Europäischer Gerichtshof
"Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Umwelt – Richtlinie 91/271/EWG – Behandlung von kommunalem Abwasser – Keine Anordnung einer weiter gehenden Stickstoffbehandlung in allen kommunalen Abwasserbehandlungsanlagen von Gemeinden mit mehr als 10 000 Einwohnerwerten"
1. Das Königreich Schweden hat gegen seine Verpflichtungen aus Art. 5 Abs. 2, 3 und 5 der Richtlinie 91/271/EWG des Rates vom 21. Mai 1991 über die Behandlung von kommunalem Abwasser in der durch die Richtlinie 98/15/EG der Kommission vom 27. Februar 1998 geänderten Fassung verstoßen, indem es nicht bis spätestens 31. Dezember 1998 sichergestellt hat, dass die unmittelbar in empfindliche Gebiete oder deren Wassereinzugsgebiete eingeleiteten Abwässer aus den kommunalen Behandlungsanlagen der Gemeinden mit mehr als 10 000 Einwohnerwerten, die in den Anhängen 2 und 3 seiner Klagebeantwortung in ihrer durch seine Gegenerwiderung geänderten Fassung genannt werden, den einschlägigen Anforderungen in Anhang I der genannten Richtlinie entsprechen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, das Königreich Schweden und die Republik Finnland tragen ihre eigenen Kosten.

EuGH, Urteil vom 6. 10. 2009 – C-438/07 (lexetius.com/2009,2762)

[1] In der Rechtssache C-438/07 betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 226 EG, eingereicht am 18. September 2007, Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch I. Koskinen, L. Parpala, M. Patakia und S. Pardo Quintillán als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg, Klägerin, gegen Königreich Schweden, vertreten durch A. Falk als Bevollmächtigte, Beklagter, unterstützt durch Republik Finnland, vertreten durch J. Heliskoski und A. Guimaraes-Purokoski als Bevollmächtigte, Streithelferin, erlässt DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer) unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Rosas sowie der Richter A. Ó Caoimh, J. Kluka, U. Lõhmus und A. Arabadjiev (Berichterstatter), Generalanwältin: J. Kokott, Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin, aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 19. Februar 2009, nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 26. März 2009 folgendes Urteil (*):
[2] 1 Mit ihrer Klageschrift beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, festzustellen, dass das Königreich Schweden gegen Art. 5 Abs. 2, 3 und 5 der Richtlinie 91/271/EWG des Rates vom 21. Mai 1991 über die Behandlung von kommunalem Abwasser (ABl. L 135, S. 40) in der durch die Richtlinie 98/15/EG der Kommission vom 27. Februar 1998 (ABl. L 67, S. 29) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 91/271) verstoßen hat, indem es nicht bis spätestens 31. Dezember 1998 sichergestellt hat, dass sämtliche Abwässer aus kommunalen Behandlungsanlagen von Gemeinden mit mehr als 10 000 Einwohnerwerten (EW), die unmittelbar in empfindliche Gebiete oder deren Wassereinzugsgebiete eingeleitet werden, den einschlägigen Anforderungen von Anhang I der Richtlinie 91/271 entsprechen müssen.
Rechtlicher Rahmen
Das Übereinkommen über den Schutz der Meeresumwelt des Ostseegebiets
[3] 2 Neben einigen Mitgliedstaaten und der Russischen Föderation ist die Europäische Gemeinschaft Vertragspartei des Übereinkommens über den Schutz der Meeresumwelt des Ostseegebiets (Helsinki-Übereinkommen in seiner Fassung von 1992) (ABl. 1994, L 73, S. 20, im Folgenden: Ostseeübereinkommen), das mit Beschluss 94/157/EG des Rates vom 21. Februar 1994 über den Abschluss des Übereinkommens über den Schutz der Meeresumwelt des Ostseegebiets im Namen der Gemeinschaft (Helsinki-Übereinkommen in seiner Fassung von 1992) (ABl. L 73, S. 19) angenommen wurde.
Gemeinschaftsrecht
[4] 3 Die Richtlinie 91/271 betrifft ihrem Art. 1 zufolge das Sammeln, Behandeln und Einleiten von kommunalem Abwasser sowie das Behandeln und Einleiten von Abwasser bestimmter Industriebranchen; Ziel dieser Richtlinie ist es, die Umwelt vor den schädlichen Auswirkungen dieses Abwassers zu schützen.
[5] 4 Art. 2 dieser Richtlinie bestimmt:
"Im Sinne dieser Richtlinie bedeuten
1. 'Kommunales Abwasser': häusliches Abwasser oder Gemisch aus häuslichem und industriellem Abwasser und/oder Niederschlagswasser. …
4. 'Gemeinde': Gebiet, in welchem Besiedlung und/oder wirtschaftliche Aktivitäten ausreichend konzentriert sind für eine Sammlung von kommunalem Abwasser und einer Weiterleitung zu einer kommunalen Abwasserbehandlungsanlage oder einer Einleitungsstelle.
5. 'Kanalisation': Leitungssystem, in dem kommunales Abwasser gesammelt und transportiert wird.
6. '1 EW (Einwohnerwert)': organisch-biologisch abbaubare Belastung mit einem biochemischen Sauerstoffbedarf in 5 Tagen (BSB5) von 60 g Sauerstoff pro Tag. …
8. 'Zweitbehandlung': Abwasserbehandlung durch eine biologische Stufe mit einem Nachklärbecken oder ein anderes Verfahren, bei dem die Anforderungen nach Anhang I Tabelle 1 eingehalten werden.
9. 'Geeignete Behandlung': Behandlung von kommunalem Abwasser durch ein Verfahren und/oder Entsorgungssystem, welches sicherstellt, dass die aufnehmenden Gewässer den maßgeblichen Qualitätszielen sowie den Bestimmungen dieser und jeder anderen einschlägigen Richtlinie der Gemeinschaft entsprechen. …
11. 'Eutrophierung': Anreicherung des Wassers mit Nährstoffen, insbesondere mit Stickstoff- und/oder Phosphorverbindungen, die zu einem vermehrten Wachstum von Algen und höheren Formen des pflanzlichen Lebens und damit zu einer unerwünschten Beeinträchtigung des biologischen Gleichgewichts und der Qualität des betroffenen Gewässers führt. …
13. 'Küstengewässer': die Gewässer jenseits der Niedrigwasserlinie bzw. der äußeren Grenze eines Ästuars."
[6] 5 Die allgemeinen Vorschriften, die für Abwasser im Sinne der genannten Richtlinie gelten, finden sich in deren Art. 4, der in Abs. 1 vorsieht:
"Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass in Kanalisationen eingeleitetes kommunales Abwasser vor dem Einleiten in Gewässer … einer Zweitbehandlung oder einer gleichwertigen Behandlung unterzogen wird."
[7] 6 Art. 5 der Richtlinie 91/271 sieht vor:
"(1) Für die Zwecke des Absatzes 2 weisen die Mitgliedstaaten bis zum 31. Dezember 1993 empfindliche Gebiete gemäß den in Anhang II festgelegten Kriterien aus.
(2) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass das in empfindliche Gebiete eingeleitete kommunale Abwasser aus Kanalisationen von Gemeinden mit mehr als 10 000 EW spätestens ab 31. Dezember 1998 vor dem Einleiten in Gewässer einer weiter gehenden als der in Artikel 4 beschriebenen Behandlung unterzogen wird.
