Bundesgerichtshof
BGB § 249
a) Der durch einen Verkehrsunfall Geschädigte, der seinen Fahrzeugschaden mit dem Haftpflichtversicherer des Schädigers zunächst (fiktiv) auf der Grundlage der vom Sachverständigen geschätzten Kosten abrechnet, ist an diese Art der Abrechnung nicht ohne weiteres gebunden, sondern kann nach erfolgter Reparatur grundsätzlich zur konkreten Schadensabrechnung übergehen und nunmehr Ersatz der tatsächlich angefallenen Kosten verlangen (Fortführung des Senatsurteils vom 17. Oktober 2006 – VI ZR 249/05, BGHZ 169, 263, 266 ff.).
b) Der Geschädigte, der im Wege der konkreten Schadensabrechnung Ersatz der tatsächlich angefallenen Reparaturkosten verlangt, muss sich einen Werksangehörigenrabatt anrechnen lassen, den er aufgrund einer Betriebsvereinbarung auf die Werkstattrechnung erhält.

BGH, Urteil vom 18. 10. 2011 – VI ZR 17/11; LG München I (lexetius.com/2011,5421)

Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 18. Oktober 2011 durch den Vorsitzenden Richter Galke, die Richter Wellner, Pauge und Stöhr und die Richterin von Pentz für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil der 19. Zivilkammer des Landgerichts München I vom 30. September 2010 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
[1] Tatbestand: Der Kläger begehrt restlichen Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall vom 23. April 2009, bei dem sein Pkw BMW MINI beschädigt wurde. Die volle Haftung der Erstbeklagten als Fahrerin und der Zweitbeklagten als Haftpflichtversicherer steht dem Grunde nach außer Streit. Der Kläger beauftragte einen Sachverständigen mit der Erstellung eines Gutachtens zum Schadensumfang.
[2] Dieser schätzte die voraussichtlichen Reparaturkosten auf 3.446,12 € netto, den Wiederbeschaffungswert auf 31.500 € brutto. Der Kläger rechnete den Schaden zunächst fiktiv auf der Grundlage dieses Gutachtens ab. Die Beklagte zu 2 ersetzte die geschätzten Reparaturkosten, die vom Sachverständigen mit 1.300 € angegebene Wertminderung, die Sachverständigenkosten in Höhe von 602,50 € sowie eine Kostenpauschale von 20 €. Der Kläger ließ den Pkw sodann in einer BMW-Niederlassung reparieren. Dabei entstanden Reparaturkosten in Höhe von 4.005,25 €. Da der Kläger als BMW-Werksangehöriger gemäß einer Betriebsvereinbarung einen Rabatt auf die Werkstattrechnung erhielt, zahlte er für die entsprechend dem Sachverständigengutachten durchgeführte Reparatur tatsächlich nur 2.905,88 €. Mit seiner Klage hat er Ersatz weiterer Reparaturkosten von 559,13 €, Nutzungsausfall in Höhe von 250 € und eine restliche Kostenpauschale von 10 € verlangt. Die Beklagte zu 2 hat mit dem ihrer Meinung nach gegebenen Anspruch auf Rückzahlung zu viel gezahlter Reparaturkosten zunächst gegenüber dem Anspruch auf Nutzungsausfall und in zweiter Instanz auch gegenüber dem Anspruch auf Zahlung der restlichen Kostenpauschale aufgerechnet. Das Amtsgericht hat die Beklagten zur Zahlung einer restlichen Kostenpauschale von 5 € nebst Zinsen verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg. Auf die Anschlussberufung der Beklagten hat das Landgericht die Klage in vollem Umfang abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
[3] Entscheidungsgründe: I. Das Berufungsgericht ist der Auffassung, der Kläger könne, da er nach erfolgter Reparatur seines Fahrzeugs von der fiktiven zur konkreten Schadensabrechnung übergegangen sei, nur die tatsächlich aufgewandten Reparaturkosten ersetzt verlangen. Dabei sei der erhaltene Werksangehörigenrabatt zu berücksichtigen. Nicht anzurechnen seien nur solche persönlichen Vorteile, die aufgrund besonderer persönlicher Beziehungen gewährt würden oder die eine freigiebige Leistung Dritter im Einzelfall darstellten. Eine einer Freundschafts- oder Verwandtenrabattregelung ähnliche Fallgestaltung sei vorliegend jedoch nicht gegeben, denn der Werksangehörigenrabatt werde aufgrund einer Betriebsvereinbarung allen BMW-Angehörigen gewährt. Da der Kläger hinsichtlich der Reparaturkosten durch die auf Gutachtenbasis erbrachten Ersatzleistungen mithin überzahlt und insoweit zur Rückzahlung verpflichtet sei, sei sein grundsätzlich gegebener Anspruch auf Ersatz von Nutzungsausfall durch die Aufrechnung der Beklagten zu 2 erloschen. Die Anschlussberufung der Beklagten sei zulässig und begründet. Der Anspruch des Klägers auf Zahlung der restlichen Kostenpauschale in Höhe von 5 € sei durch die in zweiter Instanz erklärte Aufrechnung der Beklagten zu 2 erloschen.
