Bundesgerichtshof
UrhG § 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2, § 97; ZPO § 286
Zur Frage der Beweislast im Urheberrechts-Verletzungsprozeß.

BGH, Urteil vom 27. 5. 1981 – I ZR 102/79 – Stahlrohrstuhl II; OLG Düsseldorf (lexetius.com/1981,1)

[1] Tatbestand: Die Klägerin macht gegen die Beklagte Ansprüche wegen Verletzung von Urheberrechten an hinterbeinlosen Stahlrohrstühlen geltend. Sie leitet ihre Rechte von dem Architekten M S und hilfsweise von dem verstorbenen Fachlehrer G S her.
[2] Der von M S im Jahre 1926 geschaffene Stuhl hat folgende Form: …
[3] Das Aussehen des von S im Jahre 1923 oder 1924 hergestellten Stuhles ist zwischen den Parteien streitig. Nach Darstellung der Klägerin in ihrer Klageschrift wies der Stuhl folgende Form auf: …
[4] In einem Vertrag zwischen S und der Firma M vom 30. Dezember 1937 hat S folgende Handskizze des von ihm entworfenen Stuhles gefertigt: …
[5] Die Beklagte zu 1, deren persönlich haftende Gesellschafter die Beklagten zu 2 und 3 sind, stellt ebenso wie die Klägerin hinterbeinlose Stahlrohrstühle her und vertreibt sie. Es handelt sich dabei um ein Modell ohne Typenbezeichnung mit Lederbespannung, um das Modell B 42 mit Korbgeflecht und um das Modell B 35 mit Polsterauflage.
[6] Die Modelle haben folgendes Aussehen: …
[7] Die Beklagte zu 1 wies in ihren Katalogen bei den Abbildungen der Modelle B 35 und B 42 jeweils auf das bei M S liegende "künstlerische Urheberrecht" hin. In ihrem für die K Möbelmesse bestimmten Prospekt bezeichnete sie M S als den "künstlerischen Urheber" der Freischwingerstühle von 1926.
[8] Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Unterlassung und Schadensersatz in Anspruch.
[9] Sie hat vorgetragen, sie habe die ausschließlichen Nutzungsrechte an dem S-Stuhl erworben; und zwar zunächst durch Vertrag vom 7. Juli 1950 von A L, der die Rechte seinerseits von M S erlangt habe. Später habe ihr durch Vertrag vom 28. Februar 1978 M S selbst die Rechte eingeräumt. Die Nutzungsrechte an dem S-Stuhl habe die Firma M KG erworben, die sie ihrerseits auf sie – die Klägerin – übertragen habe. Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, daß beide Stühle urheberrechtlich schutzfähig seien. Die abgebildeten Modelle der von der Beklagten zu 1 hergestellten Stühle seien als unfreie Nachbildungen anzusehen. Die angegriffenen Stühle stimmten in ihrem Gesamteindruck mit den Vorbildern überein. Die Abweichungen, die insbesondere in einer leichten Neigung der Rückenlehne lägen, seien nur geringfügig.
[10] Die Beklagten haben demgegenüber eingewandt, daß die Vertragslage, aus der die Klägerin ihre Ansprüche herleite, völlig unübersichtlich sei. Sie haben bestritten, daß es sich bei den Stühlen von Stam und Stüttgen um Kunstwerke handle. Es fehle an der nötigen Unterscheidung zum vorbekannten Formenschatz. Hinterbeinlose Stühle habe es schon früher gegeben. Hinsichtlich des S-Stuhles sei zudem die Vorbekanntheit des S-Stuhles zu berücksichtigen. Ferner haben die Beklagten bestritten, daß es sich bei den angegriffenen Stühlen um eine Nachbildung handele. Ihre Stühle seien zwar auch hinterbeinlos, bei ihnen fehle jedoch vor allem wegen der nach hinten geneigten Rückenlehne (um 17, mindestens aber um 15) die kubische Form. Außerdem würde die Gestaltung der Sitzflächen und Rückenlehnen nicht den Eindruck einer geschlossenen Linienführung des Rohrstranges vermitteln.
[11] Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil die angegriffenen Stühle keine Nachbildung der Stühle darstellten, für die die Klägerin Nutzungsrechte in Anspruch nehme.
