Bundessozialgericht
Krankenversicherung – rückwirkender Anspruch auf Krankengeld bei fehlerhafter Feststellung der Arbeitsfähigkeit – Anwendung des § 44 SGB 10
Ein Versicherter, dessen Arbeitsfähigkeit fehlerhaft aus Gründen bejaht worden ist, die der Krankenkasse zuzurechnen sind, hat rückwirkend Anspruch auf Krankengeld, wenn er ursprünglich alles für die Anspruchsentstehung Erforderliche und ihm Zumutbare unternommen hatte und er den Anspruch unverzüglich nach Erlangung der Kenntnis vom tatsächlichen Bestehen der Arbeitsunfähigkeit bei der Krankenkasse geltend macht.

BSG, Urteil vom 8. 11. 2005 – B 1 KR 30/04 R (lexetius.com/2005,3403)

[1] Tatbestand: Die Beteiligten streiten über den Anspruch auf Zahlung von Krankengeld (Krg) und dessen Höhe.
[2] Der 1942 geborene Kläger war wegen seiner Beschäftigung als kaufmännischer Angestellter bei der beklagten Ersatzkasse gegen Krankheit versichert. Er kündigte sein Beschäftigungsverhältnis zum Ende September 1998. Ab 31. August 1998 wurde er wegen Myocardinfarkts zunächst stationär behandelt und war anschließend arbeitsunfähig krank. Die Beklagte zahlte ihm auf der Grundlage des letzten für Juli 1998 abgerechneten Arbeitsentgelts Krg in Höhe von 85,62 DM (brutto) täglich. Am 10. März 1999 nahm der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK; Dr. K.) Arbeitsfähigkeit ab 15. März 1999 an. Dies bestätigte der behandelnde Vertragsarzt Dr. A. am 12. März 1999. Er hielt den Kläger allerdings ab 15. März 1999 wegen Infekt-Rezidivs mit Bronchitis bis einschließlich 1. April 1999 für arbeitsunfähig und bestätigte Arbeitsfähigkeit mit dem 2. April 1999 (Stempel vom 1. April 1999). Zum 2. April 1999 meldete sich der Kläger arbeitslos und erhielt Arbeitslosengeld (Alg) in Höhe von 433,51 DM wöchentlich. Ab 19. April 1999 wurde er wegen retrosternaler Beschwerden stationär behandelt und war wiederum arbeitsunfähig. Bis zum 30. Mai 1999 erhielt er Alg und sodann auf dessen Basis Krg (Bescheid vom 31. Mai 1999).
[3] Gestützt auf ein Attest von Dr. A. (16. August 1999) machte der Kläger am 17. August 1999 bei der Beklagten geltend, entgegen der Beurteilung des MDK nicht ab 15. März 1999 arbeitsfähig gewesen zu sein. Vielmehr sei er durchgehend wegen schwerer Stenokardien bei koronarer Herzkrankheit arbeitsunfähig gewesen, sodass das Krg weiterhin fortlaufend auf der Grundlage seines für Juli 1998 abgerechneten Arbeitsentgelts zu zahlen gewesen sei, während er Alg zu Unrecht bezogen habe.
[4] Die Beklagte lehnte es ab, Krg an Stelle von Alg und ab 31. Mai 1999 höheres Krg zu zahlen. Berechnungsgrundlage der derzeitigen Krg-Zahlung sei das zuvor gezahlte Alg. Der Kläger habe die angebliche Arbeitsunfähigkeit im Zeitraum vom 2. bis 18. April 1999 nicht binnen einer Woche angezeigt. Während des Alg-Bezugs habe der Krg-Anspruch geruht (Bescheid vom 29. September 1999; Widerspruchsbescheid vom 13. Januar 2000).
[5] Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte antragsgemäß "unter Änderung ihrer Bescheide vom 31. 5. 1999 und 13. 1. 2000" verurteilt, dem Kläger das Krg für die Zeit vom 30. Mai 1999 bis zum 1. März 2000 nach dem vor dem 31. August 1998 erzielten Entgelt zu bemessen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme, insbesondere den Ausführungen des Sachverständigen, habe seit dem 31. August 1998 bis zum 1. März 2000 durchgehend Arbeitsunfähigkeit bestanden (Urteil vom 16. Juli 2003).
[6] Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen: Am 30. Mai 1999 habe der Krg-Anspruch wegen Alg-Bezugs geruht. Die Beklagte habe für die Folgezeit das Krg zutreffend nach § 47b Abs 1 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) berechnet, selbst wenn man von durchgehender Arbeitsunfähigkeit vom 31. August 1998 bis zum 1. März 2000 ausgehe. Die spätere Behauptung des früheren Beginns der Arbeitsunfähigkeit sei unbeachtlich. Der Kläger habe bis Mitte August 1999 keine Einwände gegen die attestierten Endzeitpunkte der Arbeitsunfähigkeit erhoben und sich nicht bei anderen Ärzten um eine Korrektur bemüht (Urteil vom 16. Juni 2004).
[7] Zur Begründung seiner – vom LSG zugelassenen – Revision rügt der Kläger die fehlerhafte Anwendung von § 47b SGB V an Stelle des einschlägigen § 47 SGB V. Er habe alle seine Obliegenheiten als Versicherter erfüllt, insbesondere sich unverzüglich an die Beklagte gewandt, als er von der fehlerhaften Beurteilung der Arbeitsfähigkeit des MDK und des Vertragsarztes Kenntnis erhalten habe.
[8] Der Kläger hat seinen Antrag insoweit beschränkt, als er höheres Krg nicht für den Zeitraum des Bezugs von Übergangsgeld vom 5. Oktober 1999 bis zum 2. November 1999 und nur bis zum 28. Februar 2000 begehrt.
[9] Im Übrigen beantragt er, das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 16. Juni 2004 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 16. Juli 2003 zurückzuweisen, hilfsweise, das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 16. Juni 2004 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht Hamburg zurückzuverweisen.
[10] Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
[11] Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
[12] Entscheidungsgründe: Die zulässige Revision des Klägers ist begründet. Das Urteil des LSG ist aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG unter Neufassung des Urteilstenors (zwecks Richtigstellung unter Berücksichtigung der Einschränkungen des Klageantrags) zurückzuweisen. Der Kläger hat Anspruch auf Zahlung von Krg im (noch) begehrten Umfang. Der Kläger kann sowohl die Zahlung von Krg für den 30. Mai 1999 (vgl dazu 2.) als auch die Rücknahme des Bescheides vom 31. März 1999 und die Zahlung von höherem Krg vom 31. Mai 1999 bis zum 4. Oktober 1999 und vom 3. November 1999 bis zum 28. Februar 2000 verlangen (vgl dazu 3.). Er kann sich aus Rechtsgründen ausnahmsweise im Nachhinein darauf berufen, vom 31. August 1998 bis zum 28. Februar 2000 durchgehend arbeitsunfähig gewesen zu sein und einen Krg-Anspruch gehabt zu haben, der ihm seine Mitgliedschaft bei der Beklagten erhielt (vgl dazu 1.).