(3) Abwasser aus kommunalen Behandlungsanlagen gemäß Absatz 2 muss den einschlägigen Anforderungen von Anhang I Abschnitt B entsprechen. …
(5) Die Absätze 2, 3 und 4 gelten für Abwasser aus kommunalen Behandlungsanlagen in den jeweiligen Wassereinzugsgebieten empfindlicher Gebiete, die zur Verschmutzung dieser Gebiete beitragen. …"
[8] 7 Anhang I Abschnitt B Nrn. 2 und 3 dieser Richtlinie lautet:
"2. Einleitungen aus kommunalen Abwasserbehandlungsanlagen, die einer Behandlung nach den Artikeln 4 und 5 der Richtlinie unterliegen, müssen den Anforderungen in Tabelle 1 entsprechen.
3. Einleitungen aus kommunalen Abwasserbehandlungsanlagen in empfindliche Gebiete, in denen es im Sinne des Anhangs II Abschnitt A Buchst. a) zur Eutrophierung kommt, müssen zusätzlich den Anforderungen in Tabelle 2 des vorliegenden Anhangs entsprechen."
[9] 8 In Tabelle 2 des genannten Anhangs I heißt es:
"Tabelle 2: Anforderungen an Einleitungen aus kommunalen Abwasserbehandlungsanlagen in empfindlichen Gebieten, in denen es [im Sinne des Anhangs II Abschnitt A Buchst. a)] zur Eutrophierung kommt. Je nach den Gegebenheiten vor Ort können ein oder beide Parameter verwendet werden. Anzuwenden ist der Konzentrationswert oder die prozentuale Verringerung."
[10] 9 Der "Stickstoff insgesamt" darf nach der zweiten Zeile dieser Tabelle entweder in maximaler Konzentration von 15 mg/l für Gemeinden zwischen 10 000 und 100 000 EW bzw. 10 mg/l für größere Gemeinden vorliegen oder muss Gegenstand einer prozentualen Mindestverringerung um 70 % bis 80 % sein.
[11] 10 Anhang II Abschnitt A Buchst. a Abs. 2 der Richtlinie 91/271 sieht vor:
"Bei der Entscheidung, welche Nährstoffe durch eine weitere Behandlung reduziert werden müssen, sollen folgende Faktoren berücksichtigt werden:
i) Seen und Zuflüsse zu Seen/Talsperren/geschlossenen Buchten mit geringem Wasseraustausch, wodurch die Möglichkeit der Anreicherung gegeben ist. In diesen Gebieten sollte auf jeden Fall Phosphor entfernt werden, außer wenn nachgewiesen werden kann, dass das Ausmaß der Eutrophierung dadurch nicht beeinflusst wird. Bei Einleitungen von großen Siedlungsgebieten kann auch die Entfernung von Stickstoff ins Auge gefasst werden;
ii) Ästuare, Buchten und andere Küstengewässer, die nur einen geringen Wasseraustausch haben oder in die große Mengen von Nährstoffen eingeleitet werden. Einleitungen aus kleineren Gemeinden sind in diesen Gewässern normalerweise nicht ausschlaggebend, aber im Falle großer Gemeinden sollten Phosphor und/oder Stickstoff entfernt werden, außer wenn nachgewiesen werden kann, dass das Ausmaß der Eutrophierung dadurch nicht beeinflusst wird [.]"
Nationales Recht
[12] 11 Aus der Darstellung des nationalen Rechts in den Schriftsätzen des Königreichs Schweden geht hervor, dass sämtliche Tätigkeiten und Maßnahmen mit signifikanter Bedeutung für die Umwelt in den Anwendungsbereich des schwedischen Umweltgesetzbuchs (Miljöbaken) fallen. Jede schwedische Behandlungsanlage, in der kommunales Abwasser aus Gemeinden mit mehr als 2 000 EW behandelt wird, muss außerdem Inhaber einer Genehmigung sein, die auf einer fallbezogenen Beurteilung beruht. Bei der Prüfung des Antrags auf Genehmigungserteilung wird eine Gesamtbeurteilung des Status des Einleitungsgebiets, die auf den zusammengefassten Einleitungen aus sämtlichen Quellen beruht, sowie eine Prognose der Auswirkung der Einleitungen vorgenommen.
Vorverfahren
[13] 12 1994 wies das Königreich Schweden alle seine Gewässer als empfindliche Gebiete aus. 1998 und 2000 bestätigte es gegenüber der Kommission diese Einstufung. Außerdem gab dieser Mitgliedstaat an, er habe auf die Eutrophierung als Kriterium abgestellt, und die betreffenden Wassermengen ermöglichten es, die erforderliche Art der Behandlung festzustellen. Nach den in Anhang II Abschnitt A Buchst. a Ziff. i und ii der Richtlinie 91/271 genannten Kriterien sei das gesamte schwedische Hoheitsgebiet aufgrund von Phosphoreinleitungen eutrophierungsempfindlich oder -gefährdet.
[14] 13 Am 23. Oktober 2002 sandte die Kommission dem Königreich Schweden ein Mahnschreiben, da dieser Mitgliedstaat nicht den Verpflichtungen nachgekommen sei, die ihm nach Art. 5 der Richtlinie 91/271 oblägen. Der Verstoß ergebe sich daraus, dass nicht alle Einleitungen aus kommunalen Abwasserbehandlungsanlagen in empfindliche Gebiete den Anforderungen von Anhang I Abschnitt B der genannten Richtlinie entsprächen. Das Königreich Schweden habe bis spätestens 31. Dezember 1998 den genannten Anforderungen nachkommen müssen, die für sämtliche Abwässer aus kommunalen Behandlungsanlagen von Gemeinden mit mehr als 10 000 EW sowie für sämtliche Einleitungen der Behandlungsanlagen gälten, die in Wassereinzugsgebieten empfindlicher Gebiete gelegen seien.
[15] 14 In seiner Antwort vom 5. Februar 2003 wies das Königreich Schweden das Vorbringen der Kommission zurück und trug vor, es sei der Richtlinie 91/271 nachgekommen. Es sei nicht erforderlich, den Stickstoff zu entfernen, der in dem Wasser enthalten sei, das durch die kommunalen Abwasserbehandlungsanlagen von Gemeinden mit mehr als 10 000 EW nördlich der Gemeinde Norrtälje in die Ostsee eingeleitet werde. Ferner trügen die Stickstoffeinleitungen durch kommunale Abwasserbehandlungsanlagen anderer Gemeinden mit mehr als 10 000 EW, die im mittleren Südschweden gelegen seien, nicht zur Eutrophierung der Küstengewässer bei, weil der Stickstoff auf dem Weg durch das Wassereinzugsgebiet von der Quelle der Verschmutzung bis zum Meer in ausreichendem Maß auf natürlichem Wege zurückgehalten werde.
[16] 15 Am 1. April 2004 sandte die Kommission dem Königreich Schweden eine mit Gründen versehene Stellungnahme, in der sie wissenschaftliche Studien anführte, die belegten, dass sich die Entfernung des Stickstoffs, der in dem in die Bottenwiek und die Bottnische See eingeleiteten Wasser enthalten sei, auf das Ausmaß der Eutrophierung in der Ostsee im eigentlichen Sinn auswirke. Das gesamte Wasser, das in die Ostsee, einschließlich Bottenwiek und Bottnische See, durch die kommunalen Abwasserbehandlungsanlagen von Gemeinden mit mehr als 10 000 EW eingeleitet werde, müsse einer Behandlung zur Entfernung sowohl des Phosphors als auch des Stickstoffs, die in ihm enthalten seien, unterzogen werden.
[17] 16 Die Kommission war ferner der Ansicht, dass die Stickstoffeinleitungen durch kommunale Abwasserbehandlungsanlagen von Gemeinden mit mehr als 10 000 EW im mittleren Südschweden zu einer Verschmutzung der Ostsee, die ein empfindliches Gebiet sei, beitrügen. Insoweit wies sie darauf hin, dass für die Küstengebiete die natürliche Zurückhaltung in Wassereinzugsgebieten keine akzeptable Methode zur Verringerung der Stickstoffbelastung sei.
