Bundesgerichtshof
Gemeinschaftsmarkenverordnung Art. 9 Abs. 1 Satz 2 lit. b
a) Es besteht kein Erfahrungssatz dahingehend, dass der Gesamteindruck einer aus einer Form, einer Farbe, Wort- und Bildbestandteilen sowie sonstigen Ausstattungselementen zusammengesetzten dreidimensionalen Marke unabhängig von der konkreten Anordnung und Gestaltung dieser Elemente regelmäßig durch den Wortbestandteil bestimmt wird.
b) Form und Farbe einer derart zusammengesetzten Marke kann bei einer (durch Benutzung) gesteigerten Kennzeichnungskraft eine den Gesamteindruck (mit) bestimmende Bedeutung zukommen.
BGH, Urteil vom 26. 10. 2006 – I ZR 37/04 – Goldhase; OLG Frankfurt a. M. (lexetius.com/2006,3213)
[1] Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 26. Oktober 2006 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und die Richter Pokrant, Dr. Büscher, Dr. Schaffert und Dr. Bergmann für Recht erkannt:
[2] Auf die Revision der Klägerinnen wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 29. Januar 2004 aufgehoben.
[3] Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
[4] Tatbestand: Die Klägerin zu 1 ist ein schweizerisches Unternehmen, das hochwertige Schokoladenerzeugnisse und Süßwaren herstellt und vertreibt, darunter auch Schokoladenhasen. Herstellung und Vertrieb in Deutschland erfolgen über ein Tochterunternehmen, die Klägerin zu 2.
[5] Die Klägerin zu 1 ist Inhaberin der am 8. Juni 2000 angemeldeten und am 6. Juli 2001 für Schokolade und Schokoladenwaren eingetragenen dreidimensionalen Gemeinschaftsmarke Nr. 1698885. Als Wiedergabe der Marke sind beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt folgende in den Farben gold, rot und braun gehaltene Abbildungen hinterlegt:
[6] Die Beklagte stellt ebenfalls Schokoladenhasen her und vertreibt diese.
[7] Mit der Klage wenden sich die Klägerinnen gegen einen von der Beklagten hergestellten und vertriebenen Schokoladenhasen, wie er Gegenstand der Abbildung im Klageantrag zu 1 ist. Die Klägerin zu 1 hat die Klägerin zu 2 ermächtigt, im eigenen Namen gemeinsam mit der Klägerin zu 1 aus deren Marke vorzugehen.
[8] Die Klägerinnen haben – soweit für die Revisionsinstanz noch von Bedeutung – beantragt, 1. die Beklagte unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr Schokoladenhasen gemäß der nachstehend wiedergegebenen Abbildung anzubieten, zu vertreiben, zu bewerben oder sonstig in den Verkehr zu bringen; 2. die Beklagte zu verurteilen, den Klägerinnen Auskunft darüber zu erteilen, in welchem Umfang sie den abgebildeten Schokoladenhasen vertrieben hat; dies unter Angabe genauer Umsatzzahlen und der gewerblichen Abnehmer sowie Auskunft darüber zu erteilen, in welchem Umfang sie für den abgebildeten Schokoladenhasen Werbung betrieben hat; 3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Klägerinnen allen Schaden zu ersetzen, der diesen durch Handlungen gemäß Nr. 1 entstanden ist oder noch entstehen wird.
[9] Die Beklagte ist der Klage entgegen getreten. Sie vertritt die Auffassung, dass der auf der Klagemarke enthaltene deutlich sichtbare Schriftzug "Lindt GOLDHASE" sowie das rote Halsband mit Schleife und Glöckchen die Gefahr der Verwechslung mit der angegriffenen Ausführungsform ausschlössen.
[10] Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
[11] Die Berufung der Klägerinnen ist erfolglos geblieben (OLG Frankfurt a. M. GRUR-RR 2004, 136 = WRP 2004, 638).
