Bundesverwaltungsgericht
Umweltinformationsgesetz; Informationsfreiheitsgesetz; Betriebsgeheimnis; Geschäftsgeheimnis.
UIG § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3; IFG § 6 Satz 2
Ein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis setzt sowohl nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UIG als auch nach § 6 Satz 2 IFG neben dem Mangel an Offenkundigkeit der zugrunde liegenden Informationen ein berechtigtes Interesse des Unternehmens an deren Nichtverbreitung voraus. Ein solches Interesse fehlt, wenn die Offenlegung der Information nicht geeignet ist, exklusives technisches oder kaufmännisches Wissen den Marktkonkurrenten zugänglich zu machen und so die Wettbewerbsposition des Unternehmens nachteilig zu beeinflussen (wie Beschluss vom 19. Januar 2009 BVerwG 20 F 23.07 -).

BVerwG, Urteil vom 28. 5. 2009 – 7 C 18.08; VG Hamburg (lexetius.com/2009,1593)

[1] In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 28. Mai 2009 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Sailer, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Krauß, Neumann und Guttenberger sowie die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Schipper für Recht erkannt:
[2] Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 22. Mai 2008 wird zurückgewiesen.
[3] Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Gründe:
[4] 1 I Der Kläger verlangt von dem beklagten Hauptzollamt Auskunft über Ausfuhrerstattungen im Bereich Landwirtschaft.
[5] 2 Der Kläger beantragte bei dem beklagten Hauptzollamt … unter anderem, ihm die Namen oder die Betriebsbezeichnungen derjenigen 50 Antragsteller mitzuteilen, die für die Haushaltsjahre 2003/2004 sowie 2004/2005 die höchsten Ausfuhrerstattungen im Bereich Landwirtschaft erhalten haben, sowie für jeden dieser Antragsteller den Gesamtbetrag der gewährten Erstattungen.
[6] 3 Das beklagte Hauptzollamt lehnte den Antrag insoweit ab. Im anschließenden Widerspruchsverfahren beschränkte der Kläger sein Begehren auf Angaben zu den 40 Antragstellern, denen die höchsten Ausfuhrerstattungen gewährt worden waren. Auf Anfrage des beklagten Hauptzollamtes stimmten sechs dieser Antragsteller zu, dass die sie betreffenden Informationen dem Kläger offengelegt würden. Die Oberfinanzdirektion Hamburg übermittelte dem Kläger die Angaben zu diesen sechs Empfängern von Ausfuhrerstattungen. Im Übrigen wies sie den Widerspruch des Klägers zurück: Der Kläger habe weder aus dem Umweltinformationsgesetz noch aus dem Informationsfreiheitsgesetz einen Anspruch auf Zugang zu den begehrten Informationen. Sie beträfen Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse. Der Zugang zu ihnen könne nur gewährt werden, soweit die Betroffenen einwilligten.
[7] 4 Der Kläger hat mit dem Antrag Klage erhoben, das beklagte Hauptzollamt unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide zu verpflichten, ihm die Namen/Betriebsbezeichnungen der noch verbleibenden 34 Empfänger von Ausfuhrerstattungen mitzuteilen, die die höchsten Erstattungen in den Haushaltsjahren 2003/2004 und 2004/2005 erhalten haben, sowie den jeweiligen Gesamtbetrag der Ausfuhrerstattung anzugeben: Er habe einen Anspruch auf die begehrten Informationen aus dem Informationsfreiheitsgesetz. Sie beträfen keine Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse. Informationen über erhaltene Subventionen seien für die Wettbewerber des Unternehmens nicht relevant. Jedenfalls handele es sich bei den begehrten Informationen um Umweltinformationen. Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UIG seien Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse trotz Widerspruchs des Betroffenen zugänglich zu machen, wenn das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe überwiege. Das sei bei Informationen der Fall, die die Verwendung öffentlicher Mittel beträfen.
[8] 5 Das beklagte Hauptzollamt hat beantragt, die Klage abzuweisen: Die erbetenen Informationen beträfen Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse. Die Informationen seien für Wettbewerber von Interesse. Das Umweltinformationsgesetz sei nicht anwendbar. Den Ausfuhrerstattungen fehle ein zumindest mittelbarer Bezug zur Umwelt.