[18] 17 Auf die mit Gründen versehene Stellungnahme der Kommission antwortete das Königreich Schweden mit Schreiben vom 14. und 22. Juni 2004, dass ein Mitgliedstaat, wenn er dazu veranlasst sei, zu den Gebieten, die im Sinne der Richtlinie 91/271 eutrophierungsempfindlich seien, Stellung zu nehmen, auch beurteilen müsse, welche Nährstoffe zur Eutrophierung beitrügen. Wenn dieser Mitgliedstaat sich hierzu eine Meinung gebildet habe, müsse er sicherstellen, dass eine tertiäre Behandlung von Stickstoff und/oder Phosphor je nach den Gegebenheiten vor Ort vorgenommen werde. Außerdem betonte das Königreich Schweden, dass es den Mitgliedstaaten freistehe, die Methode zur wählen, die sie für die Entfernung des Stickstoffs aus dem kommunalen Abwasser anwenden wollten. Die Richtlinie 91/271 sei somit dahin auszulegen, dass die natürliche Zurückhaltung als Methode zur Entfernung von Stickstoff aus kommunalem Bodenabwasser, das in Flüsse und Wasserläufe abfließe und sich später in die empfindlichen Küstengebiete ergieße, berücksichtigt werden könne.
[19] 18 Da die Antwort des Königreichs Schweden auf die genannte mit Gründen versehene Stellungnahme die Kommission nicht zufriedenstellte, hat sie die vorliegende Klage erhoben.
[20] 19 Mit Beschluss vom 28. Januar 2008 hat der Präsident des Gerichtshofs die Republik Finnland als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge des Königreichs Schweden zugelassen.
Zur Klage
Vorbringen der Verfahrensbeteiligten
[21] 20 Das Königreich Schweden hat die 141 kommunalen Abwasserbehandlungsanlagen von Gemeinden mit mehr als 10 000 EW, die unmittelbar in empfindliche Gebiete oder ihre Wassereinzugsgebiete einleiten, in fünf in den ersten fünf Anhängen seiner Klagebeantwortung genannte Gruppen eingeteilt.
[22] 21 In seiner Gegenerwiderung hat das Königreich Schweden dargelegt, dass 5 von diesen 141 Behandlungsanlagen anders einzustufen seien. So gehörten die Anlagen der Gemeinden Kristianstad auf der einen sowie Jönköping und Huskvarna auf der anderen Seite, die inzwischen eine einzige Gemeinde bildeten, statt in Anhang 1 der Klagebeantwortung in deren Anhang 3. Die Anlage von Lysekil gehöre statt in Anhang 1 in Anhang 2 der Klagebeantwortung. Die Anlage von Hammarö gehöre statt in Anhang 2 in Anhang 1 der Klagebeantwortung.
[23] 22 Erstens sind in Anhang 1 der Klagebeantwortung des Königreichs Schweden in der durch die Gegenerwiderung geänderten Fassung (im Folgenden: Anhang 1 in geänderter Fassung) die Behandlungsanlagen aufgeführt, die dieser Mitgliedstaat für den Anforderungen der Richtlinie 91/271 entsprechend erachtet. Im Hinblick auf die genannten Anlagen liege kein Verstoß vor, denn sie verfügten alle über eine spezielle Ausstattung zur Entfernung von Stickstoff, die den Anforderungen dieser Richtlinie entspreche. Die Kommission beschränkt sich darauf, festzustellen, dass die Behandlungsanlagen von Eslöv, Kristianstad und Jönköping aus dem von ihnen behandelten kommunalen Abwasser unter Verstoß gegen die genannte Richtlinie den Stickstoff nicht entfernten.
[24] 23 Zweitens, was zum einen die Behandlungsanlagen angeht, die in Anhang 2 der Klagebeantwortung des Königreichs Schweden in der durch dessen Gegenerwiderung geänderten Fassung (im Folgenden: Anhang 2 in geänderter Fassung) erwähnt werden, und zum anderen die Behandlungsanlagen, die in Anhang 3 der Klagebeantwortung in der durch die Gegenerwiderung geänderten Fassung (im Folgenden: Anhang 3 in geänderter Fassung) genannt sind, weist die Kommission darauf hin, dass sie den Standpunkt des Königreichs Schweden akzeptiere, dem zufolge die genannten Anlagen nicht den Anforderungen der Richtlinie 91/271 entsprächen, weil Erstere nicht für die Entfernung von Stickstoff ausgestattet und die Zweitgenannten aus dem kommunalen Abwasser, das sie behandelten, nicht genügend Stickstoff entfernten.
[25] 24 Drittens, was die in Anhang 5 der Klagebeantwortung des Königreichs Schweden genannten Anlagen angeht, unterscheidet die Kommission danach, ob ihre Einleitungen unmittelbar oder mittelbar in die Bottenwiek und unmittelbar oder mittelbar in die Bottnische See fließen. Die Kommission ist der Ansicht, dass dieses Wasser als für diese beiden Nährstoffe empfindlich betrachtet werden müsse, weil der größte Teil der Binnengewässer Schwedens der Ostsee im eigentlichen Sinn zufließe, deren Eutrophierung hauptsächlich durch Phosphor und Stickstoff verursacht werde. Alle diese Anlagen müssten daher neben der Phosphorbehandlung eine weiter gehende Stickstoffbehandlung im Sinne von Art. 5 Abs. 2, 3 und 5 der Richtlinie 91/271 (im Folgenden: teritiäre Behandlung) durchführen.
[26] 25 Die Kommission räumt ein, dass das Wasser der Bottenwiek lediglich phosphorempfindlich sei, ist aber der Ansicht, dass die Bottenwiek nicht isoliert betrachtet werden könne, da die Nährstoffe einschließlich Stickstoff aus ihrem Meeresbecken in andere Bereiche der Ostsee transportiert würden. Unter Berufung insbesondere auf einen Bericht, den das Water Research Center im Auftrag der Kommission 2003 über die Umsetzung der Richtlinie 91/271 in Schweden erstellt hat (im Folgenden: Bericht von 2003), vertritt die Kommission die Ansicht, dass das Wasser der Bottnischen See zumindest teilweise stickstoffempfindlich sei. Der Abfluss von Wasser aus der Bottenwiek und der Bottnischen See in die Ostsee im eigentlichen Sinn führe somit dazu, dass eine beträchtliche Menge Stickstoff transportiert werde.
[27] 26 Schließlich sei es auch in den in Anhang 4 der Klagebeantwortung des Königreichs Schweden genannten Anlagen, die nach Ansicht dieses Mitgliedstaats den Anforderungen der Richtlinie 91/271 entsprechen, nicht erforderlich, Stickstoff zu entfernen, weil die natürliche Zurückhaltung so ausgeprägt sei, dass ihre Einleitungen nicht zur Eutrophierung der Küstengewässer beitrügen. Die Republik Finnland fügt insoweit in ihrem Streithilfeschriftsatz hinzu, dass ein solcher natürlicher Reinigungsvorgang dann berücksichtigt werden könne, wenn gemäß der genannten Richtlinie beurteilt werde, ob eine Stickstoffentfernung erforderlich sei. Die Kommission macht ihrerseits geltend, dass die Zurückhaltungsquoten, auf die das Königreich Schweden sich berufe, keine hinreichende Stickstoffentfernung ermöglichten und dass die Berechnungen Schwedens auf einer durchschnittlichen Verringerung des Stickstoffgehalts beruhten, was die Richtlinie 91/271 nicht erlaube. Die Zurückhaltung könne somit nicht als den Anforderungen entsprechend angesehen werden, die in Anhang I Tabelle 2 der genannten Richtlinie für ein ausreichendes und beständiges Behandlungsniveau festgelegt worden seien.
