Bundessozialgericht
Arbeitslosengeld II – Angemessenheit der Unterkunftskosten – selbst genutzte Eigentumswohnung – Balkonsanierungskosten – Sonderumlage durch Mehrheitsbeschluss der Eigentümergemeinschaft

BSG, Urteil vom 18. 9. 2014 – B 14 AS 48/13 R (lexetius.com/2014,4983)

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 28. Februar 2013 geändert und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen, soweit der Kläger höhere als ihm in diesem Urteil zugesprochene Leistungen begehrt.
[1] Tatbestand: Die Beteiligten streiten um die Höhe der Kosten der Unterkunft und Heizung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für September 2010 unter Berücksichtigung einer Sonderumlage an eine Wohnungseigentümergemeinschaft.
[2] Der 1964 geborene Kläger bezieht vom beklagten Jobcenter seit September 2006 Arbeitslosengeld II (Alg II). Er bewohnt eine in seinem Eigentum stehende Wohnung mit einer Wohnfläche von ca 55 m² in dem von einer Hausverwaltung betreuten Wohnobjekt B. in L., zu dem insgesamt zwölf Wohneinheiten gehören. Am 20. 5. 2010 beschloss die Mehrheit der Wohnungseigentümer des Wohnobjekts einen Neuanstrich eines Teils der Fassade, zu finanzieren aus der Instandhaltungsrücklage, sowie die Sanierung von vier, nicht zur Wohnung des Klägers gehörenden, Balkonen. Die Balkonsanierung sollte laut Beschluss durch eine bis zum 30. 9. 2010 zahlbare Sonderumlage (im Folgenden: "Balkonumlage") finanziert werden. Mit Schreiben vom 15. 6. 2010 wurde der Kläger von der Hausverwaltung aufgefordert, den auf ihn entfallenden Anteil der Balkonumlage in Höhe von 1924 Euro bis zum 30. 9. 2010 auf das Hausgeldkonto der Wohnungseigentümergemeinschaft zu überweisen. Der Kläger zahlte nach seinen Angaben die Umlage mit Mitteln aus einem von seinem Bruder gewährten Darlehen fristgerecht bis Ende September 2010.
[3] Schon vorher hatte der Beklagte dem Kläger Alg II vom 1. 8. 2010 bis 31. 1. 2011 bewilligt, wobei er zuletzt für die Unterkunft und Heizung Bedarfe von monatlich insgesamt 283,77 Euro zugrunde legte (Bescheid vom 25. 6. 2010, Änderungsbescheide vom 6. 8. 2010 und 10. 9. 2010). Den gegen den Bescheid vom 25. 6. 2010 erhobenen Widerspruch, mit dem der Kläger die Übernahme der tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 304 Euro begehrte, wies der Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom 24. 9. 2010, statt wie vom LSG irrtümlicherweise ausgeführt vom 24. 10 '2010, Nr 662/10). Die vom Kläger beantragte Übernahme seines Anteils an der Balkonumlage lehnte der Beklagte ab, da im Rahmen des SGB II lediglich regelmäßig anfallende Aufwendungen für Kleinreparaturen, Wartungsarbeiten, kleinere Schönheitsreparaturen und Ausbesserungsarbeiten übernommen werden könnten, größere seien bereits über die Instandhaltungsrücklage abgegolten (weiterer Bescheid vom 6. 8. 2010; weiterer Widerspruchsbescheid vom 24. 9. 2010, Nr 777/10).
