Bundessozialgericht
BSG, Urteil vom 22. 8. 2012 – B 14 AS 13/12 R (lexetius.com/2012,6135)
Auf die Revisionen der Kläger wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 6. Dezember 2011 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.
[1] Tatbestand: Zwischen den Beteiligten ist die Höhe von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für Unterkunft und Heizung im Zeitraum vom 1. 11. 2008 bis zum 31. 3. 2009 streitig.
[2] Die im Jahre 1967 geborene, alleinerziehende Klägerin und der im August 1999 geborene Kläger, ihr Sohn, beziehen seit dem Jahre 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Sie leben in einer öffentlich geförderten, 79, 63 qm großen Wohnung in der M straße in Kiel. Für die Wohnung war ab dem 1. 8. 2008 monatlich eine Bruttokaltmiete in Höhe von 471,59 Euro sowie eine Heizkostenpauschale im Voraus in Höhe von 62 Euro zu zahlen (insgesamt 533,59 Euro). Die Klägerin erzielte im November 2008 ein Nettoerwerbseinkommen in Höhe von 300 Euro, im Dezember 2008 in Höhe von 362 Euro, im Januar 2009 in Höhe von 381 Euro und in den Monaten Februar und März 2009 in Höhe von jeweils 350 Euro. Für den Kläger wurde Kindergeld in Höhe von 154 Euro gezahlt.
[3] Mit Schreiben vom 8. 4. 2008 wies der Beklagte die Kläger darauf hin, dass für deren Wohnung bislang eine Bruttokaltmiete in Höhe von 433,23 Euro zuzüglich Heizkosten berücksichtigt worden sei. Die Miete könne nur vorübergehend akzeptiert werden, da sie zu hoch sei. Nach den geltenden Mietobergrenzen könnten für zwei Personen bei Wohnungen mit einem Baujahr bis 1976 lediglich eine Bruttokaltmiete von 327 Euro zuzüglich Heizkosten und bei später fertiggestellten Wohnungen eine Bruttokaltmiete von 373 Euro zuzüglich Heizkosten anerkannt werden. Die Klägerin werde daher aufgefordert, den Unterkunftsbedarf durch einen Wohnungswechsel, durch Untervermietung oder Wohnungstausch zu senken.
[4] Auf den von den Klägern für die Zeit ab dem 1. 10. 2008 gestellten Fortzahlungsantrag hin bewilligte der Beklagte ihnen zunächst vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit vom 1. 10. 2008 bis zum 31. 3. 2009. Dabei berücksichtigte er ab dem 1. 11. 2008 Kosten für Unterkunft und Heizung lediglich noch in Höhe von 437 Euro. Ab dem 1. 11. 2008 werde nur noch eine Bruttokaltmiete in Höhe der (seit Juli 2008 geltenden) Mietobergrenze von 385 Euro übernommen werden. Die Bewilligung der Leistungen erfolge vorläufig, weil das zu berücksichtigende Einkommen geschätzt worden sei (Bescheide vom 3. 9. 2008 und vom 23. 9. 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. 10. 2008).
[5] Im Laufe des Klageverfahrens hat der Beklagte das von der Klägerin erzielte Einkommen endgültig berücksichtigt und mit Bescheid vom 2. 2. 2009 für Oktober und November 2008 sowie mit Bescheid vom 4. 3. 2009 für die Zeit vom 1. 12. 2008 bis zum 31. 3. 2009 insgesamt höhere Leistungsansprüche festgestellt. Neben der Regelleistung und Mehrbedarf wegen Alleinerziehung für die Klägerin hat er für November 2008 endgültig Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von jeweils 218,50 Euro und für die Folgemonate Kosten für Unterkunft und Heizung für die Klägerin in Höhe von 218,50 Euro und für den Kläger in Höhe von 213,38 Euro bewilligt.
[6] Die Klagen zum Sozialgericht (SG) Schleswig sind ohne Erfolg geblieben (Urteil vom 23. 7. 2010). Im Laufe des hiergegen geführten Berufungsverfahrens beim Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht (LSG) hat der Beklagte im Hinblick auf das erst nachträglich mitgeteilte niedrigere Einkommen im Dezember und Januar einen Anspruch der Kläger auf Zahlung weiterer 30,40 Euro für Dezember 2008 und 15,20 Euro für Januar 2009 anerkannt; die Kläger haben dieses Teilanerkenntnis angenommen.
