Bundessozialgericht
Rücknahme bzw Aufhebung der Arbeitslosenhilfebewilligung für die Vergangenheit – Arbeitslosigkeit – Beschäftigungssuche – fehlende Eigenbemühungen – Konkretisierungspflicht der Bundesagentur für Arbeit – Umkehr der materiellen Beweislast – Verwaltungsakteigenschaft – Verschulden – verfassungskonforme Auslegung
BSG, Urteil vom 20. 10. 2005 – B 7a AL 18/05 R (lexetius.com/2005,3393)
[1] Tatbestand: Die Klägerin wendet sich gegen die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) mit Wirkung ab 25. Mai 2000 und die Forderung der Beklagten auf Erstattung von gezahlter Alhi in Höhe von 1.004,36 DM sowie auf Ersatz gezahlter Krankenversicherungsbeiträge in Höhe von 340,72 DM und Pflegeversicherungsbeiträge in Höhe von 17,07 DM.
[2] Die (etwa 30 Jahre alte) Klägerin bezog ab 14. Mai 2000 Alhi (Bescheid vom 20. Juni 2000). Nachdem sie zuvor trotz wiederholter mündlicher Aufforderung keine Nachweise über Eigenbemühungen vorgelegt hatte, wurde sie von der Beklagten im Verlauf des Bewilligungsverfahrens in folgender Weise schriftlich am 24. Mai 2000 aufgefordert:
"… Bitte legen Sie mindestens zwei schriftliche Bewerbungen pro Woche vor. Um überprüfen zu können, ob die Voraussetzungen für die Zahlung der Leistung vorliegen, fordere ich Sie gemäß § 119 Abs. 5 Satz 2 SGB III auf, mir am 24. 07. 00 um 8. 00 Uhr im Arbeitsamt München, Kapuzinerstraße 26, Zimmer 1091, entsprechende Nachweise vorzulegen bzw. überprüfbare Angaben zu machen."
[3] Die Aufforderung enthielt die Rechtsbehelfsbelehrung, dass gegen sie ein Widerspruch zulässig sei, und die Rechtsfolgenbelehrung, für den Fall, dass keine ausreichenden Eigenbemühungen unternommen würden, sei die bewilligte Leistung für den Zeitraum ab Zugang des Aufforderungsschreibens zurückzunehmen oder aufzuheben. Gleichzeitig führte die Beklagte ohne nähere Begründung aus, ein Widerspruch habe keine aufschiebende Wirkung. Schließlich wurde darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, die Leistungen wegen fehlender Mitwirkung bis zu deren Nachholung gemäß § 66 Sozialgesetzbuch Erstes Buch – Allgemeiner Teil – (SGB I) ganz zu entziehen bzw zu versagen, wenn die geforderten Nachweise über die Eigenbemühungen nicht bis zum angegebenen Termin vorgelegt würden.
[4] Die Beklagte hob die Bewilligung der Alhi mit Wirkung ab 25. Mai 2000, gestützt auf § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X), auf, weil die Klägerin keine ausreichenden Nachweise erbracht und damit gezeigt habe, dass sie nicht bereit sei, alle Möglichkeiten zu nutzen, ihre Beschäftigungslosigkeit zu beenden (Bescheid vom 22. August 2000; Widerspruchsbescheid vom 9. Februar 2001).
[5] Das Sozialgericht (SG) hat den Bescheid der Beklagten vom 22. August 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Februar 2001 aufgehoben (Urteil vom 6. Juli 2004). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Beklagten gegen das Urteil zurückgewiesen (Urteil vom 17. Dezember 2004). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, die Beklagte sei nicht berechtigt gewesen die Alhi-Bewilligung mit Wirkung für die Vergangenheit aufzuheben. In den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen, die bei Erlass des Alhi-Bewilligungsbescheids vorgelegen hätten, sei in der Zeit vom 25. Mai bis 24. Juli 2000 keine wesentliche Änderung eingetreten. Trotz eines fehlenden Nachweises von Eigenbemühungen sei der Anspruch auf Alhi in diesem Zeitraum nicht wegen Wegfalls der Arbeitslosigkeit erloschen. Hiervon könne frühestens ab 25. Juli 2000 ausgegangen werden, nachdem die Klägerin entgegen der ihr mit Schreiben vom 25. Mai 2000 auferlegten Pflicht nicht beim Arbeitsamt am 24. Juli 2000 ihre Eigenbemühungen nachgewiesen habe. Wenn die Beklagte hingegen annehme, dass wegen nicht nachgewiesener Eigenbemühungen der Anspruch der Klägerin bereits am 25. Mai 2000 erloschen sei, werde bis zum 24. Juli 2000 die fehlende Arbeitslosigkeit nur fingiert. Die Begriffe der Arbeitslosigkeit und Beschäftigungssuche orientierten sich jedoch ebenso wie der Begriff der Verfügbarkeit an den tatsächlichen Verhältnissen.
[6] Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 3 iVm Abs 4 Satz 1 SGB X und iVm §§ 330, 119 Abs 5 Satz 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch – Arbeitsförderung – (SGB III). Sie ist der Ansicht, das LSG sei zu Unrecht davon ausgegangen, wegen des fehlenden Nachweises von Eigenbemühungen hätte die Bewilligung der Leistung allenfalls mit Wirkung ab dem 25. Juli 2000 aufgehoben werden dürfen. Zwar habe sie (die Beklagte) ihre Entscheidung zu Unrecht auf § 48 SGB X gestützt; Rechtsgrundlage für die Rücknahme der Bewilligung sei richtigerweise § 45 SGB X, weil die Bewilligung der Alhi von Anfang an auf Grund der fehlenden Eigenbemühungen der Klägerin und deshalb fehlender Arbeitslosigkeit rechtswidrig gewesen sei. Durch die Nichtvorlage der geforderten Nachweise sei erwiesen, dass die Klägerin seit dem 25. Mai 2000 nicht alles Erforderliche unternommen habe, um ihre Arbeitslosigkeit zu beenden. Der Klägerin sei bereits vor Bekanntgabe des Bewilligungsbescheids vom 20. Juni 2000 bewusst gewesen, dass ihr für die Zeit ab 25. Mai 2000 kein Leistungsanspruch zustehe. Die Rechtsauffassung des LSG widerspreche der Funktion des Nachweisverlangens, sie (die Beklagte) von der Amtsermittlungspflicht zu den Eigenbemühungen zu entlasten. Durch die Einführung des § 119 Abs 5 Satz 2 SGB III sei nicht mehr sie (die Beklagte) dazu berufen, die Tatsachen für fehlende Eigenbemühungen festzustellen, sondern die Klägerin habe die Tatsachen darzulegen, aus denen sich ihre Eigenbemühungen ergäben. Mit dieser Umkehr der Feststellungslast sei es nicht zu vereinbaren, wenn die Bewilligung erst für die Zeit nach dem Termin zum Nachweis der Eigenbemühungen zurückgenommen werden dürfe.
[7] Die Beklagte beantragt, die Urteile des LSG und des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
[8] Die Klägerin hat weder einen Antrag gestellt noch sich zur Sache geäußert.
[9] Beide Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).
[10] Entscheidungsgründe: 1. Die Revision ist im Sinne der Aufhebung der Entscheidung des LSG und der Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Es fehlen ausreichende tatsächliche Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) dazu, ob die Voraussetzungen des § 45 SGB X bzw des § 48 SGB X für die Aufhebung der Alhi-Bewilligung und in der Folge davon für die Erstattung der gezahlten Alhi (§ 50 Abs 1 SGB X) und für den Ersatz von Krankenversicherungs- und Pflegeversicherungsbeiträgen (§ 335 Abs 1 und 5 SGB III) vorliegen. Zu Unrecht ist das LSG allerdings bei seiner Entscheidung davon ausgegangen, eine Aufhebung der Alhi-Bewilligung mit Wirkung für die Zeit vor dem 25. Juli 2000 (dazu unter Nr 14) und damit, weil eine Aufhebung für diese Zeit erfolgt sei, auch für die Zeit ab 25. Juli 2000 scheide von vornherein aus rechtlichen Gründen aus (dazu unter Nr 16).
