Bundesgerichtshof
Die in Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Auftraggebers eines Einheitspreis- Bauvertrags enthaltene Klausel "Die dem Angebot des Auftragnehmers zugrunde liegenden Preise sind grundsätzlich Festpreise und bleiben für die gesamte Vertragsdauer verbindlich." benachteiligt den Auftragnehmer unangemessen und ist daher unwirksam.
BGH, Urteil vom 20. 7. 2017 – VII ZR 259/16; OLG Düsseldorf (lexetius.com/2017,2156)
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 20. Juli 2017 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Eick, den Richter Halfmeier und die Richterinnen Graßnack, Borris und Dr. Brenneisen für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 22. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 7. Oktober 2016 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
[1] Tatbestand: Die Klägerin verlangt Restwerklohn für Erd-, Mauer- und Betonarbeiten bei dem Neubau einer Tageseinrichtung für Menschen mit Behinderung.
[2] Die Parteien schlossen am 18. September 2013 über diese Arbeiten einen Einheitspreisvertrag, der unter Ziffer 3. lautet: "Vertragsgrundlagen: Auftrags-LV laut Anlage, Bauzeitenplan R. GmbH, Allgemeine Vertragsbedingungen, Zusätzliche technische Vorschriften Ziffer 5".
[3] Auf Seite 2 des "Deckblatts der Auftragserteilung – Angaben zum Auftrags-LV" heißt es unter "Sonstige Vereinbarungen": 1. Die VOB ist Vertragsbestandteil. …" Auf der nächsten Seite ("Auftragserteilung – Vorspanntext zum Auftrags-LV") vereinbarten die Parteien unter der Überschrift "Allgemeine Vertragsbedingungen" Folgendes:
"1. Vertragsgrundlagen
1. 1 der schriftlich abgeschlossene Werkvertrag
1. 2 das Leistungsverzeichnis des Architekten einschließlich der dort aufgeführten zusätzlichen technischen Vorschriften
1. 3 diese allgemeinen Vertragsbedingungen
1. 4 die Baupläne und die zusätzlichen Angaben des Architekten und der Sonderfachleute
1. 5 die VOB Teile B und C in der jeweils neuesten Fassung …
1. 9 subsidiär gelten die Bestimmungen des BGB's über den Werkvertrag Bei Widersprüchen gilt für die Auslegung vorstehende Reihenfolge. …
2. …
3. Vergütung
3. 1 Die dem Angebot des Auftragnehmers zugrunde liegenden Preise sind grundsätzlich Festpreise und bleiben für die gesamte Vertragsdauer verbindlich. …"
[4] Im Vergleich zu den im Auftrags-Leistungsverzeichnis angegebenen Mengen kam es zu Mehr- und Minderleistungen. Hieraus errechnete die Klägerin eine "Umsatzreduzierung" in Höhe von 141.493,45 €, wobei sie Massenänderungen von weniger als 10 % außer Betracht ließ. Ihre Schlussrechnung vom 17. Dezember 2014 in Höhe von 1.170.352,37 € (netto) enthielt in Position 10 im Hinblick auf die Umsatzreduzierung einen "Umlagenausgleich", den die Beklagte in ihrer Schlusszahlung nicht berücksichtigte. Die Klägerin macht unter Berufung auf § 2 Abs. 3 VOB/B – soweit in der Revision noch von Interesse – diesen Betrag in Höhe von 8.377,98 € sowie weiteren 440,95 € nebst Zinsen und Freistellung von außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten geltend.
[5] Das Landgericht hat die Klage insoweit abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Antrag weiter.
[6] Entscheidungsgründe: Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
[7] I. Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung in BauR 2017, 727 veröffentlicht ist, meint, der Klägerin stehe kein Anspruch gemäß § 2 Abs. 3 VOB/B gegen die Beklagte zu.
[8] Ziffer 3. 1 der Allgemeinen Vertragsbedingungen habe Vorrang vor der Bestimmung des § 2 Abs. 3 VOB/B. Das ergebe sich aus Ziffer 1. der Allgemeinen Vertragsbedingungen, denn die Parteien hätten die maßgeblichen Vertragsgrundlagen in Ziffer 1. 1 bis 1. 9 in eine bestimmte Reihenfolge gestellt und ausdrücklich vereinbart, dass bei Widersprüchen für die Auslegung diese Reihenfolge gelte. Nach dem objektiven Empfängerhorizont seien danach die Allgemeinen Vertragsbedingungen vorrangig und die Regelungen der VOB/B nur insoweit einschlägig, als sie den vorrangigen Regelungen nicht widersprächen.