[7] Die in der Folge auf die Kosten der Unterkunft und Heizung für die Zeit vom 1. 11. 2008 bis zum 31. 3. 2009 beschränkten Berufungen hat das LSG mit Urteil vom 6. 12. 2011 zurückgewiesen. Die Klägerin, die als erwerbsfähige Hilfebedürftige dem Grunde nach leistungsberechtigt nach § 7 Abs 1 SGB II sei, und der Kläger, mit dem sie in Bedarfsgemeinschaft lebe, hätten Anspruch auf Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen, soweit diese angemessen seien. Zur Prüfung der zwischen den Beteiligten streitigen Angemessenheit sei zunächst die abstrakt angemessene Wohnungsgröße unter Rückgriff auf die Werte zu ermitteln, welche die Länder aufgrund des § 10 des Gesetzes über die soziale Wohnraumförderung (WoFG) festgesetzt hätten. Nach Nr 8. 5. 1 der Verwaltungsvorschrift zur Sicherung von Bindungen in der sozialen Wohnraumförderung nach Wohnungsbindungsgesetz und Wohnraumförderungsgesetz (VwV-SozWo 2004, Amtsblatt Schleswig-Holstein 2004, 548) in der bis zum 31. 12. 2009 gültigen Fassung sei in Schleswig-Holstein für Haushalte mit zwei Personen danach eine Wohnfläche von bis zu 60 qm als angemessen anzusehen. Die Regelung in Nr 8. 5. 5. 1 VwV-SozWo 2004, wonach bei Alleinerziehenden mit Kindern ab dem vollendeten 6. Lebensjahr grundsätzlich ein Wohnflächenmehrbedarf von einem Raum oder 10 qm anzuerkennen sei, komme nach Auffassung des Senats dagegen nicht zum Tragen. Die angemessene Wohnungsgröße richte sich allein nach der Personenzahl. Aus § 22b Abs 3 SGB II in der seit dem 1. 4. 2011 geltenden Fassung und der entsprechenden Gesetzesbegründung folge nichts anderes. Auch die Zuerkennung eines Mehrbedarfs in § 21 Abs 3 SGB II bedeute nicht, dass auch ein erhöhter Wohnraumbedarf anzuerkennen sei. Wegen der abstrakten Angemessenheit hat das LSG weiter ausgeführt, den maßgeblichen Vergleichsraum zur Bestimmung der Referenzmiete bilde das Stadtgebiet Kiel. Der abstrakt angemessene Quadratmeterpreis sei aus dem Kieler Mietspiegel 2006 bzw 2008 abzuleiten. Es ergebe sich ein Quadratmeterpreis (bruttokalt) von 5,97 Euro bzw 6,03 Euro (ab Dezember 2008). Die tatsächlichen Kosten überstiegen damit die abstrakt angemessene Referenzmiete. Der Beklagte habe durch die Vorlage von entsprechenden Wohnungsanzeigen zum 1. 11. 2008 nachgewiesen, dass solche Wohnungen (ab einer Wohnfläche von 44 qm, die das LSG noch als ausreichend groß ansehe) tatsächlich verfügbar gewesen seien. Gründe für eine Unzumutbarkeit des Wohnungswechsels lägen nicht vor.
[8] Hiergegen richten sich die Revisionen der Kläger. Sie rügen die fehlerhafte Anwendung von § 22 SGB II. Die Sonderregelungen für behinderte Menschen und Alleinerziehende in den Durchführungsbestimmungen der Länder seien bei Festlegung der maßgeblichen abstrakten Wohnungsgröße anzuwenden. Dafür spreche auch § 22b Abs 3 SGB II. Sie wenden sich zudem gegen die Festlegung der kalten Betriebskosten durch das LSG, das einen Abschlag von den durchschnittlich über alle Wohnungen ermittelten Betriebskosten vorgenommen hat. Zudem berufen sie sich auf die Praxis des Beklagten, in Bestandswohnungen eine Überschreitung des maßgeblichen Mietwertes bis zu 10 Prozent zu akzeptieren.
[9] Die Kläger beantragen, die Urteile des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 6. Dezember 2011 und des Sozialgerichts Schleswig vom 23. Juli 2010 aufzuheben und die Bescheide des Beklagten vom 2. Februar 2009 und vom 4. März 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Oktober 2008 zu ändern und den Klägern für die Zeit vom 1. November 2008 bis zum 31. März 2009 höhere Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung zu zahlen.
[10] Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
[11] Entscheidungsgründe: Die Revisionen der Kläger sind im Sinne der Aufhebung des Berufungsurteils und der Zurück-verweisung der Sache an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des LSG kann nicht beurteilt werden, ob sie höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II beanspruchen können, als sie der Beklagte bewilligt hat.
[12] 1. Streitgegenstand sind allein Ansprüche der Kläger auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung für die Zeit von November 2008 bis März 2009. Die Kläger haben den Streitstoff im Berufungsverfahren ausdrücklich auf die Kosten der Unterkunft und Heizung beschränkt (zur Zulässigkeit einer solchen Beschränkung vgl nur BSGE 97, 217 = SozR 4—4200 § 22 Nr 1, RdNr 18). Gegenstand des Verfahrens sind dabei die Bescheide des Beklagten vom 2. 2. 2009 und vom 4. 3. 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. 10. 2008. Entgegen der Auffassung des LSG sind die ausdrücklich als vorläufig bezeichneten Bescheide vom 3. 9. 2008 und vom 23. 9. 2008 (vgl § 40 SGB II iVm § 328 Sozialgesetzbuch Drittes Buch [SGB III]) nicht mehr Gegenstand des Rechtsstreits. Sie haben sich mit Erlass der endgültigen Bescheide vom 2. 2. 2009 und vom 4. 3. 2009 erledigt (vgl § 39 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch [SGB X]). Die zuletzt genannten Bescheide haben die vorläufigen Bescheide ersetzt, ohne dass es einer Aufhebung oder Änderung der vorläufigen Entscheidung bedurft hätte (vgl nur BSG SozR 3—4100 § 112 Nr 28 mwN). Die endgültigen Bescheide haben die von den Klägern geltend gemachte Beschwer nicht beseitigt und sind damit nach § 96 SGG Gegenstand des sozialgerichtlichen Verfahrens geworden (Bundessozialgericht [BSG] Urteil vom 14. 5. 1997 – 6 RKa 25/96 – BSGE 80, 223, 224 = SozR 3—2500 § 85 Nr 22 S 134; Eicher in Eicher/Schlegel, SGB III, § 328 RdNr 90; Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, K § 40 RdNr 377).