[13] 1. Der Umfang des Versicherungsschutzes des Klägers hinsichtlich des von ihm zu beanspruchenden Krg ergibt sich im streitrelevanten Zeitraum aus seiner aufrechterhaltenen Versicherung auf Grund der im Jahre 1998 ausgeübten Beschäftigung.
[14] a) Nach § 44 Abs 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte ua Anspruch auf Krg, wenn Krankheit sie arbeitsunfähig macht. Grundvoraussetzung sowohl für den Anspruch auf Zahlung von Krg am 30. Mai 1999 als auch für den Anspruch auf Zahlung höherer Leistungen in der Folgezeit unter Rücknahme des Bescheides vom 31. Mai 1999 ist, dass sich der Kläger im Nachhinein darauf berufen kann, vom 31. August 1998 bis zum 28. Februar 2000 durchgehend arbeitsunfähig gewesen zu sein und einen mitgliedschaftserhaltenden Krg-Anspruch gehabt zu haben. Nur die durchgehend aufrechterhaltene Mitgliedschaft, die an das Beschäftigungsverhältnis des Jahres 1998 anknüpft, kann das Begehren des Klägers begründen. Andernfalls hätte – wie es das LSG angenommen hat – für den 30. Mai 1999 der Anspruch auf Krg wegen Bezugs von Alg geruht (§ 49 Abs 1 Nr 3a SGB V; vgl dazu 2.) und wäre die Höhe des Krg für den folgenden Zeitraum nach dem letzten Alg-Betrag gemäß § 47b Abs 1 Satz 1 SGB V zutreffend berechnet worden (vgl 3.). Das folgt daraus, dass der Umfang des Versicherungsschutzes nach dem SGB V auf dem im Zeitpunkt der Anspruchsentstehung wirksamen Versicherungsverhältnis beruht; für den Krg-Anspruch ist dabei weder auf den Beginn der Krankheit noch auf den "wirklichen" Beginn der Arbeitsunfähigkeit, sondern grundsätzlich auf die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit abzustellen. Denn für die Fortsetzung des Mitgliedschaftsverhältnisses setzt § 192 Abs 1 Nr 2 SGB V nicht Arbeitsunfähigkeit, sondern einen Anspruch auf Krg voraus, der seinerseits nach § 46 Satz 1 Nr 2 SGB V grundsätzlich nur auf Grund ärztlicher Feststellung entsteht (vgl Senat, Urteil vom 22. März 2005 – B 1 KR 22/04 R – unter II 1, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen; Senat, Beschluss vom 16. Dezember 2003 – B 1 KR 24/02 B –, Juris Nr KSRE 076431317; Senat, BSGE 90, 72, 75 und 81 ff = SozR 3—2500 § 44 Nr 10 S 32 und 38 ff). Zudem ruht der Anspruch auf Krg ua, solange die Arbeitsunfähigkeit der Krankenkasse nicht gemeldet wird, wenn nicht die Meldung innerhalb einer Woche nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit erfolgt (§ 49 Abs 1 Nr 5 SGB V). Bei wortgetreuer Anwendung dieser Rechtsnormen hätte der Kläger sich nicht nachträglich darauf berufen können, durchgehend von August 1998 bis Februar 2000 arbeitsunfähig gewesen zu sein, um rückwirkend Krg bzw höheres Krg zu beanspruchen. Als ihm sein Hausarzt im August 1999 durchgehende Arbeitsunfähigkeit bescheinigte, hätte er sich danach nicht mehr auf die Begründung seines Versicherungsverhältnisses im Jahr 1998 stützen können, da es zwischenzeitlich zu Lücken bei der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit gekommen war. Der Kläger war nämlich zunächst am 15. Mai 1999 und sodann ab 2. April 1999 ärztlich für arbeitsfähig befunden worden und hatte am 15. März kein Krg und vom 2. April bis zum 30. Mai Alg bezogen. Allerdings erlischt der Krg-Anspruch nach § 19 Abs 1 SGB V, wenn die Mitgliedschaft des Versicherten endet; allenfalls verschafft § 19 Abs 2 SGB V den aus der Versicherung ausgeschiedenen versicherungspflichtigen Mitgliedern noch einen sog "nachgehenden" Anspruch längstens für einen Monat nach dem Ende der Mitgliedschaft, solange keine Erwerbstätigkeit ausgeübt wird. Daher wäre spätestens Mitte April 1999 – vor der stationären Aufnahme am 19. April 1999 – die Möglichkeit beendet gewesen, auf Grund des an das Beschäftigungsverhältnis anknüpfenden Versicherungsverhältnisses noch Ansprüche auf Krg zu begründen. Als sich der behandelnde Arzt Dr. A. am 16. August 1999 für durchgehende Arbeitsunfähigkeit seit Ende August 1998 aussprach, wäre der Kläger bei wortgetreuer Anwendung der Regelungen mithin nicht mehr auf Grund der Arbeitsunfähigkeit seit 1998 versichert gewesen, da es in der Vergangenheit an der rechtzeitigen (vgl dazu Senat, BSGE 85, 271, 275 f = SozR 3—2500 § 49 Nr 4 S 15; Senat, Urteil vom 22. März 2005 – B 1 KR 22/04 R –, unter II 3 e und f), den Krg-Anspruch erhaltenden ärztlichen Feststellung durchgehender Arbeitsunfähigkeit gerade gefehlt hatte. Höhere Krg-Zahlungen für die Vergangenheit hätte er zudem nicht verlangen können, weil er seine Arbeitsunfähigkeit nicht gemeldet hatte. Gleichwohl gilt im Falle des Klägers etwas anderes.
[15] b) Die bisherige Rechtsprechung des Senats hat es offen gelassen, ob die Fehlbeurteilung der Arbeitsunfähigkeit durch den behandelnden Arzt und den MDK eine Ausnahme von der wortgetreuen Auslegung des § 46 Satz 1 Nr 2 SGB V und des § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V rechtfertigt.