[9] Etwas anderes folge auch nicht daraus, dass sich auf der zweiten Seite des Deckblatts zur Auftragserteilung unter der Überschrift "Sonstige Vereinbarungen" unter 1. ein Passus befinde, wonach die VOB Vertragsbestandteil sein solle.
[10] Bei der Ziffer 3. 1 der Allgemeinen Vertragsbedingungen handele es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne von § 305 Abs. 1 BGB. Auch wenn § 2 Abs. 3 VOB/B nicht ausdrücklich erwähnt werde, habe die Klausel nach der gebotenen objektivierten Betrachtungsweise von einem redlichen Vertragspartner aus den typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreisen nur so verstanden werden können, dass genau diese speziell auf den Einheitspreisvertrag zugeschnittene Preisanpassungsmöglichkeit ausgeschlossen sein sollte.
[11] Soweit die Klausel die Preisanpassungsmöglichkeiten gemäß § 2 Abs. 3 VOB/B bei Mengenänderungen ausschließe, führe dies nicht zu einer Unwirksamkeit nach § 307 BGB. Mit der Klausel sei letztlich nur das umgesetzt worden, was dem Einheitspreisvertrag nach seiner Konzeption ohnehin wesensimmanent sei. Der Ausschluss des Preisanpassungsrechts treffe beide Parteien gleichermaßen, so dass von einer unangemessenen Benachteiligung der Klägerin keine Rede sein könne. Die Risikoverteilung werde nicht allein nachhaltig zu Lasten des Auftragnehmers verändert. Es werde außerdem nur die Rechtslage des Werkvertragsrechts gemäß §§ 631 ff. BGB wiederhergestellt, die eine solche Preisanpassung bei Mengenänderungen nicht kenne.
[12] Es bedürfe keiner Entscheidung, ob die Klausel zu einer Gefährdung des Vertragszwecks (§ 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB) führen würde, wenn damit Nachforderungen jeglicher Art ausgeschlossen wären. Die Klausel sei dahin auszulegen, dass Ansprüche wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage und Verschuldens bei Vertragsverhandlungen nicht ausgeschlossen seien. Eine gegenteilige Auslegung ließen weder der Wortlaut von Ziffer 3. 1 noch dessen systematische Stellung noch der Sinn und Zweck der Regelung zu.
[13] Aufgrund ihrer Formulierung spreche schließlich nichts dafür, dass die Klausel auch Ansprüche aus § 2 Abs. 5 VOB/B ausschließen solle, so dass ein Verstoß gegen § 307 BGB unter diesem Gesichtspunkt nicht geprüft werden müsse.
[14] II. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand.
[15] 1. Bei den Allgemeinen Vertragsbedingungen des Auftrags- Leistungsverzeichnisses handelt es sich nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts um von der Beklagten gestellte Allgemeine Geschäftsbedingungen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann das Revisionsgericht Allgemeine Geschäftsbedingungen wie revisible Rechtsnormen frei auslegen (vgl. nur BGH, Urteile vom 12. Mai 2016 – VII ZR 171/15, BGHZ 210, 206 Rn. 41; vom 26. April 2017 – VIII ZR 233/15, WM 2017, 1225 Rn. 17; vom 9. Mai 2017 – XI ZR 308/15 Rn. 25; jeweils m. w. N.).
[16] 2. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann ein Anspruch der Klägerin gemäß § 2 Abs. 3 VOB/B nicht verneint werden. Die Parteien haben diese Bestimmung wirksam in ihren Vertrag einbezogen.
[17] a) Sowohl Ziffer 1. der Sonstigen Vereinbarungen auf Seite 2 des Deckblatts zur Auftragserteilung als auch Ziffer 1. 5 der Allgemeinen Vertragsbedingungen, die beide auf die VOB/B Bezug nehmen, haben – isoliert betrachtet – als Regelungsgehalt, dass die Bestimmungen der VOB/B und damit auch § 2 Abs. 3 VOB/B Vertragsinhalt sein sollen. Hiervon gehen das Berufungsgericht und die Parteien im Ansatz zutreffend aus.