[11] 2. a) Streitgegenstand des Revisionsverfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 22. August 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Februar 2001. Gegenstand ist außerdem das Schreiben der Beklagten vom 24. Mai 2000, mit dem diese die Klägerin zu bestimmten Eigenbemühungen (dazu unter Nr 10) und zur Vorlage entsprechender Nachweise (dazu unter Nr 12c) aufgefordert hat. Zwar handelt es sich bei dem Inhalt dieses Schreibens der Sache nach wie bei einem Arbeitsangebot der Bundesagentur für Arbeit bzw einem Weiterbildungsangebot der Bundesagentur für Arbeit im Vorfeld einer Sperrzeitregelung (s dazu: BSG SozR 4—1300 § 63 Nr 2; BSG, Beschlüsse vom 21. Oktober 2003 und 24. März 2004 – B 7 AL 82/03 B und B 7 AL 244/03 B) nicht um Verfügungen iS des § 31 SGB X, sondern lediglich um Maßnahmen, die eine eventuelle spätere unmittelbar die Bewilligung der Alhi bzw die Aufhebung einer Bewilligung betreffende Regelung erst vorbereiten sollen (aA Valgolio in Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, 2003, § 10 RdNr 245; anders auch die Rechtsprechung zur Aufforderung des arbeitslosen Alhi-Empfängers, einen Rentenantrag zu stellen, allerdings nur wegen der dabei bestehenden besonderen Rechtssituation – BSGE 87, 31, 37 f = SozR 3—4100 § 134 Nr 22; BSG SozR 3—4300 § 202 Nr 3 S 4; siehe auch zum vergleichbaren Problem der Meldeaufforderung Eicher in Eicher/Schlegel, SGB III, § 336a Rz 36 f, Stand Juli 2005). Letztlich kann dies jedoch dahinstehen; denn die Beklagte hat das Schreiben mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen, die dieses formal zu einem Verwaltungsakt macht (vgl nur: BSGE 91, 68 RdNr 10 ff = SozR 4—1300 § 31 Nr 1; Waschull in Lehr – und Praxiskommentar SGB X, 2004, § 31 RdNr 14 mwN zur Rspr).
[12] b) Obwohl sich die Klägerin nicht ausdrücklich mit ihrem Widerspruch und der Klage gegen die beiden Verfügungen der Beklagten über die Vornahme bestimmter Eigenbemühungen und die Vorlage entsprechender Nachweise gewandt hat, ist bei verständiger Würdigung ihres Begehrens (vgl zum sog "Meistbegünstigungsprinzip" Eicher in Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, 2003, § 40 RdNr 16 mwN zur Rspr) davon auszugehen, dass die Klägerin bereits mit dem Widerspruch eine Überprüfung dieser seiner Zeit schon bestandskräftigen (§ 77 SGG) Formal-Verwaltungsakte für den Fall begehrt hat, dass er für die Entscheidung über die Aufhebung der Alhi-Bewilligung von Bedeutung ist, und deshalb, auch wenn die Beklagte hierauf im Widerspruchsbescheid nicht ausdrücklich eingegangen ist, nicht der Erlass eines (weiteren) Widerspruchsbescheids als Klagevoraussetzung gefordert werden kann (vgl BSG SozR 3—4100 § 119 Nr 23 S 118; siehe auch Winkler, info also 2001, 72, 74 f). Wie in Fällen eines ausdrücklichen Hilfsantrags, über den die Vorinstanz auf Grund ihrer Entscheidung nicht urteilen musste (BSG SozR 3—2200 § 1232 Nr 2 S 12; SozR 3—1500 § 55 Nr 34 S 63; BSGE 91, 221 RdNr 5 = SozR 4—4300 § 147 Nr 1), ist Gegenstand des nächstinstanzlichen Verfahrens, hier des Revisionsverfahrens, automatisch auch dieser Bescheid, der für die rechtliche Beurteilung des LSG keine Bedeutung besaß, für die Entscheidung des Senats auf Grund der vom LSG abweichenden Rechtsansicht aber Relevanz besitzen kann. Dies ist der Fall, weil der Senat dem LSG nicht darin folgt, eine Rücknahme bzw Aufhebung der Alhi-Bewilligung scheitere schon daran, dass sie auch für die Vergangenheit erfolgt sei. Zwar musste die Klägerin die geforderten Eigenbemühungen nur bis 24. Juli 2000 unternehmen und am 24. Juli 2000 nachweisen; jedoch haben sich damit die beiden Verfügungen (= Verwaltungsakte) nicht iS des § 39 Abs 2 SGB X erledigt. Sie können vielmehr rechtliche Basis für die Entscheidung über die Rücknahme bzw Aufhebung der Alhi-Bewilligung bleiben (dazu unter Nr 11 und 12b).
[13] c) Das LSG wird darüber hinaus zu ermitteln haben, für welchen Zeitraum die Beklagte mit Bescheid vom 20. Juni 2000 Alhi bewilligt hatte (nach Aktenlage nur bis 20. Oktober 2000) und ab wann die Beklagte der Klägerin wieder Alhi bewilligt hat (nach Aktenlage ab 12. Dezember 2000 bis 20. Oktober 2001). Sowohl das SG als auch das LSG, sind in ihren Entscheidungen offenbar davon ausgegangen, dass der Klägerin durchgehend Alhi zustand, ohne dies mit der Entscheidung deutlich zu machen. Sollte jedoch die Wiederbewilligung von Alhi erst ab einem Zeitpunkt erfolgt sein, der außerhalb des ursprünglichen Bewilligungszeitraums liegt, würde sich die Klage auch hierauf beziehen. Der Bescheid über die erneute Leistungsbewilligung mit seiner gleichzeitigen Ablehnung für die Zeit vor Leistungsbeginn wäre dann ggf als Folgebescheid Gegenstand des Verfahrens geworden (§§ 86, 96 Abs 1 SGG). Dass dies im Revisionsverfahren nicht gerügt worden ist, ist schon deshalb ohne Bedeutung, weil die Sache ohnedies an das LSG zurückverwiesen wird und das LSG dann von Amts wegen zu ermitteln hat, welche Verwaltungsakte Gegenstand des Klageverfahrens geworden sind. Gegebenenfalls wird das LSG die Klägerin darauf hinzuweisen haben (§ 106 Abs 1 SGG), dass die Möglichkeit bzw Notwendigkeit zur Einlegung einer Anschlussberufung besteht (§ 202 SGG iVm § 524 Zivilprozessordnung).
