Asyl bei Übertritt eines Iraners vom islamischen zum christlichen Glauben?

BVerwG, Mitteilung vom 20. 1. 2004 – 3/04 (lexetius.com/2004,62)

[1] Der erste Senat des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig hatte heute über die Asylklage eines iranischen Staatsbürgers, der im Laufe seines Asylverfahrens zum christlichen Glauben konvertiert war, zu entscheiden. Er macht geltend, im Iran seine christliche Religion als Apostat nicht ausüben zu können, ohne deswegen verfolgt zu werden.
[2] Der Kläger, der 1996 nach Deutschland gekommen war, hat seinen Asylantrag im Verlauf seines Asylverfahrens u. a. auch damit begründet, 1997 getauft worden und zum evangelischen Glauben übergetreten zu sein. Das Verwaltungsgericht hat ihn deshalb als politischen Flüchtling nach § 51 Ausländergesetz anerkannt. Dem ist das das Oberverwaltungsgericht Bautzen nicht gefolgt. Es hat entschieden, dass dem Kläger als einfachem Mitglied einer christlichen Gemeinde bei einer Rückkehr in den Iran keine asylerhebliche Verfolgung drohe. Dies gelte auch dann, wenn der Glaubenswechsel iranischen Behörden bekannt sei. Der Kläger könne seine christliche Religion im Iran unauffällig praktizieren. Er bedürfe deshalb keines asylrechtlichen Schutzes.
[3] Die Revision des Klägers hatte Erfolg. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen. In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Asylrecht hat das Bundesverwaltungsgericht betont, dass Beschränkungen der Religionsausübung, die der Betroffene bei der Rückkehr in sein Heimatland zu erwarten hat, dann asylerheblich sind und zu einer Anerkennung als Flüchtling führen können, wenn sie in das so genannte religiöse Existenzminimum eingreifen. Dazu gehören das religiöse Bekenntnis sowie Gebet und Gottesdienst abseits der Öffentlichkeit. Die Unmöglichkeit des Besuchs öffentlicher Gottesdienste im Heimatland des Klägers reicht danach für eine Asyl- oder Flüchtlingsanerkennung allein nicht aus. Welche Mindestanforderungen der Glaube des Klägers an sein religiöses Existenzminimum stellt und ob danach der Besuch von Gottesdiensten abseits der Öffentlichkeit unabdingbar und ihm ohne Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit möglich ist, hat das Oberverwaltungsgericht nicht festgestellt. Es wird diese Umstände noch näher aufklären müssen.
BVerwG, Urteil vom 20. 1. 2004 – 1 C 9.03