[13] Weitere von Amts wegen zu berücksichtigende Verfahrensmängel stehen einer Sachentscheidung nicht entgegen. Zweifel an der Zulässigkeit der Revision, die der Beklagte im Hinblick auf deren im Gesetz vorgeschriebene Begründung (vgl § 164 Abs 2 Satz 3 SGG) geäußert hat, bestehen nicht. Die Kläger haben sich mit den Gründen der Vorinstanz rechtlich im Einzelnen auseinandergesetzt und dargelegt, dass und inwieweit sie bei der Auslegung der angewandten Rechtsvorschriften anderer Auffassung sind (vgl zu diesen Anforderungen im Einzelnen etwa BSG SozR 4—1500 § 164 Nr 3 RdNr 9 mwN). Die Behauptung der Verletzung von § 22 SGB II als einzig möglicher Anspruchsgrundlage ergibt sich aus dem Vorbringen ohne Weiteres, auch wenn die Norm nur subsumiert und nicht ausdrücklich bezeichnet wird.
[14] 2. Leistungen für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind (§ 22 Abs 1 Satz 1 SGB II). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG ist die Angemessenheit von Kosten der Unterkunft unter Zugrundelegung der sog Produkttheorie in einem mehrstufigen Verfahren zu konkretisieren: Zunächst ist zu überprüfen, ob die tatsächlichen Kosten des Leistungsberechtigten für seine Unterkunft abstrakt angemessen sind, das heißt ob die Kosten dem entsprechen, was für eine nach abstrakten Kriterien als angemessen geltende Wohnung auf dem maßgeblichen Wohnungsmarkt aufzubringen ist (abstrakte Angemessenheitsprüfung; dazu unter 3). Übersteigen die tatsächlich aufzubringenden Wohnkosten die abstrakt ermittelte Referenzmiete, ist zu überprüfen, ob eine Wohnung, die den abstrakten Kriterien entspricht, für den Leistungsberechtigten auf dem Mietmarkt tatsächlich verfügbar und konkret anmietbar ist, es ihm also konkret möglich ist, die Kosten für die Unterkunft auf das abstrakt angemessene Maß zu senken. Dieser Prüfungsschritt ist in § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II vorgegeben, wonach die abstrakt unangemessenen Kosten solange (regelmäßig für längstens sechs Monate) zu übernehmen sind, wie dem Hilfebedürftigen die Senkung der Kosten unmöglich oder unzumutbar ist (konkrete Angemessenheit; dazu unter 4). Getrennt davon ist schließlich über die Kosten der Heizung zu entscheiden (dazu unter 5).
[15] 3. Die abstrakte Angemessenheit von Unterkunftskosten, die sich in der abstrakt angemessenen Referenzmiete ausdrückt, ist in mehreren Schritten zu bestimmen: Zunächst ist die angemessene Wohnungsgröße zu ermitteln. Alsdann ist festzustellen, ob die angemietete Wohnung dem Produkt aus angemessener Wohnfläche und Standard entspricht, der sich in der Wohnungsmiete niederschlägt. Vergleichsmaßstab sind insoweit die räumlichen Gegebenheiten am Wohnort des Hilfebedürftigen, wobei die örtlichen Gegebenheiten auf dem Wohnungsmarkt zu ermitteln und zu berücksichtigen sind (stRspr seit BSG Urteil vom 7. 11. 2006 – B 7b AS 10/06 R – BSGE 97, 231 = SozR 4—4200 § 22 Nr 2, RdNr 20).
[16] a) Zur Festlegung der angemessenen Wohnfläche ist auf die Wohnraumgrößen für Wohnberechtigte im sozialen Mietwohnungsbau abzustellen (stRspr seit BSG Urteil vom 7. 11. 2006 – B 7b AS 18/06 R – BSGE 97, 254 = SozR 4—4200 § 22 Nr 3, RdNr 19). Insoweit wird normativ und unabhängig von den konkreten örtlichen Gegebenheiten festgelegt, welche Wohnungsgrößen für Hilfebedürftige abstrakt als angemessen anzusehen sind. Dies rechtfertigt sich vor allem aus Gründen der Rechtssicherheit und der Praktikabilität (kritisch aber BSG Urteil vom 19. 2. 2009 – B 4 AS 30/08 R – BSGE 102, 263 = SozR 4—4200 § 22 Nr 19), zumal Leistungsberechtigte nach dem SGB II zumindest Teil der Zielgruppe der sozialen Wohnraumförderung sind (vgl BSG Urteil vom 26. 5. 2011 – B 14 AS 86/09 R – juris RdNr 18 und BSG Urteil vom 16. 5. 2012 – B 4 AS 109/11 R – juris RdNr 20). Maßgeblich sind die im streitigen Zeitraum gültigen Bestimmungen (vgl nur BSG Urteil vom 22. 9. 2009 – B 4 AS 70/08 R – juris RdNr 14; BSG Urteil vom 26. 5. 2011 – B 14 AS 86/09 R – juris RdNr 18; BSG Urteil vom 20. 12. 2011 – B 4 AS 19/11 R – BSGE 110, 52 = SozR 4—4200 § 22 Nr 51, RdNr 17).