[14] 3. a) Insoweit wäre Anspruchsgrundlage für die Bewilligung von Alhi § 190 SGB III (hier idF, die § 190 durch das 3. SGB III-Änderungsgesetz vom 22. Dezember 1999 – BGBl I 2624 –, erhalten hat). Soweit die Klage die Aufhebung des Bescheides vom 22. August 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Februar 2001 betrifft, misst sich die Klage entweder an § 45 SGB X oder § 48 SGB X. Dies ist abhängig davon, ob die Bewilligung der Alhi durch den Bescheid vom 20. Juni 2000 zum Zeitpunkt des Erlasses des Bewilligungsbescheids bereits rechtswidrig war oder ob deren Rechtswidrigkeit wegen Änderung der Sach- und Rechtslage erst zu einem späteren Zeitpunkt eingetreten ist. Dies hat das LSG – ausgehend von seiner Rechtsansicht – nicht ermittelt. Sollte sich eine anfängliche Rechtswidrigkeit des Bewilligungsbescheides ergeben, wäre der Umstand, dass die Beklagte ihren Bescheid auf § 48 SGB X gestützt hat, alleine nicht klagebegründend. Denn das so genannte "Nachschieben von Gründen" (richtigerweise: Stützen der Entscheidung auf eine andere Rechtsgrundlage) ist zulässig, soweit der Verwaltungsakt dadurch nicht in seinem Regelungsumfang oder seinem Wesensgehalt verändert oder die Rechtsverteidigung des Betroffenen in nicht zulässiger Weise beeinträchtigt bzw erschwert wird (BSGE 29, 129, 132 = SozR Nr 123 zu § 54 SGG; BSG, Urteil vom 18. September 1997 – 11 RAr 9/97; BSGE 87, 8, 12 = SozR 3—4100 § 152 Nr 9; BSG, Urteil vom 25. April 2002 – B 11 AL 69/01 R). Weil die §§ 45, 48 SGB X auf dasselbe Ziel, nämlich die Aufhebung (im weiten Sinn) eines Verwaltungsaktes, gerichtet sind, ist das Auswechseln dieser Rechtsgrundlagen grundsätzlich zulässig (BSG, Urteil vom 25. April 2002, aaO). Auch vorliegend ist das Auswechseln der Rechtsgrundlage unbedenklich, weil dieselbe Rechtsfolge eintritt. Das Interesse der Klägerin daran, dass ein belastender Verwaltungsakt nicht nachträglich auf eine andere ihn tragende Rechtsgrundlage gestützt wird, ist rechtlich nicht per se geschützt (vgl dazu: Senatsurteil vom 19. März 1998 – B 7 AL 44/97 R; BSG, Urteil vom 18. September 1997 – 11 RAr 9/97; Urteil vom 25. April 2002 – B 11 AL 69/01 R).
[15] b) Dies gilt im Hinblick auf § 330 Abs 2 und 3 SGB III auch bei der Aufhebung (= Rücknahme und Aufhebung im engeren Sinne) mit Wirkung für die Vergangenheit. Dabei wird das LSG zu beachten haben, dass bei Anwendung des § 48 SGB X iVm § 330 Abs 3 SGB III, bei Aufhebung der Alhi-Bewilligung mit Wirkung für die Vergangenheit wegen Änderung der Sach- und Rechtslage für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Aufhebungsbescheids nicht (nur) auf den Zeitpunkt des Bescheiderlasses, sondern auf den Zeitpunkt des Widerspruchsbescheids abzustellen ist (BSGE 79, 223 ff = SozR 3—1300 § 48 Nr 57). Die Leistungsbewilligung darf also nur für die Zeiträume bis zum 9. Februar 2001 aufgehoben werden, in denen die Anspruchsvoraussetzungen nicht vorlagen oder entfallen sind; jede spätere Änderung der Sach- und Rechtslage bis zum 9. Februar 2001 ist zu beachten. Ohne dass dies im Urteil des LSG ausdrücklich anders formuliert ist, scheint das LSG jedenfalls inhaltlich vom Gegenteil ausgegangen zu sein, weil es seine Entscheidung alleine darauf gestützt hat, dass die Beklagte die Bewilligung von Alhi nicht mit Wirkung für die Zeit vor dem 25. Juli 2000 hätte verfügen dürfen, ohne näher zu begründen, warum dann auch eine (Teil-) Aufhebung (dazu unter Nr 12a) der Alhi mit Wirkung ab diesem Zeitpunkt unzulässig war. Bei seiner erneuten Entscheidung wird das LSG mithin die materielle Rechtslage im gesamten Zeitraum bis 9. Februar 2001 zu beachten haben, wobei jedoch nach Aktenlage davon auszugehen ist, dass der Klägerin bereits ab 12. Dezember 2000 wiederum Alhi bewilligt worden ist.
[16] 4. a) Die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 22. August 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Februar 2001 ist nicht bereits wegen Verstoßes gegen allgemeine verwaltungsverfahrensrechtliche Regelungen, etwa eine unterbliebene Anhörung der Klägerin (§ 24 SGB X) oder fehlende Vollziehbarkeit der Anordnung, Eigenbemühungen zu unternehmen bzw nachzuweisen, begründet. Die Anhörung der Klägerin ist spätestens im Rahmen des Widerspruchsverfahrens dadurch nachgeholt worden, dass die Beklagte im Aufhebungsbescheid vom 22. August 2000 alle für sie maßgeblichen Gesichtspunkte aufgeführt und somit der Klägerin hinreichend Gelegenheit gegeben hat, vor Erlass des Widerspruchsbescheids Stellung zu nehmen (§ 41 Abs 1 Nr 3 und Abs 2 SGB X).
[17] b) Da die Klägerin gegen den Bescheid vom 24. Mai 2000 nicht innerhalb eines Monats Widerspruch eingelegt hat und der Bescheid deshalb bestandskräftig geworden ist (§ 77 SGG), ist für die Entscheidung des Senats ohne Bedeutung, ob die Beklagte (wirksam) dessen sofortige Vollziehung angeordnet hat und ob bei fehlender oder unwirksamer Anordnung der Bescheid vom 22. August 2000 als so genannte Bewirkungshandlung unzulässig gewesen wäre (dazu allgemein Eicher in Eicher/Schlegel, SGB III, § 336a Rz 5 f mwN, Stand Januar 2005).
[18] 5. a) Die Begründetheit der Klage ist ansonsten – unabhängig davon, ob sich die Rechtmäßigkeit des Bescheides der Beklagten vom 22. August 2000 nach § 45 SGB X iVm § 330 Abs 2 SGB III (hier idF, die § 330 durch das Arbeitsförderungs-Reformgesetz [AFRG] vom 24. März 1997 – BGBl I 594 – erhalten hat) oder § 48 SGB X iVm § 330 Abs 3 SGB III richtet, oder ob sie unmittelbar den Anspruch auf Alhi gemäß § 190 SGB III für die Zeit nach Ablauf des ursprünglichen Bewilligungszeitraums betrifft – im Wesentlichen an § 119 Abs 1 Nr 1 iVm Abs 5 SGB III (hier idF, die § 119 durch das 1. SGB III-Änderungsgesetz [1. SGB III-ÄndG] vom 16. Dezember 1997 – BGBl I 2970 – erhalten hat) zu messen. Nach § 119 Abs 1 Nr 1 SGB III sucht nur der eine Beschäftigung und ist deshalb auch nur der arbeitslos iS des § 118 Abs 1 SGB III (idF, die § 118 durch das 1. SGB III-ÄndG erhalten hat), der alle Möglichkeiten nutzt und nutzen will, um seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden. Nach § 119 Abs 5 Satz 1 SGB III hat das Arbeitsamt (heute Agentur für Arbeit) den Arbeitslosen bei der Arbeitslosmeldung auf seine Verpflichtung nach Abs 1 Nr 1 besonders hinzuweisen. Nach Satz 2 des Abs 5 hat der Arbeitslose auf Verlangen des Arbeitsamtes seine Eigenbemühungen nachzuweisen, wenn er rechtzeitig auf die Nachweispflicht hingewiesen worden ist.
[19] b) Mit den bezeichneten – und weiteren – gesetzlichen Formulierungen hat der Begriff der Arbeitslosigkeit durch das AFRG im Vergleich zum früheren Recht eine Wandlung erfahren. Arbeitslosigkeit setzt danach nicht nur (faktische) Beschäftigungslosigkeit, sondern auch Beschäftigungssuche des Arbeitslosen voraus (§ 118 Abs 1 Nr 2 SGB III). Eine Beschäftigung sucht nach § 119 Abs 1 SGB III, wer den Eigenbemühungen nachkommt (Nr 1) und (Nr 2) den Vermittlungsbemühungen des Arbeitsamtes zur Verfügung steht (Verfügbarkeit). Der Gesetzgeber hat auf diese Weise den Begriff der Arbeitslosigkeit – wie das Bundessozialgericht (BSG) bereits ausgeführt hat – in einer "Begriffspyramide" geregelt (vgl BSG SozR 3—4300 § 119 Nr 3 S 10). Bei den vom Gesetz geforderten Eigenbemühungen handelt es sich nach der Rechtsprechung des Senats um eine zur Anspruchsvoraussetzung gewordene versicherungsrechtliche Obliegenheit (BSGE 86, 147, 149 = SozR 3—4300 § 156 Nr 1); dies ist insbesondere für die Frage der Zurechenbarkeit von Fehlverhalten von Bedeutung (dazu unter Nr 13).