[28] 27 In ihrer Erwiderung macht die Kommission geltend, es folge aus dem in Art. 174 Abs. 2 EG für die Umweltpolitik der Gemeinschaft festgelegten und in ständiger Rechtsprechung bekräftigten Erfordernis, ein hohes, auf den Grundsätzen der Vorsorge und Vorbeugung beruhendes Schutzniveau sicherzustellen, dass die Verschmutzung vorzugsweise an ihrer Quelle zu bekämpfen sei. Das Königreich Schweden habe nicht nachgewiesen, dass die Entfernung von Stickstoff aus den Binnen- und Küstengewässern nicht zu einer Verbesserung des Niveaus der Eutrophierung in der Ostsee führe.
[29] 28 Das Königreich Schweden erwidert hierauf, dass eine Stickstoffentfernung in den Fällen, in denen die Gegebenheiten vor Ort dies nicht erforderlich machten, das Gedeihen von Cyanobakterien fördere. Unter derartigen Umständen lege es der Vorsorgegrundsatz, solange die Kommission nicht beweise, dass die lokalen Gegebenheiten eine Stickstoffentfernung erforderlich machten, eher nahe, von einer derartigen Entfernung abzusehen.
Würdigung durch den Gerichtshof
[30] 29 Aus Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 91/271 geht hervor, dass das gesamte kommunale Abwasser aus Kanalisationen von Gemeinden mit mehr als 10 000 EW, das in ein empfindliches Gebiet eingeleitet wird, spätestens ab 31. Dezember 1998 einer weiter gehenden als der in Art. 4 dieser Richtlinie beschriebenen Behandlung unterzogen werden musste.
[31] 30 Der Gerichtshof hat insoweit bereits entschieden, dass eine Einleitung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 91/271 unabhängig davon vorliegt, ob die Abwässer unmittelbar oder mittelbar in ein empfindliches Gebiet fließen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. April 2002, Kommission/Italien, C-396/00, Slg. 2002, I-3949, Randnrn. 29 bis 32). Wie die Generalanwältin in Nr. 72 ihrer Schlussanträge festgestellt hat, entspricht dies dem hohen Schutzniveau der Umweltpolitik der Gemeinschaft nach Art. 174 Abs. 2 EG.
[32] 31 Die Einstufung von Gebieten als empfindliche Gebiete kann nach Anhang II Abschnitt A der Richtlinie 91/271 auf Eutrophierung, Trinkwassergewinnung oder die Anforderungen anderer Richtlinien gestützt werden.
[33] 32 Im vorliegenden Fall steht fest, dass das Königreich Schweden 1994 alle seine Gewässer als eutrophierungsempfindliche Gebiete ausgewiesen hat und dass alle seine Behandlungsanlagen unmittelbar oder mittelbar in diese Gebiete einleiten.
[34] 33 Aus den Erklärungen der Verfahrensbeteiligten geht hervor, dass im Allgemeinen einer der Nährstoffe, sei es Phosphor oder Stickstoff, im Vergleich zum anderen in geringerer Menge vorhanden ist und dass dieser geringere Gehalt das Algenwachstum begrenzt. Dieser Stoff wird daher als "begrenzender Faktor" bezeichnet. Die Gewässer eines Gebiets können für den einen oder den anderen dieser Stoffe oder auch für beide empfindlich sein. Wird Phosphor und/oder Stickstoff je nach der Empfindlichkeit der genannten Gewässer reduziert, ermöglicht dies also die Begrenzung des Algenwachstums.
[35] 34 Alle schwedischen Gewässer wurden für aufgrund von Phosphoreinleitungen eutrophierungsempfindlich oder -gefährdet erachtet. Allein die Küstengewässer zwischen der norwegischen Grenze und der Gemeinde Norrtälje wurden als aufgrund von Stickstoffeinleitungen eutrophierungsempfindlich oder -gefährdet eingestuft.
[36] 35 Daher ist entgegen dem Vorbringen der Kommission festzustellen, dass das Königreich Schweden im Rahmen der Ausweisung der empfindlichen Gebiete klargestellt hat, welche Nährstoffe nach Anhang I Tabelle 2 der Richtlinie 91/271 bei der Einleitung von kommunalem Abwasser in die schwedischen Binnengewässer zu entfernen sind. Denn wie das Königreich Schweden ausführt, wurde insoweit keine Unterscheidung zwischen Küstengewässern und Binnengewässern getroffen.
[37] 36 Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 91/271 bestimmt außerdem, welchen Regeln die tertiäre Behandlung in derartigen empfindlichen Gebieten unterliegt. Aus dieser Vorschrift in Verbindung mit den Vorschriften, auf die sie verweist, ergibt sich, dass Einleitungen aus kommunalen Abwasserbehandlungsanlagen in empfindliche Gebiete, in denen es zur Eutrophierung kommt, den Anforderungen in Tabelle 2 des Anhangs I dieser Richtlinie entsprechen müssen.
[38] 37 Der Gerichtshof hat bereits festgestellt, dass diese Anforderungen vorbehaltlich Anhang II Abschnitt A Buchst. a Abs. 2 der Richtlinie 91/271 gelten (Urteil vom 23. September 2004, Kommission/Frankreich, C-280/02, Slg. 2004, I-8573, Randnrn. 104 f.). Ziff. ii dieser Bestimmung sieht somit vor, dass für Küstengewässer, die nur einen geringen Wasseraustausch haben oder in die große Mengen von Nährstoffen eingeleitet werden, im Fall großer Gemeinden Phosphor und/oder Stickstoff entfernt werden sollte, außer wenn nachgewiesen werden kann, dass das Ausmaß der Eutrophierung dadurch nicht beeinflusst wird.
[39] 38 Die Tabelle 2 in Anhang I dieser Richtlinie betrifft die Verringerung von Phosphor und Stickstoff in kommunalem Abwasser. Wie aus ihrer Überschrift hervorgeht, können je nach den Gegebenheiten vor Ort einer oder beide Parameter verwendet werden. Es hängt nämlich von den Gegebenheiten vor Ort ab, ob Stickstoff oder Phosphor oder beide Stoffe verringert werden müssen. Der Mitgliedstaat hat sodann die Wahl, ob er über den Konzentrationswert oder die prozentuale Verringerung vorgeht.
[40] 39 Die Kommission und das Königreich Schweden sind sich darin einig, dass die Eutrophierung der Ostsee ein größeres Umweltproblem darstellt und dass dieses Phänomen durch eine Zunahme der Stickstoff- und Phosphorkonzentration hervorgerufen wird; beide Stoffe sind allerdings für das Leben im Meer unentbehrlich.
[41] 40 Wie das Königreich Schweden geltend macht, gibt es für das Problem der Eutrophierung keine einheitliche Lösung für die gesamte Ostsee.
[42] 41 Demnach ergibt sich aus den Akten, dass für die Verringerung der Eutrophierung in den verschiedenen Teilen der Ostsee nicht die gleichen Maßnahmen zu ergreifen sind. Die Richtlinie 91/271 sieht insoweit vor, dass die Mitgliedstaaten auf der Grundlage der Gegebenheiten vor Ort die Stoffe – Phosphor und/oder Stickstoff – bewerten, die zur Eutrophierung beitragen, und anhand dieser Beurteilung die geeigneten Behandlungsmaßnahmen ergreifen.
[43] 42 Die Richtlinie 91/271 verlangt somit nicht automatisch eine Verringerung der Stickstoffbelastung, selbst wenn die Einleitungen aus kommunalen Abwasserbehandlungsanlagen in Einleitungsgewässer eines empfindlichen Gebiets fließen. Der Grund für die Empfindlichkeit dieser Einleitungsgewässer bestimmt zusammen mit einer Prüfung der Gegebenheiten vor Ort, ob Stickstoff und/oder Phosphor verringert werden müssen.