[4] II. Das angefochtene Urteil hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.
[5] 1. Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass der Kläger von den Beklagten Ersatz des ihm tatsächlich entstandenen Schadens verlangen kann und er nicht an die von ihm ursprünglich gewählte fiktive Abrechnung auf der Basis der vom Sachverständigen geschätzten Kosten gebunden ist. Wie der erkennende Senat für den – hier nicht gegebenen – Fall eines wirtschaftlichen Totalschadens entschieden hat, ist der durch einen Verkehrsunfall Geschädigte, der seinen Fahrzeugschaden mit dem Haftpflichtversicherer des Schädigers zunächst auf der Grundlage des vom Sachverständigen ermittelten Wiederbeschaffungsaufwands abrechnet, an diese Art der Abrechnung nicht ohne Weiteres gebunden. Er kann – im Rahmen der rechtlichen Voraussetzungen für eine solche Schadensabrechnung und der Verjährung – die höheren Kosten einer nunmehr tatsächlich durchgeführten Reparatur des beschädigten Fahrzeugs verlangen, sofern sich nicht aufgrund der konkreten Umstände des Regulierungsgeschehens etwas Abweichendes ergibt (vgl. Senatsurteil vom 17. Oktober 2006 – VI ZR 249/05, BGHZ 169, 263, 265 ff.). Für den vorliegenden Fall kann nichts anderes gelten. Eine Bindung an die ursprünglich gewählte Abrechnung auf der Grundlage der vom Sachverständigen geschätzten Kosten besteht grundsätzlich auch dann nicht, wenn der Geschädigte – wie hier – zunächst fiktiv auf Reparaturkostenbasis abrechnet, später jedoch zur konkreten Schadensabrechnung übergeht und nunmehr Ersatz der tatsächlich angefallenen Kosten verlangt (Geigel/Knerr, Der Haftpflichtprozess, 26. Aufl., 3. Kap., Rn. 38).
[6] 2. Mit Recht hat das Berufungsgericht dem Kläger jedoch einen Anspruch auf Ersatz weiterer Reparaturkosten, Nutzungsausfall sowie einer restlichen Kostenpauschale versagt, denn der Kläger ist durch die erhaltenen Ersatzleistungen bereits überzahlt.
[7] a) Gemäß § 249 Abs. 1 BGB hat der zum Schadensersatz Verpflichtete den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Ist wegen der Verletzung einer Person oder der Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Geschädigte gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Lässt der Geschädigte sein Fahrzeug reparieren, hat er – wie stets – das in § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB verankerte Wirtschaftlichkeitspostulat zu beachten. Dieses gebietet dem Geschädigten, den Schaden auf diejenige Weise zu beheben, die sich in seiner individuellen Lage als die wirtschaftlich vernünftigste darstellt, um sein Vermögen in Bezug auf den beschädigten Bestandteil in einen dem früheren gleichwertigen Zustand zu versetzen (vgl. Senatsurteile vom 15. Oktober 1991 – VI ZR 67/91, BGHZ 115, 375, 378 f.; vom 6. März 2007 – VI ZR 120/06, BGHZ 171, 287, 289 f. und vom 9. Juni 2009 – VI ZR 110/08, BGHZ 181, 242, 246 f., jeweils mwN). Verursacht von mehreren zum Schadensausgleich führenden Möglichkeiten eine den geringeren Aufwand, so ist der Geschädigte grundsätzlich auf diese beschränkt.