[20] 6. a) Welche Eigenbemühungen mit welcher Intensität und Häufigkeit der Arbeitslose unternehmen muss, ist gesetzlich allerdings nicht geregelt. Aus diesem Grund sind im Hinblick auf die Unbestimmtheit des Gesetzeswortlauts in § 119 Abs 1 Nr 1 SGB III zu Recht verfassungsrechtliche Bedenken geltend gemacht worden (Steinmeyer in Gagel, SGB III, § 119 RdNr 119, Stand Januar 2005; Stascheit, info also 1997, 145). Dem hätte die Beklagte durch Erlass einer entsprechenden Anordnung, zu der § 152 Nr 1 SGB III (hier idF, die § 152 durch das AFRG erhalten hat) ermächtigt, Rechnung tragen können, in der sie die Pflichten des Arbeitslosen zur aktiven Beschäftigungssuche näher hätte bestimmen können. Hiervon hat sie jedoch bis heute keinen Gebrauch gemacht; es bestehen vielmehr lediglich Dienstanweisungen. Den Gesetzesmaterialien ist nur zu entnehmen, dass der Arbeitslose jedenfalls nicht nur die Beratungs- und Vermittlungsdienste des Arbeitsamtes in Anspruch nehmen, sondern auch regelmäßig eigene Aktivitäten zur Überprüfung seiner Eingliederungschancen entfalten muss (BT-Drucks 13/4941 S 176 zu § 119 Abs 5; Valgolio in Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, 2003, § 10 RdNr 238). Wenn der Arbeitslose also keine über die Inanspruchnahme der Dienste der Bundesagentur für Arbeit hinausgehenden eigenen Bemühungen unternimmt, ist die Anspruchsvoraussetzung der Eigenbemühungen und damit der Verfügbarkeit und Arbeitslosigkeit in jedem Fall nicht erfüllt. Nur in derartigen Extremfällen kann die Beklagte die Leistung ohne Konkretisierung (dazu unter Nr 7) ablehnen oder die Bewilligung aufgehoben werden. Bemüht sich der Arbeitslose in irgendeiner Weise, bleibt die Vorschrift des § 119 Abs 1 Nr 1 SGB III isoliert betrachtet nicht justiziabel, weil dem Arbeitslosen nicht bekannt ist und auch nicht bekannt sein kann, welche Eigenaktivitäten ein Dritter von ihm verlangt; Umfang und Art der erforderlichen Eigenbemühungen liegen nicht auf der Hand. Denn diese sind nicht nur abhängig von den objektiven Umständen des Einzelfalles, sondern auch den subjektiven Vorstellungen des jeweiligen Arbeitsvermittlers.
[21] b) Gleichwohl verstößt die Norm nicht mangels hinreichender Bestimmtheit gegen das Rechtsstaatsprinzip (Art 20 Abs 3 Grundgesetz); sie kann durch sinnvolle Auslegung verfassungskonform gestaltet werden (Wissing in Praxiskommentar SGB III [PK-SGB III], 2. Aufl 2004, § 119 RdNr 31; ders, SGb 1998, 497, 501 f; Valgolio, in Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, 2003, § 10, RdNr 235). Die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe ist nicht ohne weiteres rechtsstaatswidrig; ohne derartige Begriffe könnte der Gesetzgeber der Vielgestaltigkeit des Lebens nicht Rechnung tragen, sie sind deshalb unentbehrlich (BVerfGE 4, 352, 358; 8, 274, 311 und 326; 78, 205, 213). Die Ausfüllung unbestimmter Gesetzesbegriffe auf Grund richtungweisender – aus dem Gesetz sich ergebender – Gesichtspunkte ist eine herkömmliche und anerkannte Aufgabe der Rechtsanwendung (BVerfGE 13, 153, 161; 80, 103, 108). Ob sich der Gesetzgeber bei der Festlegung eines gesetzlichen Tatbestandes eines Begriffs bedient, der einen Kreis von Sachverhalten deckt, oder eng umschriebene Tatbestandsmerkmale aufstellt, liegt mithin in seinem Ermessen, wenn er die ihm durch die Verfassung gesteckten Grenzen einhält (BVerfGE 21, 73, 79); insbesondere müssen der gesetzlichen Regelung objektive Kriterien abzugewinnen sein, die eine willkürliche Handhabung ausschließen und dazu führen, dass die von ihr Betroffenen die Rechtslage erkennen und ihr Verhalten danach einrichten können (BVerfGE 8, 274, 325; 21, 73, 79 f; 78, 205, 212).
[22] c) Diesen Anforderungen entspricht § 119 Abs 1 Nr 1 iVm Abs 5 SGB III bei an den verfassungsrechtlichen Vorgaben orientierter Auslegung. Eine Einschränkung dessen, was "alle Möglichkeiten" sind, "um seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden", ist im Gesetz zwar nicht ausdrücklich genannt, weshalb vom Grundsatz her zunächst davon auszugehen ist, dass alles, was irgendwie zum Ende der Beschäftigungslosigkeit beitragen kann, von der Regelung umfasst wird. Eine wesentlich präzisere normative Umschreibung des Tatbestandsmerkmals ist allerdings angesichts der vielfältigen Möglichkeiten, die dem Arbeitslosen zur Beschäftigungssuche zur Verfügung stehen (zB Nutzung des Stellen-Informations-Services der Bundesagentur für Arbeit, Auswertung von Stellenanzeigen in Zeitungen, Fachzeitschriften ua Medien, telefonische Anfragen, telefonische bzw schriftliche Initiativbewerbungen und -vorsprachen bei Arbeitgebern, Arbeitsplatzsuche per Anzeige, Besuch von Arbeitsmarktbörsen usw), kaum möglich, zumal Art und Weise, Qualität und Quantität der zumutbaren Eigenbemühungen von so unterschiedlichen Faktoren wie Einsichtsfähigkeit, Qualifikation und Mobilität des Arbeitslosen, Umfang der ihm zur Verfügung stehenden Mittel, familiären und gesundheitlichen Verhältnissen und den Gepflogenheiten der Branche, in der der Arbeitsplatz gesucht wird, abhängig sind (siehe auch die Beispiele bei Müller, AuB 2004, 4, 6). Die Anforderungen an die Bestimmtheit der Norm dürfen deshalb nicht zu hoch angesetzt werden; sie müssen der zu regelnden Materie angemessen sein (BVerfGE 18, 353, 363; 78, 205, 212).
[23] d) Trotz ihrer Weite lässt sich die gesetzliche Regelung angesichts dieser Schwierigkeiten unter Berücksichtigung ihres systematischen Zusammenhangs sowie Sinn und Zweck der Vorschrift hinreichend konkretisieren. Eine Einschränkung ergibt sich bereits aus § 118 Abs 1 Nr 2 SGB III aF. Diese Regelung definiert Beschäftigungssuche als Suche nach einer versicherungspflichtigen, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassenden Beschäftigung; § 119 SGB III knüpft an diese Begrifflichkeit an. Andere Möglichkeiten zur Beendigung des Versicherungsfalls als durch die Aufnahme einer mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassenden abhängigen Beschäftigung muss der Arbeitslose weder suchen noch in Erwägung ziehen. Weitere Einschränkungen ergeben sich aus dem Regelungszusammenhang mit § 119 Abs 4 SGB III (Wissing, SGb 1998, 497, 504); die Eigenbemühungen brauchen sich also nur auf die Beschäftigungen zu erstrecken, die die Arbeitsbereitschaft in § 119 Abs 1 Nr 2 SGB III erfasst (Valgolio in Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, 2003, § 10 RdNr 237).