[4] Das Sozialgericht (SG) Köln hat die Klage, mit der der Kläger weiterhin die Übernahme der Balkonumlage in Höhe von 1924 Euro, hilfsweise als Darlehen, begehrte, abgewiesen (Urteil vom 25. 2. 2011). Die Berufung des Klägers ist teilweise erfolgreich gewesen. Das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen hat den Beklagten "unter Änderung des Bescheides vom 06. 08. 2010 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 10. 09. 2010 und des Widerspruchsbescheides vom 24. 09. 2010" verurteilt, dem Kläger "zusätzlich zu den im Monat September 2010 gewährten Kosten der Unterkunft weitere Leistungen in Höhe des Differenzbetrages zwischen dem Wert der Anlage zu § 12 Wohngeldgesetz Mietenstufe 3 für ein berücksichtigungsfähiges Haushaltsmitglied und der im Jahr 2010 gewährten Leistung der Kosten der Unterkunft ohne Heizkosten" zu zahlen, und die Berufung im Übrigen zurückgewiesen (Urteil vom 28. 2. 2013). Die Kosten der Sanierung der Balkone seien grundsätzlich als Bedarf im Monat ihrer Fälligkeit berücksichtigungsfähige, einmalige Aufwendungen nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II, da sie tatsächliche Aufwendungen für eine Instandsetzung oder Instandhaltung seien, nicht zu einer Verbesserung des Standards des selbstgenutzten Eigenheims führten, sie geeignet und erforderlich seien, dem Leistungsberechtigten sein Eigentum zu Wohnzwecken zu erhalten, und der Kläger zur Zahlung der Balkonumlage verpflichtet sei. Die nicht zum Nutzungsbereich der Wohnung des Klägers gehörenden Balkone beträfen dessen "Unterkunft", weil sie, soweit sie von der Sanierung betroffen seien, im Gemeinschaftseigentum der Wohnungseigentümergemeinschaft und damit auch im Eigentum des Klägers stünden. Die Sanierungsnotwendigkeit der vier Balkone stehe außer Zweifel. Der Umfang der Sanierungsmaßnahmen überschreite nicht das notwendige Maß zur Wiederherstellung eines schadenfreien Balkons. Die Umlage sei allerdings nicht in der geltend gemachten Höhe angemessen. Die Angemessenheit von mit der Nutzung von Eigentumswohnungen verbundenen Kosten sei an den für Mietwohnungen angemessenen Kosten zu messen, dies bezogen auf ein Kalenderjahr. Aufgrund des "Zugeständnisses" des Beklagten in der mündlichen Verhandlung bestimme sich hier die abstrakt angemessene Miete nach der Tabelle zu § 12 Wohngeldgesetz (WoGG) und damit dem Höchstbetrag, der für die Berechnung der berücksichtigungsfähigen einmaligen Aufwendungen für angefallene Reparaturkosten rechtlich bei einer Unschlüssigkeit des Konzepts zur Bestimmung der Angemessenheitsgrenzen in Betracht komme. Es habe offen bleiben können, ob der Beklagte für das Jahr 2010 ein schlüssiges Konzept habe, da selbst wenn ein solches nicht erarbeitet werden könne, die tatsächlich zu übernehmenden Aufwendungen durch die Tabellenwerte nach dem WoGG – hier in Höhe von monatlich 330 Euro und jährlich 3960 Euro – im Sinne einer Angemessenheitsobergrenze gedeckelt seien. Eine Erhöhung dieses Tabellenwertes um einen Sicherheitszuschlag sei für das Jahr 2010 für den hier maßgeblichen räumlichen Bezirk nicht angemessen. Von dem nach dieser Tabelle ermittelten Jahreswert seien die dem Kläger im Jahr 2010 gewährten Leistungen für Unterkunft ohne Heizkosten abzuziehen, sodass er noch einen Anspruch auf den Differenzbetrag habe. Ein Anspruch des Klägers auf Gewährung eines Darlehens nach § 22 Abs 5 SGB II scheide aus, weil dieses nicht zur Sicherung der Unterkunft oder Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt sei. Dem Kläger hätte auch bei Nichtzahlung der Umlage mangels Titels keine sofortige Zwangsversteigerung gedroht.