[9] 6 Das Verwaltungsgericht hat unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide das beklagte Hauptzollamt verpflichtet, dem Kläger Informationen zu erteilen über die Namen/Betriebsbezeichnungen der noch verbliebenen 34 Empfänger mit den höchsten Ausfuhrerstattungen in den Haushaltsjahren 2003/2004 und 2004/2005 sowie über den jeweiligen Gesamtbetrag der Erstattung: Die Auskünfte zu Empfängern von Ausfuhrerstattungen und zur Höhe der Zahlungen seien Umweltinformationen im Sinne des Umweltinformationsgesetzes. Die Subventionierung von Agrarexporten beeinflusse sowohl die Entscheidung, welche Erzeugnisse ein landwirtschaftlicher Betrieb produziere, als auch die Art und Weise, in der dies geschehe. Die Erzeugung landwirtschaftlicher Produkte habe ihrerseits erhebliche Auswirkungen auf Umweltbestandteile und -faktoren. Der Schutz von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen stehe der Erteilung der begehrten Informationen nicht entgegen. Unter den Begriff des Geschäfts- und Betriebsgeheimnisses fielen nach allgemeinem Verständnis nur Tatsachen, an deren Geheimhaltung der Geschäftsinhaber ein berechtigtes Interesse habe. Daran fehle es hier. Die begehrten Informationen ließen keine Rückschlüsse auf die Kundenstruktur zu. Sie machten den Umfang des Exportsgeschäftes sowie die Finanzierungsstruktur nicht erkennbar. Ebenso wenig ermöglichten sie Rückschlüsse auf Marktaktivitäten und -strategien sowie auf Marktanteile und Umsätze; sie könnten keinen Preiskampf auslösen. Jedenfalls überwiege das Interesse der Öffentlichkeit an der Offenlegung der Informationen über erhaltene Subventionen.
[10] 7 Gegen dieses Urteil hat das beklagte Hauptzollamt mit Zustimmung des Klägers die vom Verwaltungsgericht zugelassene Sprungrevision eingelegt, mit der es seinen Antrag auf Abweisung der Klage weiterverfolgt: Ein Anspruch auf Bekanntgabe der begehrten Informationen könne nicht auf das Umweltinformationsgesetz gestützt werden. Ausfuhrerstattungen hätten keinen relevanten Bezug zu einem Umweltbestandteil. Das gelte erst recht für Name und Firma der Empfänger der Ausfuhrerstattungen. Ein Anspruch nach dem Informationsfreiheitsgesetz scheitere daran, dass die betroffenen Unternehmen sich auf bestehende Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse berufen und der Weitergabe widersprochen hätten. Die Gewährung von Subventionen in bestimmter Höhe stelle wie schon in erster Instanz dargelegt – ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis dar.
[11] 8 Der Kläger verteidigt das angegriffene Urteil. Er wiederholt und vertieft seinen Vortrag erster Instanz.
[12] 9 II Die Revision des beklagten Hauptzollamtes ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage jedenfalls im Ergebnis ohne Verstoß gegen Bundesrecht stattgegeben. Der Kläger hat auf der Grundlage der bindenden tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts einen Anspruch auf Zugang zu den jetzt allein noch streitigen Informationen, unabhängig davon, ob es sich bei diesen Informationen um Umweltinformationen handelt. Nach den bindenden tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts stellen die gewünschten Angaben zu Ausfuhrerstattungen kein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis der begünstigten Unternehmen dar. Hiervon ausgehend ist der Anspruch entweder nach dem Umweltinformationsgesetz oder nach dem Informationsfreiheitsgesetz gegeben, ohne dass entschieden werden müsste, welches Gesetz anwendbar ist.
[13] 10 1. Handelt es sich bei den begehrten Angaben um Umweltinformationen, ergibt sich der Anspruch auf Zugang zu ihnen aus § 3 Abs. 1 UIG. Nach dieser Vorschrift hat jede Person Anspruch auf freien Zugang zu Umweltinformationen, über die eine informationspflichtige Stelle verfügt, ohne ein rechtliches Interesse darlegen zu müssen.
[14] 11 Das beklagte Hauptzollamt könnte den Anspruch nicht unter Hinweis auf § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UIG ablehnen. Nach dieser Vorschrift ist ein Antrag auf Zugang zu Umweltinformationen abzulehnen, soweit durch das Bekanntgeben Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse zugänglich gemacht würden, es sei denn, die Betroffenen haben zugestimmt oder das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe überwiegt.