[18] b) Dem steht Ziffer 3. 1 der Allgemeinen Vertragsbedingungen nicht entgegen. Diese Bestimmung steht zwar in inhaltlichem Widerspruch zu § 2 Abs. 3 VOB/B (aa). Der Widerspruch sollte nach Ziffer 1. der Allgemeinen Vertragsbedingungen auch dahin aufgelöst werden, dass die Bestimmung der Ziffer 3. 1 vorgeht (bb). Jedoch ist letztere unwirksam (cc). Die Unwirksamkeit führt dazu, dass § 2 Abs. 3 VOB/B anwendbar ist (dd).
[19] aa) Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Auslegung des Berufungsgerichts, Ziffer 3. 1 der Allgemeinen Vertragsbedingungen schließe Ansprüche des Auftragnehmers unter den Voraussetzungen des § 2 Abs. 3 VOB/B aus. Auch unter Berücksichtigung der Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB, nach der Zweifel bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen zu Lasten des Verwenders gehen, kann die in Rede stehende Klausel nicht dahin verstanden werden, dass der Anspruch des Auftragnehmers auf eine Preisanpassung gemäß § 2 Abs. 3 VOB/B nicht betroffen und von der Klausel nicht erfasst ist.
[20] Allgemeine Geschäftsbedingungen sind gemäß ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urteil vom 12. Mai 2016 – VII ZR 171/15, BGHZ 210, 206 Rn. 42 m. w. N.). Sind mehrere Auslegungsmöglichkeiten rechtlich vertretbar, kommt die Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB zur Anwendung. Außer Betracht bleiben dabei jedoch solche Verständnismöglichkeiten, die zwar theoretisch denkbar, praktisch aber fernliegend und nicht ernstlich in Erwägung zu ziehen sind (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urteil vom 9. Mai 2017 – XI ZR 308/15 Rn. 25 m. w. N.).
[21] Der Revision ist zwar zuzugeben, dass es der Wortlaut der Ziffer 3. 1 theoretisch erlauben würde, eine Ausnahme für die Fälle des § 2 Abs. 3 VOB/B anzunehmen. Denn das Wort "grundsätzlich" kann dahin verstanden werden, dass die Regelung nur im Allgemeinen mit dem Vorbehalt bestimmter Ausnahmen gelten solle. Dass die Fälle des § 2 Abs. 3 VOB/B solche Ausnahmen sein sollten, ist dem Wortlaut der Klausel unter Berücksichtigung der Verständnismöglichkeit des durchschnittlichen Auftragnehmers nicht zu entnehmen. Auch die Revision zeigt keine Umstände auf, warum der durchschnittliche Auftragnehmer die Klausel dahingehend verstehen könnte, dass sie gerade den bei der Durchführung eines Bauvertrags nicht seltenen Fall einer Massenänderung, die 10 % des im Vertrag gewählten Mengenansatzes überschreitet, nicht betreffen sollte.
[22] bb) Zutreffend hat das Berufungsgericht auch angenommen, dass wegen der in Ziffer 1. der Allgemeinen Vertragsbedingungen vorgesehenen Reihenfolge der Geltung die in den Allgemeinen Vertragsbedingungen enthaltene Klausel der Ziffer 3. 1 Vorrang vor § 2 Abs. 3 VOB/B hat. Aus dem Umstand der zusätzlichen Erwähnung der VOB als Vertragsbestandteil unter Ziffer 1. der Sonstigen Vereinbarungen auf Seite 2 des "Deckblatts der Auftragserteilung – Angaben zum Auftrags-LV" folgt entgegen der Ansicht der Revision nicht, dass diese Vorrang habe, weil es sich hierbei um eine Regelung des schriftlich abgeschlossenen Werkvertrags handele (vgl. Ziffer 1. 1 der Vertragsgrundlagen). Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts handelt es sich hierbei nicht um den schriftlichen Werkvertrag, sondern um das Auftrags-Leistungsverzeichnis. Aus den in Bezug genommenen Anlagen ergibt sich nichts anderes. Der schriftliche Einheitspreisvertrag vom 18. September 2013 in der Anlage K 1, der ausdrücklich als Werkvertrag bezeichnet ist, besteht aus zwei Seiten und ist als einziger von beiden Parteien unterschrieben. Das Auftrags-Leistungsverzeichnis in der Anlage B 1 umfasst insgesamt 115 durchnummerierte Seiten einschließlich des "Deckblatts der Auftragserteilung – Angaben zum Auftrags-LV".
