Bundesgerichtshof läßt Werbung mit 1-DM-Handy zu – Aufklärung über Folgekosten erforderlich

BGH, Mitteilung vom 8. 10. 1998 – 69/98 (lexetius.com/1998,1412)

[1] Der für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat heute in sieben Fällen entschieden, in denen eine Werbung für ein besonders günstig, in einem Fall sogar kostenlos angebotenes Mobiltelefon von Mitbewerbern und Wettbewerbsverbänden als ein Verstoß gegen die Zugabeverordnung und gegen die guten Sitten im Wettbewerb beanstandet worden war.
[2] Die angegriffene Werbung zeichnete sich in allen Fällen dadurch aus, daß der Preis des Mobiltelefons – in einem Fall 0, – DM, in anderen Fällen 1 Pfennig, 1, – DM oder 30, – DM – als Blickfang herausgestellt worden war. Der Erwerb des Mobiltelefons war an den Abschluß eines Netzkartenvertrages gekoppelt. Auf die Konditionen des Netzzugangs war in den Anzeigen mehr oder weniger deutlich und mehr oder weniger vollständig hingewiesen worden. Daß Mobiltelefone, die im Handel sonst mehrere Hundert Mark kosten, verschenkt oder zu einem nur symbolischen Preis abgegeben werden, erklärt sich daraus, daß Netzbetreiber und sogenannte Service Provider für vermittelte Kartenverträge hohe Provisionen zahlen, die der Handel in der Form "subventionierter" Preise für Mobiltelefone an die Kunden weitergibt. Die Oberlandesgerichte hatten solche Anzeigen verschieden bewerten: Während einige Gerichte die Werbung zuließen, wurde sie von den meisten Oberlandesgerichten als wettbewerbswidrig oder als ein Verstoß gegen die Zugabeverordnung angesehen.
[3] In den heute verkündeten Urteilen, denen am 9. Juli eine mündliche Verhandlung vorausgegangen ist, hat der Bundesgerichtshof sowohl einen Verstoß gegen die Zugabeverordnung als auch einen Wettbewerbsverstoß nach § 1 UWG unter dem Gesichtspunkt eines übertriebenen Anlockens verneint. Die Oberlandesgerichte hatten teilweise entschieden, es liege eine unzulässige Zugabe vor, weil neben einer Hauptleistung – dem Netzzugang – eine unentgeltliche oder gegen ein Scheinentgelt gewährte Ware – hier das Mobiltelefon – angeboten werde. Dem ist der BGH mit der Begründung entgegengetreten, daß Netzzugang und Mobiltelefon nicht in einem Verhältnis von Haupt- und Nebenleistung stünden. Vielmehr bestehe zwischen beiden eine Funktionseinheit, so daß die Verbraucher in dem Angebot ein einheitliches Produkt – Telefon mit Netzzugang – sähen. Dieser Eindruck werde auch durch die Werbung nicht zerstört, in der der günstige Preis des Mobiltelefons deutlich herausgestellt sei. Gerade weil das Mobiltelefon fast umsonst abgegeben werde, bleibe den Verbrauchern nicht verborgen, daß es letztlich mit den Gebühren für den Netzzugang bezahlt werde. Auch ein übertriebenes Anlocken hat der Bundesgerichtshof im Hinblick auf die Einheitlichkeit der angebotenen Leistung verneint. Daß die für Netzkartenverträge gewährten Provisionen auf diese Weise an die Verbraucher weitergegeben würden, sei Zeichen eines funktionierenden Wettbewerbs; dem könne nicht entgegengehalten werden, das Angebot eines nahezu kostenlosen Mobiltelefons diene nur der Verschleierung überhöhter Entgelte für den Netzzugang.
[4] Allerdings hat der Bundesgerichtshof in einigen der entschiedenen Fälle die beanstandete Werbung als irreführend und gegen die Preisangabenverordnung verstoßend untersagt. Wenn der Handel den besonders günstigen Preis für das Mobiltelefon in der Werbung herausstelle, müsse er auch die für den Verbraucher mit dem Abschluß eines Netzkartenvertrags verbundenen Kosten kenntlich machen und sie so darstellen, daß sie dem blickfangmäßig herausgestellten Preis für das Mobiltelefon eindeutig zugeordnet sowie leicht erkennbar und deutlich lesbar seien. Vor allem die Hinweise auf die nicht verbrauchsabhängigen festen Entgelte (einmalige Zahlungen, Mindestumsätze, monatliche Grundgebühren) sowie die Mindestlaufzeit dürften in der Fülle anderer Informationen nicht untergehen. Dagegen stehe es dem Werbenden bei der Darstellung der verbrauchsabhängigen Kosten im Falle eines stark differenzierenden Tarifsystems frei, lediglich die Grenzen aufzuzeigen, in denen sich die Gesprächsgebühren bewegten.
BGH, Beschluss vom 8. 10. 1998 – I ZR 187/97