[12] Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgen die Klägerinnen ihr Klagebegehren weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
[13] Entscheidungsgründe: I. Das Berufungsgericht hat einen Anspruch der Klägerinnen gemäß Art. 9 Abs. 1 Satz 2 lit. b GMV mangels Bestehens einer Verwechslungsgefahr verneint. Zur Begründung hat es ausgeführt:
[14] Zwar bestehe Warenidentität und komme der Klagemarke auch eine gesteigerte Kennzeichnungskraft zu. Der Schutz der Klagemarke müsse dabei an der Kennzeichnung festmachen, wie sie eingetragen sei, d. h. als Warenform mit weiteren Ausstattungsmerkmalen wie dem roten Halsband mit Schleife und Glöckchen sowie dem Wort-/Bildzeichen "Lindt GOLDHASE". Von dieser Kombinationswirkung sei auch bei der Beurteilung der Markenähnlichkeit auszugehen, bei der auf den jeweiligen Gesamteindruck der sich gegenüberstehenden Zeichen abzustellen sei. Es sei bei dreidimensionalen Marken, nicht anders als bei Wort-/Bildzeichen, von dem Erfahrungssatz auszugehen, dass sich der Verkehr bei solchen Bezeichnungen eher am Wort- als am Bildbestandteil orientiere, wenn das Bildelement keine ins Gewicht fallende graphische Gestaltung aufweise. Dieser Erfahrungssatz gelte auch hier, da der Waren- bzw. Verpackungsform der Klagemarke jedenfalls keine derart prägende Bedeutung zukomme, dass der Verkehr den übrigen Gestaltungsmitteln und vor allem der Wort-Kennzeichnung keine herkunftshinweisende Funktion beimesse. Es handele sich um die Form eines sitzenden Hasen, die für Osterhasen aus Schokolade zwar nicht allein üblich, aber typisch sei. Der Verkehr nehme diese Form zunächst nur als ästhetische Gestaltung einer aus Anlass des Osterfestes traditionell vertriebenen Schokoladenware wahr, ohne daraus auf deren Herkunft zu schließen.
[15] Nichts anderes ergebe sich aus dem von den Klägerinnen vorgelegten Gutachten der GfK Marktforschung vom Mai 2003. Zwar hätten 65 % der befragten Konsumenten von Schokolade die Frage, ob der ihnen gezeigte Hase einem bestimmten Unternehmen zuzuordnen sei, bejaht und 58 % der Befragten die Frage, ob sie den Namen dieses Unternehmens nennen könnten, zutreffend mit "Lindt" beantwortet. Daraus könne jedoch nicht geschlossen werden, dass die Gestalt des Schokoladenhasen für 58 % der Befragten eine Herkunftsfunktion besitze dergestalt, dass seine bloße Gestalt ihnen die Unterscheidung des Produkts der Klägerinnen von Schokoladenhasen anderer betrieblicher Herkunft ermöglichte. Gerade wegen der Bekanntheit des Produkts "Lindt Goldhase" liege es nicht fern, dass ein erheblicher Teil dieser 58 % der Befragten mit "Lindt" geantwortet habe, weil ihm dieses Unternehmen als Produzent derartiger Osterhasen aus Schokolade als erstes eingefallen sei, er jedoch nicht in der Lage wäre, in bloße Goldfolie eingewickelte Schokoladenhasen anderer Unternehmen als nicht aus dem Hause der Klägerinnen stammend zu erkennen.
[16] Dahinstehen könne, ob möglicherweise ein gewisser Teil der Befragten zu dieser Abgrenzung in der Lage wäre, da eine gewisse herkunftshinweisende Funktion der reinen Form des "Lindt-Goldhasen" zu Gunsten der Klägerinnen unterstellt werden könne. Diese Funktion bleibe jedenfalls hinter dem Wortbestandteil "Lindt GOLDHASE" wie auch gegenüber dem weiteren Gestaltungselement des roten Halsbandes mit Schleife und Glöckchen zurück. Das letztere Gestaltungselement weise auch deshalb eine nicht völlig unbedeutende herkunftshinweisende Funktion auf, weil es in der Werbung der Klägerinnen als Qualitäts- und Erkennungsmerkmal besonders herausgestellt werde.
