Bundesverfassungsgericht

BVerfG, Beschluss vom 3. 7. 2001 – 2 BvB 1/01 (lexetius.com/2001,730)

[1] In den Verfahren über die Anträge festzustellen: 1. a) Die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) ist verfassungswidrig. b) Die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) und ihre Teilorganisation Junge Nationaldemokraten (JN) werden aufgelöst. c) Es ist verboten, Ersatzorganisationen zu schaffen. d) Das Vermögen der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) und ihrer Teilorganisation Junge Nationaldemokraten (JN) wird zugunsten des Bundes zu gemeinnützigen Zwecken eingezogen. e) Der Innenminister des Bundes und die Minister und Senatoren des Innern der Länder werden beauftragt, die Entscheidung zu vollstrecken. Antragstellerin: Bundesregierung, vertreten durch den Bundesminister des Innern, Alt Moabit 101 D, 10559 Berlin – Bevollmächtigte: a) Professor Dr. Hans Peter Bull, Schlüterstraße 28, 20146 Hamburg b) Rechtsanwalt Dr. h. c. Karlheinz Quack, Fasanenstraße 33, 10719 Berlin – Antragsgegnerin: Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD), vertreten durch den Parteivorsitzenden V …, – Bevollmächtigte: a) Rechtsanwalt Horst Mahler, Paulsborner Straße 3, 10709 Berlin b) Rechtsanwalt Dr. Hans Günter Eisenecker, Dorfstraße 22, 19260 Goldenbow – 2 BvB 1/01 –, 2. a) Die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) ist verfassungswidrig. b) Die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD), ihre Teilorganisation Junge Nationaldemokraten (JN) und ihre Sonderorganisation "Deutsche Stimme Verlagsgesellschaft mbH" werden aufgelöst. c) Es ist verboten, Ersatzorganisationen aufzubauen. d) Das Vermögen der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD), ihrer Teilorganisation Junge Nationaldemokraten (JN) und ihrer Sonderorganisation "Deutsche Stimme Verlagsgesellschaft mbH" wird zugunsten des Bundes zu gemeinnützigen Zwecken eingezogen. e) Der Innenminister des Bundes und die Minister und Senatoren des Innern der Länder werden beauftragt, die Entscheidung zu vollstrecken. Antragsteller: Deutscher Bundestag, vertreten durch den Präsidenten, Platz der Republik 1, 11011 Berlin – Bevollmächtigte: a) Professor Dr. Günter Frankenberg, J. W. Goethe-Universität, Senckenberganlage 31, 60054 Frankfurt am Main b) Professor Dr. Wolfgang Löwer, Hobsweg 15, 53125 Bonn – Antragsgegnerin: Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD), vertreten durch den Parteivorsitzenden V …, – Bevollmächtigte: a) Rechtsanwalt Dr. Hans Günter Eisenecker, Dorfstraße 22, 19260 Goldenbow b) Rechtsanwalt Horst Mahler, Paulsborner Straße 3, 10709 Berlin – - 2 BvB 2/01 –, 3. a) Die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) ist verfassungswidrig. b) Die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) und ihre Teilorganisation Junge Nationaldemokraten (JN) werden aufgelöst. c) Es ist verboten, Ersatzorganisationen zu schaffen oder bestehende Organisationen als Ersatzorganisationen fortzusetzen. d) Das Vermögen der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) und ihrer Teilorganisation Junge Nationaldemokraten (JN) wird zugunsten der Bundesrepublik Deutschland zu gemeinnützigen Zwecken eingezogen. e) Der Innenminister des Bundes und die Minister und Senatoren des Innern der Länder werden beauftragt, die Entscheidung zu vollstrecken. Antragsteller: Bundesrat, vertreten durch den Präsidenten, Leipziger Straße 3 – 4, 11719 Berlin – Bevollmächtigter: Rechtsanwalt Dr. Dieter Sellner, Kurfürstendamm 218, 10719 Berlin – Antragsgegnerin: Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD), vertreten durch den Parteivorsitzenden V …, – Bevollmächtigte: a) Rechtsanwalt Dr. Hans Günter Eisenecker, Dorfstraße 22, 19260 Goldenbow b) Rechtsanwalt Horst Mahler, Paulsborner Straße 3, 10709 Berlin – - 2 BvB 3/01 – hier: Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und auf Aussetzung der Verfahren hat das Bundesverfassungsgericht – Zweiter Senat – unter Mitwirkung der Richterinnen und Richter Präsidentin Limbach, Sommer, Jentsch, Hassemer, Broß, Osterloh, Di Fabio, Mellinghoff am 3. Juli 2001 gemäß § 32 Absätze 1, 2 BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) beschlossen:
[2] Die bei der Durchsuchung in der Kanzlei des Bevollmächtigten der Antragsgegnerin, Rechtsanwalt Horst Mahler, …, am 11. Juni 2001 beschlagnahmte EDV-Anlage ist dem Bevollmächtigten der Antragsgegnerin, Rechtsanwalt Horst Mahler, unverzüglich zurückzugeben.
