Bundesfinanzhof
Investitionsabzugsbetrag: Anforderungen an die Benennung des Wirtschaftsguts

BFH, Urteil vom 19. 10. 2011 – X R 25/10 (lexetius.com/2011,7148)

[1] Gründe: I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) erzielt Einkünfte aus Gewerbebetrieb aus dem Betrieb eines Fotostudios. Sie ermittelt ihren Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich und wird einzeln zur Einkommensteuer veranlagt.
[2] In ihrem Jahresabschluss zum 31. Dezember 2007 bildete sie einen "Sonderposten mit Rücklageanteil" in Höhe von 14.000 EUR. Auf eine Rückfrage des Beklagten und Revisionsklägers (Finanzamt – FA -) erläuterte ihr Prozessbevollmächtigter schriftlich, beabsichtigt sei der Erwerb einer "Entwicklungsmaschine" mit voraussichtlichen Anschaffungskosten von 35.000 EUR. Das FA sah diese Position als Investitionsabzugsbetrag an und veranlagte erklärungsgemäß.
[3] In der Gewinnermittlung für das Streitjahr 2008 machte die Klägerin einen weiteren Investitionsabzugsbetrag von 18.000 EUR für "Studiobedarf" mit voraussichtlichen Anschaffungskosten von 45.000 EUR geltend. Ausweislich eines Vermerks der Veranlagungsbeamtin über ein am 3. Dezember 2009 mit dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin geführtes Telefongespräch soll dieser erklärt haben, der Investitionsabzugsbetrag entfalle nur in Höhe von 12.000 EUR auf "Studiobedarf"; hierzu werde noch eine detaillierte Zusammenstellung nachgereicht. In Höhe der verbleibenden 6.000 EUR sei der Investitionsabzug für eine Erhöhung der voraussichtlichen Anschaffungskosten der "Entwicklungsmaschine" von bisher 35.000 EUR auf nunmehr 50.000 EUR vorgenommen worden.
[4] Mit dem angefochtenen Einkommensteuerbescheid vom 18. Januar 2010 setzte das FA die Einkommensteuer 2008 auf 5.784 EUR fest. Einen Investitionsabzugsbetrag ließ es nicht zum Abzug zu. Zur Begründung führte es aus, hinsichtlich des "Studiobedarfs" fehlten die notwendigen Angaben; hinsichtlich der "Entwicklungsmaschine" sei bereits im Jahr 2007 ein Investitionsabzug vorgenommen worden, so dass für dasselbe Wirtschaftsgut kein nochmaliger Abzug gewährt werden könne.
[5] Mit ihrem Einspruch begehrte die Klägerin, den Investitionsabzugsbetrag von 18.000 EUR für "Studiobedarf" zu gewähren. Nach Zurückweisung des Einspruchs verfolgte sie dieses Ziel im Klageverfahren weiter. Sie vertrat die Auffassung, nach der ab 2007 geltenden Rechtslage müsse die geplante Investition nicht mehr individuell bezeichnet werden. Der Investitionsabzugsbetrag entfalle allein auf den "Studiobedarf"; eine anderweitige Aussage – gemeint sind die vom FA behaupteten telefonischen Angaben zur Erhöhung des Investitionsabzugsbetrags für die "Entwicklungsmaschine" – sei nie protokolliert worden.
[6] Das Finanzgericht (FG) gab der Klage insoweit statt, als es eine Erhöhung des im Vorjahr für die "Entwicklungsmaschine" vorgenommenen Investitionsabzugsbetrags um 6.000 EUR für zulässig hielt. Das Wirtschaftsgut sei in den Unterlagen für den Veranlagungszeitraum 2007 hinreichend bezeichnet worden; die neuen Anschaffungskosten seien aufgrund des Telefonvermerks aktenkundig. Dem Gesetzeswortlaut sei nicht zu entnehmen, dass auch die Erhöhung eines Investitionsabzugsbetrags schriftlich anzuzeigen sei. Eine solche Erhöhung sei – entgegen der Verwaltungsauffassung (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen – BMF – vom 8. Mai 2009, BStBl I 2009, 633, Rz 6) – zulässig. Die Verwaltungsauffassung könne weder auf den Gesetzeswortlaut noch auf die Gesetzesmaterialien oder auf den Gesetzeszweck gestützt werden.