[17] Das LSG ist in Umsetzung dieser Rechtsprechung zutreffend davon ausgegangen, dass als angemessene Wohnungsgröße für einen Zweipersonenhaushalt eine Wohnfläche von 60 qm zu berücksichtigen ist. Bei der Bestimmung der angemessenen Wohnfläche ist entsprechend der vom LSG vorgenommenen Auslegung des Landesrechts auf die in Schleswig-Holstein bis zum 31. 12. 2009 und also auch im streitigen Zeitraum geltende Fassung der VwV-SozWo 2004 zurückzugreifen, aus deren Regelung in Nr 8. 5. 1 sich dieser Wert ergibt. Die weitergehenden differenzierenden Regelungen, die in der VwV-SozWo 2004 einerseits für bestimmte Wohnungstypen und andererseits für bestimmte Personengruppen getroffen worden sind, sind für die Bestimmung der abstrakten Angemessenheitsgrenzen nach dem SGB II nicht heranzuziehen.
[18] Das BSG hat bereits mehrfach entschieden, dass Regelungen in Wohnraumförderbestimmungen, die weitergehend differenzierend auf die Raumzahl abstellen, für die Auslegung des § 22 Abs 1 SGB II unbeachtlich sind (vgl für Bayern BSGE 97, 231 = SozR 4—4200 § 22 Nr 2, RdNr 24; BSGE 102, 263 = SozR 4—4200 § 22 Nr 19, RdNr 15 ff; BSG Urteil vom 20. 8. 2009 – B 14 AS 41/08 R – juris RdNr 15; für Rheinland-Pfalz BSG SozR 4—4200 § 22 Nr 26 RdNr 14 und BSG SozR 4—4200 § 22 Nr 34; für Nordrhein-Westfalen BSG SozR 4—4200 § 22 Nr 27 RdNr 16; für Berlin BSG SozR 4—4200 § 22 Nr 42 RdNr 22). Es ist also nicht auf Regelungen zurückzugreifen, die (wie die vom LSG zitierten Sonderregelungen für die Vergabe von Mietreihenhäusern und mietreihenhausähnlichen Wohnungen sowie Wohnungen im Maisonette-Stil) bestimmte Wohnungstypen mit einem bestimmten Zuschnitt in den Blick nehmen.
[19] Aber auch wohnraumförderungsrechtliche Sonderregelungen, die (entsprechend den Vorgaben des § 10 Abs 1 Nr 2 WoFG) auf persönliche Lebensverhältnisse Bezug nehmen, sind bei Bestimmung der Wohnflächen für die abstrakte Angemessenheitsprüfung nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II nicht zu berücksichtigen. Unbeachtlich ist deshalb, dass nach den Regelungen in Schleswig-Holstein für Alleinerziehende die Vergabe von Wohnungen in Betracht kommt, die bis zu 70 qm groß sind (Nr 8. 5. 5. 1 VwV-SozWo 2004). Soweit in der vom Klägerbevollmächtigten zitierten Entscheidung des Senats vom 18. 6. 2008 (B 14/7b AS 44/06 R – FEVS 60, 145 = juris RdNr 12 am Ende; vgl auch Urteil vom 2. 7. 2009 – B 14 AS 33/08 R – SozR 4—4200 § 22 Nr 25 RdNr 19 am Ende) eine gegenteilige Auffassung angedeutet ist, ohne dass dies tragend gewesen wäre (ebenso LSG Niedersachsen-Bremen Urteil vom 28. 2. 2012 – L 7 AS 1392/09 – juris RdNr 30, anhängig unter B 4 AS 44/12 R; Lauterbach in Gagel SGB II/SGB III, § 22 RdNr 40; Stölting in: jurisPK-SGB XII, § 35a SGB XII RdNr 16), verfolgt der Senat diesen Ansatz nicht weiter. Ein Rückgriff auf pauschale Erhöhungen in den Vorschriften über Wohnraumgrößen für Wohnberechtigte im sozialen Mietwohnungsbau hätte eine weitergehende Zersplitterung der abstrakten Angemessenheitsprüfung abhängig von den jeweiligen landesrechtlichen Regelungen zur Folge, für die ein sachliches Bedürfnis fehlt.