[8] Nur der für diese Art der Schadensbehebung nötige Geldbetrag ist im Sinne des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB zur Herstellung erforderlich. Darüber hinaus findet das Wahlrecht des Geschädigten seine Schranke an dem Verbot, sich durch Schadensersatz zu bereichern. Er soll zwar vollen Ersatz verlangen können, aber an dem Schadensfall nicht verdienen (st. Rspr., vgl. Senatsurteile vom 29. April 2003 – VI ZR 393/02, BGHZ 154, 395, 398 f.; vom 15. Februar 2005 – VI ZR 70/04, BGHZ 162, 161, 164 f.; vom 7. Juni 2005 – VI ZR 192/04, BGHZ 163, 180, 184; vom 23. Mai 2006 – VI ZR 192/05, BGHZ 168, 43, 45; vom 17. Oktober 2006 – VI ZR 249/05, BGHZ 169, 263, 266 ff.; vom 6. März 2007 – VI ZR 120/06, BGHZ 171, 287, 290 und vom 9. Juni 2009 – VI ZR 110/08, aaO, S. 247).
[9] Nimmt der Geschädigte gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB die Schadensbehebung selbst in die Hand, ist der zur Wiederherstellung erforderliche Aufwand nach der besonderen Situation zu bemessen, in der sich der Geschädigte befindet. Es ist also Rücksicht auf seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen (vgl. Senatsurteile vom 23. März 1976 – VI ZR 41/74, BGHZ 66, 239, 245, 248 f.; vom 15. Oktober 1991 – VI ZR 314/90, BGHZ 115, 364, 369; vom 29. April 2003 – VI ZR 398/02, BGHZ 155, 1, 5 und vom 7. Dezember 2004 – VI ZR 119/04, VersR 2005, 381). Diese "subjektbezogene Schadensbetrachtung" gilt auch für die Frage, in welcher Höhe dem Geschädigten wegen der ihm in seiner individuellen Lage möglichen und zumutbaren Reparatur ein Schaden entstanden ist.
[10] b) Nach diesen Grundsätzen kann der Kläger bei der hier gewählten konkreten Schadensabrechnung Ersatz der Reparaturkosten nur in Höhe der ihm tatsächlich entstandenen Kosten beanspruchen. Da er an dem Schadensfall nicht verdienen soll, muss er sich den erhaltenen Werksangehörigenrabatt anrechnen lassen. Dem steht nicht entgegen, dass der Rabatt auf diese Weise den ersatzpflichtigen Beklagten zugutekommt. Zwar sollen dem Schädiger Leistungen Dritter grundsätzlich nicht zugutekommen, und zwar unabhängig davon, ob die Zahlungen auf freiwilliger Basis oder aufgrund vertraglicher Verpflichtung erfolgen, doch hat der erkennende Senat stets betont, es sei in jedem einzelnen Fall zu prüfen, ob eine Anrechnung "dem Sinn und Zweck der Schadensersatzpflicht" entspreche (vgl. Senatsurteile vom 17. Juni 1953 – VI ZR 113/52, BGHZ 10, 107, 108 f.; vom 29. November 1977 – VI ZR 177/76, VersR 1978, 249 und vom 14. September 2004 – VI ZR 97/04, VersR 2004, 1468; vgl. auch BGH, Urteil vom 16. April 1973 – VII ZR 140/71, BGHZ 60, 353, 358).