[3] Die sich auf den Speichermedien der EDV-Anlage befindlichen Daten sowie sämtliche im Zusammenhang mit der Durchsuchung in der Wohnung des Bevollmächtigten der Antragsgegnerin, Rechtsanwalt Horst Mahler, …, in dessen Kanzlei, …, und in der Parteizentrale der Antragsgegnerin, …, am 11. Juni 2001 sichergestellten, überspielten oder kopierten elektronischen Daten und Datenträger und Unterlagen sind durch das Amtsgericht Tiergarten in Berlin zu entsiegeln und ebenfalls unverzüglich zurückzugeben, jedoch vor der Rückgabe – erforderlichenfalls unter Hinzuziehung eines unabhängigen und zur Verschwiegenheit verpflichteten Sachverständigen – zu kopieren. Die Kopien sind zu versiegeln und bis auf weiteres beim Amtsgericht Tiergarten zu verwahren.
[4] Im Übrigen wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.
[5] Gründe: Die Antragsgegnerin der anhängigen Parteiverbotsverfahren begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung, der Staatsanwaltschaft beim Landgericht Berlin (in der Folge: Staatsanwaltschaft) aufzugeben, die bei der Durchsuchung ihrer Parteizentrale sowie des Büros und der Privatwohnung ihres Prozessbevollmächtigten Rechtsanwalt Horst Mahler (in der Folge: Bevollmächtigter) sichergestellten elektronischen Daten und Datenträger (einschließlich der möglicherweise gefertigten Mehrfachexemplare) zu versiegeln und dem Bundesverfassungsgericht auszuhändigen sowie die ebenfalls sichergestellten Datenverarbeitungsanlagen zurückzugeben und fachgerecht zu installieren.
[6] I. 1. Die Antragsteller in den Verfahren 2 BvB 1/01, 2 BvB 2/01 und 2 BvB 3/01 beantragten unter dem 30. Januar und 30. März 2001 die Feststellung, dass die Antragsgegnerin verfassungswidrig im Sinne des Art. 21 Abs. 2 GG ist. Die Antragsgegnerin nahm in den Verfahren 2 BvB 1/01 und 2 BvB 2/01 zu den Anträgen Stellung; im Verfahren 2 BvB 3/01 reichte die Antragsgegnerin durch Schriftsatz vom 19. Juni 2001 eine Stellungnahme beim Bundesverfassungsgericht ein. Sie wies jedoch darauf hin, dass ein Nachtrag nach Freigabe der beschlagnahmten Unterlagen vorbehalten bleibe.
[7] 2. Nach den vorliegenden Unterlagen ordnete das Amtsgericht Tiergarten mit Beschluss vom 17. April 2001 (maschinenschriftliches Datum 23. 02. 2001, das handschriftlich zunächst in 23. 03. 2001 und später in 17/4 abgeändert wurde) in einem Ermittlungsverfahren gegen den Bevollmächtigten (Aktenzeichen: 81 Js 3570/01) wegen eines Vergehens nach § 130 StGB gemäß §§ 102, 105 StPO die Durchsuchung seiner Wohn-, Geschäfts- und Nebenräume in Kleinmachnow (Wohnung) und in Berlin (Kanzlei) zur Auffindung von Beweismitteln an. Insbesondere sollten Unterlagen zur Urheberschaft des Bevollmächtigten bezüglich des im Internet verbreiteten Artikels "Deutsches Kolleg – Ausrufung des Aufstands der Anständigen" sowie weitere Unterlagen zu Kontakten mit den Mitbeschuldigten, weiteren Verbreitungshandlungen der tatgegenständlichen Schrift und Unterlagen über die Tatmotivation des Bevollmächtigten aufgefunden werden. Am 31. Mai 2001 ergänzte das Amtsgericht Tiergarten seinen Beschluss vom 17. April 2001 dahin, dass auch die vom Bevollmächtigten genutzten Räumlichkeiten in der Bundeszentrale der Antragsgegnerin durchsucht werden.
