Schutz der Forschungsfreiheit vor Eingriffen durch eine Universitätskommission

BVerwG, Mitteilung vom 12. 12. 1996 – 53/96 (lexetius.com/1996,583)

[1] Der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts hatte über die Frage zu entscheiden, ob eine vom Dekan eines Fachbereichs einer hessischen Universität eingesetzte "ad hoc-Kommission" in die Forschungsfreiheit eines Hochschullehrers eingreift, wenn sie Feststellungen trifft und Forderungen mit dem Ziel erhebt, auf dessen wissenschaftliche Äußerungen Einfluß zu nehmen.
[2] Ein Hochschullehrer hatte sich u. a. mit der diagnostischen Unterscheidbarkeit von Hautkrankheiten befaßt und in diesem Zusammenhang ein Verfahren entwickelt, das es nach seiner Meinung ermöglichte, gut- und bösartige Fehlbildungen der Haut schnell und einfach zu erkennen und zu unterscheiden. Das Ergebnis seiner Untersuchungen veröffentlichte er in Fachzeitschriften. Nachdem ein wissenschaftlicher Mitarbeiter den Dekan der Universität darauf hingewiesen hatte, daß die publizierten Meßdaten nicht mit den tatsächlich erhaltenen Daten übereinstimmten, setzte der Dekan eine "ad hoc-Kommission" ein, der außer dem betroffenen Hochschullehrer noch sechs weitere Professoren des Fachbereichs angehörten. Nach sieben Sitzungen traf die Kommission "Feststellungen und Beschlüsse", in denen sie das von dem Hochschullehrer erarbeitete Verfahren kritisierte. Nach ihrer Meinung lagen keine dokumentierten Fälle vor, die geeignet waren, das angewandte Verfahren zu bestätigen. In dem Papier wurde der Hochschullehrer u. a. aufgefordert, seine Aussagen öffentlich zurückzunehmen und etwaige Äußerungen über eine diagnostische Verwendbarkeit seiner Methode so lange zu unterlassen, bis einwandfreie Datensätze und eindeutige Auswertungsergebnisse vorlägen. Das Papier wurde an zahlreiche Institutionen verschickt. Gegen dieses Verfahren wandte sich der Hochschullehrer mit seiner Klage.
[3] Der 6. Senat hat die Entscheidungen der beiden Vorinstanzen, die der Klage stattgegeben haben, bestätigt. Der Senat sah in den "Feststellungen und Forderungen" der ad hoc-Kommssion einen unzulässigen Eingriff in die durch Art. 5 Abs. 3 GG geschützte Forschungsfreiheit des Hochschullehrers, auch wenn das Untersuchungsergebnis nicht rechtsverbindlich war und dies nach dem Willen der Kommissionsmitglieder auch nicht sein sollte. Mit der darin geäußerten massiven Kritik an der Forschungsarbeit des Hochschullehrers wurde nach Auffassung des Senats auf diesen ein erheblicher faktischer und moralischer Druck ausgeübt, der zumindest mittelbar auf dessen Forschungstätigkeit einwirkte und sein Ansehen als Wissenschaftler beschädigte, zumal die Ergebnisse der Untersuchung veröffentlicht wurden.
BVerwG, Urteil vom 11. 12. 1996 – 6 C 5.95