[17] Im Hinblick darauf, dass die Klagemarke in erster Linie durch den Wortbestandteil "Lindt GOLDHASE" und in zweiter Linie durch das rote Halsband mit Schleife und Glöckchen geprägt werde, bestehe keine Ähnlichkeit mit der angegriffenen Form. Dieser ebenfalls in Goldfolie eingewickelte Schokoladen-Osterhase zeichne sich zunächst dadurch aus, dass sich an der Seite vor einem weißen und damit hervorgehobenen Hintergrund eingerahmt die Wörter "RIEGELEIN CONFISERIE" befänden. Außerdem trage dieser Schokoladenhase kein rotes Band mit einem Glöckchen; stattdessen sei an der Seite eine bräunlich-rötliche Schleife aufgedruckt. Damit bestehe ein so großer Abstand zu den maßgeblich herkunftshinweisenden Elementen der Klagemarke, dass eine Verwechslungsgefahr ausgeschlossen sei.
[18] Da die Beklagte die Markenrechte der Klägerinnen nicht verletze, könnten auch die Schadensersatzfeststellungsklage und die zur Vorbereitung der Bezifferung eines Schadensersatzes geltend gemachten Auskunftsansprüche keinen Erfolg haben.
[19] II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision führen zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Nach den bislang getroffenen Feststellungen können die auf Verwechslungsgefahr gestützten Klageansprüche nach Art. 9 Abs. 1 Satz 2 lit. b, Abs. 2 lit. a, Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GMV i. V. mit § 14 Abs. 5 und 6 MarkenG nicht verneint werden.
[20] 1. Das Bestehen von Verwechslungsgefahr i. S. von Art. 9 Abs. 1 Satz 2 lit. b GMV ist unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des konkreten Falles umfassend zu beurteilen. Nach der siebten Begründungserwägung der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 30. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. Nr. L 11 vom 14. 1. 1994, S. 1) hängt das Vorliegen von Verwechslungsgefahr insbesondere von dem Bekanntheitsgrad der Marke auf dem Markt, der gedanklichen Verbindung, die das benutzte oder eingetragene Zeichen zu ihr hervorrufen kann, sowie dem Grad der Ähnlichkeit zwischen der Marke und dem Zeichen und zwischen den damit gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen ab (vgl. EuGH, Urt. v. 12. 1. 2006 – C-361/04 P, GRUR 2006, 237 Tz. 18 – PICASSO/PICARO; Urt. v. 23. 3. 2006 – C-206/04 P, GRUR 2006, 413 Tz. 17/18 – ZIRH; BGH, Urt. v. 7. 10. 2004 – I ZR 91/02, GRUR 2005, 427, 429 = WRP 2005, 616 – Lila-Schokolade, m. w. N.).
[21] a) Im Streitfall besteht zwischen den von der Klagemarke und den von dem Zeichen der Beklagten erfassten Waren Identität.
[22] b) Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass die Klagemarke als Hinweis auf die Herkunft von in dieser Aufmachung vertriebenen Schokoladenhasen eine gesteigerte Kennzeichnungskraft erlangt hat.
[23] c) Hinsichtlich der Ähnlichkeit zwischen der Klagemarke und der angegriffenen Gestaltung des von der Beklagten vertriebenen Schokoladenhasen hat das Berufungsgericht angenommen, es bestehe ein so großer Abstand, dass eine Verwechslungsgefahr ausgeschlossen sei. Diese Beurteilung ist, wie die Revision mit Recht beanstandet, nicht frei von Rechtsfehlern.