[44] 43 Daher ist der von der Kommission vertretenen Auslegung nicht zu folgen, wonach der Umstand allein, dass die Einleitungen aus kommunalen Abwasserbehandlungsanlagen letztlich in ein empfindliches Gebiet gelangen, die Annahme erlaube, dass die Richtlinie 91/271 dann eine tertiäre Stickstoffbehandlung erfordere. Nach Art. 5 Abs. 5 dieser Richtlinie hängt die Verpflichtung zur Verringerung der Stickstoffbelastung davon ab, inwieweit das Abwasser aus kommunalen Behandlungsanlagen in den Wassereinzugsgebieten der empfindlichen Gebiete zur Verschmutzung dieser Gebiete beiträgt.
[45] 44 Da die Bestimmung des begrenzenden Faktors nicht ausschließlich mit der Empfindlichkeit der Einleitungsgewässer zusammenhängt, sondern auch damit, dass die Einleitungen einen Verschmutzungseffekt auf diese Gewässer haben, lässt sich nicht, wie dies die Kommission im Kern tut, behaupten, sowohl die Seen als auch die Flüsse und die Küstengewässer Schwedens müssten als für diese beiden Stoffe empfindlich angesehen werden, weil die Ostsee im eigentlichen Sinn sowohl wegen Stickstoff als auch wegen Phosphor einer starken Eutrophierung unterliegt und der Großteil der schwedischen Binnengewässer in dieses Meer entwässert.
[46] 45 Daraus ergibt sich, dass entgegen dem Vorbringen der Kommission die Richtlinie 91/271 keine allgemeine Verpflichtung vorsieht, eine tertiäre Stickstoffbehandlung der Einleitungen aller kommunalen Abwasserbehandlungsanlagen von Gemeinden mit mehr als 10 000 EW vorzuschreiben.
[47] 46 Da die Richtlinie 91/271 eine Verringerung von Phosphor und/oder Stickstoff je nach den Gegebenheiten vor Ort, d. h. der Empfindlichkeit der Einleitungsgewässer für den einen oder den anderen Nährstoff und dem Vorliegen eines Verschmutzungseffekts der Einleitungen auf diese Gewässer, verlangt, können die fraglichen Behandlungsanlagen, die in dasselbe Wassereinzugsgebiet einleiten, zusammen geprüft werden.
[48] 47 Ferner unterliegen die – unmittelbaren oder mittelbaren – Einleitungen aus kommunalen Abwasserbehandlungsanlagen, die in demselben Wassereinzugsgebiet eines empfindlichen Gebiets gelegen sind, nach Art. 5 Abs. 5 der Richtlinie 91/271 den für empfindliche Gebiete geltenden Anforderungen nur insoweit, wie diese Einleitungen zur Verschmutzung dieses Gebiets beitragen. Daher muss ein Kausalzusammenhang zwischen den genannten Einleitungen und der Verschmutzung der empfindlichen Gebiete bestehen.
[49] 48 In Anbetracht dieser Erwägungen ist zu prüfen, ob die Kommission einen derartigen Zusammenhang dargetan hat.
[50] 49 Es ist nämlich daran zu erinnern, dass es nach ständiger Rechtsprechung im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens nach Art. 226 EG der Kommission obliegt, das Vorliegen der behaupteten Vertragsverletzung nachzuweisen. Sie muss dem Gerichtshof die erforderlichen Anhaltspunkte liefern, anhand deren er das Vorliegen der Vertragsverletzung prüfen kann, und kann sich dabei nicht auf irgendeine Vermutung stützen (vgl. u. a. Urteile vom 25. Mai 1982, Kommission/Niederlande, 96/81, Slg. 1982, 1791, Randnr. 6, und vom 26. April 2007, Kommission/Italien, C-135/05, Slg. 2007, I-3475, Randnr. 26).
[51] 50 Ist der Vortrag der Kommission hinreichend, um den Sachverhalt zu belegen, der sich im Hoheitsgebiet des beklagten Mitgliedstaats zugetragen hat, so obliegt es diesem Mitgliedstaat, substantiiert und detailliert diesen Vortrag und die sich daraus ergebenden Folgen zu bestreiten (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 22. September 1988, Kommission/Griechenland, 272/86, Slg. 1988, 4875, Randnr. 21, und vom 9. November 1999, Kommission/Italien, C-365/97, Slg. 1999, I-7773, Randnrn. 84 und 86).
[52] 51 Was erstens die Behandlungsanlagen betrifft, die in Anhang 1 in geänderter Fassung erwähnt werden, so trägt die Kommission vor, ohne dies allerdings darzutun, dass zum einen die Behandlungsanlagen von Eslöv, Kristianstad und Jönköping für die Entfernung von Stickstoff aus dem kommunalen Abwasser, das sie behandelten, nicht ausgestattet seien. Zum anderen begnügt sich die Kommission mit der Behauptung, dass aus den Abwässern der Gemeinden Hönö, Strömstad, Lidköping, Sävsjö, Borgholm, Bjuv, Svedala, Klippan, Torekov und Åmål Stickstoff nicht entfernt worden sei.
[53] 52 Unter diesen Umständen verfügt der Gerichtshof nicht über ausreichende Anhaltspunkte, um die Tragweite des dem Königreich Schweden vorgeworfenen Verstoßes gegen das Gemeinschaftsrecht genau erfassen und damit überprüfen zu können, ob die von der Kommission behauptete Vertragsverletzung vorliegt (vgl. Urteil vom 26. April 2007, Kommission/Finnland, C-195/04, Slg. 2007, I-3351, Randnr. 32).
[54] 53 Was zweitens die in den Anhängen 2 und 3 in geänderter Fassung genannten Behandlungsanlagen betrifft, ist daran zu erinnern, dass es im Rahmen einer Vertragsverletzungsklage Sache des Gerichtshofs ist, festzustellen, ob die beanstandete Vertragsverletzung vorliegt oder nicht, selbst wenn der betreffende Mitgliedstaat diese nicht bestreitet (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 15. Januar 2002, Kommission/Italien, C-439/99, Slg. 2002, I-305, Randnr. 20, und vom 23. Februar 2006, Kommission/Deutschland, C-43/05, Randnr. 11).
[55] 54 Es ist festzustellen, dass das Königreich Schweden selbst einräumt, insoweit gegen die ihm nach der Richtlinie 91/271 obliegenden Verpflichtungen verstoßen zu haben. Dieser Mitgliedstaat trägt vor, dass die in den Anhängen 2 und 3 in geänderter Fassung genannten Behandlungsanlagen bei Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist nicht den gemäß Anhang I der genannten Richtlinie geltenden Anforderungen genügt hätten. Insbesondere geht aus den Antworten des Königreichs Schweden auf die schriftlichen Fragen hervor, dass zum einen die in Anhang 2 in geänderter Fassung genannten Behandlungsanlagen nicht über eine besondere Stickstoffentfernungstechnologie verfügten. Zum anderen hat das Königreich Schweden eingeräumt, dass die in Anhang 3 in geänderter Fassung genannten Behandlungsanlagen über eine besondere Stickstoffentfernungstechnologie verfügten, dass aber die Stickstoffeinleitungen aus diesen Anlagen derart bedeutend sind, dass sie selbst im Fall einer hochgradigen Zurückhaltung zur Eutrophierung beitragen.
[56] 55 Selbst wenn die Kommission in der Klageschrift im Hinblick auf sämtliche Abwässer aus kommunalen Behandlungsanlagen von Gemeinden mit mehr als 10 000 EW, die unmittelbar in empfindliche Gebiete oder deren Wassereinzugsgebiete eingeleitet werden, einen pauschalen Standpunkt einnimmt, hindert dies nicht, die Vertragsverletzung für bestimmte dieser Anlagen festzustellen. Dieses Ergebnis wird dadurch bestätigt, dass das Königreich Schweden, indem es eingeräumt hat, dass die in den Anhängen 2 und 3 in geänderter Fassung genannten Behandlungsanlagen nicht den Anforderungen genügen, die nach Anhang 1 der Richtlinie 91/271 gelten, ausdrücklich bekräftigt hat, dass es diesem Teil der Klage der Kommission nicht entgegentritt.