[7] Demgegenüber sei für den "Studiobedarf" kein Investitionsabzugsbetrag zu gewähren, weil die Bezeichnung der voraussichtlichen Investition zu unkonkret sei.
[8] Mit seiner Revision vertritt das FA – unter weitgehender Heranziehung der von Pitzke (Neue Wirtschafts-Briefe 2009, 2063, 2064) dargelegten Argumentation – weiterhin die Auffassung, für dasselbe Wirtschaftsgut könne ein Investitionsabzug nur in einem einzigen Wirtschaftsjahr vorgenommen werden.
[9] Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
[10] Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
[11] II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO -).
[12] 1. Die Klägerin kann im Streitjahr 2008 für die beabsichtigte Anschaffung einer "Entwicklungsmaschine" schon deshalb keinen Investitionsabzugsbetrag in Anspruch nehmen, weil sie einen solchen Abzug – jedenfalls im Einspruchs- und Klageverfahren – nicht beantragt hat.
[13] a) Die Inanspruchnahme eines Investitionsabzugsbetrags erfordert – neben weiteren, hier nicht streitigen Voraussetzungen –, dass der Steuerpflichtige das begünstigte Wirtschaftsgut in den beim FA einzureichenden Unterlagen seiner Funktion nach benennt und die Höhe der voraussichtlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten angibt (§ 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes – EStG -).
[14] Eine solche Benennung eines Wirtschaftsguts "Entwicklungsmaschine" sowie die Höhe seiner voraussichtlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten ist für das Streitjahr 2008 in den von der Klägerin beim FA einzureichenden "Unterlagen" nicht erfolgt.
[15] Im Gegenteil hat die Klägerin in einer Anlage zu ihrer Gewinnermittlung ausdrücklich erklärt, der geltend gemachte Investitionsabzugsbetrag entfalle in voller Höhe auf "Studiobedarf" mit voraussichtlichen Anschaffungskosten von 45.000 EUR. Auch im Einspruchsschreiben hat die Klägerin sich ausschließlich auf die geplante Anschaffung von "Studiobedarf" bezogen. Dasselbe gilt für die Klagebegründung sowie den weiteren im Klageverfahren eingereichten Schriftsatz vom 9. Juli 2010.
[16] Bei dieser Sachlage durfte das FG seine Entscheidung nicht allein auf den vom FA erstellten Telefonvermerk stützen und der Klägerin den – von ihr niemals in "Unterlagen" beantragten – aufgestockten Investitionsabzugsbetrag für die Anschaffung einer "Entwicklungsmaschine" gewähren. Der Telefonvermerk bezieht sich auf ein noch während des Veranlagungsverfahrens geführtes Gespräch. Die im Vermerk der Veranlagungssachbearbeiterin wiedergegebenen Aussagen des Prozessbevollmächtigten der Klägerin sind jedenfalls durch dessen eindeutige – gegenteiligen – Angaben im Einspruchs- und Klageverfahren überholt. Denn nach diesen schriftlichen Erklärungen sollte der Gesamtbetrag des Investitionsabzugs – wie bereits in der Gewinnermittlung angegeben – auf den "Studiobedarf", nicht aber auf eine "Entwicklungsmaschine" entfallen. Im Übrigen hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin im Klageverfahren, nachdem das FA sich auf das Telefongespräch berufen hatte, ausdrücklich erklärt, die vom FA behauptete Aussage sei "nicht protokolliert" worden. Damit hat er sinngemäß bestritten, die vom FA wiedergegebene telefonische Aussage getätigt zu haben; zumindest aber hat er inhaltlich nicht mehr an dieser Aussage festgehalten. Das FG durfte sie daher nicht seiner Entscheidung zugrunde legen, ohne auf die abweichenden – schriftlichen – - Erklärungen im Einspruchs- und Klageverfahren einzugehen.
[17] b) Danach kann offenbleiben, ob der Senat dem FA darin folgen könnte, dass § 7g EStG die Geltendmachung eines Investitionsabzugsbetrags für dasselbe Wirtschaftsgut auf ein einziges Wirtschaftsjahr beschränke.
[18] 2. Die Entscheidung des FG stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als im Ergebnis richtig dar.