[16] Beiden Regelungen liegen gemeinsame Zwecke zu Grunde, welche eine grundsätzlich strikte Handhabung gebieten. Mit dem Erfordernis vorgeschalteter ärztlich festzustellender Arbeitsunfähigkeit sollen beim Krg Missbrauch und praktische Schwierigkeiten vermieden werden, zu denen die nachträgliche Behauptung der Arbeitsunfähigkeit und deren rückwirkende Bescheinigung beitragen könnten (vgl BSGE 24, 278, 279 = SozR Nr 16 zu § 182 Reichsversicherungsordnung [RVO] mwN zur Entstehungsgeschichte der im SGB V insoweit unveränderten Regelung; BSGE 26, 111, 112 = SozR Nr 19 zu § 182 RVO; BSGE 90, 72, 81 = SozR 3—2500 § 44 Nr 10 S 38). Dementsprechend ist grundsätzlich für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit der versicherungsrechtliche Status des Betroffenen im Zeitpunkt der ärztlichen Feststellung maßgebend (vgl – dies als selbstverständlich voraussetzend – BSGE 89, 254 = SozR 3—2500 § 19 Nr 5; BSGE 90, 72, 83 = SozR 3—2500 § 44 Nr 10; vgl zuletzt Senat, Urteil vom 22. März 2005 – B 1 KR 22/04 R – unter II 1a). Als Regelfall geht das Gesetz davon aus, dass der in seiner Arbeitsfähigkeit beeinträchtigte Versicherte selbst die notwendigen Schritte unternimmt, um die mögliche Arbeitsunfähigkeit feststellen zu lassen und seine Ansprüche zu wahren. Deshalb kann zB grundsätzlich ein Versicherter, der das Ende der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit akzeptiert und über Monate hinweg Leistungen wegen Arbeitslosigkeit bezieht, die er bei Arbeitsunfähigkeit nicht hätte erhalten dürfen, nicht mehr mit der nachträglichen Behauptung gehört werden, er sei in der gesamten Zeit zu Unrecht als arbeitslos statt – richtigerweise – als arbeitsunfähig behandelt worden (vgl BSGE 90, 72, 83 = SozR 3—2500 § 44 Nr 10).
[17] § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V soll die Krankenkasse ebenso wie die Ausschlussregelung des § 46 Satz 1 Nr 2 SGB V davon freistellen, die Voraussetzungen eines verspätet geltend gemachten Krg-Anspruchs im Nachhinein aufklären zu müssen, und ihr so die Möglichkeit erhalten, die Arbeitsunfähigkeit zeitnah durch den MDK überprüfen zu lassen, um Leistungsmissbräuchen entgegentreten und Maßnahmen zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit einleiten zu können. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ist die Gewährung von Krg deshalb bei verspäteter Meldung auch dann ausgeschlossen, wenn die Leistungsvoraussetzungen im Übrigen zweifelsfrei gegeben sind und den Versicherten keinerlei Verschulden an dem unterbliebenen oder nicht rechtzeitigen Zugang der Meldung trifft (vgl zB BSGE 29, 271, 272 = SozR Nr 8 zu § 216 RVO; BSG SozR Nr 11 zu § 216 RVO; BSGE 38, 133, 135 = SozR 2200 § 182 Nr 7; BSGE 56, 13, 14 f = SozR 2200 § 216 Nr 7; BSG SozR 2200 § 216 Nr 11; BSGE 85, 271, 276 = SozR 3—2500 § 49 Nr 4). Mit Blick darauf muss die Arbeitsunfähigkeit nach der Rechtsprechung des Senats (BSGE 85, 271, 275 f = SozR 3—2500 § 49 Nr 4) der Krankenkasse vor jeder erneuten Inanspruchnahme des Krg auch dann angezeigt werden, wenn sie seit ihrem Beginn ununterbrochen bestanden hat. Dies hat auch bei ununterbrochenem Leistungsbezug zu gelten, wenn – wie hier am 15. März 1999 oder ab 2. April 1999 – wegen der Befristung der bisherigen Attestierung der Arbeitsunfähigkeit über die Weitergewährung des Krg neu zu befinden ist. Auch dann muss der Versicherte die Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit grundsätzlich rechtzeitig vor Fristablauf ärztlich feststellen lassen und seiner Krankenkasse melden, will er das Erlöschen (vgl dazu Beschluss des Senats vom 16. Dezember 2003, B 1 KR 24/02 B mwN) oder das Ruhen des Leistungsanspruchs vermeiden. Wie bei der ärztlichen Feststellung handelt es sich auch bei der Meldung der Arbeitsunfähigkeit um eine Obliegenheit des Versicherten; die Folgen einer unterbliebenen oder nicht rechtzeitigen ärztlichen Feststellung oder Meldung sind deshalb grundsätzlich von ihm zu tragen. Regelmäßig ist danach sowohl die Ausschlussregelung des § 46 Abs 1 Nr 2 SGB V als auch des § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V strikt zu handhaben.
[18] Trotz der grundsätzlich strikten Anwendung beider Regelungen hat die Rechtsprechung schon bisher in engen Grenzen Ausnahmen dazu anerkannt, wenn die ärztliche Feststellung oder die Meldung der Arbeitsunfähigkeit durch Umstände verhindert oder verzögert worden sind, die dem Verantwortungsbereich der Krankenkassen und nicht dem des Versicherten zuzurechnen sind. So kann sich beispielsweise die Kasse nicht auf den verspäteten Zugang der Meldung berufen, wenn dieser auf von ihr zu vertretenden Organisationsmängeln beruht und der Versicherte hiervon weder wusste noch wissen musste (BSGE 52, 254, 258 ff und LS 1 = SozR 2200 § 216 Nr 5). In einem Fall, in dem der Versicherte von seinem behandelnden Arzt auf Grund einer Fehldiagnose irrtümlich "gesundgeschrieben" worden war, hat das BSG ausgeführt, der Versicherte müsse eine die Arbeitsunfähigkeit ablehnende ärztliche Feststellung nicht stets hinnehmen, sondern könne ihre Unrichtigkeit – ggf auch durch die ex-post-Beurteilung eines anderen ärztlichen Gutachters – nachweisen (BSGE 54, 62, 65 = SozR 2200 § 182 Nr 84). Die dem Versicherten vom Gesetz übertragene Obliegenheit, für eine zeitgerechte ärztliche Feststellung der geltend gemachten Arbeitsunfähigkeit zu sorgen (§ 182 Abs 3 RVO; jetzt § 46 Abs 1 Nr 2 SGB V), erfülle er, wenn er alles in seiner Macht Stehende tue, um die ärztliche Feststellung zu erhalten. Er habe dazu den Arzt aufzusuchen und ihm seine Beschwerden vorzutragen. Er könne aber den Arzt nicht zwingen, eine vollständige Befunderhebung durchzuführen und eine zutreffende Beurteilung abzugeben. Unterbleibe die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit allein aus Gründen, die den Verantwortungsbereich des Kassen- (jetzt: Vertrags-) Arztes oder der sonstigen zur Sicherstellung der kassen- (jetzt: vertrags-) ärztlichen berufenen Personen oder Einrichtungen zuzuordnen seien, so dürfe sich das nicht zum Nachteil des Versicherten auswirken.