[12] Die Klägerin hat in der Berufungsinstanz beantragt, die Beklagten zu verurteilen, I. 1. es zu unterlassen, hinterbeinlose Stahlrohrstühle gewerbsmäßig herzustellen, anzubieten oder in Verkehr zu bringen und/oder Abbildungen solcher Stahlrohrstühle zu vervielfältigen oder zu verbreiten, bei denen von dem U-förmig gebogenen Bodengestell die beiden Rohrteile nach viertelkreisförmiger Biegung senkrecht oder nahezu senkrecht emporsteigen, worauf sie nach weiterer viertelkreisförmiger Biegung die beiden Sitzstangen parallel oder nahezu parallel zu den Außenseiten des Bodengestells bilden und nach weiterer viertelkreisförmiger Biegung als Träger der Rückenlehne senkrecht oder annähernd senkrecht ansteigen, insbesondere wenn sie den vorstehend wiedergegebenen Abbildungen entsprechen; 2. ihr über den Umfang der seit dem 10. März 1978 begangenen Handlungen gemäß Ziff. I, 1 Auskunft zu erteilen unter Angabe der Liefer- und Angebotspreise, der Liefer- und Angebotszeitpunkte, der Abnehmer und Angebotsempfänger, der im einzelnen aufgeschlüsselten Herstellungs- und Vertriebskosten sowie des erzielten Gewinnes; dies jedoch mit der Maßgabe, daß Auskunft nur mit Wirtschaftsprüfervorbehalt verlangt werde; II. festzustellen, daß die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihr allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die Verletzungshandlungen gemäß Ziff. I, 1 entstanden ist und noch entstehen wird.
[13] Das Berufungsgericht hat der Klage im wesentlichen stattgegeben. Es hat lediglich die Fassung des Unterlassungsgebots den angegriffenen Verletzungsformen angepaßt und darüber hinaus das Unterlassungsgebot nur auf die drei angegriffenen, oben abgebildeten Ausführungsformen beschränkt.
[14] Mit ihrer Revision verfolgen die Beklagten ihren Antrag auf volle Klagabweisung weiter. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
[15] Entscheidungsgründe: I. Das Berufungsgericht geht davon aus, daß die Klägerin befugt sei, sowohl die Rechte aus einer Verletzung des S-Stuhles als auch aus der des S-Stuhles geltend zu machen. Diese Annahme läßt einen Rechtsfehler nicht erkennen, sie wird auch von der Revision nicht angegriffen.
[16] II. Allerdings kommt nach Ansicht des Berufungsgerichts im Streitfall nur eine Verletzung der Urheberrechte an dem S-Stuhl in Betracht. Auf die Urheberrechte an dem S-Stuhl könne die Klägerin ihr Klagebegehren deshalb nicht stützen, weil sich sein Aussehen nicht feststellen lasse. Die in der Klageschrift abgebildete Form stimme nicht mit der überein, die G S in dem Vertrag mit der Firma M vom 30. Dezember 1937 selbst gezeichnet habe. Die Unterschiede, die den Verlauf der Querverbindung der Bodenholme und die Linienführung bei der Rückenlehne beträfen, seien so groß, daß der von der Klägerin aufgestellten Behauptung nicht gefolgt werden könne, bei dem in der Klageschrift enthaltenen Stuhl handele es sich um die genaue Rekonstruktion. Eine weitere Aufklärung sei nicht möglich, weil die Klägerin keinen Beweis angeboten habe. Dies müsse zu ihren Lasten gehen.
[17] Diese Ausführungen sind aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Sie werden von der Revision als ihr günstig nicht angegriffen. Die Klägerin kann ihre Klage deshalb nur auf eine Verletzung der Urheberrechte an dem S-Stuhl stützen. Insoweit unterscheidet sich der Streitfall von dem Sachverhalt, der den Senatsentscheidungen vom 27. Februar 1961 (GRUR 1961, 635 ff – Stahlrohrstuhl) und vom 19. Dezember 1979 – I ZR 5/78 – zugrunde lag. Dort war zwischen den Parteien unstreitig, daß der S-Stuhl das von der Klägerin in ihrer Klageschrift behauptete Aussehen hatte. In den genannten Verfahren konnte offengelassen werden, ob die Klägerin ihr Klagebegehren aus Urheberrechten am S- oder am S-Stuhl herleiten kann.
