, – der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek als Bevollmächtigten, – der griechischen Regierung, vertreten durch S. Spyropoulos, I. Bakopoulos und M. Tassopoulou als Bevollmächtigte, – der Europäischen Kommission, vertreten durch L. Bouyon und B.-R. Killmann als Bevollmächtigte, aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden, folgendes Urteil (*):
[2] 1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 221 Abs. 3 und 4 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl. L 302, S. 1) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 2700/2000 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. November 2000 geänderten Fassung (ABl. L 311, S. 17, im Folgenden: Zollkodex).
[3] 2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Agra Srl (im Folgenden: Agra) und der Agenzia Dogane – Ufficio delle Dogane di Alessandria (Zollbehörde – Zollamt Alessandria, im Folgenden: Ufficio delle Dogane) wegen Nacherhebung einer Zollschuld.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
[4] 3 Art. 9 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 954/2002 der Kommission vom 4. Juni 2002 zur Eröffnung und Verwaltung eines Zollkontingents für gefrorenes Rindfleisch des KN-Codes 0202 und Erzeugnisse des KN-Codes 0206 29 91 (1. Juli 2002 bis 30. Juni 2003) (ABl. L 147, S. 8) bestimmt:
"Für den Fall, dass im Einfuhr- bzw. Ausfuhrnachweis gemäß Absatz 2 zwei oder mehr Antragsteller mit ein und derselben Postanschrift eingetragen sind oder dass die Antragsteller zum Zeitpunkt der Antragstellung zu [Mehrwertsteuer]-Zwecken mit ein und derselben Postanschrift eingetragen sind oder dass Mitgliedstaaten aus anderen triftigen Gründen den Verdacht hegen, dass eine Verbindung zwischen Marktteilnehmern besteht, stellen die betreffenden Mitgliedstaaten sicher, dass diese Antragsteller nicht im Sinne des Artikels 143 der Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 der Kommission [vom 2. Juli 1993 mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung Nr. 2913/92 (ABl. L 253 S. 1)] verbunden sind. Wird anschließend eine Verbindung zwischen Antragstellern festgestellt, so werden die betreffenden Anträge nicht berücksichtigt. …"
[5] 4 Art. 221 Abs. 3 und 4 des Zollkodex sieht vor:
"(3) Die Mitteilung an den Zollschuldner darf nach Ablauf einer Frist von drei Jahren nach dem Zeitpunkt des Entstehens der Zollschuld nicht mehr erfolgen. Diese Frist wird ab dem Zeitpunkt ausgesetzt, in dem ein Rechtsbehelf gemäß Artikel 243 eingelegt wird, und zwar für die Dauer des Rechtsbehelfs.
(4) Ist die Zollschuld aufgrund einer Handlung entstanden, die zu dem Zeitpunkt, als sie begangen wurde, strafbar war, so kann die Mitteilung unter den Voraussetzungen, die im geltenden Recht festgelegt sind, noch nach Ablauf der Dreijahresfrist nach Absatz 3 erfolgen."
Nationales Recht
[6] 5 In Art. 11 des Decreto legislativo Nr. 374 vom 8. November 1990 zur Neugestaltung der Zolleinrichtungen und Überprüfung der Feststellungs- und Prüfverfahren im Rahmen der Durchführung der Richtlinie 79/695/EWG vom 24. Juli 1979 und der Richtlinie 82/57/EWG vom 17. Dezember 1981 über die Verfahren für die Überführung von Waren in den zollrechtlich freien Verkehr sowie der Richtlinie 81/177/EWG vom 24. Februar 1981 und der Richtlinie 82/347/EWG vom 23. April 1982 über die Verfahren für die Ausfuhr von Gemeinschaftswaren (GURI Nr. 291 vom 14. Dezember 1990, im Folgenden: Decreto Nr. 374/1990) heißt es:
"(1) Das Zollamt kann einen bestandskräftigen Feststellungsbescheid überprüfen, auch wenn die Waren, die Gegenstand dieses Bescheids waren, dem Marktteilnehmer zur freien Verfügung überlassen wurden oder das Zollgebiet bereits verlassen haben. Die Überprüfung erfolgt von Amts wegen oder auf Antrag des betroffenen Marktteilnehmers, wenn dieser einen solchen innerhalb einer Ausschlussfrist von drei Jahren von dem Tag an, an dem der Feststellungsbescheid bestandskräftig geworden ist, gestellt hat. …
