Bundesgerichtshof
Seit In-Kraft-Treten des § 9 Nr. 3 AÜG in der Fassung des "Hartz III-Gesetzes" vom 23. Dezember 2003 (BGBl. I S. 2848, 2909) kann sich der Verleiher vom Entleiher auch formularmäßig eine angemessene Vermittlungsprovision für den Fall versprechen lassen, dass der Entleiher den Leiharbeitnehmer im Anschluss an die Überlassung übernimmt (anders noch Senatsurteil BGHZ 155, 311 zu § 9 Nr. 4 AÜG a. F.).
BGH, Urteil vom 7. 12. 2006 – III ZR 82/06; LG München I (lexetius.com/2006,3451)
[1] Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Schlick und die Richter Dr. Wurm, Dr. Kapsa, Dörr und Galke auf die mündliche Verhandlung vom 7. Dezember 2006 für Recht erkannt:
[2] Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I, 34. Zivilkammer, vom 16. März 2006 wird zurückgewiesen.
[3] Die Beklagte hat die Kosten des Revisionsrechtszuges zu tragen.
[4] Tatbestand: Die Klägerin betreibt gewerbliche Arbeitnehmerüberlassung.
[5] Aufgrund einer mit der Beklagten schriftlich vereinbarten "Auftragsbestätigung" und eines "Arbeitnehmerüberlassungsvertrag (es)" – jeweils vom 20. August 2004 – überließ die Klägerin der Beklagten ab dem 23. August 2004 den Glasbaumonteur K. Die "Allgemeinen Geschäftsbedingungen" der Klägerin sollten laut "Auftragsbestätigung" gelten und – so weiter der "Arbeitnehmerüberlassungsvertrag" – "wesentlicher Bestandteil dieses Vertrages" sein. In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen hieß es u. a.:
"7 Personalvermittlung nach vorheriger Überlassung 7. 1 Übernimmt der AG [= Beklagte] … den Mitarbeiter aus dem Überlassungsvertrag, so gilt dies als Vermittlung.
7. 2 Für diese Vermittlung gilt ein Vermittlungshonorar gemäß nachstehender Tabelle als vereinbart:
a) Überlassung von bis zu 3 Monaten 3. 000, – € b) Überlassung von bis zu 6 Monaten 2. 000, – € zuzüglich der gesetzlichen Mehrwertsteuer.
7. 3 Nach einer Überlassungsdauer von mehr als 6 Monaten wird kein Honorar mehr berechnet. Das jeweilige Honorar ist fällig mit Abschluss des Arbeitsvertrages zwischen Mitarbeiter und AG."
[6] Am 1. Oktober 2004 schloss die Beklagte mit dem entliehenen Arbeitnehmer K. einen schriftlichen "Zeitarbeitsvertrag". Die Klägerin beansprucht deshalb von der Beklagten das "Vermittlungshonorar" im Sinne der Nr. 7 ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen.
[7] Amtsgericht und Berufungsgericht haben der auf Zahlung von 3.480 € nebst Zinsen gerichteten Klage stattgegeben. Mit der von dem Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag, die Klage abzuweisen, weiter.
[8] Entscheidungsgründe: Die Revision ist unbegründet.
[9] I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
[10] Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin seien durch die in den Vertragsurkunden erfolgte Bezugnahme und die für die Beklagte gegebene Möglichkeit, von ihnen Kenntnis zu nehmen, Vertragsinhalt geworden. Die darin in Nr. 7 bestimmte Verpflichtung des Entleihers, im Falle der Übernahme des ihm überlassenen Leiharbeitnehmers ein Vermittlungshonorar an den Verleiher zu zahlen, sei weder eine unangemessene Benachteiligung im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB noch eine unzulässige überraschende Klausel (§ 305c Abs. 1 BGB). Denn der Gesetzgeber habe ein solches Vermittlungshonorar in § 9 Nr. 3 AÜG ausdrücklich zugelassen. Es handele sich zudem um einen – branchenüblichen – Annex zu dem von den Parteien geschlossenen Arbeitnehmerüberlassungsvertrag. Das Vermittlungshonorar falle gemäß Nr. 7. 1 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen an, wenn der betreffende Arbeitnehmer während eines laufenden Überlassungsvertrages o d e r in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit diesem von dem Entleiher übernommen werde.
[11] Jedenfalls letzteres sei hier geschehen. Habe der Arbeitnehmerüberlassungsvertrag – wie die Beklagte geltend mache – bereits am 30. September 2004 geendet, sei der Arbeitnehmer K. zumindest in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Überlassung, nämlich mit dem schriftlichen Zeitarbeitsvertrag vom 1. Oktober 2004, bei der Beklagten eingestellt worden.
[12] II. Das Berufungsurteil hält der rechtlichen Prüfung stand. Die Klägerin kann von der Beklagten Zahlung von 3.480 € Vermittlungshonorar nebst Zinsen verlangen. Anspruchsgrundlage ist Nr. 7. 1 (in Verbindung mit Nr. 7. 2 Buchst. a und Nr. 7. 3 Satz 2) der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin.