[15] 12 – § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UIG definiert das Betriebs- und Geschäftsgeheimnis nicht. Als Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse werden allgemein alle auf ein Unternehmen bezogenen Tatsachen, Umstände und Vorgänge verstanden, die nicht offenkundig, sondern nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und an deren Nichtverbreitung der Rechtsträger ein berechtigtes Interesse hat. Betriebsgeheimnisse umfassen im Wesentlichen technisches Wissen; Geschäftsgeheimnisse betreffen vornehmlich kaufmännisches Wissen (BVerfG, Beschluss vom 14. März 2006 – 1 BvR 2087, 2111/03 – BVerfGE 115, 205 [230 f.]).
[16] 13 Ein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis setzt danach neben dem Mangel an Offenkundigkeit der zugrunde liegenden Informationen ein berechtigtes Interesse des Unternehmens an deren Nichtverbreitung voraus. Ein solches Interesse besteht, wenn die Offenlegung der Information geeignet ist, exklusives technisches oder kaufmännisches Wissen den Marktkonkurrenten zugänglich zu machen und so die Wettbewerbsposition des Unternehmens nachteilig zu beeinflussen (Beschluss vom 19. Januar 2009 BVerwG 20 F 23.07 juris).
[17] 14 Auf der Grundlage der bindenden tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts stellt der Umstand, dass ein Unternehmen in bestimmter Höhe Ausfuhrerstattungen erhalten hat, schon kein Geschäftsgeheimnis dar. Auch wenn der rechtliche Ausgangspunkt teilweise missverständlich formuliert ist, hat das Verwaltungsgericht jedenfalls in Würdigung der tatsächlichen Verhältnisse festgestellt, dass die Offenlegung der erhaltenen Ausfuhrerstattungen nicht geeignet ist, die Wettbewerbsposition der betroffenen Unternehmen nachteilig zu beeinflussen, weil die Angaben über erhaltene Ausfuhrerstattungen keine Rückschlüsse auf wettbewerbsrelevante Umstände zulassen.
[18] 15 Das Verwaltungsgericht hat dargelegt, die begehrten Informationen ließen keine Rückschlüsse auf die Kundenstruktur zu und machten auch nicht den Umfang des Exportgeschäfts sowie die Finanzierungsstruktur erkennbar. Das Verwaltungsgericht hat weiter festgestellt, die begehrten Auskünfte ermöglichten keine Rückschlüsse auf Marktaktivitäten und -strategien sowie Marktanteile und Umsätze und könnten keinen Preiskampf auslösen. Ein Abwerben bestimmter Kunden erscheine auf der Basis der streitgegenständlichen Informationen nicht möglich. Es sei nicht ersichtlich, weshalb aus der Kenntnis der bloßen Tatsache, dass ein Exporteur Ausfuhrerstattungen in bestimmter Höhe in Anspruch genommen habe, erhebliche Beeinträchtigungen der Geschäftsentwicklung und der Kundenakquise resultieren sollten. Damit hat das Verwaltungsgericht in tatsächlicher Hinsicht das Vorliegen aller Umstände verneint, aus denen das beklagte Hauptzollamt einen Wettbewerbsnachteil der betroffenen Unternehmen im Falle der Offenlegung der erbetenen Informationen hat herleiten wollen. Dass weitere nicht gewürdigte Umstände vorhanden sind, die wettbewerbliche Nachteile der Unternehmen begründen könnten, kann ausgeschlossen werden. Das beklagte Hauptzollamt hatte die betroffenen Unternehmen angeschrieben. Diese hatten Gelegenheit, mögliche Nachteile geltend zu machen, die sie durch die Offenlegung der Angaben über die von ihnen empfangenen Subventionen erleiden könnten.
[19] 16 Mit seiner Revision wiederholt das beklagte Hauptzollamt lediglich seinen tatsächlichen Vortrag aus der Vorinstanz. Damit können die gegenteiligen tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts nicht erschüttert werden, zumal im Verfahren der Sprungrevision Verfahrensrügen nicht zulässig sind.
[20] 17 2. Handelt es sich bei den begehrten Angaben nicht um Umweltinformationen, ergibt sich der Anspruch auf Zugang zu ihnen aus § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG. Nach dieser Vorschrift hat jeder gegenüber den Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen.
[21] 18 Zugang zu Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen darf zwar nach § 6 Satz 2 IFG nur gewährt werden, soweit der Betroffene einwilligt. Fehlt es an dieser Einwilligung, ist der Antrag abzulehnen. Jedoch ist der Begriff des Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses in § 6 Satz 2 IFG kein anderer als in § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UIG. Auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts ist dieser Ablehnungsgrund mithin auch hier nicht gegeben. Andere (besondere) Ablehnungsgründe nach dem Informationsfreiheitsgesetz liegen ebenfalls nicht vor.
[22] 19 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.