[5] Mit seiner vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung von § 22 Abs 1 SGB II, soweit das LSG die Balkonumlage nur im tenorierten Umfang für angemessen halte. Dies werde weder der Besonderheit seines Einzelfalles noch der Situation von leistungsberechtigten Wohnungseigentümern gerecht, weil der Verlust des Wohnungseigentums drohe, wenn die verlangte Sonderumlage nicht gezahlt werde. Es sei lediglich eine Frage überschaubarer Zeit, bis die Wohnungseigentümergemeinschaft einen Titel erlangt habe und sodann die Zwangsvollstreckung und der Wohnungsverlust bevorstehe. Leistungsberechtigten Wohnungseigentümern sei es nicht zuzumuten, es auf diese Situation ankommen zu lassen.
[6] Der Kläger beantragt, das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 28. Februar 2013 zu ändern, das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 25. Februar 2011 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm unter Aufhebung des Bescheides vom 10. September 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. September 2010 – W 662/10 – weitere Leistungen für Unterkunft und Heizung für September 2010 in Höhe von 1924 Euro als Zuschuss, hilfsweise als Darlehen zu zahlen.
[7] Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
[8] Entscheidungsgründe: Die zulässige Revision des Klägers ist begründet (§ 170 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Das für den Kläger zum Teil positive Urteil des LSG ist zu ändern und der Rechtsstreit zurückzuverweisen, soweit es die Berufung des Klägers gegen das klageabweisende Urteil des SG zurückgewiesen hat. Zwar hat das LSG im Ausgangspunkt zutreffend erkannt, dass der Kläger im September 2010 einen Anspruch auf höhere Kosten der Unterkunft und Heizung unter Berücksichtigung der Balkonumlage haben kann (dazu unter 4.). Der Anspruch besteht allerdings nicht nur in Höhe der vom LSG als angemessen angesehenen, sondern in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen von 1924 Euro (dazu unter 5.). Er unterliegt aber dem Vorbehalt einer anderweitigen Bedarfsdeckung durch die Zahlung des Bruders des Klägers aufgrund des nach Angaben des Klägers erfolgten Darlehens des Bruders, hinsichtlich dessen ausreichende Feststellungen des LSG fehlen (dazu unter 6.).
[9] 1. Streitgegenstand des Revisionsverfahrens sind neben den angefochtenen Urteilen des LSG und des SG nur noch der Bescheid des Beklagten vom 10. 9. 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. 9. 2010, Nr 662/10, sowie das Begehren des Klägers auf vollständige Übernahme der Balkonumlage durch den Beklagten. Letzteres ist das wahre Begehren des Klägers in der Sache (vgl § 106 Abs 1, § 112 Abs 2 Satz 2, § 123 SGG).
[10] Die vor dem Bescheid vom 10. 9. 2010 ergangenen Bescheide vom 25. 6. 2010 und 6. 8. 2010 über die Höhe des dem Kläger zu zahlenden laufenden Alg II in der strittigen Zeit sind durch den nachfolgenden Bescheid vom 10. 9. 2010, der diese Höhe des Alg II ebenfalls regelte, erledigt (§ 39 Abs 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch [SGB X]). Gleiches gilt für den weiteren Bescheid vom 6. 8. 2010, in dem der Beklagte die Übernahme der Balkonumlage gegenüber dem Kläger konkret ablehnte, weil die Übernahme der Balkonumlage durch den Beklagten nur im Rahmen der im Bescheid vom 10. 9. 2010 geregelten Leistungen für die Unterkunft nach § 22 SGB II in Betracht kommt. Demgemäß ist auch der vom Beklagten erlassene Widerspruchsbescheid vom 24. 9. 2010, Nr 777/10, der den Widerspruch des Klägers allein hinsichtlich der Ablehnung der Übernahme der Balkonumlage zurückwies, nach § 39 Abs 2 SGB X erledigt, weil sein Regelungsgegenstand durch den weiteren Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 24. 9. 2010, Nr 662/10, umfasst ist, der jegliche höheren Leistungen für Unterkunft und Heizung auch für September 2010 ablehnte.