[20] Zwar sind persönliche Lebensumstände im SGB II bei der Prüfung der Angemessenheit der Kosten (auch soweit sie in einem bestimmten Raumbedarf Ausdruck finden) nicht unbeachtlich, schon weil § 22 Abs 1 SGB II die Umstände des Einzelfalls ausdrücklich in Bezug nimmt. Solche Umstände lassen sich aber nicht abstrakt erfassen. Sie sind nach der dargestellten Systematik des § 22 Abs 1 Satz 1 und 3 SGB II bei der Frage zu prüfen, ob dem Leistungsberechtigten, dessen individuelle Kosten im Einzelfall die abstrakten Angemessenheitsgrenzen überschreiten, ein Umzug in eine kostenangemessene Wohnung konkret möglich und zumutbar ist. Die Bedarfslagen, die auf personenbezogenen Umständen gründen, sind dabei nicht "statisch", sondern können sich je nach Einzelfall unterschiedlich darstellen und Veränderungen unterliegen. Dem kann bei der konkreten Angemessenheitsprüfung sachgerecht Rechnung getragen werden. Bei Bestimmung aller drei für die abstrakte Angemessenheit maßgeblichen Faktoren (abstrakt angemessener Wohnfläche, maßgeblicher Vergleichsraum und abstrakt angemessener, im Quadratmeterpreis ausgedrückter Wohnungsstandard) sind persönliche Lebensumstände des Hilfebedürftigen, auch wenn sie für bestimmte Personengruppen typisch sein mögen, dagegen nicht einzubeziehen.
[21] Damit knüpft der Senat an die bisherige Rechtsprechung beider für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate zum Verhältnis abstrakter zu konkreter Angemessenheitsprüfung an. Beide Senate gehen bei der Bestimmung des maßgeblichen Vergleichsraumes davon aus, dass persönliche Umstände wie etwa das (nähere) soziale und schulische Umfeld minderjähriger schulpflichtiger Kinder, Alleinerziehender oder behinderter oder pflegebedürftiger Menschen bzw der sie betreuenden Familienangehörigen Gründe darstellen können, die zu Einschränkungen der Obliegenheit zur Senkung unangemessener Kosten der Unterkunft im Sinne subjektiver Unzumutbarkeit führen. Eine abweichende Bestimmung des maßgeblichen Vergleichsraumes schon bei Bestimmung der abstrakt angemessenen Kosten ist aber nicht vorzunehmen (BSG Urteil vom 19. 2. 2009 – B 4 AS 30/08 R – BSGE 102, 263 = SozR 4—4200 § 22 Nr 19, RdNr 35; BSG Urteil vom 17. 12. 2009 – B 4 AS 27/09 R – SozR 4—4200 § 22 Nr 27 RdNr 33 und zuletzt BSG Urteil vom 13. 4. 2011 – B 14 AS 106/10 R – SozR 4—4200 § 22 Nr 46 RdNr 30 ff).
[22] Dem entspricht die Rechtsprechung des für die Streitigkeiten in Angelegenheiten der Sozialhilfe zuständigen 8. Senats des BSG. Danach sind für einen Leistungsberechtigten nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII), der auf ein bestimmtes Betreuungsangebot angewiesen ist, bei Beurteilung der generell-abstrakten Angemessenheit der Aufwendungen für die Unterkunft diese allein wegen eines notwendigen Betreuungsangebots nicht zu modifizieren. Die notwendigen Feststellungen betreffend die örtlichen Gegebenheiten des Wohnungsmarktes haben sich zur Vermeidung eines Zirkelschlusses nicht auf Wohnungen zu beschränken, die – wie insbesondere die Wohnung eines behinderten oder pflegebedürftigen Menschen – ein besonderes Ausstattungsmerkmal beinhalten (BSG Urteil vom 14. 4. 2011 – B 8 SO 19/09 R – SozR 4—3500 § 29 Nr 2 RdNr 17).
[23] Aus der Einführung von § 22b Abs 3 SGB II mit dem Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24. 3. 2011 (RBEG) folgt entgegen der Auffassung der Kläger nichts anderes. Zwar ist hier – nach dem Verständnis des Gesetzgebers wohl in Ausfüllung des abstrakten Angemessenheitsmaßstabes aus § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II (vgl BT-Drucks 17/3404 S 100 linke Spalte) und im Hinblick auf die Erstreckungsregelung in § 35a Satz 1 SGB XII – als regelmäßiger Satzungsinhalt eine Regelung für Personen mit einem besonderen Bedarf für Unterkunft und Heizung, insbesondere mit erhöhtem Raumbedarf, Sonderregelungen vorgesehen. Es muss nach dem dargestellten Stufenverhältnis von abstrakter (wohnungsmarktbezogener) und konkreter (einzelfallbezogener) Angemessenheitsprüfung in § 22 Abs 1 SGB II aber bezweifelt werden, dass die abschließende Berücksichtigung besonderer Lebensumstände durch pauschale Erhöhung der Wohnfläche in einer Satzungsregelung denkbar und vom Gesetzgeber gewollt ist (ähnlich Groth in Groth/Luik/Siebel-Huffmann, Das neue Grundsicherungsrecht, 1. Aufl 2011, RdNr 372, der insoweit nur die Befugnis für eine "allgemeine Öffnungsklausel" sieht). Aus der Gesetzesbegründung wird – anders als in der Begründung zur Regelung in § 22b Abs 1 Satz 3 SGB II – nicht erkennbar, dass insoweit eine bewusste Abkehr von der Rechtsprechung des BSG und insbesondere der gestuften Angemessenheitsprüfung beabsichtigt war (vgl BT-Drucks 17/3404 S 101, 102). Welche Rechtsfolgen sich hieraus für Satzungen ergeben, braucht nicht entschieden zu werden. Jedenfalls im Anwendungsbereich des § 22 Abs 1 SGB II ist der bisherigen Rechtsprechung sowohl zum SGB II also auch zum SGB XII, Besonderheiten in den Lebensumständen der Leistungsberechtigten nicht schon im Rahmen der abstrakten Angemessenheitsprüfung zu berücksichtigen, aus den genannten Gründen der Vorzug zu geben.