[24] aa) Bei der Beurteilung hinsichtlich der Ähnlichkeit der Zeichen im Bild, im Klang oder in der Bedeutung ist auf den Gesamteindruck abzustellen, den die Zeichen hervorrufen (EuGH, Urt. v. 11. 11. 1997 – C-251/95, Slg. 1997, I-6191 Tz. 23 = GRUR 1998, 387 = WRP 1998, 39 – Sabèl; EuGH GRUR 2006, 237 Tz. 19 – PICASSO/PICARO). Das Berufungsgericht ist mit Recht davon ausgegangen, dass bei der Ermittlung des Gesamteindrucks der Klagemarke die eingetragene Kombination der Warenform mit den weiteren Ausstattungsmerkmalen zugrunde zu legen ist. Dieser Ansatz beachtet nicht nur den Grundsatz, dass für den Umfang des Schutzes einer eingetragenen Marke der Gegenstand der Eintragung maßgeblich ist (vgl. BGHZ 153, 131, 142 – Abschlussstück, m. w. N.), sondern berücksichtigt auch den Erfahrungssatz, dass der Durchschnittsverbraucher eine Marke regelmäßig als Ganzes wahrnimmt und nicht auf die verschiedenen Einzelheiten achtet (vgl. EuGH GRUR 1998, 387 Tz. 23 – Sabèl; EuGH, Beschl. v. 28. 4. 2004 – C-3/03 P, Slg. 2004, I-3657 Tz. 29 = GRUR Int. 2004, 843 – Matratzen Concord; Urt. v. 6. 10. 2005 – C-120/04, Slg. 2005, I-8551 Tz. 28 = GRUR 2005, 1042 = WRP 2005, 1505 – THOMSON LIFE; BGH, Urt. v. 6. 5. 2004 – I ZR 223/01, GRUR 2004, 783, 784 f. = WRP 2004, 1043 – NEURO-VIBOLEX/NEURO-FIBRAFLEX, m. w. N.).
[25] bb) Dementsprechend kann nicht angenommen werden, dass der Gesamteindruck der Klagemarke in erster Linie durch den Wortbestandteil "Lindt GOLDHASE" geprägt wird. Das Berufungsgericht führt für seine gegenteilige Auffassung den Erfahrungssatz an, der Verkehr orientiere sich bei dreidimensionalen Marken nicht anders als bei Wort-/Bildzeichen eher am Wort- als am Bildbestandteil. Dieser Erfahrungssatz entfaltet seine Wirkung jedoch im Regelfall, sofern es sich bei dem Bildbestandteil nicht lediglich um eine nichtssagende oder geläufige und nicht ins Gewicht fallende graphische Gestaltung (Verzierung) handelt, lediglich bei der Prüfung der klanglichen Verwechslungsgefahr, weil eine bildliche Gestaltung nicht die akustische, sondern allein die visuelle Wahrnehmung anspricht (BGH, Urt. v. 13. 1. 2000 – I ZR 223/97, GRUR 2000, 506, 509 – ATTACHÉ/TISSERAND). Es ist kein Erfahrungssatz ersichtlich, nach dem der Verkehr (auch) bei der rein visuellen Wahrnehmung einer Wort-/Bildmarke in erster Linie die Wörter (gegebenenfalls in ihrer inhaltlichen Bedeutung), nicht jedoch den Bildbestandteil in sein Erinnerungsbild aufnimmt (vgl. BGH, Beschl. v. 11. 2. 1999 – I ZB 33/96, GRUR 1999, 733, 735 – LION DRIVER; BGHZ 139, 340, 348 – Lions; BGH GRUR 2000, 506, 509 – ATTACHÉ/TISSERAND; BGH, Beschl. v. 11. 5. 2006 – I ZB 28/04, GRUR 2006, 859 Tz. 30 = WRP 2006, 1227 – Malteserkreuz). Für eine dreidimensionale Marke, die neben der Form aus einer bestimmten Farbe und weiteren Ausstattungsmerkmalen besteht, gilt nichts anderes. Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, dass es sich bei den neben dem Wortbestandteil gegebenen sonstigen Ausstattungsmerkmalen der durch die Klagemarke geschützten Gestaltung um nicht ins Gewicht fallende bloße Verzierungen handelt. Es ist vielmehr selbst davon ausgegangen, dass der Verkehr auch übrige Gestaltungselemente als herkunftshinweisend auffasst.
[26] cc) Der Form und der Farbe des durch die Klagemarke geschützten Hasen hat das Berufungsgericht jedoch keine für den Gesamteindruck des Klagezeichens maßgebliche Bedeutung beigemessen. Es hat hierzu ausgeführt, es handele sich um die Form eines sitzenden Hasen, die für Osterhasen zwar nicht allein üblich, aber typisch sei. Der Verkehr nehme diese Form zunächst nur als ästhetische Gestaltung einer aus Anlass des Osterfestes traditionell vertriebenen Schokoladenware wahr, ohne daraus auf deren Herkunft zu schließen. Diese Erwägungen vermögen die Auffassung des Berufungsgerichts nicht zu tragen, neben dem den Gesamteindruck in erster Linie prägenden Wortbestandteil und dem in zweiter Linie prägenden Ausstattungsmerkmal des roten Halsbands mit Schleife und Glöckchen komme der Form und der Farbe für den Gesamteindruck keine Bedeutung zu. Sie beziehen sich nur auf die Form eines sitzenden Hasen im Allgemeinen und besagen daher nichts darüber, ob die Farbe oder die konkrete Form in Verbindung mit der Farbe eine den Gesamteindruck der Klagemarke maßgeblich (mit) prägende Bedeutung hat.