[19] In einem späteren Urteil vom 12. November 1985 hat der 3. Senat des BSG allerdings eine erneute Arbeitsunfähigkeitsmeldung auch für den Fall gefordert, dass ärztlicherseits eine weitere Krankschreibung abgelehnt worden war und der Versicherte dem nicht widersprochen hatte (BSG SozR 2200 § 216 Nr 8). Der 3. Senat hat unter Bezugnahme auf die dem § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V entsprechende Ruhensvorschrift des früheren § 216 Abs 3 Satz 1 RVO die Auffassung vertreten, eine rückwirkende Gewährung von Krg sei ausgeschlossen, wenn der Versicherte in Kenntnis der ärztlichen Feststellung über das Ende der Arbeitsunfähigkeit die Einstellung der Leistung zunächst widerspruchslos hingenommen habe und sich erst später auf eine fortdauernde Arbeitsunfähigkeit berufe (zur ärztlichen Fehleinschätzung der Arbeitsunfähigkeit vgl bereits BSG SozR Nr 11 zu § 216 RVO).
[20] Der erkennende Senat hat schließlich einen Krg-Anspruch nicht am Fehlen der Arbeitsunfähigkeitsmeldung scheitern lassen, wenn dies auf der unzutreffenden rechtlichen Bewertung der Krankenkasse beruhte, die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit habe sich wegen der Aufgabe des Arbeitsplatzes nicht mehr an der zuletzt ausgeübten Tätigkeit auszurichten (BSGE 85, 271, 277 f = SozR 3—2500 § 49 Nr 4). Er hat ausgeführt, dass die fehlende Feststellung oder Meldung der Arbeitsunfähigkeit dem Versicherten ausnahmsweise nicht entgegengehalten werden darf, wenn er seinerseits alles in seiner Macht Stehende getan hat, um seine Ansprüche zu wahren, daran aber durch eine von der Krankenkasse zu vertretende Fehlentscheidung gehindert worden ist (vgl Senat, BSGE 85, 271, 276 f = SozR 3—2500 § 49 Nr 4). Damit hat der Senat auf Grundsätze zurückgegriffen, die schon zum Recht der RVO entwickelt worden waren und durch das SGB V nicht überholt sind (vgl zB BSGE 25, 76, 78 = SozR Nr 18 zu § 182 RVO; BSGE 54, 62, 65 = SozR 2200 § 182 Nr 84; Schmidt in Horst Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Stand März 2005, § 46 SGB V RdNr 33 mwN).
[21] Der erkennende Senat hat aber in seiner Rechtsprechung bisher ausdrücklich die Frage offen gelassen, ob der angeführten Judikatur des 3. Senats vom 12. November 1985, welcher inzwischen für Ansprüche auf Krg aus der gesetzlichen Krankenversicherung geschäftsplanmäßig nicht mehr zuständig ist, für die dort entschiedenen Fallkonstellationen beizutreten ist (vgl Senat, BSGE 85, 271, 277 = SozR 3—2500 § 49 Nr 4 S 17). Er hat darauf verwiesen, Bedenken könnten sich daraus ergeben, dass das Urteil des 3. Senats dem Versicherten (in Abkehr von der sonstigen Linie der Rechtsprechung) das Risiko des Rechtsverlustes durch verspätete Vorlage der Arbeitsunfähigkeits-Meldung selbst dann aufbürdet, wenn die Gründe für das Unterbleiben oder die Verzögerung der Meldung im Verantwortungsbereich der Krankenkasse zu suchen sind. Diese Frage ist nunmehr abweichend von der Auffassung des 3. Senats zu entscheiden.
[22] c) Hat der Versicherte – wie hier der Kläger – (1.) alles in seiner Macht Stehende und ihm Zumutbare getan, um seine Ansprüche zu wahren, wurde er (2.) daran aber durch eine von der Krankenkasse zu vertretende Fehlentscheidung gehindert (zB durch die Fehlbeurteilung der Arbeitsunfähigkeit des Vertragsarztes und des MDK), und macht er (3.) – zusätzlich – seine Rechte bei der Kasse unverzüglich (spätestens innerhalb der zeitlichen Grenzen des § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V) nach Erlangung der Kenntnis von dem Fehler geltend, kann er sich auf den Mangel auch zu einem späteren Zeitpunkt berufen. Unter diesen engen Voraussetzungen kann die Unrichtigkeit der ärztlichen Beurteilung ggf auch durch die nachträgliche Einschätzung eines anderen ärztlichen Gutachters nachgewiesen werden und der Versicherte ausnahmsweise rückwirkend Krg beanspruchen.
[23] Ausgangspunkt der Verteilung von Obliegenheiten und Risiken zwischen dem Versicherten und dem Versicherungsträger ist, dass der kraft des Mitgliedschaftsverhältnisses hierzu berechtigte Versicherte einen zur Diagnostik und Behandlung befugten Arzt aufzusuchen und seine Beschwerden zu schildern hat, um die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit als Voraussetzung des Anspruchs auf Krg zu erreichen (§ 46 Satz 1 Nr 2 SGB V; BSGE 54, 62, 65 = SozR 2200 § 182 Nr 84 S 167 f; Senat, BSGE 85, 271, 276 f = SozR 3—2500 § 49 Nr 4 S 16; Senat, BSGE 90, 72, 83 = SozR 3—2500 § 44 Nr 10 S 42). Das Erfordernis ärztlicher Feststellung der geltend gemachten Arbeitsunfähigkeit sichert zugleich, dass die Beurteilung auf der allein sachgerechten Grundlage der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft in Kenntnis der konkreten Tätigkeit des Versicherten erfolgt, da bei generalisierender Betrachtung davon auszugehen ist, dass ärztliche Beurteilungen diesen Anforderungen entsprechen. Das beruht insbesondere auf dem staatlich im Einzelnen geregelten Ausbildungsweg für Ärzte, ihrer Fortbildungsverpflichtung und den vielfachen Kontrollen hinsichtlich Qualität und Wirtschaftlichkeit ihrer Leistungserbringung (vgl im Zusammenhang mit dem sog Arztvorbehalt gemäß § 15 Abs 1 SGB V: BSGE 72, 227, 232 f = SozR 3—2500 § 15 Nr 2 S 17). Ggf hat sich der Versicherte zusätzlich auf Anforderung dem MDK zur Untersuchung zur Verfügung zu stellen und ihm die erforderlichen Angaben über seine Beschwerden und seine Tätigkeit zu machen, um eine Überprüfung zu ermöglichen (vgl § 275 Abs 1 und Abs 1a SGB V).