[23] Für ihre Auffassung kann sich die Revision auch nicht auf den unterschiedlichen Wortlaut zwischen "ist Vertragsbestandteil" und "Vertragsgrundlagen" berufen. Die Wahl des Begriffs "Vertragsgrundlagen" hat ersichtlich keine andere, schwächere Bedeutung, was sich schon daraus ergibt, dass hierbei als erstes der schriftlich abgeschlossene Werkvertrag selbst genannt wird.
[24] cc) Ziffer 3. 1 der Allgemeinen Vertragsgrundlagen ist jedoch gemäß § 307 BGB unwirksam. Bei dieser Prüfung ist auch im Individualprozess die kundenfeindlichste Auslegung zugrunde zu legen, wenn diese zur Unwirksamkeit der Klausel führt und dadurch den Kunden begünstigt, § 305c Abs. 2 BGB (BGH, Urteil vom 12. Mai 2016 – VII ZR 171/15, BGHZ 210, 206 Rn. 42 m. w. N.).
[25] Es kommt deshalb nicht darauf an, ob die vom Berufungsgericht getroffene Auslegung möglicherweise die am nächsten liegende und allen Interessen am besten gerecht werdende Auslegung ist.
[26] (1) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts erlaubt die Klausel eine nicht völlig fernliegende, sondern auch ernsthaft in Betracht zu ziehende Auslegung, nach der durch sie auch Ansprüche auf Anpassung der Vergütung nach § 313 BGB wegen einer Störung der Geschäftsgrundlage ausgeschlossen sein sollen.
[27] Der Wortlaut von Ziffer 3. 1 erfasst auch diese Fälle. Zwar trifft es zu, worauf das Berufungsgericht abstellt, dass sich der Anspruch wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage als gesetzliche Ausformung des Gedankens von Treu und Glauben darstellt. Gleichwohl kommt als – typische – Anpassung des Vertrags gerade eine Anpassung der Vergütung in Betracht, so dass es dem entgegensteht, wenn die Preise für die gesamte Vertragsdauer verbindlich bleiben sollen.
[28] Auch die systematische Stellung von Ziffer 3. 1 unter der Überschrift "Vergütung" steht deshalb der Annahme nicht entgegen, dass eine Preisanpassung nach § 313 BGB, die gerade die Vergütung betrifft, nicht gemeint sein könne.
[29] Auch der vom Berufungsgericht herangezogene Umstand, dass rechtlicher Anknüpfungspunkt für § 313 BGB keine bloßen Mengenabweichungen von mehr als 10 % sind, ist kein ausreichender Anhaltspunkt dafür, dass die Klausel diese Fälle keinesfalls umfassen solle. Der Bezug zu § 2 Abs. 3 VOB/B oder zu Mengenabweichungen von mehr als 10 % findet sich gerade nicht im Wortlaut der Klausel; die Auslegung des umfassenden Wortlauts hat lediglich ergeben, dass sie (auch) der Anpassungsmöglichkeit des § 2 Abs. 3 VOB/B entgegensteht. Hieraus kann nichts dafür geschlossen werden, welche weiteren Preisänderungen ebenfalls nicht eintreten sollen.
[30] Schließlich vermag auch die Verwendung des zusätzlichen Begriffs "grundsätzlich" die Reichweite der Klausel nicht einzuschränken. Die Revision weist zutreffend darauf hin, dass dieser Begriff verschiedene Bedeutungen haben kann. Außerhalb der juristischen Terminologie wird er häufig auch im Sinne von "ausnahmslos" verwendet, was hier zu Lasten der Beklagten angenommen werden muss.