[24] e) Schließlich ist zu berücksichtigen, dass es die Beklagte in der Hand hat, die allgemeine Verpflichtung zu Eigenbemühungen so zu konkretisieren, dass sie justiziabel und durch den Arbeitslosen handhabbar wird. Für die Zeit ab 1. Januar 2002 ist dies insbesondere möglich durch Aufnahme entsprechender Verpflichtungen in die Eingliederungsvereinbarung (§ 35 Abs 4 SGB III idF, die § 35 durch das Job-AQTIV-Gesetz vom 10. Dezember 2001 – BGBl I 3443 – erhalten hat). Darüber hinaus – und dies gilt insbesondere für die Zeit vor dem 1. Januar 2002 – kann und muss aus Gründen der Verfassungskonformität eine Konkretisierung der Eigenbemühungsverpflichtung durch entsprechende Hinweise der Beklagten erfolgen; § 119 Abs 5 Satz 1 SGB III idF des 1. SGB III-ÄndG lässt dies zu.
[25] 7. Auf Grund des Gesetzeswortlauts ("besonders") und der gravierenden Rechtsfolgen einer Verkennung des Umfangs der Eigenbemühungen sind an diese (auch formlos mögliche) Hinweispflicht, die sich über den Wortlaut der Norm hinaus als Konkretisierungspflicht darstellt, hohe Anforderungen zu stellen: Das Arbeitsamt (heute: Agentur für Arbeit) muss den Arbeitslosen darauf hinweisen, welche Eigenbemühungen von ihm im Einzelnen erwartet werden. Nur auf diese Weise kann eine willkürliche oder für den Arbeitslosen nicht voraussehbare Handhabung durch die Behörde ausgeschlossen und sichergestellt werden, dass der Betroffene in der Lage ist zu erkennen, was von ihm verlangt wird, um sein Verhalten danach einzurichten. Der "Hinweis" hat nach dem Gesetzeswortlaut zwar bei der Arbeitslosmeldung zu erfolgen; dies bedeutet jedoch nicht, dass eine Konkretisierung der Obliegenheiten des Arbeitslosen nur zu diesem Zeitpunkt erfolgen kann, also nicht später nachgeholt werden darf (Wissing in PK-SGB III, 2. Aufl 2004, § 119 RdNr 60; Valgolio in Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, 2003, § 10 RdNr 244; Winkler, info also 2001, 72, 74). Es kann nicht angenommen werden, dass der Gesetzgeber es der Beklagten verbieten wollte, eine entsprechende "Verpflichtung" später bzw noch nachträglich vorzunehmen, wenn diese bei Arbeitslosmeldung unterblieben ist. Die Norm ist vielmehr nach ihrem Sinn und Zweck dahin auszulegen, dass eine entsprechende Hinweis- und Konkretisierungspflicht "schon" bei Arbeitslosmeldung besteht. Dies kann und darf jedoch kein Hinderungsgrund sein, eine versäumte Konkretisierung nachzuholen bzw Konkretisierungen an erforderliche Entwicklungen anzupassen und damit immer wieder zu aktualisieren. Eine Konkretisierung der Eigenbemühungsverpflichtung nach Arbeitslosmeldung ist im Gegenteil unter diesem Gesichtspunkt geradezu zwingend.
[26] 8. Abgesehen davon, dass die Beklagte die Klägerin vorliegend auf die Rechtsfolgen hingewiesen hat, die sich ergeben würden, wenn die geforderten Eigenbemühungen nicht vorgenommen würden, kann eine entsprechende Rechtsfolgenbelehrung nicht als Rechtmäßigkeitsvoraussetzung statuiert werden. Typisierend kann davon ausgegangen werden, dass Arbeitslosen bekannt ist, der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stehen zu müssen und dass diese Verfügbarkeit Anspruchsvoraussetzung ist. Wenn die Beklagte vor diesem Hintergrund vom Arbeitslosen bestimmte Eigenbemühungen verlangt, liegt es auch ohne konkreten Hinweis hierauf auf der Hand, dass bei Nichteinhaltung der "Verpflichtung" der Anspruch auf Arbeitslosengeld (Alg) bzw Alhi nicht entsteht bzw entfällt (so auch Wissing, PK-SGB III, 2. Aufl 2004, § 119 RdNr 59). Auf die Frage, ob dies auch der Klägerin bewusst war und bei ihr zumindest grobe Fahrlässigkeit vorgelegen hat, wird noch einzugehen sein (unter 15.).
[27] 9. Zu unterscheiden ist die Pflicht des Arbeitslosen, sich selbst um eine Beschäftigung zu bemühen, jedoch von der in § 119 Abs 5 Satz 2 SGB III vorgesehenen "Verpflichtung" des Arbeitslosen, auf Verlangen des Arbeitsamtes seine Eigenbemühungen nachzuweisen, wenn er rechtzeitig auf die Nachweispflicht hingewiesen worden ist (so auch Harks, NZS 2005, 500, 501). Sie steht zwar in einem unlösbaren Zusammenhang mit Abs 5 Satz 1 (Wissing, SGb 1998, 559, 561), ist jedoch selbst keine Anspruchsvoraussetzung für die Gewährung von Alg bzw Alhi, sondern – anders als nach Ansicht des LSG – eine Beweislastregelung (nur) für den Fall, dass die Beklagte die Eigenbemühungsverpflichtung rechtzeitig, also so, dass sich der Arbeitslose darauf einstellen konnte (dazu nur Wissing, SGb 1998, 559, 561), konkretisiert hat ("auf Verlangen"). Wie noch später auszuführen sein wird (dazu unter Nr 13), regelt diese Vorschrift jedoch nur die materielle Beweislast.
[28] 10. Jede Konkretisierung der Pflicht zu Eigenbemühungen ist – selbst wenn sie nicht wie vorliegend als Form-Verwaltungsakt ergangen sein sollte – wie ein Verwaltungsakt nach dem objektiven Empfängerhorizont auszulegen (vgl zu dieser Voraussetzung bei der Auslegung eines Verwaltungsaktes: BSGE 67, 104, 110 mwN = SozR 3—1300 § 32 Nr 2) und damit in vollem Umfang revisibel (zum Verwaltungsakt: BSGE 62, 32, 36 = SozR 4100 § 71 Nr 2 mwN; BSG SozR 1200 § 42 Nr 4 S 14), weil es zur Bestimmung des Inhalts weder darauf ankommt, was die Beklagte zum Ausdruck bringen wollte, noch wie sie vom Empfänger individuell verstanden worden ist. Letzteres ist nur für das Verschulden bedeutsam (dazu unter Nr 13). Trotz der nicht ganz eindeutigen Formulierung der Beklagten im Schreiben vom 24. Mai 2000 ist (noch) erkennbar, was die Beklagte von der Klägerin verlangt hat: zwei schriftliche Bewerbungen pro Woche und den Nachweis dieser Bewerbungen am 24. Juli 2000 durch die "Vorlage dieser schriftlichen Bewerbungen bzw andere überprüfbare Angaben". Die Klägerin musste von daher, beginnend mit dem 25. Mai 2000 in jeder Zeit-, nicht Kalenderwoche, zwei schriftliche Bewerbungen für versicherungspflichtige Beschäftigungen mit einer Wochenstundenzahl von mindestens 15 Stunden, die sich auf ihr zumutbare Beschäftigungen bezogen, absenden, und zwar nicht nur durchschnittlich zwei schriftliche Bewerbungen pro Woche für die gesamte Zeit bis 24. Juli 2000, sondern ausdrücklich in jeder Woche zwei Bewerbungen. Vorgeschrieben wurde ihr jedoch nicht, zu welchem Zeitpunkt genau diese beiden Bewerbungen innerhalb der jeweiligen Woche abgesandt werden mussten; es genügte vielmehr die Absendung am letzten Tag der jeweiligen Woche.