[8] 3. Die drei in den Beschlüssen genannten Objekte wurden am 11. Juni 2001 durchsucht. In den Sicherstellungsprotokollen ist folgendes vermerkt:
[9] a) Privatwohnung des Bevollmächtigten: Die Durchsuchung führte zur Beschlagnahme von Dateien, die auf eine Diskette gezogen wurden. Nach dem Durchsuchungsprotokoll gestattete der Bevollmächtigte die Durchsuchung seiner Privaträume freiwillig und erhob keinen Widerspruch gegen die Beschlagnahme.
[10] b) Kanzleiräume des Bevollmächtigten: In dem Durchsuchungsprotokoll ist angegeben, dass eine Beschlagnahme zu Beweis- und Einziehungszwecken von diversen Unterlagen sowie EDV-Anlagen durch Inverwahrnahme stattgefunden habe. Im Verzeichnis werden diverse Ordner, Broschüren und Kalender sowie eine CD-Rom und eine MC aufgeführt, die einen Bezug zum Ermittlungsverfahren gegen den Bevollmächtigten haben könnten. Eine Erklärung des Bevollmächtigten über sein Einverständnis mit der Beschlagnahme des Materials wurde nicht herbeigeführt.
[11] c) Arbeitszimmer des Bevollmächtigten in der Parteizentrale der Antragsgegnerin: Nach dem Durchsuchungsprotokoll wurden zu Beweiszwecken durch Inverwahrnahme ein "Sleipnir" -Heft 32 (Februar 2001), ein Schreiben des Bevollmächtigten an "Lieber (Genosse) Hajo" (Kopie) und ein e-mail-Anhangsausdruck "Deutsches Kolleg" (insgesamt vier Blatt) beschlagnahmt. Eine Erklärung des Bevollmächtigten über sein Einverständnis mit der Beschlagnahme des Materials enthält das Protokoll nicht. Die bei der Durchsuchung anwesenden Betroffenen und Zeugen erhoben ausdrücklich Widerspruch gegen die Beschlagnahme der Gegenstände. Eine Unterschriftsleistung im Durchsuchungsprotokoll verweigerten sie.
[12] II. Durch Faxschreiben vom 12. Juni 2001 ohne Anlagen (Eingang der Originale nebst der Anlagen am 15. Juni 2001) beantragt die Antragsgegnerin, die Verfahren auszusetzen und der Staatsanwaltschaft im Wege einer einstweiligen Anordnung aufzugeben, die bei der Durchsuchung des Büros und der Privatwohnung des Bevollmächtigten sowie ihrer Parteizentrale sichergestellten oder kopierten elektronischen Daten durch Versiegelung der die Kopien enthaltenden elektronischen Datenträger der Auswertung zu entziehen und die versiegelten Datenträger sofort dem Bundesverfassungsgericht auszuhändigen sowie die entfernten elektronischen Datenverarbeitungsanlagen in die Büroräume des Bevollmächtigten zurückzuschaffen und zu installieren.
[13] 1. Die durchgeführten Zwangsmaßnahmen könnten nur das Ziel verfolgen, ihre Verteidigungsstrategie und Beweismittel auszuspähen und damit ihre Verteidigung zu behindern. Der zeitliche Verlauf lasse den Verdacht einer Manipulation als dringend erscheinen.
[14] Für ein rechtswidriges Vorgehen spreche ferner, dass der im richterlichen Beschluss vom 31. Mai 2001 in Bezug genommene Durchsuchungsbeschluss vom 17. April 2001 offensichtlich identisch mit dem Durchsuchungsbeschluss vom 23. Februar 2001 sei. Bei diesem sei die Datumsangabe nachträglich handschriftlich auf den 17. April 2001 abgeändert worden. Da keine Hinweise für ein Einverständnis des Urhebers des Beschlusses bestünden, bestehe der Verdacht einer strafbaren Urkundenmanipulation.