(5) Wenn die von Amts wegen oder auf Antrag einer Partei vorgenommene Überprüfung Ungenauigkeiten, Versäumnisse oder Fehler in Bezug auf die dem Feststellungsbescheid zugrunde liegenden Angaben zutage fördert, ändert das Zollamt den Bescheid entsprechend und teilt dies dem betroffenen Marktteilnehmer durch Zustellung eines Änderungsbescheids mit. Im Fall einer Änderung infolge einer von Amts wegen erfolgten Überprüfung muss der Bescheid innerhalb einer Ausschlussfrist von drei Jahren von dem Tag an, an dem der Feststellungsbescheid bestandskräftig wurde, zugestellt werden. …"
[7] 6 Art. 84 des Decreto del Presidente della Repubblica Nr. 43 vom 23. Januar 1973, mit dem der Testo unico der gesetzlichen Zollbestimmungen erlassen wurde (GURI Nr. 80 vom 28. März 1973, im Folgenden TULD), sieht vor:
"(1) Ansprüche des Staates auf Entrichtung von Zöllen verjähren nach Ablauf von fünf Jahren. …
(3) Werden Zölle infolge einer strafbaren Handlung insgesamt oder teilweise nicht entrichtet, beginnt die Verjährungsfrist von dem Zeitpunkt an zu laufen, zu dem der Beschluss oder das Urteil, der oder das im Strafverfahren ergeht, rechtskräftig geworden ist. …"
[8] 7 Durch Art. 29 des Gesetzes Nr. 428 vom 29. Dezember 1990 über die Rechtsvorschriften zur Durchführung der Verpflichtungen der Italienischen Republik, die sich aus ihrer Zugehörigkeit zu den Europäischen Gemeinschaften ergeben (GURI Nr. 10 vom 12. Januar 1991), wurde die in Art. 84 TULD vorgesehene Verjährungsfrist auf drei Jahre verkürzt.
Ausgangsverfahren und Vorlagefrage
[9] 8 Agra führte im Rahmen des durch die Verordnung Nr. 954/2002 geschaffenen jährlichen Kontingents (Unterkontingent II) gefrorenes Fleisch (ohne Knochen) (des KN-Codes 0202 30 90 90) ein.
[10] 9 Zur Erlangung der Einfuhrlizenzen reichte sie einen Einfuhrantrag ein, in dem sie angab, die Voraussetzungen nach Art. 9 dieser Verordnung zu erfüllen. Eine dieser Voraussetzungen war, dass keine Verbindung zu Unternehmen aus anderen Mitgliedstaaten bestand, die vor dem 14. Juni 2002 ähnliche Anträge gestellt hatten.
[11] 10 Aufgrund einer bei Agra am 12. Februar 2007 durchgeführten Prüfung stellte die Guardia di Finanza di Milano Unregelmäßigkeiten in Bezug auf diese Voraussetzungen fest.
[12] 11 Das auf diese Prüfung hin verfasste Protokoll hatte zum einen eine strafrechtliche Untersuchung zur Folge.
[13] 12 Zum anderen erließ das Ufficio delle Dogane am 28. Februar 2008 einen Bescheid zur Änderung der von Agra eingereichten Zollanmeldungen, mit dem Zölle und Mehrwertsteuer in Höhe von insgesamt 141 125,49 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 47 298,45 Euro nacherhoben werden sollten.
[14] 13 Dieser Änderungsbescheid wurde Agra am 11. März 2008 zugestellt.
[15] 14 Agra focht diesen Bescheid vor der Commissione tributaria provinciale di Alessandria unter Berufung auf die Verjährung des Anspruchs auf Änderung der Zollanmeldungen an. Sie trug vor, dieser Anspruch verjähre nach drei Jahren vom Tag der Zollanmeldungen an. Da die streitigen Anmeldungen am 13. August, am 18. September und am 23. Oktober 2002 eingereicht worden seien, seien die entsprechenden Verjährungsfristen am 13. August, 18. September bzw. 23. Oktober 2005 abgelaufen.
[16] 15 Das Ufficio delle Dogane beruft sich seinerseits auf die in Art. 221 des Zollkodex, insbesondere in seinem Abs. 4 genannten Gründe einer Aussetzung oder Unterbrechung, wonach der genaue Betrag der Zollschuld noch nach Ablauf der Frist von drei Jahren mitgeteilt werden könne, wenn die Zollbehörden den Abgabenbetrag infolge von strafbaren Handlungen nicht genau hätten ermitteln können.
[17] 16 Nach Auffassung des Ufficio delle Dogane muss diese Bestimmung in Verbindung mit Art. 84 TULD ausgelegt werden, wonach die Verjährungsfrist, wenn die Zölle infolge einer strafbaren Handlung insgesamt oder teilweise nicht entrichtet worden seien, von dem Zeitpunkt zu laufen beginne, an dem der Beschluss oder das Urteil, der oder das im Strafverfahren ergehe, rechtskräftig geworden sei.