[18] Vorliegend kommt es ausschließlich darauf an, ob der von M S geschaffene Stahlrohrstuhl ein schutzfähiges Werk der angewandten Kunst darstellt (§ 2 Abs. 1 Ziff. 4 UrhG) und bejahendenfalls, ob die angegriffenen Ausführungsformen der Beklagten als unfreie Nachbildungen zu werten sind.
[19] III. Die Urheberrechtsschutzfähigkeit des Stam-Stuhles wird vom Berufungsgericht bejaht. Es stützt sich dabei im wesentlichen auf die Entscheidung des Reichsgerichts vom 1. Juni 1932 (GRUR 1932, 892 ff) und die des Senats vom 27. Februar 1961 (GRUR 1961, 635 ff – Stahlrohrstuhl), die beide den S-Stuhl zum Gegenstand haben. Das Berufungsgericht führt in Anlehnung an diese Rechtsprechung aus, daß es sich bei dem S-Stuhl um eine starke künstlerische Leistung mit einem dementsprechend weit zu ziehenden Schutzbereich handele. Das künstlerische Hauptmerkmal, das den für diesen Stuhl charakteristischen ästhetischen Gehalt entscheidend bestimme und ihm seine ausgeprägte individuelle Gestalt verleihe, sei die auf die Einhaltung der geometrischen Grundform des Würfels bedachte, strenge und einheitliche Linienführung des in einem Zuge verlaufenden, geschlossenen Rohrstrangs. Hinzu trete der Umstand, daß aufgrund der gewählten Linienführung die Hinterbeine des Stuhles entfielen.
[20] Das Berufungsgericht setzt sich weiter mit der Frage auseinander, ob das von der Beklagten behauptete vorbekannte Formengut der Annahme einer eigenpersönlichen geistigen Schöpfung entgegenstehe. Es führt in diesem Zusammenhang aus, daß auch die Vorbekanntheit des S-Stuhles eine eigenschöpferische Leistung von M S nicht ausschließe. Denn zum einen sei offen, welche genaue Ausgestaltung der S-Stuhl gehabt habe. Selbst wenn er der von S im Vertrag aus dem Jahre 1937 gezeichneten Form entsprochen haben sollte, würde er der Urheberrechtsschutzfähigkeit des S-Stuhles angesichts der Abweichung von der Würfelform nicht entgegenstehen. Davon abgesehen hätten die Beklagten selbst vorgetragen, daß die Stühle von S und S wahrscheinlich unabhängig voneinander entwickelt worden seien. Bei Anwendung des subjektiven Neuheitsbegriffs wäre eine eigenschöpferische Leistung von M S nur dann ausgeschlossen, wenn er zuvor Kenntnis vom S-Stuhl gehabt hätte. Dafür seien aber keine Anhaltspunkte ersichtlich.
[21] Diese Ausführungen sind aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
[22] Die Urheberrechtsschutzfähigkeit des Stam-Stuhles ist vom Senat im Anschluß an das Reichsgericht (GRUR 1932, 892 ff) in der angeführten Entscheidung vom 27. Februar 1961 (GRUR 1961, 635 ff – Stahlrohrstuhl) bejaht und zuletzt durch Urteil vom 19. Dezember 1979 – I ZR 5/78 – bestätigt worden. Der Streitfall bietet keine Veranlassung, von dieser Rechtsprechung abzuweichen. Das Berufungsgericht ist von zutreffenden rechtlichen Erwägungen ausgegangen und hat rechtsirrtumsfrei festgestellt, daß das maßgebende, den ästhetischen Gesamteindruck prägende Merkmal die Formgestaltung sei, die der hinterbeinlose, aus einem durchgehenden Rohrstrang mit kubischen Grundformen geschaffene S-Stuhl besitze.
[23] 1. Der wesentliche Einwand der Revision zielt dahin, das Berufungsgericht habe nicht hinreichend berücksichtigt, welche Auswirkungen das unaufgeklärte Aussehen des S-Stuhles auf die Schutzfähigkeit und den Schutzumfang des S-Stuhles habe. Der S-Stuhl gehöre zum vorbekannten Formengut, da er im Jahre 1924 während einer Ausstellung öffentlich gezeigt worden sei. Es sei deshalb rechtsfehlerhaft, daß das Berufungsgericht seine wirkliche Gestaltung unaufgeklärt gelassen habe. In jedem Falle müsse die fehlende Aufklärung zu Lasten der beweispflichtigen Klägerin gehen.