[57] 56 Aus dem Vorstehenden folgt, dass das Königreich Schweden gegen seine Verpflichtungen aus der Richtlinie 91/271 in Bezug auf die Stickstoffeinleitungen der in den Anhängen 2 und 3 in geänderter Fassung genannten Behandlungsanlagen verstoßen hat.
[58] 57 Was drittens die in Anhang 4 der Klagebeantwortung des Königreichs Schweden aufgeführten Behandlungsanlagen zum einen und die in Anhang 5 dieses Schriftsatzes aufgeführten Behandlungsanlagen zum anderen betrifft, für die es keiner besonderen Stickstoffbeseitigungsvorrichtungen bedürfen soll, weil ihre Einleitungen nicht zur Eutrophierung empfindlicher Gebiete beitrügen, ist zu prüfen, ob die Kommission bewiesen hat, dass die Einleitungen der genannten Anlagen zur Eutrophierung dieser Gebiete beitragen.
[59] 58 Hierzu ist festzustellen, dass, wie sich aus den Akten ergibt, die genannten Anlagen über Wassereinzugsgebiete verteilt sind, deren Einleitungsgewässer zum einen der Bottnische Meerbusen, ein Ausläufer der Ostsee, und zum anderen die Ostsee im eigentlichen Sinn sind.
Zu den Behandlungsanlagen, die in den Bottnischen Meerbusen einleiten
[60] 59 Einige der in Anhang 5 der Klagebeantwortung des Königreichs Schweden aufgeführten Behandlungsanlagen leiten unmittelbar oder mittelbar in die Bottenwiek, andere unmittelbar oder mittelbar in die Bottnische See ein. Die fraglichen Behandlungsanlagen, die in dasselbe Wassereinzugsgebiet einleiten, können somit zusammen untersucht werden.
[61] 60 Erstens sind die kommunalen Abwasserbehandlungsanlagen von Gemeinden mit mehr als 10 000 EW, die entweder unmittelbar in die Bottenwiek oder deren Wassereinzugsgebiet einleiten, die von Haparanda, Luleå, Piteå, Skellefteå und Umeå sowie die von Kiruna, Gällivare und Boden.
[62] 61 Die Verfahrensbeteiligten sind sich darüber einig, dass die Bottenwiek der einzige bedeutende Bereich dieses Meeres ist, der im Allgemeinen nicht von der Eutrophierung betroffen ist. Die Kommission erkennt außerdem an, dass Phosphor der begrenzende Faktor in der Bottenwiek ist.
[63] 62 Unter diesen Umständen hat die Kommission nicht dargetan, dass das Königreich Schweden für alle kommunalen Abwasserbehandlungsanlagen von Gemeinden mit mehr als 10 000 EW, die in die Bottenwiek einleiten, eine tertiäre Stickstoffbehandlung vorschreiben musste.
[64] 63 Zweitens sind die kommunalen Abwasserbehandlungsanlagen von Gemeinden mit mehr als 10 000 EW, die entweder unmittelbar in die Bottnische See oder deren Wassereinzugsgebiet einleiten, die von Örnsköldsvik, Härnösand, Timrå, Sundsvall, Hudiksvall, Söderhamn und Gävle sowie die von Sollefteå, Östersund, Åre, Ljusdal, Bollnäs, Mora, Falun, Borlänge, Avesta und Sandviken.
[65] 64 Die Verfahrensbeteiligten streiten zum einen über das Vorliegen von Eutrophierung und über die Bestimmung des begrenzenden Faktors in der Bottnischen See und zum anderen darüber, ob ein Stickstofftransfer aus dem Bottnischen Meerbusen in die Ostsee im eigentlichen Sinn existiert und welche Auswirkungen er gegebenenfalls hat.
- Zum Vorliegen von Eutrophierung und zur Bestimmung des begrenzenden Faktors in der Bottnischen See
[66] 65 Den Ergebnissen der vom Königreich Schweden zu den Akten gereichten Studien zufolge ist der Bottnische Meerbusen einschließlich der Bottnischen See der einzige Teil der Ostsee, der keine offenkundigen Anzeichen von Eutrophierung zeigt.
[67] 66 Die Kommission gründet ihre Behauptung, dass Stickstoff ein signifikanter begrenzender Faktor der Eutrophierung in der Bottnischen See sei, auf den Bericht von 2003.
[68] 67 In diesem Bericht wird jedoch hervorgehoben, dass es allgemein anerkannt sei, dass in den offenen Meeresbereichen des Bottnischen Meerbusens kein Eutrophierungsproblem bestehe.
[69] 68 Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die Kommission nicht dargetan hat, dass Stickstoff ein signifikanter begrenzender Faktor der Eutrophierung in den offenen Meeresbereichen der Bottnischen See ist.
[70] 69 Den Ergebnissen des Berichts von 2003 zufolge ist die Eutrophierung in der Ostsee im eigentlichen Sinn im Kattegat, im Öresund und in den Küstenbereichen der Bottnischen See ein Problem, wo der Wasseraustausch gering und der Gehalt an Nährstoffen hoch sei.
[71] 70 In Bezug auf die Küstengewässer bestätigt der Bericht von 2003, dass diese aufgrund geringen Wasseraustauschs und hohen Nährstoffgehalts einer Eutrophierung unterliegen. Außerdem sei Phosphor der begrenzende Faktor in den schwedischen Küstengewässern.
[72] 71 Hierbei ist Anhang II Abschnitt A Buchst. a Abs. 1 Ziff. ii der Richtlinie 91/271 zu berücksichtigen, wonach in Küstengewässern, die nur einen geringen Wasseraustausch haben oder in die große Mengen von Nährstoffen eingeleitet werden, die Einleitungen aus kleineren Gemeinden normalerweise nicht ausschlaggebend sind, aber im Fall großer Gemeinden Phosphor und/oder Stickstoff entfernt werden sollte, außer wenn nachgewiesen werden kann, dass das Ausmaß der Eutrophierung dadurch nicht beeinflusst wird.
[73] 72 Hierzu legt der Bericht von 2003 dar, dass Zweifel über die Wirksamkeit der Stickstoffentfernung bestünden und dass eine Verringerung der Stickstoffbelastung in den Teilen der Ostsee, in denen Phosphor der begrenzende Faktor sei, nur eine begrenzte Auswirkung auf die Eutrophierung hätte.
[74] 73 Außerdem trägt das Königreich Schweden, ohne dass die Kommission Gegenbeweise antritt, vor, dass eine Stickstoffentfernung zur Folge hätte, dass der Stickstofftransfer von der Bottenwiek in die Bottnische See sich um etwa 19 Tonnen verringerte, was weniger als 0, 1 % des Gesamtstickstofftransfers zwischen diesen beiden Meereszonen ausmacht. Die Auswirkung der Stickstoffentfernung im Bottnischen Meerbusen auf das Ausmaß der Eutrophierung in der Ostsee im eigentlichen Sinn wäre somit unbedeutend.
[75] 74 Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass die Kommission nicht dargetan hat, dass das Königreich Schweden für alle kommunalen Abwasserbehandlungsanlagen von Gemeinden mit mehr als 10 000 EW, die in die Bottnische See einleiten, eine tertiäre Stickstoffbehandlung vorschreiben musste.