[27] Das Berufungsgericht hat zudem nicht hinreichend beachtet, dass Gestaltungsmerkmalen, die über eine gesteigerte Kennzeichnungskraft verfügen, regelmäßig eine für den Gesamteindruck der Gestaltung maßgebliche Bedeutung zukommt (vgl. BGH, Urt. v. 18. 6. 1998 – I ZR 15/96, GRUR 1998, 942 = WRP 1998, 990 – ALKA-SELTZER; Urt. v. 13. 3. 2003 – I ZR 122/00, GRUR 2003, 880, 881 = WRP 2003, 1228 – City Plus; Beschl. v. 24. 2. 2005 – I ZB 2/04, GRUR 2005, 513, 514 = WRP 2005, 744 – MEY/Ella May; BGH GRUR 2006, 859 Tz. 31 – Malteserkreuz). Die Beurteilung, welche Bestandteile beim Gesamteindruck dominieren, kann dadurch beeinflußt sein, dass als Folge der Präsentation und Bewerbung der Marke (in ihrer eingetragenen Form) dem Verkehr einzelne Bestandteile als besonders herkunftshinweisend erscheinen (vgl. BGHZ 153, 131, 140 f. – Abschlussstück; BGH, Urt. v. 28. 11. 2002 – I ZR 204/00, GRUR 2003, 712, 714 = WRP 2003, 889 – Goldbarren). Die Klägerinnen haben zur Kennzeichnungskraft von Form und Farbe ihres "Goldhasen" eine "Verkehrsbefragung über die Bekanntheit des Produktes Goldhase" der GfK Marktforschung vom Mai 2003 vorgelegt, bei der den Befragten ein in Goldfolie eingewickelter Schokoladenhase in der durch die Klagemarke geschützten Form ohne die übrigen Ausstattungsmerkmale (rotes Halsband mit Glöckchen, Bemalung und Aufschrift "Lindt GOLDHASE") vorgelegt worden ist.
[28] Danach ist 82 % aller Befragten und 86 % des engeren Verkehrskreises, d. h. der Käufer oder Verwender von Schokoladenwaren, der gezeigte Schokoladenhase bekannt. 61 % aller Befragten und 65 % des engeren Verkehrskreises haben die Frage, ob dieser Schokoladenhase auf ein ganz bestimmtes Unternehmen hinweise, bejaht. 55 % aller Befragten und 58 % des engeren Verkehrskreises haben auf die Frage, ob sie den Namen dieses Unternehmens nennen könnten, das Unternehmen der Klägerinnen angegeben; 4, 9 % haben andere Unternehmen genannt.