[19] Denn die Klägerin kann auch für die beabsichtigte Anschaffung von "Studiobedarf" keinen Investitionsabzug vornehmen, weil diese Angabe nicht die in § 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 EStG enthaltenen Voraussetzungen für die Benennung des begünstigten Wirtschaftsguts seiner Funktion nach erfüllt.
[20] a) Das Erfordernis einer "Benennung" ist nach dem klaren Wortlaut der angeführten gesetzlichen Regelung auf das einzelne Wirtschaftsgut bezogen. Damit übereinstimmend wird in der Begründung zum Gesetzentwurf eines Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 (UntStRefG) vom 27. März 2007 (BTDrucks 16/4841, 52) ausgeführt, das begünstigte Wirtschaftsgut sei "wie bisher" hinreichend zu beschreiben; jedes einzelne Wirtschaftsgut sei gesondert zu dokumentieren, Sammelbezeichnungen seien nicht ausreichend.
[21] Auch der – aus der gesetzestechnischen Ausgestaltung ableitbare – Normzweck des § 7g EStG erfordert eine hinreichend genaue Benennung des jeweiligen Wirtschaftsguts, dessen künftige Anschaffung oder Herstellung beabsichtigt ist. Denn § 7g EStG dient der konkreten Investitionsförderung, nicht aber einer allgemeinen Liquiditätserleichterung (BTDrucks 16/4841, 51). Vor allem aber ist der Investitionsabzug nicht nur dann rückgängig zu machen, wenn gar keine Investition erfolgt, sondern auch dann, wenn ein anderes Wirtschaftsgut als dasjenige, das bei Vornahme des Investitionsabzugs benannt worden ist, angeschafft oder hergestellt wird. Nach dem klaren Willen des Gesetzgebers muss das benannte mit dem später angeschafften oder hergestellten Wirtschaftsgut "funktionsgleich" sein (BTDrucks 16/4841, 53). Dieser gesetzgeberische Wille hat in der Formulierung des § 7g Abs. 2 Satz 1 EStG seinen Niederschlag gefunden, indem dort auf die Anschaffung oder Herstellung "des begünstigten Wirtschaftsguts" abgestellt wird. Von der Anschaffung oder Herstellung einer ganzen Gattung von Wirtschaftsgütern oder gar von der Gesamtheit aller Wirtschaftsgüter, die betrieblich verwendet werden könnten, ist dort nicht die Rede.
[22] Dies entspricht auch der Auslegung des § 7g EStG in der vor Inkrafttreten des UntStRefG geltenden Fassung (vgl. z. B. BFH-Urteile vom 12. Dezember 2001 XI R 13/00, BFHE 197, 448, BStBl II 2002, 385, unter II. 1. a; vom 11. Oktober 2007 X R 1/06, BFHE 219, 151, BStBl II 2008, 119, unter II. 1. a, und vom 29. November 2007 IV R 82/05, BFHE 220, 98, BStBl II 2008, 471, unter II. 3.). An den Anforderungen an die hinreichende Beschreibung des einzelnen Wirtschaftsguts sollte sich durch die Neufassung nichts ändern (BTDrucks 16/4841, 52).
[23] Danach erweist sich die Verwaltungsauffassung (BMF-Schreiben in BStBl I 2009, 633, Rz 41), wonach § 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 EStG eine räumliche Betrachtungsweise, d. h. die Begünstigung aller Wirtschaftsgüter, die in einem bestimmten räumlichen Zusammenhang (z. B. Büro, Werkshalle, Stall) stehen, nicht zulasse, als zutreffende Gesetzesauslegung.
[24] b) Diese an die hinreichende Individualisierung des anzuschaffenden oder herzustellenden Wirtschaftsguts zu stellenden Voraussetzungen erfüllt die von der Klägerin verwendete Bezeichnung "Studiobedarf" nicht.
[25] Es handelt sich um eine Sammelbezeichnung, unter die nahezu sämtliche im Fotostudio der Klägerin verwendeten oder einsetzbaren Wirtschaftsgüter fallen würden. Die im Zeitpunkt einer tatsächlichen Investition vorzunehmende Überprüfung, ob das tatsächlich angeschaffte oder hergestellte Wirtschaftsgut mit demjenigen funktionsgleich ist, für das der Investitionsabzug vorgenommen worden ist, wäre nicht möglich.