[24] Die Mitwirkungsobliegenheit des Versicherten ist aber auf das ihm Zumutbare beschränkt. Entgegen der Auffassung des LSG ist dem Versicherten dann, wenn der behandelnde Vertragsarzt und der MDK Arbeitsunfähigkeit ablehnen, nicht anzusinnen, sich unter Berufung auf den Grundsatz freier Arztwahl (§ 76 Abs 1 SGB V) unter Vorlage der Krankenversicherungskarte (§ 15 Abs 2 SGB V) so lange um (vertrags) ärztliche Diagnostik zu bemühen, bis ihm (endlich) ein Arzt bescheinigt, er sei arbeitsunfähig. Sowohl nach den allgemeinen Grundsätzen der Mitwirkung des Leistungsberechtigten (vgl §§ 60 ff Erstes Buch Sozialgesetzbuch [SGB I]) als auch nach den speziellen Grundsätzen des SGB V ist die Mitwirkungsobliegenheit des Versicherten auf das ihm Zumutbare (vgl insbesondere § 65 Abs 1 Nr 1 und 2 SGB I) beschränkt. Der Versicherte darf sich regelmäßig auf die institutionell abgesicherte Qualität der vertragsärztlichen Diagnostik verlassen, solange dem nichts entgegensteht. Hat der Arzt dem Versicherten für eine bestimmte Zeit Arbeitsunfähigkeit attestiert und gewährt die Krankenkasse auf Grund einer solchen Bescheinigung Krg, kann der Versicherte deshalb davon ausgehen, dass er für diese Zeit Anspruch auf Krg hat, soweit die Krankenkasse ihm gegenüber nichts anderes zum Ausdruck bringt (vgl ua Senat, BSGE 70, 31, 32 = SozR 3—2500 § 48 Nr 1 S 2; Senat, SozR 4—2500 § 44 Nr 2 S 6; Senat, Urteil vom 22. März 2005 – B 1 KR 22/04 R – unter II 3e). Zudem haben auch Versicherte darauf zu achten, dass die Leistungen wirksam und wirtschaftlich erbracht und nur in notwendigem Umfang in Anspruch genommen werden (§ 2 Abs 4 SGB V). Eine Ausdehnung dieser Obliegenheiten dahin, bis zum Erhalt einer nach eigener Einschätzung richtigerweise auszustellenden ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung neue Ärzte aufsuchen zu müssen, würde schließlich das Vertrauen zu den an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden und sonst in das Leistungssystem einbezogenen Ärzten untergraben und zudem einem nicht erwünschten sog "Arzt-Hopping" zur Ausstellung bloßer "Wunschbescheinigungen" Vorschub leisten. Aus der überlegenen, institutionell einbezogenen Fachkompetenz des (Vertrags-) Arztes und des MDK gegenüber dem Versicherten folgt zugleich, dass es für die Risikoverteilung zwischen Versichertem und Krankenkasse grundsätzlich keine entscheidende Rolle spielen darf, welche Wünsche und Anregungen der Versicherte geäußert hat, solange er nur – im Rahmen seiner Mitwirkungsobliegenheit – die Untersuchung und Beurteilung der Voraussetzungen von Arbeitsunfähigkeit ermöglicht.
[25] Die objektive Fehlbeurteilung eines an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Arztes und des MDK fallen in den Verantwortungsbereich der Krankenkasse. Zwar hat der Arzt nicht an Stelle der Krankenkasse oder als deren Vertreter über das rechtliche Bestehen von Leistungsansprüchen – hier: von Ansprüchen auf Krg – zu befinden oder gar hierüber Verwaltungsakte zu erlassen (vgl generell Senat, BSGE 82, 158, 161 = SozR 3—2500 § 39 Nr 5 S 26 f). Der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Arzt ist aber berechtigt, innerhalb des vom Gesetz vorgegebenen Rahmens den Behandlungsanspruch des Versicherten in fachlich-medizinischer Hinsicht zu konkretisieren und damit festzulegen, für welche konkreten diagnostischen und/oder therapeutischen Maßnahmen die Krankenkasse aufzukommen hat. Er muss sich dabei indessen in dem vom geltenden Recht gezogenen Rahmen halten und ist nicht befugt, zu Lasten der Krankenkasse Rechtsentscheidungen über das Bestehen von Leistungsansprüchen zu treffen (vgl Senat, BSGE 89, 34, 39 = SozR 3—2500 § 18 Nr 8 S 34 mwN). Dem entspricht es, dass der Senat dem Attest mit der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit lediglich die Bedeutung einer gutachtlichen Stellungnahme beimisst, welche die Grundlage für den über den Krg-Bezug zu erteilenden Verwaltungsakt der Krankenkasse bildet, ohne dass Krankenkasse und Gerichte an den Inhalt der ärztlichen Bescheinigung gebunden sind (vgl Senat SozR 3—2200 § 182 Nr 12 S 53 f mwN; Senat, Beschluss vom 31. März 1998, B 1 KR 56/96 B, Juris Nr KSRE 071420518; Senat, Urteil vom 8. November 2005, B 1 KR 18/04 R). Aus den Regelungen in § 46 Satz 1 Nr 2 und § 275 SGB V folgt, dass die Krankenkasse die ärztliche Feststellung über das Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit überprüft, ohne daran gebunden zu sein. Nur im Ausnahmefall kann durch rechtswidriges Verhalten des Arztes unter Umständen ein Vertrauenstatbestand geschaffen werden, etwa wenn – worum es hier nicht geht – der Arzt dem Versicherten den Eindruck vermittelt, eine von ihm durchgeführte oder veranlasste, objektiv ungerechtfertigte Behandlung werde im Rahmen des Sachleistungssystems der gesetzlichen Krankenversicherung kostenfrei erbracht. Die Krankenkasse muss dann die Leistung als Sachleistung gegen sich gelten lassen und sich wegen der entstandenen Aufwendungen mit dem pflichtwidrig handelndem Leistungserbringer auseinander setzen (vgl dazu Senatsurteile BSGE 78, 154, 156 = SozR 3—2500 § 39 Nr 3 S 8 f; SozR 3—2500 § 30 Nr 8 S 32 f; BSGE 89, 34, 39 = SozR 3—2500 § 18 Nr 8 S 34 mwN).
