Bundesgerichtshof
InsO §§ 4, 4a; ZPO § 114; BerHG § 1
Beabsichtigt der mittellose Schuldner, einen Insolvenzantrag nebst Verfahrenskostenstundung und Restschuldbefreiung zu stellen, kann ihm zur Vorbereitung dieses Antrags kein Rechtsanwalt beigeordnet werden; in Betracht kommt die Gewährung von Beratungshilfe nach dem Beratungshilfegesetz.

BGH, Beschluss vom 22. 3. 2007 – IX ZB 94/06; LG Chemnitz (lexetius.com/2007,616)

[1] Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Richter Dr. Ganter, Raebel, Dr. Kayser, Cierniak und Dr. Fischer am 22. März 2007 beschlossen:
[2] Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Chemnitz vom 1. Juni 2006 wird auf Kosten der Schuldnerin zurückgewiesen.
[3] Gründe: I. Die in den Vorinstanzen durch einen Rechtsbeistand vertretene Schuldnerin beantragte die Eröffnung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens, Restschuldbefreiung sowie Stundung der Verfahrenskosten. Mit der Begründung, den Vordruck für den Insolvenzantrag nicht allein ausfüllen zu können, hat sie insoweit um die Gewährung von Prozesskostenhilfe nachgesucht. Das Amtsgericht hat diesen Antrag abgelehnt. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Schuldnerin ist erfolglos geblieben. Gegen diese Entscheidung wendet sich die Schuldnerin mit ihrer zugelassenen Rechtsbeschwerde.
[4] II. Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist auch im Übrigen zulässig. Sie ist jedoch unbegründet. Für die begehrte Beiordnung eines Rechtsanwalts zur Mitwirkung an den das Verbraucherinsolvenzverfahren einleitenden Anträgen (§ 4a Abs. 2, § 305 InsO; §§ 119, 121 ZPO) besteht keine rechtliche Grundlage.
[5] 1. Die Schuldnerin hat ihren Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe handschriftlich auf den Vordruck gesetzt, mit dem sie in der Hauptsache den Antrag auf Stundung der Verfahrenskosten (§ 4a InsO) gestellt hat. Nach § 4a Abs. 2 Satz 1 InsO wird dem Schuldner, dem die Verfahrenskosten gestundet sind, auf Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt seiner Wahl beigeordnet, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt trotz der dem Gericht obliegenden Fürsorge erforderlich erscheint. Dies könnte auf das Begehren der Schuldnerin hindeuten, die in § 4a Abs. 2 InsO unter den genannten Voraussetzungen vorzunehmende Anwaltsbeiordnung – entgegen dem Wortlaut der Vorschrift – auf die Antragstellung selbst auszudehnen. Dies kommt jedoch nicht in Betracht. Der Bundesgerichtshof hat bereits wiederholt entschieden, dass die Beiordnung eines Rechtsanwalts nach § 4a Abs. 2 InsO die Stundung der Verfahrenskosten voraussetzt, vor einer Stundung also nicht möglich ist (BGH, Beschl. v. 24. Juli 2003 – IX ZA 12/03, NZI 2003, 647, 648; § 4a Abs. 2, § 305 InsO; §§ 119, 121 ZPO; vgl. auch HK-InsO/Kirchhof, 4. Aufl. § 4a Rn. 37).
[6] Hieran hält der Senat fest.
[7] 2. Die Gewährung von Prozesskostenhilfe nebst Anwaltsbeiordnung nach § 4 InsO in Verbindung mit § 114 ff ZPO scheidet ebenfalls aus. Zwar ist anerkannt, dass die Vorschriften der Insolvenzordnung über die Verfahrenskostenstundung (§ 4a ff InsO) das Rechtsinstitut der Prozesskostenhilfe in den Fällen des Schuldnerantrages nicht vollständig verdrängen. Insbesondere schließen die Stundungsvorschriften nach der Rechtsprechung des Senats die Gewährung von Prozesskostenhilfe im Beschwerdeverfahren nicht aus (BGH, Beschl. v. 24. Juli 2003 – IX ZB 539/02, NZI 2003, 556, 557, insoweit in BGHZ 156, 92 nicht abgedruckt). Derselben Rechtsprechung kann jedoch entnommen werden, dass der Schuldner für das Stundungsverfahren selbst grundsätzlich nicht die Beiordnung eines Rechtsanwalts verlangen kann (BGH, aaO S. 557).
[8] Damit hat der Senat auch zum Ausdruck gebracht, dass die Stundungsregelung des § 4a InsO in diesem Verfahrensabschnitt vorrangig und abschließend ist (BGH, Beschl. v. 3. November 2005 – IX ZB 211/03, n. v.; ebenso: Jaeger/Eckardt, InsO § 4a Rn. 15, HK-InsO/Kirchhof, 4. Aufl. § 4a Rn. 3; HmbKomm-InsO/Rüther, § 4 Rn. 27; FK-InsO/Schmerbach 4. Aufl. § 13 Rn. 78). Dies erscheint dem Senat auch nicht unbillig. Kann der Schuldner – wie im vorliegenden Fall geltend gemacht ist – die Vordrucke trotz der ihm zuteil werdenden gerichtlichen Fürsorge nicht ohne eine weitergehende rechtliche Hilfe ausfüllen, betreffen diese Schwierigkeiten das Vorfeld eines Insolvenzeröffnungsverfahrens und nicht das gerichtliche Verfahren selbst. Bei Vorliegen der persönlichen Voraussetzungen, die denen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe angeglichen sind (vgl. § 1 BerHG), ist dem Schuldner deshalb zur Vorbereitung eines Eigenantrags Beratungshilfe zu gewähren (vgl. HK-InsO/Kirchhof, aaO § 4 Rn. 9; Lindemann/Trenk-Hinterberger, BerHG § 1 Rn. 8 a. E.; FK-InsO/Schmerbach, aaO § 13 Rn. 97 f; Uhlenbruck, InsO 12. Aufl. § 4 Rn. 22, § 4a Rn. 2; siehe ferner Schoreit in Schoreit/Dehn, Beratungshilfe/Prozesskostenhilfe 8. Aufl. § 1 BerHG Rn. 12 f). Weitergehender Bedarf nach einer kostenfreien Hilfe bei der Einreichung eines Insolvenzantrages besteht nicht.