Verkauf der "Pirmasenser Zeitung" gescheitert – Bundesgerichtshof bestätigt Untersagungsverfügung des Kartellamts -
BGH, Mitteilung vom 8. 12. 1998 – 90/98 (lexetius.com/1998,1151)
[1] Mit einem heute verkündeten Beschluß hat der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs die Untersagung des Erwerbs sämtlicher Anteile an der Adolf Deil GmbH & Co. KG – der Verlagsgesellschaft, die die "Pirmasenser Zeitung" herausgibt – durch die Tukan Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG bestätigt.
[2] Die "Pirmasenser Zeitung" ist eine regionale Abonnement-Tageszeitung mit einer Auflage von ca. 15. 000 Exemplaren, die in der Stadt Pirmasens und in einem Teil des Landkreises Pirmasens vertrieben wird. Neben der "Pirmasenser Zeitung" gibt es im Raum Pirmasens noch die "Pirmasenser Rundschau" (Auflage ca. 12. 500 Exemplare), eine Lokalausgabe der überall in Rheinland-Pfalz vertriebenen "Rheinpfalz" (Gesamtauflage knapp 250. 000 Exemplare).
[3] Ende 1994 verkaufte die Familie des bisherigen Verlegers ihre Anteile an der Verlagsgesellschaft der "Pirmasenser Zeitung" an die für diesen Zweck gegründete Tukan. Das Bundeskartellamt hat im Februar 1996 den Erwerb mit der Begründung untersagt, Tukan sei mit der Rheinpfalz/Medien-Union-Gruppe verbunden, einem Medienkonzern, zu dem neben der in Rheinland-Pfalz vertriebenen regionalen Tageszeitung "Die Rheinpfalz" weitere bedeutende Aktivitäten im Medienbereich (Tageszeitungen, Hörfunk, Buchverlage) gehören und dessen Presseumsätze 1994 knapp unter einer halben Milliarde Mark lagen. An den Gesellschaften der Rheinpfalz/Medien-Union-Gruppe sind schon seit vielen Jahren Mitglieder von fünf Familien beteiligt, wobei auf jeden Familienstamm immer derselbe Anteil entfällt. An der Tukan sind – über eine Treuhänderin – ebenfalls Mitglieder derselben fünf Familien mit wiederum denselben auf jeden Stamm entfallenden Anteilen beteiligt. Durch den Erwerb der "Pirmasenser Zeitung", so das Bundeskartellamt, verstärke sich die marktbeherrschende Stellung, über die die Rheinpfalz/Medien-Union-Gruppe im Raum Pirmasens verfüge.
[4] Nachdem das Kammergericht in Berlin die Beschwerde der beteiligten Unternehmen und der Verkäufer gegen die Untersagungsverfügung des Bundeskartellamts zurückgewiesen hatte, mußte nun der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs in letzter Instanz darüber entscheiden, ob der Erwerb im Rahmen der Fusionskontrolle zu Recht untersagt worden ist. Der BGH hat diese Frage bejaht und ebenso wie die Vorinstanzen in der Tukan eine Konzerngesellschaft der Rheinpfalz/Medien-Union-Gruppe gesehen. Auch wenn Tukan nicht von der Gruppe beherrscht wird und auch keine vertraglichen Abreden über eine gemeinsame Leitung durch die Konzernspitze bestehen, handelt es sich – so der BGH – um einen sog. faktischen Gleichordnungskonzern, bei dem mit Blick auf die Gesamtumstände die Zusammenfassung unter eine einheitliche Konzernleitung anzunehmen ist. Im vorliegenden Fall bestehen zwar bei Übereinstimmung der Verteilung der Anteile auf die fünf Familienstämme in der personellen Zusammensetzung des Gesellschafterkreises gewisse Unterschiede: Denn bei der Tukan nehmen teilweise die Kinder aus den Gesellschafterfamilien die Stellung ein, die bei der Rheinpfalz/Medien-Union-Gruppe ihre Eltern wahrnehmen. Im Hinblick darauf, daß aufgrund der Gesellschaftsverträge und weiterer Abreden die Anteile innerhalb der jeweiligen Familien gehalten werden müssen, ist der BGH gleichwohl von einer starken personellen Verflechtung der Tukan mit der Rheinpfalz/Medien-Union-Gruppe ausgegangen und hat auch aufgrund der weiteren Umstände angenommen, daß Tukan der gemeinsamen Leitung durch die Konzernspitze untersteht. Damit mußte kartellrechtlich von einem Erwerb der "Pirmasenser Zeitung" durch die Rheinpfalz/Medien-Union-Gruppe und davon ausgegangen werden, daß durch den Erwerb im Verbreitungsgebiet der "Pirmasenser Zeitung" eine marktbeherrschende Stellung des Konzerns entsteht oder daß sich eine bereits bestehende beherrschende Stellung noch verstärkt.
BGH, Beschluss vom 8. 12. 1998 – KVR 31/97