[18] 17 Vor diesem Hintergrund hat die Commissione tributaria provinciale di Alessandria das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Ist hinsichtlich der Bestimmungen des Art. 11 des Decreto legislativo Nr. 374/1990 in Verbindung mit Art. 221 Abs. 3 und 4 des Zollkodex und unter Berücksichtigung von Art. 84 Abs. 3 TULD das Recht des Ufficio delle Dogane auf Überprüfung des Feststellungsbescheids mit Ablauf von drei Jahren vom Zeitpunkt der Zollanmeldung an verjährt und/oder verfallen, d. h., kann die genannte Frist während eines anhängigen Strafverfahrens wegen eines Delikts im Zusammenhang mit den Zollabgaben, über die der Feststellungsbescheid erlassen wurde, unterbrochen und/oder ausgesetzt werden?
Zur Vorlagefrage
Erklärungen, die beim Gerichtshof eingereicht wurden
[19] 18 Im vorliegenden Verfahren haben Agra, die italienische, die tschechische und die griechische Regierung sowie die Europäische Kommission Erklärungen eingereicht.
[20] 19 Agra schlägt dem Gerichtshof vor, entweder die Anwendung von Art. 221 Abs. 4 des Zollkodex wenigstens von der Vornahme einer Prozesshandlung innerhalb der dreijährigen Verjährungsfrist abhängig zu machen oder festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Anwendung dieser Vorschrift in der jeweiligen nationalen Rechtsordnung festzustellen seien.
[21] 20 Die Zollbehörden seien zwar im Rahmen des Verwaltungsverfahrens für die Feststellung einer strafbaren Handlung zuständig. Die Erfordernisse der Rechtssicherheit verlangten jedoch, dass sie innerhalb der dreijährigen Verjährungsfrist handelten.
[22] 21 Dies ergebe sich aus der Auslegung von Art. 84 TULD und Art. 221 des Zollkodex durch die Corte suprema di cassazione, wonach die Behörden zur Unterbrechung der dreijährigen Verjährungsfrist innerhalb dieser Frist handeln müssten.
[23] 22 Die griechische Regierung ist im Wesentlichen der Auffassung, dass die Verjährung der Zollschuld ausgesetzt werde, sobald der festgestellte Zollverstoß eine strafbare Handlung sei und die zuständige Zollbehörde letzten Endes an der Ermittlung des genauen Abgabenbetrags gehindert habe. Die Vorlagefrage sei dahin zu beantworten, dass die Verjährung nach Art. 221 Abs. 3 des Zollkodex nicht eintreten könne, wenn die Zollschuld aufgrund einer strafbaren Handlung entstanden sei.
[24] 23 Die italienische und die tschechische Regierung sowie die Kommission sind im Wesentlichen der Auffassung, Art. 221 Abs. 4 des Zollkodex stehe einer Regelung wie der des Ausgangsverfahrens nicht entgegen und verweise für alle Fragen im Zusammenhang mit der Verjährung von Zollschulden, die aufgrund einer strafbaren Handlung entstanden seien, auf das nationale Recht.
[25] 24 Hierzu stellt die Kommission fest, diese Bestimmung sehe weder eine Verjährungsfrist noch Gründe für eine Aussetzung oder Unterbrechung einer solchen Frist vor. Insbesondere schreibe sie im Unterschied zu Art. 3 desselben Artikels keine Aussetzung der Verjährung während der Dauer eines etwaigen Rechtsbehelfsverfahrens vor.
[26] 25 Jedoch hat nach Auffassung der tschechischen Regierung und der Kommission der nationale Gesetzgeber nicht völlig freie Hand. Zum einen müsse die Regelung der Mitgliedstaaten im Einklang mit den Grundsätzen der Äquivalenz und der Effektivität stehen. Zum anderen müsse eine Begrenzung des Laufs der Verjährung durch Ziele des Allgemeininteresses gerechtfertigt und notwendig sowie dem verfolgten rechtmäßigen Zweck angemessen sein.
[27] 26 Das vorlegende Gericht sei am besten in der Lage, die Vereinbarkeit der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nationalen Regelung mit diesen Grundsätzen zu prüfen.
Antwort des Gerichtshofs
[28] 27 Eingangs ist daran zu erinnern, dass der Gerichtshof in einem nach Art. 234 EG eingeleiteten Verfahren nicht zur Entscheidung über die Vereinbarkeit der Vorschriften eines nationalen Gesetzes mit dem Unionsrecht befugt ist. Dagegen kann er dem vorlegenden Gericht alle Hinweise zur Auslegung des Unionsrechts geben, die es diesem ermöglichen, über die Frage der Vereinbarkeit zu entscheiden (Urteil vom 23. September 2004, Spedition Ulustrans, C-414/02, Slg. 2004, I-8633, Randnr. 23 und die dort angeführte Rechtsprechung).