[11] 2. Verfahrensrechtliche Hindernisse stehen einer Sachentscheidung des Senats nicht entgegen, insbesondere ist die vom Kläger erhobene Anfechtungs- und Leistungsklage (vgl § 54 Abs 1, 5 SGG) zulässig, weil der Kläger sich von Anfang an gegen die Regelung der Höhe der Leistungen für die Unterkunft und Heizung seitens des Beklagten im September 2010 und damit auch gegen den Bescheid vom 10. 9. 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. 9. 2010, Nr 662/10, gewandt hat.
[12] Der Kläger hat den Streitstoff in der Sache entsprechend seinem auf die Übernahme der Balkonumlage begrenzten wahren Begehren zulässigerweise auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung beschränkt (zur Zulässigkeit einer derartigen Beschränkung nach der alten, hier anzuwendenden Rechtslage bis 31. 12. 2010 vgl nur BSG Urteil vom 7. 11. 2006 – B 7b AS 8/06 RBSGE 97, 217 ff = SozR 4—4200 § 22 Nr 1, RdNr 18; zur Fortgeltung auch unter der ab 1. 1. 2011 geltenden Rechtslage: BSG Urteil vom 4. 6. 2014 – B 14 AS 42/13 R – vorgesehen für SozR 4—4200 § 22 Nr 78 RdNr 10 ff mwN auch zur alten Rechtslage). Eine weitere Aufspaltung des Streitgegenstandes im Sinne einer Beschränkung auf die vom Kläger begehrte Balkonumlage als einmaliger Bedarf für die Unterkunft ist hingegen rechtlich nicht möglich (BSG Urteil vom 7. 11. 2006 – B 7b AS 8/06 R – aaO, RdNr 22; BSG Urteil vom 3. 3. 2009 – B 4 AS 38/08 R – SozR 4—4200 § 22 Nr 17 RdNr 12 [Erhaltungsaufwandspauschale]; BSG Urteil vom 22. 3. 2010 – B 4 AS 62/09 R – SozR 4—4200 § 22 Nr 38 RdNr 11, 13 [Betriebs- und Heizkostennachforderung]).
[13] 3. Rechtsgrundlage für die vom Kläger geltend gemachte Balkonumlage sind allein §§ 19, 7, 22 SGB II in der in der strittigen Zeit – September 2010 – geltenden Fassung aufgrund des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24. 12. 2003 (BGBl I 2954, zuletzt geändert durch Gesetz vom 3. 8. 2010, BGBl I 1112; im Folgenden SGB II aF). Denn in Rechtsstreitigkeiten über schon abgeschlossene Bewilligungsabschnitte ist das zum damaligen Zeitpunkt geltende Recht anzuwenden.
[14] Eine Prüfung der § 40 Abs 1 Satz 2 SGB II, § 330 Abs 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch, § 48 SGB X, die das LSG vorgenommen hat, ist entbehrlich, weil bis heute kein bestandskräftiger Bescheid über die Höhe der vom Beklagten dem Kläger zu zahlenden Leistungen für Unterkunft und Heizung für September 2010 vorliegt, da die früheren Bescheide, der eine vom 25. 6. 2010 und die beiden vom 6. 8. 2010, durch den in diesem Verfahren angefochtenen Bescheid vom 10. 9. 2010 ersetzt wurden (siehe unter 1.).
[15] Die Grundvoraussetzungen, um Leistungen nach dem SGB II zu erhalten, nach § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II erfüllte der Kläger im streitigen Zeitraum nach den zwischen den Beteiligten nicht umstrittenen Feststellungen des LSG dem Grunde nach. Anhaltspunkte für einen Ausschlusstatbestand nach § 7 Abs 1 Satz 2, Abs 4 oder 5 SGB II sind nicht zu erkennen.