[31] (2) Der Ausschluss des Anspruchs auf Anpassung des Preises unter den Voraussetzungen von § 313 BGB benachteiligt die Klägerin in unangemessener Weise, weil sie in Fällen, in denen ihr dies unzumutbar wäre, an dem unveränderten Vertragspreis festgehalten würde. Ziffer 3. 1 der Allgemeinen Vertragsbedingungen ist daher gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam (vgl. BGH, Beschluss vom 4. November 2015 – VII ZR 282/14, BauR 2016, 260 Rn. 25 = NZBau 2016, 96).
[32] dd) Die Unwirksamkeit von Ziffer 3. 1 der Allgemeinen Vertragsbedingungen führt dazu, dass § 2 Abs. 3 VOB/B anwendbar ist.
[33] Die von der Beklagten verwendeten Allgemeinen Geschäftsbedingungen regeln den Fall der Unwirksamkeit einer Klausel nicht ausdrücklich. Jedoch sehen sie die Geltung der VOB/B insgesamt, also auch der Bestimmung des § 2 Abs. 3 VOB/B, nachrangig unter anderem zu den Allgemeinen Vertragsbedingungen vor. Auf die Reihenfolge soll es für die Auslegung nur dann ankommen, wenn ein Widerspruch vorliegt. Wann das der Fall ist, ist nicht näher erläutert.
[34] Zum einen kann man auf den bloßen Inhalt der Regelungen abstellen. Ein solcher Widerspruch liegt wie oben ausgeführt vor. Ein Widerspruch kann aber auch erst dann angenommen werden, wenn eine wirksame vorrangige Regelung vorliegt. Denn eine unwirksame Regelung entfaltet keine Wirkung; die Auslegung des Vertrags unter Berücksichtigung dieses Umstands ergibt keinen Widerspruch mehr. Es kann dahinstehen, welche Auslegung richtig ist. Jedenfalls kommen beide Möglichkeiten ernsthaft in Betracht. Unter Berücksichtigung von § 305c Abs. 2 BGB ist im Zweifel die Auslegung vorzuziehen, die sich zum Nachteil für die Beklagte auswirkt. Das ist hier die Geltung des für die Klägerin als einzige Anspruchsgrundlage ihres Begehrens in Betracht kommenden § 2 Abs. 3 VOB/B.
[35] Dem steht § 306 Abs. 2 BGB nicht entgegen. Hiernach führt zwar die Unwirksamkeit einer Bestimmung grundsätzlich dazu, dass sich der Inhalt des Vertrags nach den gesetzlichen Vorschriften regelt. Eine hiervon abweichende Bestimmung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Klauselverwenders ist regelmäßig ihrerseits wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam (vgl. BGH, Urteil vom 26. März 2015 – VII ZR 92/14, BGHZ 204, 346 Rn. 45 m. w. N.; BeckOGK/Bonin, BGB, Stand: 1. Mai 2017, § 306 Rn. 66—71 m. w. N.). Es ist jedoch schon fraglich, ob die Vorschrift des § 306 Abs. 2 BGB nach ihrem Zweck auch dann Anwendung findet, wenn eine im Vergleich zum Gesetz für den Vertragspartner günstigere Ersatzklausel zur Verfügung steht.
[36] Jedenfalls aber könnte die Beklagte die Unwirksamkeit der Ersatzregelung nicht geltend machen. Die Inhaltskontrolle von Formularklauseln dient ausschließlich dem Schutz des Vertragspartners des Verwenders; der Verwender kann sich nicht auf die Unwirksamkeit einer von ihm gestellten Allgemeinen Geschäftsbedingung berufen (vgl. BGH, Urteil vom 25. Februar 2016 – VII ZR 49/15, BGHZ 209, 128 Rn. 42 m. w. N.).
[37] § 2 Abs. 3 VOB/B ist für die Klägerin, die allenfalls hieraus Ansprüche herleiten kann, günstiger als das Gesetz. Das Gesetz sieht im Falle der Vereinbarung von Einheitspreisen unabhängig davon, welche Mengen abgerechnet werden, keine Änderung der Preise vor. Das liegt entgegen einer vertretenen Auffassung (vgl. Beck'scher VOB/B-Kommentar/Jansen, 3. Aufl., § 2 Abs. 3 Rn. 73 m. w. N.) nicht daran, dass das Gesetz einen Einheitspreisvertrag überhaupt nicht kennt. Vielmehr sind die Parteien frei darin, wie sie die Vergütung nach § 631 Abs. 1 BGB bemessen.