[29] 11. Darüber hinaus muss sich die Konkretisierung der Beklagten im Schreiben vom 24. Mai 2000 am Maßstab der Zumutbarkeit (§ 2 Abs 3 Nr 1 SGB III idF des AFRG; Rechtsgedanke des § 121 SGB III) messen lassen: Einem Arbeitslosen können keine unzumutbaren und (damit rechtswidrigen) Eigenbemühungen abverlangt werden (so auch: Winkler, info also 2001, 72, 73; Stascheit, info also 1997, 145, 146; Wissing, SGb 1998, 497, 504). Die Regelung des § 119 Abs 5 Satz 1 SGB III unterliegt insoweit einer teleologischen Reduktion. Die Aufforderung der Beklagten an die Klägerin, sich pro Woche zwei Mal schriftlich zu bewerben, ist jedoch unter keinem denkbaren Aspekt unzumutbar. Dies gilt vor allem unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit (dazu allgemein Wissing, SGb 1998, 497, 504 f). Zwei schriftliche Bewerbungen pro Woche für zwei Monate, und zwar während einer Zeit, die üblicherweise im Vergleich zu anderen Monaten nicht durch erhöhte Arbeitslosigkeit bzw erhöhten Arbeitsplatzmangel geprägt ist, konnten der etwa 30-jährigen Klägerin als Alhi-Empfängerin durchaus abverlangt werden. Dies gilt in besonderer Weise, weil sie nach den den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) zuvor bereits mehrfach vergeblich zur Vorlage von Nachweisen über Eigenbemühungen aufgefordert worden ist und deshalb eine Aktivierung der Klägerin sinnvoll erscheinen musste.
[30] 12. a) Allerdings fehlt es an den erforderlichen tatsächlichen Feststellungen des LSG dazu, welche Eigenbemühungen die Klägerin in der maßgeblichen Zeit vom 25. Mai bis 24. Juli 2000 im bezeichneten Sinne pro Zeitwoche vorgenommen hat. Nur wenn dies feststeht, kann – abgesehen von sonstigen Anspruchsvoraussetzungen – beurteilt werden, ob zum Zeitpunkt des Erlasses des Bewilligungsbescheides vom 20. Juni 2000 die Leistungsbewilligung von Anfang an ganz oder teilweise (für Teilzeiträume) rechtswidrig war oder ob die Anspruchsvoraussetzungen später wegen einer wesentlichen Änderung gemäß § 48 Abs 1 SGB X vollständig oder teilweise (für Teilzeiträume) entfallen sind. Gleichgültig, welche Norm zur Anwendung kommt, wird das LSG also zu beachten haben, dass nach beiden Normen auch Teilaufhebungen ("soweit") in Betracht kommen (vgl nur: BSG SozR 3—1300 § 45 Nr 42; BSGE 72, 1 ff = SozR 3—1300 § 48 Nr 22; Waschull in LPK-SGB X, 2004, § 45 RdNr 22 mwN). Das LSG wird deshalb für jede einzelne Woche zu ermitteln haben, ob die Klägerin die von ihr geforderten Eigenbemühungen unternommen hat. Eine Aufhebung ist unter diesem Gesichtspunkt dann nur für die jeweiligen Wochen in der Zeit vom 25. Mai bis 24. Juli 2000 möglich, in denen die Klägern ihrer Verpflichtung nicht nachgekommen ist.
[31] b) Dabei gilt wie im Verwaltungsverfahren (§ 20 SGB X) das Amtsermittlungsprinzip (§ 103 SGG). § 119 Abs 5 Satz 2 SGB III enthält keine Durchbrechung dieses Grundsatzes (Wissing, SGb 1998, 559, 564). Dies zeigt zum einen die Formulierung der Norm, die im Gegensatz etwa zu § 147a Abs 1 Satz 2 SGB III oder § 120 Abs 2 Satz 2 SGB III nicht zusätzlich eine "Darlegung" verlangt; selbst dort ist die Frage, ob das Amtsermittlungsprinzip völlig durchbrochen wird, umstritten (vgl nur Eicher in Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, 2003, § 40 RdNr 5 mwN). Zum anderen heißt es im Bericht des Ausschusses für Arbeit- und Sozialordnung (11. Ausschuss), eine Anpassung an die prozessual üblichen Begriffe der Beweis- und Darlegungspflicht bzw – last, wie sie von Ausschussmitgliedern gefordert worden sei, sei nicht erforderlich. Die Nachweispflicht der Norm liege unterhalb einer Beweislast, aber höher als eine bloße Behauptung (BT-Drucks 13/5936, S 22 f). Zwar lässt sich diese Ansicht mit der Formulierung der Norm ("hat nachzuweisen") nicht vereinbaren und kann deshalb in dieser Form der Auslegung der Vorschrift nicht zu Grunde gelegt werden (so auch Wissing in PK-SGB III, 2. Aufl 2004, § 119 RdNr 66); jedoch zeigt sie zumindest, dass das verfahrens- und prozessrechtliche Amtsermittlungsprinzip nicht beseitigt werden sollte. Die Beklagte und das LSG können sich deshalb nicht auf eine Überprüfung der im Konkretisierungsschreiben geforderten Beweismittel beschränken. Erst wenn alle zumutbaren Beweise erhoben sind, gleichwohl noch nicht bewiesen ist, ob bzw dass die Klägerin die geforderten Eigenbemühungen unterlassen hat, ist eine Entscheidung nach Beweislastgrundsätzen denkbar. Auch diese setzt – wie hier geschehen – dann aber aus Gründen der Rechtsklarheit eine Konkretisierung ("auf Verlangen") der Nachweispflicht durch die Beklagte voraus (Stascheit, info also 1997, 145, 148). Auch sie unterliegt wie die geforderten Eigenbemühungen (siehe Nr 11) Zumutbarkeitsgrenzen, die vorliegend jedoch nicht überschritten sind. Die Bestandskraft der Verfügung (§ 77 SGG iVm § 44 Abs 2 SGB X) spielt damit ebenso wie bei den geforderten Eigenbemühungen keine Rolle. Die Beklagte hat die Klägerin auch rechtzeitig (siehe Nr 9) auf ihre Nachweispflicht hingewiesen – hierauf erstreckt sich die Bestandskraftwirkung nicht –, sodass die Voraussetzungen des § 119 Abs 5 Satz 2 SGB III zu bejahen wären.
[32] c) In Fällen der Leistungsbewilligung, also nicht der Aufhebung eines Bewilligungsbescheides, kann die Vorschrift des § 119 Abs 5 Satz 2 SGB III dann allerdings das Gegenteil einer Beweislastumkehr bewirken: Der Arbeitslose darf sich in der Regel darauf verlassen, dass ihm bei Vorlage der geforderten Beweismittel die Leistungen nicht wegen fehlender Eigenbemühungen versagt werden (Rechtsgedanke des § 242 Bürgerliches Gesetzbuch). Vorliegend ist dies indes nicht entscheidungserheblich, weil die Aufhebung der Leistungsbewilligung wegen fehlender Eigenbemühungen nur die Zeit vom 25. Mai bis 24. Juli 2000 betreffen kann, also insoweit die Rücknahme bzw Aufhebung einer Alhi-Bewilligung im Streit ist. Bei dieser Konstellation kann § 119 Abs 5 Satz 2 SGB III nur als Regelung der Beweislastumkehr verstanden werden (Wissing, aaO, § 119 RdNr 88; ders, SGb 1998, 559, 564); andernfalls würde man dem Gesetzgeber eine überflüssige Regelung unterstellen. Gegebenenfalls wird das LSG aber den Umstand zu beachten haben, dass die Beklagte der Klägerin nicht den Nachweis der Eigenbemühungen ausschließlich durch die Vorlage der schriftlichen Bewerbungen (zwei für jede Woche) vorgeschrieben, sondern gefordert hat, es seien entsprechende Nachweise (schriftliche Bewerbungen) vorzulegen bzw "überprüfbare Angaben" zu machen. Insbesondere die zweite Variante lässt so viel Spielraum, dass eine Beweislastumkehr uU nicht in Frage kommen wird (vgl auch Winkler, info also 2001, 72, 76).