[24] Diesen Ausführungen der Revision kann nicht zugestimmt werden. In der fehlenden Aufklärung des ursprünglichen Aussehens des S-Stuhles liegt kein Verfahrensfehler, da von den Parteien insoweit kein Beweis angeboten worden ist, der noch zu erheben wäre. Aus diesem Grunde kommt eine Aufhebung des angefochtenen Urteils und eine Zurückverweisung nicht in Betracht. Der Hinweis der Revision auf die Senatsentscheidung vom 3. Juni 1977 (GRUR 1978, 168 f – Haushaltsschneidemaschine) geht fehl, da dort das Aussehen des vorbekannten Geschmacksmusters feststand. Im Streitfall kommt es entscheidend darauf an, zu Lasten welcher Partei die fehlende Aufklärung geht. Die Annahme der Revision, das Berufungsgericht (BU 15) habe die Beweislast der Klägerin auferlegen wollen, ist nur eingeschränkt richtig. Denn das Berufungsgericht hat die Klägerin nur insoweit für beweisbelastet gehalten, als sie ihre Klage hilfsweise auch auf die Urheberrechte am S-Stuhl gestützt hat. Zutreffend hat es darauf abgestellt, daß die Schutzfähigkeit des Stüttgen-Stuhles nicht festgestellt werden könne, weil die Klägerin sein Aussehen nicht bewiesen habe. Bei Prüfung der Schutzfähigkeit und des Schutzumfangs des S-Stuhles lautet die Fragestellung anders. Hier geht es darum, wer zu beweisen hat, daß vorbekanntes Formengut der Anerkennung des Stuhles als einer eigenschöpferischen Leistung entgegensteht bzw. nicht entgegensteht. Die Beweislast ist hier – wie das Berufungsgericht nicht verkannt hat – den Beklagten aufzuerlegen. Dabei ist von folgenden Erwägungen auszugehen: Der Kläger hat nach allgemeinen Grundsätzen die klagebegründenden Tatsachen zu beweisen; so in einem Urheberrechts-Verletzungsprozeß unter anderem die Schutzfähigkeit und – soweit seine Feststellung von aufklärungsbedürftigen Tatsachen abhängt – auch den Schutzumfang des Werkes, aus dem er seine Rechte herleitet. Dazu gehört auch, daß der gebotene Abstand zum vorbekannten Formengut eingehalten worden ist. Für das Urheberrecht wird der Kläger den erforderlichen Nachweis in aller Regel durch die Vorlage seines Werkes erbringen. Verteidigt sich der Beklagte demgegenüber mit dem Einwand, die Schutzfähigkeit entfalle oder der Schutzumfang sei eingeschränkt, weil der Urheber auf vorbekanntes Formengut zurückgegriffen habe, so ist es seine Sache, das Aussehen des älteren Werkes darzulegen und zu beweisen (vgl. auch RGZ 124, 68, 71; RG GRUR 1927, 235, 236 und Benkard-Rogge, Kommentar zum Patentgesetz und Gebrauchsmustergesetz, 7. Auflage 1981, § 139 Rdn. 115 f für den Einwand der mangelnden Neuheit im Gebrauchsmuster- und Patent-Verletzungsprozeß). Der Urheber bzw. sein Rechtsnachfolger wäre insoweit überfordert. Dies muß auch dann gelten, wenn – wie hier – bereits feststeht, daß ein älteres Werk vorhanden ist. Die Ungewißheit, wie dieses Werk beschaffen ist, kann nicht zu Lasten des Urhebers bzw. seines Rechtsnachfolgers gehen und rechtfertigt deshalb auch keine Umkehr der Beweislast. Es ist mit dem Grundgedanken des Urheberrechts, einen möglichst umfassenden Schutz zu gewähren, nicht zu vereinbaren, dem Urheber bei Zweifeln der vorliegenden Art die rechtliche Anerkennung seiner Leistung zu versagen.