[15] Das Amtsgericht Tiergarten habe den Ergänzungsbeschluss am 31. Mai 2001 mangels Erforderlichkeit nicht erlassen dürfen, weil zu diesem Zeitpunkt der Beschluss vom 23. Februar 2001 noch nicht vollzogen gewesen sei.
[16] Auch habe der Bevollmächtigte bei der Durchsuchung seiner Privatwohnung seine Bereitschaft erklärt, in einer Vernehmung zu bestätigen, dass er der Verfasser des der Zwangsmaßnahme zu Grunde liegenden Textes sei und für dessen Veröffentlichung im Internet gesorgt habe. Er habe den Dateiordner seines Computers bezeichnet, in dem der Text gespeichert gewesen sei. Dennoch habe die Staatsanwaltschaft die Durchsuchung der Büroräume in der Kanzlei des Bevollmächtigten und in der Parteizentrale fortgesetzt und sämtliche Daten, einschließlich aller Mandantenstammdaten und der Daten der Finanzbuchhaltung kopiert und die beiden Arbeitsplatzrechner beschlagnahmt. Auf diesen in den Büroräumen des Bevollmächtigten sichergestellten Rechnern befände sich "eine große Menge" für das Parteiverbotsverfahren wichtiger Daten. Außerdem sei die Festplatte der im Arbeitszimmer des Bevollmächtigten in der Parteizentrale der Antragsgegnerin befindlichen EDV-Anlage auf ein Datenband kopiert worden. Diese EDV-Anlage sei vom Bevollmächtigten ausschließlich für die Sachbearbeitung des Parteiverbotsverfahrens und für die parteiinterne Kommunikation benutzt worden. Es seien hochsensible Daten, insbesondere aus dem Bereich der gegen die Antragsgegnerin gerichteten Geheimdiensttätigkeiten, auf den Dateien gespeichert. Diese Informationen seien für die Prozessstrategie der Antragsgegnerin von großer Bedeutung und sollten außenstehenden Personen nicht zugänglich gemacht werden.
[17] 2. Die Antragsteller erlangten aller Voraussicht nach durch die Durchsuchung und Sicherstellung rechtswidrige Vorteile. Der Anspruch der Antragsgegnerin auf ein angemessenes Verfahren nach Art. 6 EMRK sei schwer wiegend und irreparabel verletzt. Es sei an das Vorliegen eines Verfahrenshindernisses zu denken.
[18] 3. Eine Behinderung ihrer Verteidigung sei bereits eingetreten. Am 13. Juni 2001 habe eine Abschlussbesprechung zur Fertigstellung der noch ausstehenden Stellungnahme im Verfahren 2 BvB 3/01 stattfinden sollen. Hierbei hätten auch die in der Kanzlei des Bevollmächtigten auf den sichergestellten Arbeitplatzrechnern gespeicherten Daten eingearbeitet werden sollen. Dies sei nun nicht möglich.
[19] 4. Da ein krasser Fall rechtsmissbräuchlicher "Aushebelung" der geltenden Rechtsordnung und der Gewaltenteilung vorliege, müsse vor Anrufung des Bundesverfassungsgerichts keine richterliche Entscheidung des Amtsgerichts Tiergarten beantragt werden. Auch sei bei Beschreiten des nach der Strafprozessordnung üblichen Rechtswegs eine rasche Entscheidung unmöglich zu erreichen. Bis zur Entscheidung dauere die fundamentale Behinderung der Bevollmächtigten im Verbotsverfahren an. Beweise könnten beseitigt werden, und es könnte durch Auswertung der Prozessstrategie ein irreparabler Schaden entstehen.
[20] 5. Für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung spreche, dass die sichergestellten Materialien für das laufende Verbotsverfahren dringend benötigt würden. Es liege im Interesse der Rechtsstaatlichkeit, dass das Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht durch das Vorgehen der Staatsanwaltschaft keinen Verzug erleide. Darüber hinaus müsse es ein öffentliches Anliegen sein, den Eindruck zu zerstreuen, dass das Verbotsverfahren in rechtsstaatswidriger Weise manipuliert werden solle, indem der Antragsgegnerin die Möglichkeit genommen werde, sich zu verteidigen.