[33] 13. Sowohl bei der materiell-rechtlichen Frage, ob die Klägerin ihrer Eigenbemühungsverpflichtung in der von der Beklagten konkretisierten Form nachgekommen ist, als auch bei der verfahrensrechtlichen Problematik, ob die Klägerin die von ihr geforderten Nachweise am 24. Juli 2002 erbracht hat, stellt § 119 Abs 1 Nr 1 SGB III nur auf die "Möglichkeiten" ab, was bereits eine Beschränkung auf die der Klägerin subjektiv zur Verfügung stehenden Verhaltensalternativen nahelegt. Dies deckt sich nicht zuletzt mit der Rechtsprechung des BSG zu Obliegenheitsverletzungen (vgl BSG, Urteil vom 25. Mai 2005 – B 11a/11 AL 81/04 R); auch für die Anspruchsvoraussetzung gewordene Obliegenheit des § 119 Abs 1 Nr 1 SGB III (vgl BSGE 86, 147, 150 = SozR 3—4300 § 156 Nr 1) ist ein schuldhaftes Verhalten des Arbeitslosen erforderlich. War die Klägerin – aus ihr nicht zurechenbaren Umständen – nicht in der Lage, die von ihr geforderten Eigenbemühungen vorzunehmen bzw Beweise vorzulegen, kann ihr das nicht vorgehalten werden. Dabei ist, wenn kein Vorsatz vorliegt, anders als im Zivilrecht ein subjektiver Fahrlässigkeitsmaßstab anzulegen; es genügt jede Art von Fahrlässigkeit (vgl allgemein: BSG, Urteil vom 25. Mai 2005 – B 11a/11 AL 81/04 R; Urteile vom 18. August 2005 – B 7a AL 4/05 R und B 7a/7 AL 94/04 R). Abzustellen ist mithin auf die individuellen Fähigkeiten der Klägerin. Das LSG wird insbesondere zu prüfen haben, ob der Klägerin ein Schuldvorwurf gemacht werden könnte, wenn sie sich auch auf nichtversicherungspflichtige Beschäftigungen bzw Beschäftigungen mit weniger als 15 Stunden beworben hätte. Gegebenenfalls wird das LSG auch zu prüfen haben, ob das Vorgehen der Beklagten, die Leistung bereits am 20. Juni 2000 zu bewilligen, obwohl der Nachweis der Eigenbemühungen erst am 24. Juli 2000 erfolgen sollte, oder ob der Gebrauch des Begriffs "Woche" im Bescheid vom 24. Mai 2000 (Zeit – oder Kalenderwoche) bei der Klägerin Verunsicherungen hinsichtlich ihrer Verpflichtung zur Eigenbemühung hervorgerufen hat. Insoweit kann durchaus eine Diskrepanz zwischen dem objektiven Empfängerhorizont, nach dem das Schreiben der Beklagten auszulegen ist, und dem individuellen Verständnishorizont der Klägerin bestehen, die eine Fahrlässigkeit ausschließt. Für die Ermittlung des Verschuldens der Klägerin gelten die Ausführungen unter Nr 12 zur Amtsermittlungspflicht und Beweislast entsprechend.
[34] 14. Steht fest, dass und wann die Klägerin nicht ihren Verpflichtungen zu Eigenbemühungen nachgekommen ist, bzw ist im Falle der Beweislastumkehr nicht feststellbar, ob bzw wann dies der Fall war, wird das LSG die weiteren Voraussetzungen des § 45 SGB X iVm § 330 Abs 2 SGB III bzw des § 48 SGB X iVm § 330 Abs 3 SGB III zu überprüfen haben. Dabei ist es entgegen seiner Ansicht nicht gehindert, die Leistung mit Wirkung für die Zeit vor dem 25. Juli 2000 aufzuheben bzw zurückzunehmen. Insbesondere kann dies nicht mit der Begründung abgelehnt werden, die Aufhebung der Leistungsbewilligung sei deshalb unzulässig, weil der Klägerin die Nachweismöglichkeit bis zum 24. Juli 2000 eröffnet worden sei und somit für die Zeit davor die Leistung rechtmäßig bleibe. Der maßgebliche Aufhebungszeitraum beginnt vielmehr mit dem Zugang des Konkretisierungsschreibens der Beklagten. Mit diesem wurden der Klägerin bestimmte Eigenbemühungen innerhalb einer bestimmten Zeit vorgeschrieben. Ist sie diesen geforderten Eigenbemühungen innerhalb des jeweils vorgesehenen Zeitraums nachgekommen, ist von der Erfüllung der Voraussetzungen auszugehen. War dies jedoch nicht der Fall, war die Klägerin innerhalb des gesamten betroffenen Zeitraums nicht verfügbar und nicht arbeitslos. Entgegen der Auffassung des LSG wird damit keine fehlende Verfügbarkeit fingiert (so auch Harks, NZS 2005, 500, 501). Denn nach der Grundnorm des § 119 Abs 1 Nr 1 SGB III muss der Arbeitslose alle Möglichkeiten nutzen. Dann aber unterliegt es keinen Bedenken, die fehlende Verfügbarkeit für die gesamten betroffenen Zeiträume anzunehmen, wenn die Klägerin nicht einmal die von ihr geforderten (Mindest-) Eigenbemühungen unternommen hat. An der Verfügbarkeit fehlt es bereits mit dem ersten Tag des Zeitraums, innerhalb dessen sie die jeweiligen Eigenbemühungen hätte vornehmen müssen, nicht erst nach Ablauf der jeweiligen Zeitwoche, zumal für die nächste Zeitwoche wiederum neue Eigenbemühungen anstanden, die dann wiederum abgewartet werden müssten. Will man die Regelung nicht gänzlich leer laufen lassen – die Anwendung des § 66 SGB I ist ohnedies zweifelhaft (dazu unter Nr 17) –, wird nur diese Auslegung dem berechtigten Anliegen des Gesetzgebers gerecht, den Arbeitslosen stärker als nach dem Arbeitsförderungsgesetz (AFG) in die Arbeitssuche einzubinden.
[35] Die Überprüfung der Eigenbemühungen löst sich damit – nicht zuletzt im Interesse des mündigen Arbeitslosen an einer möglichst wenig fremdbestimmten eigenen Beschäftigungssuche – von der zu den sonstigen Voraussetzungen der Arbeitslosigkeit von der Rechtsprechung geforderten täglichen, aktuellen Betrachtungsweise (vgl dazu nur BSG, Urteil vom 17. Juli 1997 – 7 RAr 12/96 – mwN) und wird zur Kontrolle in Zeitintervallen. Die bezeichnete Rechtsprechung ist jedoch zur Rechtslage nach dem AFG entwickelt worden, das die aktive Beschäftigungssuche in Form von Eigenbemühungen noch nicht kannte. Sie ist auf die erst mit dem SGB III eingeführte Tatbestandsvoraussetzung der Eigenbemühungen nicht übertragbar. Diese entziehen sich einer taggenauen Konkretisierung; im Regelfall wird man dem Arbeitslosen einen gewissen zeitlichen Spielraum belassen müssen, was andererseits aber auch nicht dazu führen darf, dass die Intention des Gesetzgebers bei Einführung der Anspruchsvoraussetzung "Eigenbemühungen" konterkariert wird.