[25] Angesichts der bestehenden Beweislage kommt es auf die weiteren Erwägungen des Berufungsgerichts zu der Frage, ob M S den S-Stuhl gekannt habe, nicht an.
[26] 2. Zu der von der Revision weiter zur Nachprüfung gestellten Frage, ob der Zeitablauf und die weitere Entwicklung Einfluß auf den Schutzumfang haben, hat der Senat schon in seinem Urteil vom 27. Februar 1961 (GRUR 1961, 635, 638 – Stahlrohrstuhl) Stellung genommen. Er hat sich auf den Standpunkt gestellt, daß es für die Frage, ob die Formgebung eines industriellen Erzeugnisses unter Kunstschutz stehe, auf die Anschauungen im Zeitpunkt der erstmaligen Gestaltung der Form ankomme. An dieser Rechtsprechung hält der Senat – wie schon in seiner Entscheidung vom 19. Dezember 1979 – I ZR 5/78 – fest. Die Auffassung, daß der Entstehungszeitpunkt maßgebend ist, entspricht dem Gesetz.
[27] IV. Das Berufungsgericht hat schließlich auch eine unfreie Nachbildung des Stam-Stuhles durch die Beklagten bejaht. Dazu hat es ausgeführt: Die angegriffenen Ausführungsformen würden eine weitgehende Übereinstimmung mit dem geschützten Werk aufweisen. Das gelte neben den gemeinsamen Merkmalen der Hinterbeinlosigkeit in besonderem Maße für das den Stam-Stuhl prägende Hauptmerkmal. So würden sich alle beanstandeten Modelle durch die auf die Einhaltung der Würfelform bedachtnehmende, strenge und einheitliche Linienführung des einzügig verlaufenden, geschlossenen Rohrstrangs auszeichnen. Dieses Formelement werde durch die Ausgestaltung der jeweiligen Sitz- und Rückenflächen nicht so verhüllt, daß dadurch eine ins Gewicht fallende optische Unterbrechung der Linienführung des Rohrstrangs bewirkt werde. Auch die auf Einhaltung der geometrischen Grundform des Würfels ausgerichtete Linienführung werde bei keiner der angegriffenen Gestaltungsformen weder durch vorhandene Querverbindungen noch dadurch in Frage gestellt, daß die Rückenlehnen eine leichte, möglicherweise bis zu 17 betragende Neigung erkennen ließen. Insgesamt werde kein neuer, außerhalb des Schutzbereichs des S-Stuhles liegender Gesamteindruck vermittelt.
[28] Diese Ausführungen lassen ebenfalls keinen Rechtsfehler erkennen.
[29] Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß ein Werk in seiner jeweiligen Individualität, also in seiner jeweiligen charakteristischen Ausprägung geschützt ist; unzulässig ist die Nachahmung derjenigen künstlerischen Züge, die dem Werk insgesamt seine schutzfähige eigenpersönliche Prägung verleihen (BGHZ 5, 1, 3 – Hummelfiguren). Ohne Rechtsverstoß geht das Berufungsgericht dabei davon aus, daß die Frage, wie weit die Abweichung von dem Werk gehen darf, ohne den Schutzbereich des Urheberrechts zu verlassen, davon abhängt, wie stark die im Werk zum Ausdruck gekommene künstlerische Schöpfung ist (BGH GRUR 1958, 500, 502 – Mecki-Igel I). Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei festgestellt, daß es sich bei dem S-Stuhl um eine künstlerische Leistung von hohem Rang handelt. Von diesem Ausgangspunkt aus kommt es, nachdem es sich eingehend mit den Abweichungen auseinandergesetzt hat, zu dem Ergebnis, daß die angegriffenen Stühle in den charakteristischen, dem S-Stuhl seinen besonderen ästhetischen Gehalt verleihenden Merkmalen, nämlich der besonderen Linienführung des Rohrstrangs mit seinen kubischen Grundformen, weitgehend übereinstimmen. Diese auf tatsächlichem Gebiet liegenden Feststellungen lassen einen Rechtsfehler nicht erkennen. Die Ausführungen der Revision, die sich in erster Linie mit einem Vergleich des insoweit nicht zu berücksichtigenden S-Stuhles befassen, zeigen ebenfalls keine relevanten Mängel auf.