- Zum Vorliegen eines Stickstofftransfers aus dem Bottnischen Meerbusen in die Ostsee im eigentlichen Sinn und seinen etwaigen Auswirkungen
[76] 75 Die Kommission trägt vor, dass jedenfalls eine beträchtliche Menge von Nährstoffen zwischen den verschiedenen Meeresbecken transportiert werde. So flössen 62 % der gesamten Stickstoffmenge, die unmittelbar oder mittelbar in die Bottenwiek eingeleitet werde, sodann in Richtung Bottnische See ab, die ein Meeresbereich sei, in dem Stickstoff einen bedeutenden begrenzenden Faktor darstelle.
[77] 76 Zum einen trifft es zu, wie die Kommission und das Königreich Schweden geltend machen, dass die Pflicht zur Stickstoffbehandlung in einer umfassenden Sicht zu beurteilen ist, wobei gleichzeitig die Empfindlichkeiten der Binnengewässer und die der Küstengewässer, in die die Einleitungen erfolgen, in Betracht zu ziehen sind. Allerdings hat der Begriff des Wassereinzugsgebiets Grenzen. Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat, dass sie im Gegensatz zu dem, was aus Randnr. 44 ihrer Erwiderung hervorgeht, nicht behaupte, dass die Bottenwiek und die Bottnische See als Wassereinzugsgebiete der Ostsee im eigentlichen Sinn angesehen werden könnten.
[78] 77 Zum anderen ist in Bezug auf das Vorbringen des Königreichs Schweden, der Wasseraustausch zwischen der Bottenwiek, der Bottnischen See und der Ostsee im eigentlichen Sinn sei äußerst begrenzt, darauf hinzuweisen, dass den dem Gerichtshof vorliegenden Akten zufolge die Ostsee ein Meer von geringer Tiefe ist, was den Wasseraustausch nicht begünstigt. Außerdem geht aus Anhang 11 der Klagebeantwortung des Königreichs Schweden, in der die Topografie der Ostsee dargestellt wird, hervor, dass zwischen Bottenwiek und Bottnischer See der Wasseraustausch durch natürliche Hindernisse begrenzt wird, die nördlich der Inselgruppe des Kvarken liegen. Dieser Karte zufolge sind Bottenwiek und Bottnische See durch Untiefen mit einer maximalen Tiefe von 25 Metern verbunden. Diese Feststellung wird außerdem durch Anhang 12 dieses Schriftsatzes bestätigt, der das Profil des Meeresbodens der Ostsee veranschaulicht.
[79] 78 Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass die Kommission nicht dargetan hat, dass es keine physikalische Sperre gibt, die den Stickstofftransfer zwischen den fraglichen Meeresbecken begrenzt.
[80] 79 Außerdem ist die Bottnische See, wie die Generalanwältin in Nr. 93 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, eine effektive Stickstoffsenke. Ferner wird im Bericht von 2003 eingeräumt, dass die Eutrophierungsprobleme, die mit Stickstoff zusammenhängen, im Bottnischen Meerbusen weniger stark ausgeprägt sind und dass lediglich eine geringe Menge Stickstoff bis in die Ostsee im eigentlichen Sinn weitergeleitet wird. Das Vorhandensein von Untiefen und eine Verengung des Bottnischen Meerbusens auf der Höhe der Åland-Inseln legt ebenfalls die Annahme nahe, dass der Wasser- und somit der Stickstofftransfer durch eine derartige Topografie nicht begünstigt wird.
[81] 80 Daher hat die Kommission, auch wenn es durchaus einen Stickstofftransfer zwischen dem Bottnischen Meerbusen und der Ostsee im eigentlichen Sinn gibt, nicht dargetan, dass der Abfluss von Wasser aus der Bottenwiek und der Bottnischen See in die Ostsee im eigentlichen Sinn den Transport einer signifikanten Stickstoffverschmutzung aus den nördlichen Regionen Schwedens, deren Behandlungsanlagen keine Stickstoffentfernung vornehmen, nach sich zöge.
[82] 81 Hierbei ist festzustellen, dass sich die Verfahrensbeteiligten über den Umstand einig sind, dass etwa 11 % des gesamten in der Bottnischen See vorhandenen Stickstoffs in die Ostsee im eigentlichen Sinn abfließen.
[83] 82 Jedoch kommt es, wie aus den Akten und den Äußerungen des Königreichs Schweden in der mündlichen Verhandlung hervorgeht und wie dieser Mitgliedstaat hervorhebt, maßgebend auf den Prozentsatz an, der der Stickstoffmenge entspricht, die von den kommunalen Abwasserbehandlungsanlagen von Gemeinden mit mehr als 10 000 EW, die in den Bottnischen Meerbusen einleiten, eingeleitet und in die Ostsee weitergeleitet wird. Der Gesamtstickstofffluss kann im vorliegenden Fall nicht maßgebend dafür sein, ob Stickstoff aus den genannten Anlagen einer tertiären Behandlung unterzogen werden muss.
[84] 83 Die Akten erlauben nämlich die Feststellung, dass die Nährstoffe, darunter Stickstoff, ihren Ursprung in einer Vielzahl menschlicher Tätigkeiten haben und erstens über atmosphärische Emissionen und die daraus resultierenden Ablagerungen, zweitens über Einleitungen aus einzelnen Quellen entlang der Küste oder aus den Wassereinzugsgebieten, die über die Flüsse weitergeleitet werden, und drittens über Einleitungen aus unterschiedlichen Quellen schließlich in das Meer gelangen.
[85] 84 Insoweit erlauben die Akten die Feststellung, dass zum einen ein großer Teil der Stickstoffmenge im Bottnischen Meerbusen aus Einleitungen unterschiedlicher Quellen stammt. Zum anderen ist innerhalb dieser Kategorie die Landwirtschaft diejenige menschliche Tätigkeit, die für den größten Teil der Stickstoffeinleitungen verantwortlich ist.
[86] 85 Daraus folgt, dass die Stickstoffmenge, die von den kommunalen Abwasserbehandlungsanlagen von Gemeinden mit mehr als 10 000 EW eingeleitet wird, der von der Kommission angegebenen Stickstoffquote nicht entspricht.
[87] 86 Unter diesen Umständen ist schwer zu erkennen, welchen Einleitungen die von der Kommission vorgetragene Transferquote von 62 % entspricht. Eine derartige Quote kann jedenfalls nicht der Stickstoffmenge aus den Einleitungen der kommunalen Abwasserbehandlungsanlagen von Gemeinden mit mehr als 10 000 EW entsprechen.
[88] 87 Nach der Stellungnahme des Königreichs Schweden in der mündlichen Verhandlung beträgt der Prozentsatz des Stickstofftransfers ausschließlich aus den Einleitungen dieses Nährstoffs aus den fraglichen Behandlungsanlagen etwa 1, 2 %.
[89] 88 Unter diesen Umständen hat die Kommission nicht dargetan, dass der Stickstofftransfer aus den schwedischen Behandlungsanlagen, in denen die kommunalen Abwässer der Gemeinden mit mehr als 10 000 EW behandelt werden, deren Einleitungen in den Bottnischen Meerbusen in Richtung Ostsee im eigentlichen Sinn fließen, als signifikant im Sinne der Rechtsprechung eingestuft werden kann, der zufolge der Stickstofffluss, der durch kommunale Abwässer ausgelöst wird, die in eutrophierte Gewässer abfließen, als signifikant erachtet werden kann, wenn er ungefähr 10 % des gesamten Stickstoffflusses ausmacht (vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/Frankreich, Randnr. 77).
[90] 89 Außerdem hat die im Rahmen des Ostseeübereinkommens bestehende Helcom-Kommission anlässlich des Ministergipfels von Krakau vom 15. November 2007 einen Aktionsplan für die Ostsee (Helcom Baltic Sea Action Plan) verabschiedet. Dieser Plan, der in der mündlichen Verhandlung erörtert worden ist, sieht eine Obergrenze für Stickstoff- und Phosphoreinleitungen sowie eine notwendige Verringerung des Stickstoff- und Phosphorgehalts in bestimmten Teilen der Ostsee vor. Aus ihm geht hervor, dass für die Bottenwiek und die Bottnische See eine Verringerung der Stickstoffquote nicht erforderlich ist.