[36] Dieser Auslegung steht nicht die Neuregelung des § 119 SGB III iVm § 144 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB III mit Wirkung ab 1. Januar 2005 entgegen. Damit hat der Gesetzgeber vielmehr auf die Kritik an der Unbestimmtheit des § 119 Abs 5 SGB III reagiert (Winkler in Gagel, SGB III, § 144 RdNr 206a, Stand Januar 2005), indem er die Regelung des § 119 Abs 5 SGB III ersatzlos gestrichen und den neuen Sperrzeittatbestand der "unzureichenden Eigenbemühungen" geschaffen hat. Dass damit künftig möglicherweise die Problematik "fehlender Verfügbarkeit in der Vergangenheit" dadurch entschärft wird, dass nur eine Sperrzeit, und zwar erst für die Zeit nach einem fehlenden Nachweis, eintritt, ohne dass es darauf ankäme, ob während der Sperrzeit Arbeitslosigkeit vorliegt, lässt keine Rückschlüsse auf die bis 31. Dezember 2004 bestehende Rechtslage zu. Der Gesetzgeber wollte ab 1. Januar 2005 insgesamt eine praktikablere (Sanktions-) Regelung bei unzureichenden Eigenbemühungen schaffen (siehe die Gesetzesbegründung zum 3. Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt, BT-Drucks 15/1515 S 87 zu Nr 76 und S 83 zu § 119), ohne die Auslegung des davor geltenden § 119 Abs 5 SGB III authentisch zu interpretieren.
[37] 15. Im Rahmen der §§ 45, 48 SGB X wird das LSG insbesondere auch die Voraussetzungen des § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 3 bzw des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 4 SGB X zu prüfen haben, ob also die Klägerin wusste bzw grob fahrlässig in Unkenntnis darüber war, dass ihr Leistungsanspruch nicht bestand bzw zum Wegfall gekommen war. Die Ausführungen des LSG hierzu sind für den Senat nicht bindend (§ 163 SGG). Sie beruhen auf der vom Senat nicht gebilligten rechtlichen Prämisse des LSG zur Anwendung des § 119 Abs 5 SGB III. Dabei hat das LSG einen unzutreffenden rechtlichen Maßstab für die Beurteilung der groben Fahrlässigkeit angewandt. Die Interessenlage im Falle der nachträglichen Aufhebung einer Leistungsbewilligung wegen fehlender Eigenbemühungen nach Konkretisierung durch die Beklagte kommt der Rechtslage einer Leistung auf Grund eines vollstreckbaren, später aufgehobenen Urteils (vgl BSG SozR 3—1300 § 45 Nr 10 S 33) gleich. Die Klägerin musste nicht bereits am 25. Mai 2000 oder jeweils zu Beginn der folgenden Zeitwochen wissen, ob bzw dass der Leistungsanspruch wegen fehlender Verfügbarkeit entfallen werde. Es genügt vielmehr, dass sie nicht darauf vertrauen durfte, einen Leistungsanspruch zu besitzen, wenn sie nicht die von ihr geforderten Eigenbemühungen unternehmen würde (so auch Harks, NZS 2005, 500, 502).
[38] 16. Liegen die Voraussetzungen für die Aufhebung der Leistungsbewilligung – sei es gemäß § 45 SGB X, sei es gemäß § 48 SGB X – mit Wirkung für die Vergangenheit vor, so wird das LSG außerdem zu prüfen haben, ob die Rücknahme bzw Aufhebung der Leistungsbewilligung auch für die Zeit nach dem 24. Juli 2000 gerechtfertigt war. Die Aufhebung der Leistung mit Wirkung für diese Zeit kann allerdings nicht mehr auf die fehlenden, durch das Schreiben vom 24. Mai 2000 konkretisierten Eigenbemühungen gestützt werden. Der Inhalt dieses Bescheides beschränkt sich auf den von ihm erfassten Zeitraum. Eine Aufhebung der Leistungsbewilligung über den 24. Juli 2000 hinaus wegen fehlender Eigenbemühungen ist deshalb nur möglich, wenn die Beklagte, was vorliegend nicht geschehen ist, eine erneute bzw andere Konkretisierung vorgenommen hätte, bzw die Klägerin überhaupt keine Eigenbemühungen mehr unternommen hätte. Feststellungen des LSG hierzu fehlen. Allerdings kommt es uU hierauf nicht an, wenn die Voraussetzung des über § 198 SGB III anwendbaren § 122 Abs 2 Nr 1 SGB III (hier idF, die § 122 durch das 2. SGB III-Änderungsgesetz vom 21. Juli 1990 – BGBl I 1649 – erhalten hat) vorliegen. Danach verliert die Arbeitslosmeldung als Anspruchsvoraussetzung für die Gewährung von Alhi (§ 190 Abs 1 Nr 2 SGB III) ihre Wirkung bei einer mehr als sechswöchigen Unterbrechung der Arbeitslosigkeit. Da andererseits fehlende Eigenbemühungen als Bestandteil der Beschäftigungssuche die Arbeitslosigkeit entfallen lassen (§ 118 Abs 1 SGB III), könnten diese Voraussetzungen bei der Klägerin vorliegen.
[39] 17. Sollte dies nicht der Fall sein, wäre eine Umdeutung der Aufhebungs- bzw Rücknahmeentscheidung für die Zeit ab 25. Juli 2000 bzw einer Ablehnung der Alhi-Bewilligung (siehe unter 2. c) in eine Entziehungsentscheidung nach § 66 SGB I jedenfalls nicht möglich. Dies würde bereits daran scheitern, dass die Umdeutung einer gebundenen Entscheidung in eine Ermessensentscheidung in Analogie zu § 43 Abs 3 SGB X nicht zulässig ist. Ohnedies ist zweifelhaft, ob § 66 Abs 1 SGB I überhaupt eingreifen kann. Denkbar ist allenfalls die Anwendung des § 60 Abs 1 Nr 1 SGB I für die Pflicht zur Vorlage der Nachweise, die für die Leistung erheblich sind und die der Beklagten die Ermittlung der Anspruchsvoraussetzungen im Rahmen ihrer Amtsermittlungspflicht erleichtern. Andererseits betrifft die angeordnete (konkretisierte) Nachweispflicht gerade nur die Zeit bis 24. Juli 2000, nicht jedoch die danach liegende Zeit, für die aber über § 66 Abs 1 SGB I die Leistung entzogen werden soll. Diese Entziehung bis zur Nachholung der Mitwirkungshandlung, also der geforderten Vorlage von Nachweisen für die Zeit bis 24. Juli 2000 wäre allenfalls mit der Argumentation haltbar, bei jeder Bewilligung von Alhi als Verwaltungsakt mit Dauerwirkung und mit Wirkung für die Zukunft sei eine Prognose darüber erforderlich, dass der Arbeitslose seinen Eigenbemühungsverpflichtungen nachkommt, diese Prognose jedoch nicht mehr gerechtfertigt ist, wenn der Arbeitslose für einen vorgeschriebenen vorausgegangenen Zeitraum die Nachweise nicht erbringt. Diese Konstruktion erscheint indes eher geeignet, wenn es um die Versagung einer noch nicht bewilligten Leistung geht.
[40] 18. Das LSG wird bei seiner Entscheidung auch die sonstigen Voraussetzungen für die Gewährung von Alhi zu überprüfen haben; dies gilt insbesondere für die Arbeitsfähigkeit und Arbeitsbereitschaft der Klägerin (§ 119 Abs 2 bis 4 SGB III). Dabei wird das LSG zu beachten haben, dass die Klägerin wohl ihre Arbeitsbereitschaft auf 20 Stunden pro Woche beschränkt hat. Gegebenenfalls wird auch § 126 Abs 2 SGB III anzuwenden sein. Soweit die Bewilligung von Alhi für eine Zeit zwischen dem Ende des durch den Aufhebungsbescheid betroffenen Bewilligungszeitraums und dem Zeitpunkt einer Wiederbewilligung betroffen ist, was das LSG zu ermitteln hat, hat es alle die Wiederbewilligung betreffenden Voraussetzungen zu prüfen. Sollte eine Wiederbewilligung nicht erfolgt sein, müsste die Beklagte hierüber noch außerhalb dieses Rechtsstreits befinden. War eine Rücknahme bzw Aufhebung der Leistungsbewilligung ganz oder teilweise gerechtfertigt, wird das LSG den genauen (richtigen) Erstattungsbetrag und die Voraussetzungen sowie die rechtmäßige Höhe der Ersatzansprüche gemäß § 335 Abs 1 und 5 SGB III zu ermitteln haben. Schließlich wird es ggf über die Kosten des Revisionsverfahrens befinden müssen.