[16] Die Hilfebedürftigkeit des Klägers nach § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 3 iVm § 9 SGB II scheitert nicht daran, dass er Eigentümer einer selbst genutzten Eigentumswohnung ist, weil diese nach § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 4 SGB II nicht als Vermögen zu berücksichtigen ist, da sie mit einer Wohnfläche von ca 55 m² die angemessene Größe von 80 m² nicht überschreitet (vgl zur Angemessenheit einer selbst genutzten Eigentumswohnung: BSG Urteil vom 7. 11. 2006 – B 7b AS 2/05 RBSGE 97, 203 = SozR 4—4200 § 12 Nr 3). Hinsichtlich der Berücksichtigung des nach Angaben des Klägers von seinem Bruder gewährten Darlehens für die Balkonumlage als Einnahme sind weitere Ermittlungen notwendig, die sachgerechterweise erst nach Erörterung der Balkonumlage als angemessene Aufwendung iS des § 22 SGB II erfolgen (dazu unter 6.).
[17] 4. Leistungen (heute: Bedarfe) für die Unterkunft und Heizung werden nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Zu den Aufwendungen für die Unterkunft gehören – wie das LSG zu Recht ausgeführt hat – bei Leistungsberechtigten, die in einem Haus oder einer Eigentumswohnung wohnen, das oder die in ihrem Eigentum steht, auch die mit der Nutzung der Immobilie unmittelbar verbundenen Lasten (BSG Urteil vom 24. 2. 2011 – B 14 AS 61/10 R – SozR 4—4200 § 22 Nr 44 RdNr 14, 15).
[18] Diese umfassen auch Zahlungen für eine Instandsetzung oder Instandhaltung, soweit sie nicht zu einer Verbesserung des Standards der selbst genutzten Immobilie führen (vgl BSG Urteil vom 3. 3. 2009 – B 4 AS 38/08 R – SozR 4—4200 § 22 Nr 17 RdNr 16, 17 sowie in Umsetzung dieser Rechtsprechung § 22 Abs 2 SGB II in der Fassung der ab 1. 4. 2011 geltenden Neubekanntmachung vom 13. 5. 2011, BGBl I 850, im Folgenden: SGB II nF). Instandhaltung bedeutet nach der zivilrechtlichen Rechtsprechung, der sich das BSG angeschlossen hat (vgl BSG Urteil vom 19. 3. 2008 – B 11b AS 31/06 R – SozR 4—4200 § 22 Nr 10 RdNr 19; BSG Urteil vom 16. 12. 2008 – B 4 AS 49/07 RBSGE 102, 194 ff = SozR 4—4200 § 22 Nr 16, RdNr 19), die Erhaltung des vertrags- und ordnungsgemäßen Zustandes des Wohnobjekts, also die Beseitigung der durch Abnutzung, Alter und Witterungseinwirkungen entstehenden baulichen und sonstigen Mängel (BGH Urteil vom 6. 4. 2005 – XII ZR 158/01NJW-RR 2006, 84 ff; BGH Urteil vom 14. 2. 2007 – VIII ZR 123/06NJW 2007, 1356 ff). Bei den Instandsetzungskosten handelt es sich in der Regel um Kosten aus Reparatur und Wiederbeschaffung (für die Wohnraummiete: vgl BGH Urteil vom 7. 4. 2004 – VIII ZR 146/03NJW-RR 2004, 877 ff). Instandsetzung und Instandhaltung betreffen deshalb Mängel an der baulichen Substanz der Immobilie oder ihrer Teile (BGH Urteil vom 7. 4. 2004 – VIII ZR 167/03NJW-RR 2004, 875 ff), wobei es sich um weitgehend inhaltsgleiche Begriffe handelt (BGH Urteil vom 14. 2. 2007 – VIII ZR 123/06NJW 2007, 1356 ff). Eine mit diesen Instandhaltungs- und Instandsetzungsaufwendungen verbundene Wertsteigerung der Immobilie ist nur eine Folge der notwendigen Erhaltung und schließt deren Berücksichtigungsfähigkeit nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II nicht aus (Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, § 22 RdNr 176 f, Stand 10/2012; Luik in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 22 RdNr 138, 141).