[24] b) Wegen der Bestimmung des Vergleichsraumes ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden und von den Klägern auch nicht angegriffen, dass das LSG insoweit die örtlichen Gegebenheiten des gesamten Stadtgebiets Kiel (mit rund 240 000 Einwohnern) in Bezug genommen hat. Zwar sind die einzelnen Stadtteile aufgrund ihrer geographischen Lage zu beiden Seiten der Kieler Förde verkehrstechnisch weniger gut miteinander verbunden, als dies bei Städten mit vergleichbarer Größe regelmäßig der Fall ist. Es sind aber keine Gesichtspunkte erkennbar, die gegen die Annahme des LSG sprechen, dass es sich gleichwohl um einen (ausreichend großen) Raum der Wohnbebauung handelt, der aufgrund seiner räumlichen Nähe, seiner Infrastruktur und insbesondere seiner verkehrstechnischen Verbundenheit einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bildet.
[25] c) Wegen des dritten Schritts zur Bildung einer abstrakt angemessenen Referenzmiete, also der Festlegung eines abstrakt angemessenen Quadratmetermietpreises, ist schon die Bestimmung der kalten Betriebskosten als notwendiger Bestandteil dieses Wertes (vgl BSG Urteil vom 19. 10. 2010 – B 14 AS 50/10 R – SozR 4—4200 § 22 Nr 42) durch das LSG aus revisionsrechtlicher Sicht zu beanstanden, wie die Kläger zutreffend rügen. Ob die Ermittlungen zum abstrakt angemessenen Quadratmeterpreis im Übrigen den oben zitierten Anforderungen der Rechtsprechung des BSG entsprechen (wovon die Beteiligten übereinstimmend ausgehen), braucht im derzeitigen Stand des Verfahrens nicht abschließend entschieden zu werden. Das LSG wird nach Zurückverweisung des Rechtsstreits den Wert insgesamt erneut zu bestimmen haben.
[26] Nach der Auffassung des LSG, die sich im Einzelnen nicht dem vorliegenden Urteil, sondern (lediglich) seinem Urteil vom 11. 4. 2011 – L 11 AS 123/09 (zitiert nach juris) – entnehmen lässt, errechnet sich der Wert für die kalten Betriebskosten aus den durchschnittlichen "Grundbetriebskosten" (Grundsteuer, Müllabfuhr, Entwässerung, Wasserversorgung, Hausbeleuchtung sowie die Sach- und Haftpflichtversicherung), wie sie sich aus der dem Mietspiegel der Landeshauptstadt Kiel 2006 angefügten Quelle "Durchschnittliche Betriebskosten in Euro pro Quadratmeter und Monat im Mai 2006" ergeben (= 1,09 Euro), zuzüglich eines Drittels der Differenz zwischen diesen Kosten und dem Durchschnittswert aus allen Betriebskostenarten (der zusätzlich Kosten für Straßen- und Gehwegreinigung, Hausreinigung, Gartenpflege, Schornsteinreinigung, Hauswart, Gemeinschaftsantenne/Kabelanschluss, Schneebeseitigung, die Wartung der Heizungsanlage und der Warmwassergeräte sowie für den Aufzug enthält = 1,93 Euro). So ergebe sich ein abstrakt angemessener Wert von 1,37 Euro (1,09 Euro zuzüglich 1/3 von 0,84 Euro). Damit hat das LSG die Maßstäbe zur Bestimmung der abstrakt angemessenen kalten Betriebskosten verkannt.
