Bundesgerichtshof
BGB § 780
Wird eine Überweisung durch elektronische Datenübertragung ausgeführt, entsteht der Anspruch aus der Gutschrift erst in dem Zeitpunkt, in dem – regelmäßig auf Grund Nachdisposition – die Empfängerbank durch einen Organisationsakt mit Rechtsbindungswillen die Gutschriftdaten zur vorbehaltlosen Bekanntmachung an den Überweisungsempfänger zur Verfügung stellt; bis zu diesem Zeitpunkt ist die Überweisung widerruflich.

BGH, Beschluss vom 23. 11. 1999 – XI ZR 98/99; OLG Hamburg (lexetius.com/1999,1215)

[1] Gründe: Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die Revision hat im Endergebnis auch keine Aussicht auf Erfolg.
[2] Das Berufungsgericht hat zutreffend einen Anspruch der Klägerin auf Zahlung von 220 000 DM nebst Zinsen bejaht. Die Beklagte hat den rechtzeitig erklärten Widerruf der ihr zugegangenen Überweisung nicht beachtet.
[3] Sie durfte den Überweisungsauftrag daher nicht mehr ausführen und muss den Überweisungsbetrag nach § 667 BGB an die Klägerin herausgeben.
[4] Für die Frage, ob der Widerruf der Überweisung durch die Klägerin rechtzeitig war, kommt es – wie der Bundesgerichtshof (BGHZ 103, 143, 146 ff. = ZIP 1988, 294, 296, dazu EWiR 1988, 347 (Rehbein)) für den belegbegleitenden, im Interbankverhältnis elektronisch durchgeführten Überweisungsverkehr bereits ausgesprochen hat – darauf an, in welchem Zeitpunkt die Empfängerbank mit äußerlich erkennbarem Rechtsbindungswillen die Daten der Gutschrift durch einen Organisationsakt dem Überweisungsempfänger zugänglich macht. Das kann geschehen durch vorbehaltloses Absenden der Kontoauszüge oder deren Bereitstellung oder dadurch, dass dem Kunden der ihn betreffende Datenbestand der Bank z. B. über einen Kontoauszugsdrucker vorbehaltlos zur Verfügung gestellt wird (sog. autorisierte Abrufpräsenz, vgl. dazu für das beleglose DTA-Verfahren OLG Nürnberg WM 1997, 1524, 1526). Für den Fall einer – wie vorliegend – allein im elektronischen Datenverkehr durchgeführten Überweisung, bei der die Daten ohne vorherige Überprüfungsmöglichkeit durch die Empfängerbank in deren Datenbestand übertragen werden, steht die elektronische Gutschrift regelmäßig unter dem Vorbehalt der so genannten Nachdisposition, in der die Übereinstimmung von Kontonummer und Empfängerbezeichnung, die Einhaltung des Abkommens über den Überweisungsverkehr (vgl. Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, Anh. 6 zu §§ 52—55) und das Vorliegen eines Widerrufs geprüft wird (vgl. BGHZ 103, 143, 148 f. = ZIP 1988, 294, 296).
[5] Dementsprechend ist die Beklagte vorgegangen. Nachdem die Überweisungsdaten in ihre zentrale Datenanlage eingespeist worden waren und elektronisch gebucht auf dem Kundenkonto erschienen, hat sie anhand einer ihr von der Zentrale übersandten Liste, in der alle Überweisungen mit einem Betrag über 5 000 DM ausgedruckt waren, die eingegangene Überweisung überprüft und festgestellt, dass diese nicht im Rahmen des normalen Geschäftsverkehrs mit der Kundin lag. Sie hat deshalb unter Bezugnahme auf Nr. 3 Abs. 1 des Abkommens zum Überweisungsverkehr die Klägerin um Bestätigung der Ordnungsmäßigkeit der Überweisung gebeten und am selben Tag der Kundin die Auszahlung des Guthabens mit der Begründung verweigert, die notwendigen Überprüfungen seien noch nicht abgeschlossen.
[6] Die Klägerin teilte der Beklagten sofort mit, dass die Ordnungsmäßigkeit der Überweisung nicht bestätigt werden könne, diese vielmehr "unrechtmäßig" erfolgt sei und sie um Rücküberweisung bitte. Im Zeitpunkt des Eingangs dieser als Widerruf der Überweisung aufzufassenden Nachricht war die Nachdisposition noch nicht abgeschlossen.
[7] Eine Datenfreischaltung als Organisationsakt (vgl. dazu Schimansky, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 47 Rz. 30) hatte noch nicht stattgefunden, so dass der Kundin kein Anspruch aus der Gutschrift zustand. Die Beklagte war deshalb gehalten, den rechtzeitigen Widerruf zu beachten und dem Rücküberweisungsverlangen Folge zu leisten.