[19] Diese Voraussetzungen sind hinsichtlich der strittigen Balkonumlage erfüllt. Nach den Feststellungen des LSG wiesen zwei der Balkone erhebliche Schäden auf, während zwei weitere Balkone als bedenklich einzustufen waren. Die Balkonsanierung war zur Wiederherstellung der Substanz der Balkone und damit ihrer Gebrauchsmöglichkeit erforderlich. Um Modernisierungsarbeiten handelte es sich nicht. Zu dieser Einschätzung ist das LSG aufgrund eigener Beweiswürdigung gelangt, die durch den Senat nicht ersetzt werden kann (§ 163 SGG).
[20] Dem steht der Umstand, dass keiner der Balkone zur Wohnung des Klägers gehörte, nicht entgegen, weil die Balkone im Gemeinschaftseigentum standen und insoweit die Besonderheiten einer Wohnungseigentümergemeinschaft zu berücksichtigen sind. Das an den Balkonen nach § 3 der vom LSG festgestellten Teilungserklärung über das Grundstück bestehende Sondereigentum des Eigentümers, dessen Wohneinheit einen Balkon hat, erstreckt sich allein auf den Luftraum, den Innenanstrich und den Bodenbelag. Die übrigen konstruktiven und solche Teile, die ohne Veränderung der äußeren Gestalt des Gebäudes nicht verändert werden können, also diejenigen, an denen die Sanierungsarbeiten erforderlich waren, sind hingegen Gemeinschaftseigentum (vgl BGH Urteil vom 15. 1. 2010 – V ZR 114/09BGHZ 184, 88 ff) und stehen damit auch im Miteigentum des Klägers.
[21] Der Kläger konnte sich der rechtlichen Pflicht zur Zahlung der Balkonumlage innerhalb des streitigen Bewilligungszeitraums nicht entziehen, weil diese sich aus dem Beschluss der Eigentümergemeinschaft vom 20. 5. 2010 ergab (vgl bereits BSG Urteil vom 22. 8. 2012 – B 14 AS 1/12 R – SozR 4—4200 § 22 Nr 65 RdNr 23), der durch die Zahlungsaufforderung der Hausverwaltung vom 15. 6. 2010 mit dem Fälligkeitsdatum 30. 9. 2010 konkretisiert wurde. Eine wirksame Anfechtungsklage gegen den Beschluss der Eigentümergemeinschaft nach § 46 Abs 1 Wohnungseigentumsgesetz (WoEigG) ist nicht mehr möglich, da eine solche zulässigerweise nur innerhalb eines Monats nach der Beschlussfassung – hier also bis zum 20. 6. 2010 – erhoben werden kann (§ 46 Abs 1 Satz 2 WoEigG) und diese Frist verstrichen ist.
[22] Die tatsächliche Durchführung von Instandhaltungs- und Instandsetzungsarbeiten bis zum Fälligkeitstermin der Zahlungspflicht des leistungsberechtigten Wohnungseigentümers ist aufgrund der Besonderheiten einer Wohnungseigentümergemeinschaft nicht erforderlich, weil die Finanzierungspflichten für Maßnahmen am Gemeinschaftseigentum regelmäßig vor Durchführung derselben begründet und die Finanzierungsmittel zusammengetragen werden.
[23] 5. Zwar sind auch bei Haus- oder Wohnungseigentümern die tatsächlichen Aufwendungen nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II nicht in beliebiger Höhe zu übernehmen, sondern nur soweit sie angemessen sind; daraus folgt aber vorliegend keine Begrenzung der Höhe nach.