[13] 1. Nach Auffassung des Berufungsgerichts sind die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin Bestandteil der von den Parteien mit der Auftragsbestätigung und dem Arbeitnehmerüberlassungsvertrag vom 20. August 2004 getroffenen vertraglichen Vereinbarung geworden. Das wird von der Revision hingenommen und ist auch sonst nicht zu beanstanden (vgl. § 310 Abs. 1 BGB).
[14] 2. Die formularmäßige Honorarverpflichtung in Nr. 7. 1 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die gemäß der Auslegung des Berufungsgerichts nicht nur bei der Übernahme des Leiharbeitnehmers während des Überlassungsvertrages, sondern weiter bei einer Übernahme in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit einem (schon beendeten) Überlassungsvertrag Platz greift, hält der, auch gegenüber Unternehmern geltenden (vgl. § 310 Abs. 1 Satz 2 BGB) Inhaltskontrolle nach § 307 BGB stand. Eine mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung nicht zu vereinbarende und deshalb im Zweifel unangemessen benachteiligende Bestimmung (§ 307 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Nr. 1 BGB) kann nach der seit dem 1. Januar 2004 wirksamen Änderung des § 9 Nr. 3 des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) durch Art. 93 Nr. 1a des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt ("Hartz III") vom 23. Dezember 2003 (BGBl. I S. 2848, 2909) nicht mehr angenommen werden.
[15] a) Nach § 9 Nr. 4 AÜG a. F. waren Vereinbarungen, die dem Entleiher untersagen, den Leiharbeitnehmer zu einem Zeitpunkt einzustellen, in dem dessen Arbeitsverhältnis zum Verleiher nicht mehr besteht, unwirksam. Der Senat (BGHZ 155, 311, 314 f) hat diese Unwirksamkeitsfolge nicht auf ausdrückliche Einstellungsverbote beschränkt, sondern weiter auf sonstige Vereinbarungen zwischen Verleiher und Entleiher, die den Wechsel des Leiharbeitnehmers zum Entleiher verhindern oder wesentlich erschweren, erstreckt. Dementsprechend hat er eine vertragliche Bestimmung, wonach der Entleiher dem Verleiher eine Vermittlungsprovision zu zahlen hatte, wenn er den Leiharbeitnehmer vor Ablauf der gesetzlich geregelten maximalen Überlassungsdauer von zwölf Monaten oder innerhalb von sechs Monaten nach der Überlassung übernahm, grundsätzlich für unwirksam gemäß § 9 Nr. 4 AÜG a. F. gehalten (vgl. Senat aaO).
[16] b) Das vorgenannte Dritte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt ließ die Unwirksamkeit von Vereinbarungen, die dem Entleiher untersagen, den Leiharbeitnehmer zu einem Zeitpunkt einzustellen, in dem dessen Arbeitsverhältnis zum Verleiher nicht mehr besteht (§ 9 Nr. 4 AÜG a. F., seit dem 1. Januar 2003: § 9 Nr. 3 AÜG), unberührt. Es fügte aber einen neuen § 9 Nr. 3 Halbs. 2 AÜG an, wonach die gegenüber Einstellungsverboten geltende Unwirksamkeitssanktion die Vereinbarung einer angemessenen Vergütung zwischen Verleiher und Entleiher für die nach vorangegangenem Verleih oder mittels vorangegangenen Verleihs erfolgte Vermittlung nicht ausschließt. Der Gesetzgeber ließ sich davon leiten, dass heute die entgeltliche Arbeitsvermittlung eine erlaubte Tätigkeit darstelle und Arbeitnehmerüberlassung häufig mit dem Ziel der Personalgewinnung nach vorangegangenem Verleih erfolge. Verleih und Vermittlung könnten ineinander übergehende Geschäfte sein, die von der Privatautonomie geschützt seien. Solange die Höhe des zwischen Verleiher und Entleiher vereinbarten Vermittlungsentgelts nicht faktisch den sozialpolitisch durchaus erwünschten Wechsel eines Leiharbeitnehmers zum Entleiher erschwere, müssten derartige vertragliche Abreden zulässig sein (vgl. Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit [9. Ausschuss] BT-Drucks. 15/1728 S. 146 und Bericht dieses Ausschusses BT-Drucks. 15/1749 S. 29; siehe ferner zur Neuregelung: Benkert BB 2004, 998 ff; Böhm DB 2004, 1150; Thüsing/Mengel, AÜG 2005 § 9 Rn. 54; ErfK/Wank 6. Aufl. 2006 § 9 AÜG Rn. 11; Boemke/Lembke, AÜG 2. Aufl. 2005 § 9 AÜG Rn. 182 ff).