[11] Der im Wege der Differenzhypothese zu ermittelnde Schaden (vgl. Senatsurteil vom 18. Januar 2011 – VI ZR 325/09, BGHZ 188, 78 Rn. 8 mwN) ist auch nicht "normativ" wertend entsprechend dem Grundgedanken des § 843 Abs. 4 BGB dahin zu korrigieren, dass der dem Kläger gewährte Werksangehörigenrabatt unberücksichtigt zu bleiben habe. Eine derartige Korrektur der Differenzrechnung kommt in Betracht, wenn die Differenzbilanz die Schadensentwicklung für den Normzweck der Haftung nicht zureichend erfasst. Das ist dann anzunehmen, wenn die Vermögenseinbuße durch überpflichtige Leistungen des Geschädigten oder durch Leistungen von Dritten, die den Schädiger nicht entlasten sollen, rechnerisch ausgeglichen wird (vgl. Senatsurteile vom 2. Dezember 1997 – VI ZR 142/96, VersR 1998, 333, 335; vom 3. Juli 1984 – VI ZR 264/82, VersR 1984, 943, 944, und vom 7. November 2000 – VI ZR 400/99, VersR 2001, 196, 197 jeweils mwN). Bei der Beurteilung der Frage, ob die von der Differenzhypothese ausgewiesenen schadensrechtlichen Ergebnisse nach Sinn und Zweck aller in Betracht kommenden Rechtsnormen nicht hinnehmbar sind, ist aber zur Vermeidung einer uferlosen Ausdehnung von Schadensersatzpflichten Zurückhaltung geboten (vgl. Senatsurteil vom 3. Juli 1984 – VI ZR 264/82, aaO und BGH, Urteil vom 30. November 1979 – V ZR 214/77, BGHZ 75, 366, 371 f. mwN). Eine normativ wertende Korrektur der Differenzrechnung ist daher nur dann angebracht, wenn nach einer umfassenden Bewertung der gesamten Interessenlage, wie sie durch das schädigende Ereignis zwischen dem Schädiger, dem Geschädigten und gegebenenfalls dem leistenden Dritten besteht, sowie unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck aller in Betracht kommenden Rechtsnormen die Differenzbilanz der Schadensentwicklung nicht gerecht wird (vgl. BGH, Urteil vom 30. November 1979 – V ZR 214/77, aaO, S. 372). Gründe, die hiernach gebieten würden, einen Vermögensschaden auch insoweit zu bejahen, als dem Geschädigten bei einer Reparatur ein Werksangehörigenrabatt gewährt wird, sind vorliegend nicht ersichtlich.
[12] Der Werksangehörigenrabatt stellt keine Maßnahme der sozialen Sicherung und Fürsorge gegenüber dem Geschädigten dar, die einem Schädiger nach dem Rechtsgedanken des § 843 Abs. 4 BGB nicht zugutekommen soll.
[13] Die Möglichkeit, seinen Pkw im Bedarfsfall unter Inanspruchnahme des Werksangehörigenrabatts kostengünstig reparieren zu lassen, hatte der Kläger unabhängig von dem Verkehrsunfall schon allein aufgrund der bestehenden Betriebsvereinbarung. Der eingetretene Schadensfall gab lediglich den Anlass, von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen. Der Nichtberücksichtigung des Werksangehörigenrabatts steht entgegen der Auffassung der Revision auch nicht entgegen, dass es sich um einen steuerpflichtigen Vorteil, nämlich um eine vom Kläger als Einkommen zu versteuernde Leistung seines Arbeitgebers handelt. Dieser Umstand kann allenfalls einen Anspruch auf Ersatz der hierfür zu entrichtenden Steuer begründen. Dieser ist indessen nicht Gegenstand der Klage.
[14] c) Da der Kläger nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen hinsichtlich der Reparaturkosten überzahlt ist, hat die von der Beklagten zu 2 in erster Instanz erklärte Aufrechnung mit ihrem insoweit gegebenen Rückzahlungsanspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB zum Erlöschen des Anspruchs des Klägers auf Ersatz des Nutzungsausfalls geführt (§ 389 BGB).