[24] Als angemessene Aufwendungen der Unterkunft und Heizung iS des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II sind für eine selbst genutzte Immobilie lediglich die Aufwendungen anzusehen, die im maßgeblichen örtlichen Vergleichsraum für entsprechende Mietwohnungen als angemessen anzusehen sind (stRspr, vgl nur BSG Urteil vom 15. 4. 2008 – B 14/7b AS 34/06 R – BSGE 100, 186 = SozR 4—4200 § 12 Nr 10, RdNr 35 mwN), wobei die im Kalenderjahr anfallenden, berücksichtigungsfähigen Gesamtaufwendungen mit der abstrakt angemessenen Jahresnettokaltmiete zu vergleichen sind (BSG Urteil vom 24. 2. 2011 – B 14 AS 61/10 R – SozR 4—4200 § 22 Nr 44 RdNr 20; vgl nunmehr § 22 Abs 2 Satz 1 SGB II nF). Dass der leistungsberechtigte Wohnungseigentümer bei Nichtzahlung von Aufwendungen, wie vorliegend die Balkonumlage, seine Wohnung verlieren kann, stellt keine Besonderheit von Wohnungseigentümern dar. Sie droht Mietern bei einer iS des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II unangemessen hohen Mietzinsverpflichtung ebenfalls. Dem steht § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 4 SGB II nicht entgegen, weil dieser nicht auf einen allgemeinen Vermögensschutz der leistungsberechtigten Person abzielt, sondern nur der Vermögensverwertung vor dem Bezug von Leistungen nach dem SGB II entgegensteht, um das Grundbedürfnis "Wohnen" abzusichern (BSG Urteil vom 7. 11. 2006 – B 7b AS 2/05 RBSGE 97, 203 ff = SozR 4—4200 § 12 Nr 3, RdNr 15).
[25] Eine nur begrenzte Übernahme der vom Kläger zu erbringenden Aufwendungen für die Balkonumlage der Höhe nach auf die angemessenen Aufwendungen für eine Unterkunft scheidet jedoch aus, weil es bereits an der hierfür erforderlichen Kostensenkungsaufforderung des Beklagten nach § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II aF fehlt (stRspr: BSG Urteil vom 7. 11. 2006 – B 7b AS 10/06 RBSGE 97, 231 = SozR 4—4200 § 22 Nr 2, RdNr 29; BSG Urteil vom 12. 6. 2013 – B 14 AS 60/12 RBSGE 114, 1 = SozR 4—4200 § 22 Nr 69, RdNr 35 ff). Eine solche ist auch bei einmalig fällig werdenden Bedarfen für die Unterkunft und Heizung erforderlich und muss bei einmaligen Forderungen des Vermieters im Rahmen von Mietverträgen den Leistungsberechtigten in die Lage versetzen, seine Rechte gegenüber dem Vermieter wahrzunehmen (vgl BSG Urteil vom 24. 11. 2011 – B 14 AS 15/11 R – SozR 4—4200 § 22 Nr 53 RdNr 17 [Auszugsrenovierung]). Entsprechendes gilt für leistungsberechtigte Wohnungseigentümer bei einmaligen Forderungen infolge von Beschlüssen der Eigentümerversammlung nach dem WoEigG. Auch der Wohnungseigentümer muss vom Grundsicherungsträger in die Lage versetzt werden, seine Rechte gegenüber der Wohnungseigentümergemeinschaft wahrzunehmen. Mangels Kostensenkungsaufforderung hat der Grundsicherungsträger die Sonderumlage in tatsächlicher Höhe von 1924 Euro zu übernehmen.
[26] Aus dem gleichen Grund hat auch eine Deckelung auf die Tabellenwerte nach dem WoGG zuzüglich eines Sicherheitszuschlags nicht zu erfolgen (BSG Urteil vom 22. 3. 2012 – B 4 AS 16/11 R – SozR 4—4200 § 22 Nr 59; BSG Urteil vom 16. 4. 2013 – B 14 AS 28/12 R – SozR 4—4200 § 22 Nr 67).