[26] Auch wenn sich danach nicht ohne Weiteres ergibt, dass die Krankenkasse verantwortlich für die Einschätzung der Arbeitsunfähigkeit durch den Vertragsarzt und den MDK ist, so kann doch nicht außer Betracht bleiben, dass sich die Krankenkassen im Rahmen des Sachleistungssystems der gesetzlichen Krankenversicherung zur Erfüllung der Ansprüche der Versicherten, zur Konkretisierung ihrer Behandlungsansprüche (vgl § 2 Abs 2 SGB V) sowie zur Feststellung, ob die Voraussetzungen von Arbeitsunfähigkeit erfüllt sind, zugelassener Leistungserbringer bedienen, auch wenn die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit nicht notwendig durch einen zugelassenen Leistungserbringer erfolgt sein muss (vgl zB zu Bescheinigungen ausländischer Ärzte Senat, SozR 3—2200 § 182 Nr 13 S 54 mwN). Einzubeziehen ist in die rechtliche Bewertung ebenfalls, dass Vertragsarzt und MDK nach dem Leistungserbringerrecht den Krankenkassen die Grundlagen dafür schaffen, über Eintritt und Fortdauer von Arbeitsunfähigkeit entscheiden zu können. Nach § 62 Abs 3 Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä vom 19. Dezember 1994, DÄBl 1995 A-455) und § 19 Abs 3 BMV-Ärzte-/Ersatzkassen (EKV-Ä, DÄBl 1994 A-1465) ist das Gutachten des MDK zur Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit vorbehaltlich der (nachfolgenden) Bestimmung in Abs 4 verbindlich. Abs 4 der genannten Mantelvertragsnormen regelt, dass der behandelnde Arzt unter Darlegung seiner Gründe bei der Krankenkasse ein Zweitgutachten beantragen kann, wenn zwischen ihm und dem MDK Meinungsverschiedenheiten über das Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit uÄ bestehen, über die der MDK eine Stellungnahme abgegeben hat. Kann die Krankenkasse diese Meinungsverschiedenheiten nicht ausräumen, soll der MDK mit dem Zweitgutachten einen Arzt des Gebiets beauftragen, in das die verordnete Leistung oder die Behandlung der vorliegenden Erkrankung fällt. Damit geht das Recht der Leistungserbringer ebenfalls davon aus, dass MDK und Vertragsarzt im Rahmen des aufgezeigten Verfahrens die erforderlichen Beurteilungen für die Krankenkasse erstellen, um über das Bestehen oder die Fortdauer von Arbeitsunfähigkeit zu entscheiden. Daraus folgt aber, dass MDK und an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmender Arzt im Verantwortungsbereich der Krankenkasse in die Feststellung der Grundlagen für die Entscheidung über die Arbeitsunfähigkeit einbezogen sind.
[27] Unterlaufen dem behandelnden Vertragsarzt und dem MDK im Rahmen der Beurteilung der medizinischen Voraussetzungen der Arbeitsunfähigkeit – auch ohne ein Verschulden – objektive Fehler zu Lasten des Versicherten, die erst zu einem späteren Zeitpunkt deutlich werden (zB weil die diagnostischen Erkenntnisse Dritter ihnen erst später zugänglich geworden sind), so muss es zum Schutz des Vertrauens des Versicherten im Rahmen des Systems möglich sein, diese Fehler auch noch nachträglich zu beheben. Liegen zu einem späteren Zeitpunkt Erkenntnisse vor, die die ursprüngliche (eigene) Fehleinschätzung des behandelnden Arztes – und ggf des MDK – offenbar werden lassen, sind diese Ärzte verpflichtet, den Versicherten hierüber prompt und umfassend so zu informieren, dass er auf eine nachträgliche Korrektur der Entscheidung der Krankenkasse hinwirken kann.
[28] Der Ausnahmecharakter des Rechts, eine nachträgliche Korrektur der einmal getroffenen Entscheidung über die Arbeitsunfähigkeit herbeizuführen, bedingt indessen, dass dies nur unter Einschränkungen in Betracht kommen kann: Der Versicherte muss unverzüglich nach Kenntnisnahme die Fehlbeurteilung der Arbeitsunfähigkeit seiner Krankenkasse melden, um sich sein Recht auf nachträgliche Zuerkennung der Ansprüche wegen zurückliegender Arbeitsunfähigkeit zu erhalten. Andernfalls beruht die Verzögerung der Arbeitsunfähigkeitsmeldung nicht mehr wesentlich auf einem Fehler, der dem Verantwortungsbereich der Krankenkasse zuzurechnen ist. § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V gibt auch insoweit den äußersten zeitlichen Rahmen vor, der dem Versicherten bei nachträglicher Meldung der Arbeitsunfähigkeit verbleibt. Die nachträgliche Meldung muss demnach spätestens innerhalb einer Woche nach Kenntniserlangung des Versicherten erfolgen. Das entspricht – auch in diesem Ausnahmefall nachträglicher Information – regelmäßig den bereits aufgezeigten Zielen des § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V, der Krankenkasse die Möglichkeit zu erhalten, die Arbeitsunfähigkeit zeitnah durch den MDK überprüfen zu lassen, um ggf Maßnahmen zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit einleiten zu können und Leistungsmissbräuchen entgegenzutreten. Besonders deutlich wird dies, wenn die Information über die Fehlbeurteilung der Arbeitsunfähigkeit noch während eines erneuten Zeitraums erfolgt, der sich mit dem beanspruchten Krg-Bezug auf Grund des ursprünglichen Versicherungsfalls überschneidet. In diesem Fall kann der rückblickend abweichenden Beurteilung des Krankheitszustands eine Erkenntnis zu Grunde liegen, die auch für die gegenwärtige Entscheidung über Maßnahmen zur Wiederherstellung der Arbeitsunfähigkeit bedeutsam ist. Zudem darf die Möglichkeit nachträglicher Korrektur der Arbeitsunfähigkeitsbeurteilung nicht dazu führen, dem Versicherten Dispositionsmöglichkeiten über den Zeitpunkt ihrer Meldung einzuräumen mit der Folge, dass er unter Berücksichtigung der beschränkten Dauer des Krg (§ 48 SGB V) durch verzögerte Geltendmachung seiner Rechte den Gesamtzeitraum des Krg-Bezugs in einer gesetzlich nicht vorgesehenen Weise verlängern könnte. Diesem Erfordernis ist aber auch dann Rechnung zu tragen, wenn die spätere Kenntniserlangung von Fehlern bei der Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit zu einem Zeitpunkt erfolgt, in dem (noch) keine neue Arbeitsunfähigkeit eingetreten ist.
