Bundesgerichtshof entscheidet über Kosten der Unterbringung von Asylbewerbern auf Flughafengelände

BGH, Mitteilung vom 25. 2. 1999 – 15/99 (lexetius.com/1999,2235)

[1] Die klagende Flughafen Frankfurt/Main AG, die beklagte Bundesrepublik Deutschland und das Land Hessen, das dem Rechtsstreit auf seiten der Klägerin beigetreten ist, streiten darüber, wer die Kosten für die vorübergehende Unterbringung von Asylbewerbern auf dem Flughafengelände zu tragen hat.
[2] Nach den einschlägigen Bestimmungen des Ausländergesetzes sind Ausländer, die auf dem Luftwege nach Deutschland gelangen wollen, im Rechtssinne erst nach dem Passieren der vom Bundesgrenzschutz auf dem Flughafen eingerichteten Grenzübergangsstelle in das Bundesgebiet eingereist (davor befinden sie sich noch im sogenannten Transitbereich des Flughafens). Geben sich ausländische Flugpassagiere bei der Grenzkontrolle als Asylsuchende zu erkennen, so werden sie vom Bundesgrenzschutz an Ort und Stelle zu den Fluchtgründen angehört (sogenannte Erstbefragung). Mit Wirkung vom 1. Juli 1993 sind darüber hinaus durch eine Änderung des Asylverfahrensgesetzes die gesetzlichen Voraussetzungen dafür geschaffen worden, daß noch im Transitbereich des Flughafengeländes ein reguläres Asylverfahren (sogenanntes Flughafenverfahren) durch eine Außenstelle des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge durchgeführt werden kann. Ziel der Erstbefragung und des Flughafenverfahrens ist es, das Asylverfahren von Asylbewerbern, die offensichtlich nicht politisch verfolgt sind, noch vor Vollendung der Einreise im Rechtssinne abschließen zu können, um diese – unter Ausnutzung von Rücktransportverpflichtungen der Fluggesellschaften und völkerrechtlichen Rücknahmepflichten der Abflug- oder Herkunftsstaaten – unverzögert in den Staat des Abflughafens zurückzuführen.
[3] Für die erforderliche Unterbringung der Asylbewerber bis zu 19 Tagen sah sich die klagende Flughafenbetreiberin gezwungen, im Transitbereich befindliche Gebäude umzubauen und herzurichten. Sie verlangt von der Bundesrepublik Erstattung der hierfür im Zeitraum vom November 1988 bis zum Juni 1994 aufgewendeten Kosten. Die Klage hatte im ersten und zweiten Rechtszug Erfolg. Auf die Revision der Bundesrepublik hat der Bundesgerichtshof die Klage abgewiesen.
[4] Nach den Bestimmungen des Asylverfahrensgesetzes ist grundsätzlich das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig. Nach den Vorschriften des Ausländer-, des Asylverfahrens- und des Bundesgrenzschutzgesetzes hat im allgemeinen der Bundesgrenzschutz darüber zu entscheiden, ob ein Ausländer einreisen darf; in besonderen Fällen kann er dabei auch Asylbewerbern – wenn diese etwa die Grenze aus einem sicheren Drittstaat im Sinne des Artikel 16 a Abs. 2 GG überschreiten wollen – die Einreise verweigern. Darüber hinaus obliegt dem Bundesgrenzschutz die allgemeine Aufgabe, die Grenzen polizeilich zu überwachen.
[5] Die vorübergehende Unterbringung von Asylbewerbern auf dem Flughafengelände ist nach den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen weder dem Bundesamt noch dem Bundesgrenzschutz ausdrücklich als Verwaltungsaufgabe (des Bundes) zugewiesen. Da nach der Kompetenzordnung des Grundgesetzes die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben im allgemeinen Sache der Länder ist und diese auch die sich aus der Wahrnehmung dieser Aufgaben ergebenden Ausgaben zu tragen haben (Artikel 30, 104 a Abs. 1 GG), ist die Unterbringung der Asylbewerber grundsätzlich Sache des jeweiligen Bundeslandes. Eine Ausnahme käme nur dann in Betracht, wenn insoweit eine "ungeschriebene" Verwaltungskompetenz des Bundes kraft Sachzusammenhangs bzw. Annexes angenommen werden könnte. Dies hat der Bundesgerichtshof verneint: Die Unterbringung von Asylbewerbern auf dem Flughafengelände ist nicht untrennbar mit einer der dem Bundesgrenzschutz oder dem Bundesamt ausdrücklich zugewiesenen Aufgaben verbunden. Die sachgerechte Erledigung der diesen Behörden übertragenen Verwaltungsaufgaben – Durchführung des Asyl- und Einreiseverfahrens; Grenzschutz – hängt nicht davon ab, daß sie selbst die Unterbringung übernehmen.
[6] Es ist daher Aufgabe des Landes Hessen und nicht Aufgabe der Bundesrepublik Deutschland, für die Unterbringung der Asylbewerber auf dem Flughafengelände zu sorgen und für die dabei entstehenden Kosten aufzukommen.
BGH, Urteil vom 25. 2. 1999 – III ZR 155/97