[17] c) Für die demnach gemäß § 9 Nr. 3 Halbs. 2 AÜG grundsätzlich zulässige Vereinbarung eines Personalvermittlungsentgelts bei Arbeitnehmerüberlassung ist weder eine Individualvereinbarung noch ein gesonderter Personalvermittlungsvertrag erforderlich (a. A. Böhm aaO S. 1152).
[18] Grund für die gesetzliche Anerkennung der Vereinbarung eines Personalvermittlungsentgelts bei Arbeitnehmerüberlassung war der Umstand, dass die Arbeitnehmerüberlassung in nicht seltenen Fällen (vgl. Dahl DB 2002, 1374) zum selben Ergebnis wie die Arbeitsvermittlung führt, nämlich zu der Übernahme des Leiharbeitnehmers in die Stammbelegschaft des entleihenden Unternehmers (sog. "Klebeeffekt"). Der positive beschäftigungspolitische Effekt der Arbeitnehmerüberlassung sollte "honoriert" werden (vgl. Böhm aaO S. 1150 und BT-Drucks. 15/1749 aaO). Vor dem Hintergrund dieser gesetzgeberischen Zielsetzung muss es für unerheblich erachtet werden, ob die regelmäßig im Verkehr unter Unternehmern verabredete Personalvermittlungsprovision individualvertraglich, eventuell in einem besonderen Arbeitsvermittlungsvertrag, oder bloß formularmäßig in dem Arbeitnehmerüberlassungsvertrag vereinbart wurde.
[19] Die Übernahme des Leiharbeitnehmers in ein normales Arbeitsverhältnis ist in jedem Fall sozialpolitisch erwünscht und damit "honorarwürdig".
[20] d) Die Höhe des in Nr. 7 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin vorgesehenen Vermittlungshonorars (vgl. im Einzelnen Nr. 7. 2) ist, wie die Beklagte ausdrücklich eingeräumt hat, angemessen, so dass auch insoweit eine unangemessene Benachteiligung (§ 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB) der Beklagten ausscheidet.
[21] 3. Die Provisionsklausel kann ferner nicht als überraschende Klausel angesehen werden, die gemäß § 305c Abs. 1 BGB nicht Vertragsbestandteil hätte werden können.
[22] Die Möglichkeit, ein Personalvermittlungshonorar zu vereinbaren, ist bereits in § 9 Nr. 3 Halbsatz 2 AÜG (n. F.) angelegt. Es handelt sich zudem – diese Feststellung des Berufungsgerichts hat die Revision nicht durch Verweis auf gegenteiligen Parteivortrag erschüttert – um eine sowohl der Art wie der Höhe nach branchenübliche Regelung (vgl. auch Urban-Crell/Schulz, Arbeitnehmerüberlassung und Arbeitsvermittlung 2003 Rn. 209; Rambach/Begerau BB 2002, 937, 938; Dahl aaO S. 1374 f).
[23] 4. Die Revision rügt schließlich zu Unrecht, das Berufungsgericht habe den Anwendungsbereich der Provisionsklausel zu weit gezogen.
[24] Nr. 7. 1 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin fingiert eine – gemäß Nr. 7. 2 honorarpflichtige – "Vermittlung" für den Fall, dass der Entleiher "den Mitarbeiter aus dem Überlassungsvertrag" übernimmt. Diese Klausel ist – was der Senat bei dieser wie schon erwähnt branchenüblichen, also über den Bezirk eines Oberlandesgerichts hinaus verwendeten Allgemeinen Geschäftsbedingung selbst prüfen kann – mit dem Berufungsgericht dahin zu verstehen, dass eine Übernahme während eines bestehenden Überlassungsvertrages o d e r in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit einem solchen – beendeten – Überlassungsvertrag honorarpflichtig ist. Der Wortlaut von Nr. 7 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin ist insoweit hinreichend klar.
[25] Dort heißt es bereits in der – durch Fettdruck hervorgehobenen – Überschrift: "Personalvermittlung nach vorheriger Überlassung". Das umgreift jedenfalls den Fall, dass das (frühestens mit Ablauf des 30. September 2004 endende) Leiharbeitsverhältnis wie hier nahtlos in ein (spätestens am 1. Oktober 2004 beginnendes) gewöhnliches Arbeitsverhältnis zu dem – zunächst entleihenden – Unternehmer übergegangen ist. Ein solches Verständnis der in Nr. 7 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen bestimmten Honorarverpflichtung ist auch sachgerecht. Denn der Übertritt eines Leiharbeitnehmers in den Betrieb des entleihenden Unternehmers wird, auch wenn der förmliche Abschluss des neuen Arbeitsvertrags erst nach dem Ende des Leiharbeitsverhältnisses erfolgt, regelmäßig schon während der Überlassung abgemacht werden. Der Arbeitnehmer wird auf der Gewährleistung eines durchgehenden Arbeitseinkommens bestehen. Das legt es nahe, für das Vermittlungshonorar nicht darauf abzustellen, ob das neue Arbeitsverhältnis noch während der Arbeitnehmerüberlassung oder im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit ihr begründet worden ist.