[29] Der weitere Zweck des § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V, die Krankenkasse davon freizustellen, die Voraussetzungen eines verspätet angemeldeten Anspruchs im Nachhinein aufklären zu müssen, kann allerdings bei ausnahmsweiser nachträglicher Meldung einer Fehlbeurteilung der Arbeitsfähigkeit nicht mehr in vollem Umfang verwirklicht werden. Daher setzen solche atypischen Ansprüche voraus, dass ein Fehler im Verantwortungsbereich der Krankenkasse zu Grunde liegt. Der Ausnahmefall nachträglicher Ermittlungsnotwendigkeit ist jedoch eng zu begrenzen. So wird nicht schon jegliches Vorbringen Anlass zu Ermittlungen der Krankenkasse geben. Die "ins Blaue hinein" aufgestellte Behauptung, die frühere ärztliche Beurteilung sei unzutreffend, dass Arbeitsfähigkeit eingetreten sei, drängt mit Blick auf die bereits vorliegende (n) abweichende (n) ärztliche (n) Beurteilung (en) regelmäßig nicht zu weiterer Aufklärung. Nachträgliche ärztliche Bescheinigungen, die ohne präzise Kenntnisse der Befundlage im Zeitpunkt der ursprünglichen ärztlichen Beurteilung ausgestellt worden sind, werden sich häufig schon im Rahmen der Beweiswürdigung als faktisch wertlos erweisen. Die Befundlage im relevanten Ursprungszeitpunkt ist regelmäßig deshalb im Nachhinein noch eine gewisse Zeit nachzuvollziehen, weil ein Arzt regelmäßig zur Dokumentation seiner Befunde verpflichtet ist. Ist aber die frühere Befundlage nicht mehr feststellbar, dh lässt sich der Zustand des Versicherten im Zeitpunkt der als fehlerhaft angegriffenen ärztlichen Feststellung seiner Arbeitsfähigkeit nach Erschöpfung der gebotenen Aufklärungsmöglichkeiten und Beweiswürdigung nicht mehr aufklären, trägt der Versicherte das Risiko der Nichterweislichkeit der tatsächlichen Voraussetzungen seiner Arbeitsunfähigkeit nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast. Schließlich kommt eine nachträgliche Korrektur der Entscheidung über Rechte wegen Arbeitsunfähigkeit ohnehin nur in den zeitlichen Grenzen des § 44 Abs 4 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) in Betracht. Die Grenze des § 44 Abs 4 SGB X begründet im Übrigen auch einen wesentlichen Unterschied zur Entscheidung des 3. Senats vom 12. November 1985 (SozR 2200 § 216 Nr 8). In jenem Fall machte der Kläger im März 1982 geltend, er habe einen Krg-Anspruch für die Zeit vom 9. April 1976 bis zum 19. Januar 1977. Schon aus Gründen der eingeschränkten Rückwirkung wäre ein solches Begehren nach heutigem Recht ausgeschlossen.
[30] d) Die aufgezeigte rechtlich gebotene Möglichkeit zur nachträglichen Korrektur objektiver Fehlbeurteilungen von Vertragsarzt und MDK unterscheidet sich grundlegend von ähnlichen, aber anders zu beurteilenden Fällen. So kann für den Versicherten von vornherein eine Vertrauensbasis fehlen, weil ihm auf Grund unterschiedlicher Beurteilungen der Arbeitsunfähigkeit durch den Vertragsarzt und den MDK jedenfalls klar sein muss, dass der Eintritt oder die Fortdauer seiner Arbeitsunfähigkeit als eine Voraussetzung des Anspruchs auf Krg umstritten ist und dass er dann, wenn er einen Rechtsstreit anstrengt, das Risiko der Nichterweislichkeit dieser Anspruchsvoraussetzungen im Sinne der objektiven Beweislast zu tragen hat (vgl zu einer solchen Konstellation Senat, Urteil vom 8. November 2005, B 1 KR 18/04 R; Senat, SozR 3—2200 § 182 Nr 12 S 54 mwN; zu den Grundsätzen der Beweislastverteilung vgl auch BSGE 71, 256, 258 ff = SozR 3—4100 § 119 Nr 7 mwN; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/ders, SGG, 8. Aufl 2005, § 103 RdNr 19 ff; Hauck in Zeihe, SGG, Stand 1. Mai 2005, Vor § 103 Anm 3 mwN). Weil die abweichende Beurteilung durch den MDK das Vertrauensverhältnis zwischen Versichertem und Vertragsarzt belasten kann, sehen § 275 Abs 1 Nr 3 und Abs 1a SGB V einschränkende Voraussetzungen für die Einschaltung des MDK vor. § 62 Abs 4 Satz 1 BMV-Ä und § 19 Abs 4 Satz 1 EKV-Ä eröffnen – wie dargelegt – zudem dem Vertragsarzt die Möglichkeit, unter Darlegung seiner Gründe ein Zweitgutachten zu beantragen. Dieses Recht wird dem Versicherten dort allerdings nicht zuerkannt. Ihm verbleibt es, im Verwaltungs- und ggf Gerichtsverfahren auf die Amtsermittlungspflicht zu verweisen (vgl § 20 Abs 1 SGB X und hierzu von Wulffen in: ders, SGB X, 5. Aufl 2005, § 20 RdNr 3 f; § 103 Sozialgerichtsgesetz [SGG] und hierzu Leitherer, aaO, SGG, § 103 RdNr 1 ff; Hauck in Zeihe, SGG, Vor § 103 Anm 1 mwN). Während mithin aus divergierenden Beurteilungen der Arbeitsfähigkeit durch Vertragsarzt einerseits und MDK andererseits kein Vertrauen des Versicherten erwachsen kann, darf der Versicherte, der sich zu Vertragsarzt und – ggf nach Aufforderung – zum MDK begeben hat, dort seine Krankheitssymptome und seine Arbeitssituation umfassend und zutreffend geschildert und damit die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit ermöglicht hat, der übereinstimmenden Beurteilungen von Vertragsarzt und MDK vertrauen.