[29] Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kann demgegenüber eine gesteigerte Kennzeichnungskraft des in Goldfolie eingewickelten Hasen in der durch die Klagemarke geschützten Form nicht deshalb verneint werden, weil es wegen der Bekanntheit des Produkts "Lindt Goldhase" nicht fern liege, dass ein erheblicher Teil der Befragten den gezeigten Hasen dem Unternehmen der Klägerinnen zugeordnet habe, weil ihnen dieses Unternehmen als Produzent derartiger Osterhasen aus Schokolade als erstes eingefallen sei. Diese Erwägung spricht vielmehr dafür, dass ein erheblicher Teil des Verkehrs Form und Farbe des Hasen in ihrer Kombination auch unabhängig von den sonstigen Gestaltungsmerkmalen als Hinweis auf das Unternehmen der Klägerinnen versteht. Dafür spricht auch, dass bei der Verkehrsbefragung vom Juli 2001, in der den Befragten ein Schokoladenhase gezeigt wurde, der neben Form und Farbe zusätzlich das rote Bändchen mit Glocke aufwies, keine wesentlich höheren Kennzeichnungs- und Zuordnungsgrade ermittelt worden sind. Für die Frage, in welchem Umfang Form und Farbe des Hasen vom Verkehr als Herkunftshinweis verstanden werden, kommt es zudem in erster Linie darauf an, welcher Anteil der befragten Personen diese Gestaltungsmerkmale einem bestimmten Unternehmen zuordnet. Dagegen ist es nicht erforderlich, dass das Unternehmen von ihnen auch richtig benannt wird (vgl. BGH, Urt. v. 15. 9. 2005 – I ZR 151/02, GRUR 2006, 79, 82 = WRP 2006, 75 – Jeans I). Ob die Befragten erkennen könnten, dass ein in Goldfolie eingewickelter Schokoladenhase eines anderen Unternehmens nicht aus dem Hause der Klägerinnen stammte, ist für die Feststellung, dass die Verkehrsbefragung eine hohe Kennzeichnungskraft hinsichtlich Form und Farbe des "Goldhasen" der Klägerinnen ergeben hat, ohne Bedeutung.
[30] 2. Da das Berufungsgericht demnach den Gesamteindruck des Klagezeichens nicht rechtsfehlerfrei festgestellt hat, fehlt es an der tatsächlichen Grundlage für seine Beurteilung, trotz Warenidentität und gesteigerter Kennzeichnungskraft des Klagezeichens sei der Abstand der Zeichen so groß, dass eine Verwechslungsgefahr ausgeschlossen sei. Den Umstand, dass der Schokoladenhase der Beklagten kein rotes Band mit einem Glöckchen trägt, sondern stattdessen bei ihm an der Seite eine bräunlich-rötliche Schleife aufgedruckt ist, hat das Berufungsgericht nur im Zusammenhang mit den unterschiedlichen Wortbestandteilen zur Verneinung der Verwechslungsgefahr ausreichen lassen.
[31] Kommt dem Wortbestandteil die vom Berufungsgericht angenommene maßgebliche Bedeutung für den Gesamteindruck des Klagezeichens aber nicht zu und ist außerdem die kennzeichnende Bedeutung von Form und Farbe des Klagezeichens noch nicht hinreichend geklärt, kann allein wegen des Unterschieds hinsichtlich des Ausstattungsmerkmals der Schleife eine Verwechslungsgefahr nicht ausgeschlossen werden.
[32] 3. Das Berufungsurteil kann bereits aus den vorgenannten Gründen keinen Bestand haben. Das Berufungsgericht wird die Feststellungen zur Kennzeichnungskraft der einzelnen Gestaltungselemente der Klagemarke und zu deren Gesamteindruck nachzuholen haben.
[33] Mit der – an sich vorrangigen – Frage, ob die Beklagte die Gestaltung ihres Schokoladenhasen markenmäßig verwendet (vgl. dazu BGH, Urt. v. 3. 2. 2005 – I ZR 45/03, GRUR 2005, 414, 415 f. = WRP 2005, 610 – Russisches Schaumgebäck), hat sich das Berufungsgericht nicht befasst. Insoweit ist dem Senat eine eigene abschließende Entscheidung jedoch gleichfalls nicht möglich, weil die Frage der markenmäßigen Verwendung der angegriffenen Ausführungsform davon abhängen kann, ob und in welchem Umfang Bestandteile des Klagezeichens, die über eine gesteigerte Kennzeichnungskraft verfügen, von der Beklagten in ihrer Gestaltung verwendet werden (vgl. BGH GRUR 2005, 427, 428 f. – Lila-Schokolade).
[34] Soweit die Klageansprüche nur (noch) auf die für die Klägerin zu 1 eingetragene Gemeinschaftsmarke Nr. 1698885 gestützt werden, wird das Berufungsgericht weiter der Frage nachzugehen haben, ob die Klägerin zu 2 neben der Klägerin zu 1 klagebefugt ist (vgl. BGH, Urt. v. 19. 1. 1989 – I ZR 223/86, GRUR 1989, 350, 353 – Abbo/Abo; Ullmann, Festschrift v. Gamm, S. 315, 316).
[35] III. Auf die Revision der Klägerinnen war danach das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.