[27] Bei Bestimmung der abstrakt angemessenen kalten Betriebskosten im Vergleichsraum kommt es nicht darauf an, ob existenzsicherndes Wohnen in (gedachten) Wohnungen möglich ist, in denen der in den vom LSG genannten Betriebskostenarten (insbesondere Kosten für Straßen- und Gehwegreinigung, Hausreinigung, Gartenpflege und Schneebeseitigung durch Dritte, Gemeinschaftsantenne/Kabelanschluss und Aufzug) zum Ausdruck kommende Wohnungsstandard nicht gewährleistet ist. Es geht vielmehr darum "die Wirklichkeit", also die Gegebenheiten auf dem Mietwohnungsmarkt des Vergleichsraums abzubilden (vgl nur BSG Urteil vom 17. 12. 2009 – B 4 AS 27/09 R – SozR 4—4200 § 22 Nr 27 RdNr 21). Dort wo statistische Daten zur Bestimmung gerade im unteren Wohnsegment nicht vorliegen, ist es zulässig, auf bereits vorliegende Daten aus Betriebskostenübersichten (und dabei vorrangig auf örtliche Übersichten) zurückzugreifen und dabei auf die sich daraus ergebenden Durchschnittswerte. Eine weitergehende Gewichtung hat der Senat dagegen nicht vorgenommen, weil nicht erkennbar ist, welche zuverlässigen (weitergehenden) Aussagen sich hieraus ableiten lassen sollten (BSG Urteil vom 19. 10. 2010 – B 14 AS 50/10 R – SozR 4—4200 § 22 Nr 42 RdNr 34). Die Heranziehung von Durchschnittswerten aus allen Mietverhältnissen ergibt zwar einen Wert, der – weil er den gesamten Mietmarkt erfasst – in der Tendenz höher liegt, als dies bei Auswertung nur des Teilsegments der Fall wäre, auf das Leistungsberechtigte nach dem SGB II zu verweisen sind. Sofern eine entsprechend differenzierte Datenlage aber nicht vorliegt und also eine Auswertung des Teilsegments mit vernünftigem Aufwand ausscheidet, ist eine solche Vergröberung erforderlich, um mit ausreichender Sicherheit zu gewährleisten, dass in jedem Marktsegment – auch in dem in Bezug zu nehmenden unteren Segment – eine genügende Anzahl an Mietverhältnissen zu diesem Preis vorhanden ist.
[28] Diesen Rückschluss erlaubt der vom LSG gewählte Wert für sich genommen nicht. Gerade bei größeren Wohnanlagen, die in Großstädten auch den Wohnungsmarkt im unteren Marktsegment zumindest mitprägen, fallen typischerweise sämtliche Kosten nach § 556 Bürgerliches Gesetzbuch an. Wird eine fiktive Wohnung mit bestimmten prozentualen Abschlägen zugrunde gelegt, um dem einfachen, im unteren Marktsegment liegenden Wohnungsstandard Rechnung zu tragen, so bedarf es konkreter Feststellungen, dass es im räumlichen Vergleichsbereich Unterkunftsalternativen zu der insofern berechneten abstrakt angemessenen Miete in einer bestimmten Häufigkeit gibt. Es reicht zur Begründung von Abschlägen nicht aus, dass mit gewisser Wahrscheinlichkeit tatsächlich Wohnungen mit entsprechend niedrigeren kalten Betriebskosten vermietet werden (vgl bereits zur Bildung von Abschlägen bei einem qualifizierten Mietspiegel BSG Urteil vom 13. 4. 2011 – B 14 AS 106/10 R – SozR 4—4200 § 22 Nr 46 RdNr 24). Eine Datengrundlage, die die Annahme des LSG stützt, im in Bezug zu nehmenden Wohnungssegment fielen tatsächlich regelmäßig nur Kosten in dieser Höhe an, ist bislang aber nicht ersichtlich.
[29] 4. Auch die Frage, ob es den Klägern möglich und zumutbar war, im örtlichen Vergleichsraum eine Wohnung mit einfachem Wohnungsstandard und bis zu 60 qm Wohnfläche tatsächlich anzumieten, kann vom Senat aufgrund der Feststellungen des LSG nicht abschließend beurteilt werden. Zwar kann nach der Rechtsprechung des Senats davon ausgegangen werden, dass es in ausreichendem Maße Wohnungen zu dem abstrakt angemessenen Quadratmeterpreis im örtlichen Vergleichsraum gibt, wenn dieser zutreffend auf Grundlage eines schlüssigen Konzepts ermittelt worden ist (vgl BSG Urteil vom 13. 4. 2011 – B 14 AS 106/10 R – SozR 4—4200 § 22 Nr 46 RdNr 30). Eine objektive Unmöglichkeit, eine entsprechende Wohnung anzumieten wird also kaum bestehen; dies machen die Kläger auch nicht geltend. Im Vordergrund des zu entscheidenden Falles steht ersichtlich die Frage, ob eine Kostensenkung den Klägern subjektiv zumutbar war.
[30] Entgegen den Ausführungen des LSG kommen nicht nur gesundheitliche Gründe in Betracht, wenn es um die Gründe für die "Unzumutbarkeit" von Kostensenkungsmaßnahmen (insbesondere durch Umzug) geht. Es können auch die besonderen Belange von Eltern und Kindern (vor dem Hintergrund des Art6 Grundgesetz) solche beachtenswerte Gründe darstellen. Wie bereits dargestellt, ist auf das soziale und schulische Umfeld minderjähriger schulpflichtiger Kinder Rücksicht zu nehmen. Ebenso ist die Situation von Alleinerziehenden dahin zu überprüfen, ob sie zur Betreuung ihrer Kinder auf eine besondere Infrastruktur angewiesen sind, die bei einem Wohnungswechsel in entferntere Ortsteile möglicherweise verlorenginge und im neuen Wohnumfeld nicht ersetzt werden könnte (BSG Urteil vom 19. 2. 2009 – B 4 AS 30/08 R – BSGE 102, 263 = SozR 4—4200 § 22 Nr 19 RdNr 35). Auch Angehörige unterer Einkommensschichten, die nicht auf Transferleistungen angewiesen sind, werden sich bei der Frage nach Kosteneinsparungen von diesen Gedanken leiten lassen.