[31] e) Im Falle des Klägers sind bei Anwendung der dargelegten Grundsätze die Voraussetzungen dafür, nachträglich die fehlerhafte Beurteilung der Arbeitsfähigkeit geltend zu machen, erfüllt. Er hat sich nicht nur am 10. März 1999 dem MDK zur Untersuchung vorgestellt, sondern auch am 12. März und in der Folgezeit einschließlich 1. April den Vertragsarzt Dr. A. aufgesucht, um die ärztliche Feststellung seiner fortdauernden Arbeitsunfähigkeit zu ermöglichen. An der Wahrung seiner Ansprüche auf weitere Zahlung von Krg ist der Kläger dann durch von der beklagten Krankenkasse zu vertretende Fehlentscheidungen gehindert worden. Sowohl die Einschätzung des MDK als auch des Vertragsarztes Dr. A. hat sich im Nachhinein als objektiv unrichtig erwiesen, weil der Kläger durchgehend seit dem 31. August 1998 bis zum 28. Februar 2000 arbeitsunfähig gewesen ist. Das haben die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat in Einklang mit der erstinstanzlichen Beweisaufnahme unstreitig gestellt (zu dieser Möglichkeit vgl Meyer-Ladewig, aaO, § 163 SGG RdNr 5b mwN). Der Kläger hat schließlich auch seine Rechte bei der Beklagten unverzüglich geltend gemacht, als er durch das Attest von Dr. A. vom 16. August 1999 von der objektiven Fehlbeurteilung seiner Arbeitsunfähigkeit erfahren hat. Er hat sich umgehend – am folgenden Tag – und damit innerhalb der zeitlichen Grenzen des § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V nach Kenntnisnahme von dem Beurteilungsfehler schriftlich an die Beklagte gewandt und durchgehende Krg-Zahlung im Anschluss an den Herzinfarkt vom 31. August 1998 beansprucht.
[32] 2. Die Voraussetzungen für den Anspruch auf Zahlung von Krg sind auch für den 30. Mai 1999 erfüllt. Der Kläger ist nach den aufgezeigten Grundsätzen durchgehend vom 31. August 1998 bis 28. Februar 2000 arbeitsunfähig gewesen. Die Beklagte muss sich – wie dargelegt – so behandeln lassen, als seien ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit und Meldung der Arbeitsunfähigkeit jeweils rechtzeitig erfolgt, sodass auch das Mitgliedschaftsverhältnis des Klägers erhalten blieb (§ 192 Abs 1 Nr 2 SGB V).
[33] Die Beklagte kann sich insoweit nicht mit Erfolg darauf berufen, der Krg-Anspruch habe nach § 49 Abs 1 Nr 3a SGB V (idF durch Art 4 Nr 2 Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz [UVEG] vom 7. August 1996, BGBl I 1254) geruht, wie es das LSG bezogen auf den 30. Mai 1999 ausgeführt hat. Zu einem Ruhen nach § 49 Abs 1 Nr 3a SGB V ist es nicht gekommen, da die Arbeitsunfähigkeit bereits vor dem Bezug von Alg eingetreten ist, nämlich – wie dargelegt – ununterbrochen seit dem 31. August 1998.
[34] Nach § 49 Abs 1 Nr 3a SGB V ruht der Anspruch auf Krg, solange Versicherte ua Alg beziehen. Wie der Senat (BSG SozR 3—2500 § 44 Nr 9 S 28; Urteil vom 22. März 2005 – B 1 KR 22/04 R -) bereits entschieden hat, ist das Konkurrenzverhältnis zwischen § 142 Abs 1 Nr 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (= Ruhen des Alg-Anspruchs während des Bezugs von Krg; SGB III, idF durch Art 1 Arbeitsförderungs-Reformgesetz vom 24. März 1997, BGBl I 594) und § 49 Abs 1 Nr 3a SGB V (= Ruhen des Krg-Anspruchs bei Alg-Bezug) dahin aufzulösen, dass das in § 49 Abs 1 Nr 3a SGB V angeordnete Ruhen des Krg-Anspruchs nur das Ruhen für den Zeitraum betrifft, in dem Alg während der ersten sechs Wochen gemäß § 126 SGB III fortzuzahlen ist. Im Übrigen kommt die Ruhensregelung des § 142 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB III, die dem früheren § 118 Abs 2 Arbeitsförderungsgesetz entspricht, zum Tragen (ebenso 11. Senat, BSGE 93, 59, 62 = SozR 4—4300 § 125 Nr 1 S 4 mwN).
[35] Da bezüglich des erbrachten Alg ein Erstattungsanspruch der Arbeitsverwaltung gegen die Beklagte besteht, gilt der Anspruch des Klägers gegen die zur Leistung verpflichtete Beklagte in Höhe des Alg als erfüllt (§ 107 SGB X). Ihm steht aber für die Zeit des Alg-Bezugs noch der Differenzbetrag zwischen dem Alg und dem höheren Krg zu.
[36] 3. Der Kläger hat auch Anspruch darauf, dass die Beklagte ihren Bescheid vom 31. Mai 1999 nach § 44 Abs 1 SGB X insoweit zurücknimmt, als die Höhe des Krg für den Zeitraum vom 31. Mai 1999 bis zum 4. Oktober 1999 sowie vom 3. November 1999 bis zum 28. Februar 2000 nicht nach dem letzten abgerechneten Arbeitsentgelt von Juli 1998 bemessen worden ist, und dass die Beklagte ihm die Differenz zu dem zu wenig gezahlten Krg nachzahlt. § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X bestimmt: Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht … worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nach dem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Nach § 44 Abs 4 Satz 1 SGB X werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht, wenn ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden ist.
[37] Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Insbesondere ist die Anwendung des § 44 SGB X nicht durch spezielle Regelungen über das Krg ausgeschlossen (vgl dagegen zu § 47a Abs 2 Satz 2 SGB V Senat, BSGE 91, 39, 45 f = SozR 4—1500 § 67 Nr 1 S 7 f). Für die Berechnung des Krg hat die Beklagte – ausgehend von einer Neuerkrankung nach Alg-Bezug ab 2. April 1999 – § 47b SGB V zugrundegelegt, während sie tatsächlich von einem seit dem 31. August 1998 durchgehenden Anspruch auf Krg bis zum 28. Februar 2000 hätte ausgehen müssen. Der die Mitgliedschaft erhaltende Anspruch auf Krg hat auch in der Zeit vom 5. Oktober 1999 bis zum 2. November 1999 fortbestanden, in dem der Kläger Übergangsgeld bezogen hat. Dieses hat im Rahmen des § 49 Abs 1 Nr 3 SGB V den Krg-Anspruch zwar zum Ruhen gebracht. Dem Erhalt der Mitgliedschaft steht dies gemäß § 192 Abs 1 Nr 2 SGB V indes nicht entgegen. Die verspätete ärztliche Feststellung auf Grund der objektiv fehlerhaften Annahme des Wiedereintritts von Arbeitsfähigkeit am 15. März 1999 und ab 2. April 1999 darf die Beklagte dem Kläger ebenso wenig wie die auf diesem Fehler beruhende verspätete Meldung der Arbeitsunfähigkeit entgegenhalten.
[38] 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.