[27] Ob in Fällen, in denen die Instandhaltungs- und Instandsetzungsarbeiten zu einem besonders hohen Betrag führen, etwas anderes gilt (vgl zu entsprechenden Fallkonstellationen bei Mietern: BSG vom 22. 9. 2009 – B 4 AS 8/09 RBSGE 104, 179 = SozR 4—2400 § 22 Nr 24, RdNr 16, 23; BSG vom 17. 12. 2009 – B 4 AS 19/09 RBSGE 105, 188 = SozR 4—4200 § 22 Nr 28, RdNr 9, 19 ff), kann dahingestellt bleiben, zumal § 22 Abs 2 SGB II nF eine Neuregelung zu solchen Aufwendungen enthält. Vorliegend ist eine solche Fallkonstellation nicht gegeben, weil für die Balkonumlage monatlich nur ein Betrag von circa 160 Euro zu errechnen ist, wenn sie auf ein Jahr umgelegt wird.
[28] 6. Ob der Kläger zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Balkonumlage in Höhe von 1924 Euro im September 2010 überhaupt einen entsprechenden, ungedeckten Bedarf hatte, kann mangels Feststellungen des LSG hinsichtlich der Zahlung eines solchen Betrags durch den Bruder des Klägers an diesen nicht beurteilt werden. Die Ausführungen des LSG, der "Kläger zahlte nach seinen Angaben die Sonderumlage mit Mitteln aus einem von seinem Bruder gewährten Darlehen" (LSG Urteil Seite 3 f), beinhalten hinsichtlich der Darlehensgewährung keine Feststellungen des LSG, sondern geben nur die vom LSG anscheinend ungeprüft übernommenen "Angaben" des Klägers wieder. Den Feststellungen des LSG kann nur entnommen werden, dass der Kläger einen Betrag zumindest in Höhe der Balkonumlage von seinem Bruder erhalten hat.
[29] Diese Zahlung des Bruders an den Kläger könnte eine zweckbestimmte Einnahme iS des § 11 Abs 3 Nr 1 Buchst a SGB II aF gewesen sein, die dann hinsichtlich des Bedarfs Balkonumlage zu berücksichtigen sein könnte. Dies wäre hingegen nicht der Fall, wenn es sich um ein zivilrechtlich wirksames Darlehen zwischen dem Kläger und seinem Bruder handelte, für dessen Nachweis hinsichtlich des Abschlusses und der Ernstlichkeit eines Darlehensvertrages unter Verwandten strenge Anforderungen zu stellen sind (vgl BSG Urteil vom 17. 6. 2010 – B 14 AS 46/09 RBSGE 106, 185 ff = SozR 4—4200 § 11 Nr 30, RdNr 21). Dahingehende Feststellungen sind dem Urteil des LSG nicht zu entnehmen, zumal es nur die "Angabe" des Klägers, es habe sich um ein Darlehen des Bruders gehandelt, übernommen hat.
[30] 7. Des Weiteren hat das LSG nicht festgestellt, welche Aufwendungen für Unterkunft und Heizung der Kläger im September 2010 unabhängig von der Balkonumlage hatte, sondern nur ausgeführt, wie sich der vom Beklagten im angefochtenen (Änderungs-) Bescheid vom 10. 9. 2010 bewilligte Betrag "aufschlüsselte" und dass dieser Betrag nach der Darstellung des Beklagten im Widerspruchsbescheid vom 24. 9. 2010, Nr 662/10, zu hoch gewesen sei. Ohne genaue Feststellungen hinsichtlich dieser weiteren Aufwendungen ist jedoch die Berechnung des Gesamtanspruchs des Klägers auf Leistungen für die Unterkunft und Heizung im September 2010 nicht möglich.
[31] Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.