[31] Aus solchen Umständen folgt allerdings im Regelfall kein Schutz der kostenunangemessenen Wohnung als solcher. Entsprechende Umstände schränken allenfalls die Obliegenheiten der Leistungsempfänger, die Kosten der Unterkunft zu senken, auf Bemühungen im näheren örtlichen Umfeld ein. Die Frage, ob einem Kind ein Schulwechsel zugemutet werden kann, lässt sich dabei nicht schematisch beantworten. Vor allem der im Einzelfall nach einem Umzug zumutbare Schulweg orientiert sich daran, was das Kind schon von der bisherigen Wohnung aus bewältigen musste, ob es etwa mit der Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln bereits vertraut ist bzw bereits einen Schulweg in bestimmter Länge zu Fuß (oder in fortgeschrittenem Alter mit dem Fahrrad) zurücklegen muss.
[32] Ähnliches gilt für die Lebensumstände Alleinerziehender. So kann insbesondere eine regelmäßige Nachmittagsbetreuung von Schulkindern an das nähere Umfeld geknüpft sein. Ist dagegen eine solche Betreuung nicht vorhanden, wird Fremdbetreuung nur gelegentlich wahrgenommen oder ist eine entsprechende Betreuungsstruktur über den gesamten Vergleichsraum vorhanden und zugänglich, besteht eine schützenswerte Bindung an das nähere Wohnumfeld nicht (vgl bereits BSG Urteil vom 13. 4. 2011 – B 14 AS 85/09 R – juris RdNr 31). Auch wenn die Wohnflächen für Alleinerziehende mit Kindern nicht grundsätzlich zu erhöhen sind, kommt schließlich der Verweis auf Wohnungen, die die abstrakt angemessene Wohnfläche wesentlich unterschreiten, nicht in Betracht. Es braucht im derzeitigen Verfahrensstand nicht abschließend entschieden werden, ob jedem schulpflichtigen Kind ein eigenes Zimmer zuzubilligen ist und von daher nur Wohnungen mit einer bestimmten Raumzahl konkret zumutbar sind. Jedenfalls müssen Größe und Zuschnitt einer Wohnung einen gewissen Rückzugsraum für das Schulkind wie für den erwachsenen Elternteil ermöglichen.
[33] Ist das Vorliegen solcher Umstände im Ausgangspunkt – wie hier angesichts des Alters des Klägers und der Alleinerziehung durch die Klägerin – ohne Weiteres aktenkundig, sind sie vom Träger der Grundsicherung wie von den Gerichten im Einzelnen aufzuklären und die sich daraus ergebenden Konsequenzen von Amts wegen zu beachten. Erst wenn individuelle Umstände zutreffend erfasst und berücksichtigt worden sind und die daraus folgenden Obliegenheiten zur Kostensenkung an diese Umstände angepasst sind, müssen Leistungsberechtigte im Prozess darlegen, weshalb Kostensenkungsbemühungen gleichwohl keinen Erfolg hatten. Dem entspricht es, wenn nach der Rechtsprechung des Senats erst die zutreffenden Ermittlungen zur abstrakt angemessenen Referenzmiete den Anscheinsbeweis erlauben, Wohnungen zum Preis der abstrakt angemessenen Miete seien tatsächlich anmietbar (BSG Urteil vom 13. 4. 2011 – B 14 AS 106/10 R – SozR 4—4200 § 22 Nr 46 RdNr 31).
[34] Das LSG wird damit nach Wiedereröffnung des Berufungsverfahrens die Lebensumstände der Kläger zu ermitteln haben. Es liegt nahe, dass der Kläger, der im August 2008 das 9. Lebensjahr vollendet hat, im streitigen Zeitraum eine Grundschule besucht hat. Das LSG wird zu überprüfen haben, welche Schule er besucht hat, welcher Schulweg sich daraus ergab und ob und ggf wie eine Nachmittagsbetreuung durch Dritte organisiert war. Soweit sich hieraus Einschränkungen auf ein bestimmtes schützenswertes soziales Umfeld ergeben, ist zu überprüfen, ob auch in diesem Umfeld ausreichender Wohnraum zu den abstrakt angemessenen Kriterien vorhanden war und ob schließlich die Aufforderung des Beklagten, die Kosten zu senken, vor dem Hintergrund solcher eingeschränkter Obliegenheiten noch ausreichend war.
[35] 5. Abschließend wird das LSG die Heizkosten getrennt von den Unterkunftskosten zu bestimmen haben (vgl nur BSGE 104, 41 = SozR 4—4200 § 22 Nr 23), wobei sich Anhaltspunkte für eine unzutreffende Berücksichtigung durch den Beklagten nach dem Inhalt der Akten nicht ergeben.
[36] Das LSG wird ggf auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.