[29] 28 Das vorlegende Gericht fragt sich, wie sich aus seinem Beschluss ergibt, ob Bestimmungen mit dem Unionsrecht vereinbar seien, nach denen die Verjährungsfrist, wenn die Zölle infolge einer Straftat nicht entrichtet worden seien, von dem Tag an zu laufen beginne, an dem der Beschluss oder das Urteil, der oder das im Strafverfahren ergehe, rechtskräftig geworden sei.
[30] 29 Somit ist davon auszugehen, dass das vorlegende Gericht im Wesentlichen die Frage stellt, ob Art. 221 Abs. 3 und 4 des Zollkodex einer nationalen Regelung wie der des Ausgangsverfahrens entgegensteht, wonach die Verjährungsfrist, wenn die Zölle infolge einer Straftat nicht entrichtet worden sind, von dem Tag an zu laufen beginnt, an dem der Beschluss oder das Urteil, der oder das im Strafverfahren ergeht, rechtskräftig geworden ist.
[31] 30 Zunächst ist daran zu erinnern, dass Art. 221 Abs. 3 Satz 1 des Zollkodex nach ständiger Rechtsprechung eine Verjährungsregelung aufstellt, wonach die Mitteilung des Betrags der zu entrichtenden Eingangs- oder Ausfuhrabgaben nach Ablauf einer Frist von drei Jahren nach dem Zeitpunkt des Entstehens der Zollschuld nicht mehr erfolgen darf (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 23. Februar 2006, Molenbergnatie, C-201/04, Slg. 2006, I-2049, Randnr. 39, sowie vom 16. Juli 2009, Snauwaert u. a., C-124/08 und C-125/08, Slg. 2009, I-0000, Randnr. 28).
[32] 31 Art. 221 Abs. 3 Satz 2 sieht vor, dass die Verjährungsfrist aufgrund der Einlegung eines Rechtsbehelfs gemäß Art. 243 des Zollkodex ausgesetzt wird, und zwar für die gesamte Dauer des Rechtsbehelfs.
[33] 32 Als Ausnahme von der in Randnr. 30 des vorliegenden Urteils erwähnten Regel sieht Art. 221 Abs. 4 des Zollkodex vor, dass die Zollbehörden unter den Voraussetzungen, die im geltenden Recht festgelegt sind, die Mitteilung nach Ablauf dieser Frist vornehmen können, wenn sie aufgrund einer strafbaren Handlung den gesetzlich geschuldeten Abgabenbetrag nicht genau ermitteln konnten (Urteil Snauwaert u. a., Randnr. 29).
[34] 33 Hierzu ist erstens festzustellen, dass Art. 221 Abs. 4 des Zollkodex selbst weder eine Verjährungsfrist noch Gründe für eine Aussetzung oder Unterbrechung der geltenden Verjährungsfrist vorsieht. Insbesondere schreibt Art. 221 Abs. 4 im Unterschied zu Art. 221 Abs. 3 keine Aussetzung der Verjährung während der Dauer eines etwaigen Rechtsbehelfsverfahrens vor.
[35] 34 Zweitens verweist Art. 221 Abs. 4 des Zollkodex, da er sich nur auf die "Voraussetzungen, die im geltenden Recht festgelegt sind", bezieht, hinsichtlich der Regelung der Verjährung der Zollschuld, die aufgrund einer Handlung entstanden ist, die zu dem Zeitpunkt, als sie begangen wurde, strafbar war, auf das nationale Recht.
[36] 35 Soweit das Unionsrecht auf diesem Gebiet keine gemeinsamen Regeln vorsieht, hat daher jeder Mitgliedstaat die Verjährung von Zollschulden, die aufgrund einer strafbaren Handlung nicht festgestellt werden konnten, selbst zu regeln (vgl. entsprechend Urteile vom 16. Oktober 2003, Hannl-Hofstetter, C-91/02, Slg. 2003, I-12077, Randnrn. 18 bis 20, und Molenbergnatie, Randnr. 53).
[37] 36 Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 221 Abs. 3 und 4 des Zollkodex einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, wonach die Verjährungsfrist, wenn die Zölle infolge einer Straftat nicht entrichtet worden sind, von dem Tag an zu laufen beginnt, an dem der Beschluss oder das Urteil, der oder das im Strafverfahren ergeht, rechtskräftig geworden ist.
Kosten
[38] 37 Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
* Verfahrenssprache: Italienisch.