[21] III. Durch Beschluss vom 15. Juni 2001 gab das Bundesverfassungsgerichts der Staatsanwaltschaft auf, bis zur endgültigen Entscheidung über den Eilantrag der Antragsgegnerin alle sichergestellten, überspielten oder kopierten Daten und Datenträger sowie alle Unterlagen unverzüglich zu versiegeln, beim Amtsgericht Tiergarten in Berlin zu hinterlegen und den Vollzug dem Bundesverfassungsgericht anzuzeigen.
[22] Der Beschluss wurde der Staatsanwaltschaft noch am selben Tag zugestellt.
[23] IV. 1. Die Antragsteller in den Parteiverbotsverfahren tragen in einer gemeinsamen Stellungnahme zu den Anträgen der Antragsgegnerin vor, dass ihnen die Ermittlungen und Maßnahmen der Staatsanwaltschaft beim Landgericht Berlin vor einer Agenturmeldung vom 11. 06. 2001 nicht bekannt gewesen seien. Entgegengesetzte Unterstellungen der Antragsgegnerin weisen sie zurück. Die Antragsteller legen weiterhin dar, dass die Parteiverbotsverfahren und das Ermittlungsverfahren gegen den Bevollmächtigten voneinander unabhängig seien. Wenn ein Prozessbevollmächtigter der Antragsgegnerin einen Umstand setze, der Strafverfolgungsmaßnahmen auslöse, dürften dadurch die Parteiverbotsverfahren nicht verzögert werden. Die Antragsteller beantragen daher, den Antrag der Antragsgegnerin auf Aussetzung der Parteiverbotsverfahren zurückzuweisen. Wenn es die Sachlage im Verfahren 2 BvB 3/01 erfordere, könne die Frist zur Stellungnahme für die Antragsgegnerin verlängert werden.
[24] 2. Die Senatsverwaltung für Justiz in Berlin sieht von einer Stellungnahme ab.
[25] V. Nach § 32 Abs. 1 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Die Wirkung der einstweiligen Anordnung kann sich auf Dritte erstrecken (vgl. BVerfGE 12, 36 [44 f.]).
[26] Die von der Antragsgegnerin vorgetragene Sicherstellung von Verteidigungsunterlagen bei dem Bevollmächtigten lässt eine Gefährdung der beim Bundesverfassungsgericht auf Antrag der Bundesregierung, des Deutschen Bundestags und des Bundesrats anhängig gewordenen Parteiverbotsverfahren gegen die Antragsgegnerin als möglich erscheinen. Ohne den Erlass einer einstweiligen Anordnung könnten die rechtsstaatlichen Verfahrensgrundsätze, die für das Verfahren nach Art. 21 Abs. 2 GG gelten, verletzt werden. Auch im Parteiverbotsverfahren hat die betroffene Partei das Recht auf ein faires Verfahren. Dieses Recht kann durch Entzug von Daten und Arbeitsmitteln ihrer Bevollmächtigten ebenso wie durch eine Aufdeckung der Prozessstrategie beeinträchtigt werden. Beim Zusammentreffen des Interesses an einer zügigen Beweiserhebung im Strafverfahren und der Gewährleistung rechtsstaatlicher Grundsätze im Parteiverbotsverfahren fällt eine Abwägung vorliegend zu Gunsten der ungestörten Fortsetzung der Verfahren nach Art. 21 Abs. 2 GG aus. Denn in diesem Falle hindert die einstweilige Anordnung lediglich die derzeitige Nutzung der sichergestellten Gegenstände im Strafverfahren gegen den Bevollmächtigten.
[27] Die einstweilige Anordnung tritt gemäß § 32 Abs. 6 BVerfGG spätestens nach sechs Monaten außer Kraft. Sie kann wiederholt werden (§ 32 Abs. 6 Satz 2 BVerfGG).
[28] VI. Dieser Beschluss enthält zugleich die Gründe für den Beschluss vom 15. Juni 2001 (§ 32 Abs. 5 Satz 2 BVerfGG).
[29] VII. Für die beantragte Aussetzung der Verfahren besteht auf Grund dieser einstweiligen Anordnung kein Anlass.