[91] 90 Zwar befürwortet der genannte Aktionsplan in der Ostsee im eigentlichen Sinn eine Stickstoffverringerung in einer Größenordnung von jährlich 94 000 Tonnen, doch ist festzustellen, dass diese Bestimmung nicht auf das Königreich Schweden abzielt. Angesprochen sind demgegenüber diejenigen Staaten, die sich im Bereich des Wassereinzugsgebiets der Ostsee im eigentlichen Sinn befinden.
[92] 91 Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass die Kommission zum einen nicht den Nachweis erbracht hat, dass die Stickstoffeinleitungen der Binnengewässer und der Küstengewässer der Bottenwiek zur Eutrophierung der Bottnischen See beitragen, und zum anderen nicht bewiesen hat, dass Stickstoff der hauptsächliche begrenzende Faktor für die Eutrophierung in der Bottnischen See ist.
[93] 92 Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die Kommission nicht dargetan hat, dass die Stickstoffmenge aus den kommunalen Abwasserbehandlungsanlagen von Gemeinden mit mehr als 10 000 EW, die in den Bottnischen Meerbusen einleiten, zur Eutrophierung der Ostsee im eigentlichen Sinn beiträgt. Daher hat die Kommission nicht bewiesen, dass das Königreich Schweden für alle kommunalen Abwasserbehandlungsanlagen von Gemeinden mit mehr als 10 000 EW, die in den Bottnischen Meerbusen einleiten, eine tertiäre Stickstoffbehandlung vorschreiben musste.
[94] 93 Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass die Kommission nicht den Nachweis erbracht hat, dass das Königreich Schweden gegen seine Verpflichtungen aus der Richtlinie 91/271 in Bezug auf jede kommunale Abwasserbehandlungsanlage von Gemeinden mit mehr als 10 000 EW, die in den Bottnischen Meerbusen einleiten, verstoßen hat.
Zu den Behandlungsanlagen, die in das Wassereinzugsgebiet der Ostsee im eigentlichen Sinn einleiten
[95] 94 In Bezug auf die Einleitungen der in Anhang 4 der Klagebeantwortung des Königreichs Schweden genannten, in Südschweden gelegenen Behandlungsanlagen, die kommunale Abwässer von Gemeinden mit mehr als 10 000 EW in dem Wassereinzugsgebiet behandeln, dessen Wasser in die stickstoffempfindlichen Küstengewässer zwischen der norwegischen Grenze und der Gemeinde Norrtälje abfließt, macht das Königreich Schweden geltend, dass eine tertiäre Behandlung von Stickstoff nicht erforderlich sei, da das Phänomen der natürlichen Zurückhaltung eine hinreichende Entfernung dieses Nährstoffs ermögliche.
[96] 95 Insoweit ergibt sich aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten, dass die Zurückhaltung ein natürlicher Vorgang in den Seen und Wasserläufen ist, die den größten Teil des eingeleiteten Stickstoffs aufnehmen und diesen in ein unschädliches Gas umwandeln, was auch dem bei der Stickstoffentfernung durch die Behandlungsanlagen verwendeten Verfahren entspricht. Die Zurückhaltung findet insbesondere in den Becken statt, in denen der Abfluss des Wassers verlangsamt wird und in denen dieses üblicherweise jahrelang verbleibt. Dieses Phänomen vollzieht sich in der Form, dass Stickstoff entweder mit der Biomasse in den Bodensedimenten der Seebecken abgebaut oder durch den Vorgang der Nitrifikation/Denitrifizierung der Mikroorganismen als gasförmiger Stickstoff in die Atmosphäre entweicht.
[97] 96 Die Kommission bestreitet nicht, dass die Zurückhaltung ein chemischer Vorgang ist, der im Wasser stattfindet und die Stickstoffkonzentration verringert, sie macht aber geltend, dieser Vorgang könne nicht als Ersatz für die Entfernung von Stickstoff durch die in der Richtlinie 91/271 vorgesehenen Behandlungsanlagen dienen, denn dies widerspreche dem Vorsorgegrundsatz. Die Kommission ist außerdem der Ansicht, dass der Vorgang der Zurückhaltung von Stickstoff dessen dauerhafte Entfernung nicht ermögliche und jahreszeitlichen Schwankungen unterliege.
[98] 97 Es ist zunächst festzustellen, dass keine Bestimmung der Richtlinie 91/271 daran hindert, die natürliche Zurückhaltung von Stickstoff als eine Methode zur Entfernung von Stickstoff aus kommunalem Abwasser anzusehen.
[99] 98 Zu dem Argument der Kommission, dass der Vorgang der Zurückhaltung von Stickstoff zu instabil sei, als dass er berücksichtigt werden könne, ist festzustellen, dass das Königreich Schweden darauf hingewiesen hat, dass die Berechnung der Einleitungen jeder Gemeinde in die empfindlichen Küstengewässer auf den tatsächlichen Einleitungen der Gemeinde zusammen mit der individuell errechneten Zurückhaltung beruhe. Die verwendete Methode schließt die Ergebnisse tatsächlicher Messungen des Stickstoffgehalts in verschiedenen Wasserläufen ein, und die Berechnungen beruhen normalerweise auf einem Programm von Messungen über Zeiträume von bis zu zehn Jahren. Daraus folgt, dass diese Berechnungen auch den Stickstoff berücksichtigen, der wieder in das Wasser gelangt, so dass dieses Ergebnis eine Nettozurückhaltung widerspiegelt, die den gesamten Stickstoff umfasst, einschließlich desjenigen, der zuvor eingeleitet und wieder freigesetzt worden ist.
[100] 99 Sodann ist festzustellen, dass in dem Bericht von 2003 selbst eingeräumt wird, dass die natürliche Zurückhaltung eine rechtlich zulässige Option ist.
[101] 100 Schließlich ist daran zu erinnern, dass, wie in Randnr. 47 des vorliegenden Urteils ausgeführt, ein adäquater Kausalzusammenhang zwischen den Einleitungen und der Verschmutzung der empfindlichen Gebiete bestehen muss. Obwohl das Wasser der Ostsee im eigentlichen Sinn insbesondere wegen Stickstoffs einer Eutrophierung unterliegt, darf daher nicht für all diese Anlagen eine tertiäre Behandlung des Stickstoffs vorgeschrieben werden, solange die Kommission nicht nachgewiesen hat, dass die Stickstoffeinleitungen der kommunalen Abwasserbehandlungsanlagen von Gemeinden mit mehr als 10 000 EW, die in die Ostsee im eigentlichen Sinn einleiten, zur Eutrophierung dieses Meeres beitragen.
[102] 101 Ferner verlangt, wie die Generalanwältin in Nr. 82 ihrer Schlussanträge festgestellt hat, Tabelle 2 des Anhangs I der Richtlinie 91/271 im Rahmen der tertiären Behandlung keine vollständige Reinigung, sondern für Stickstoff entweder eine Verringerung, die es ermöglicht, eine Norm von 15 mg/l für Gemeinden mit 10 000 bis 100 000 EW zu erreichen, oder eine prozentuale Mindestverringerung von 70 % bis 80 %. Eine indirekte Einleitung von Stickstoff in für ihn empfindliche Gewässer führt somit nur dann zu der Verpflichtung, ihn zu reduzieren, wenn bei einer Behandlungsanlage mehr als 30 % des in den kommunalen Abwässern enthaltenen Stickstoffs in diese empfindlichen Gewässer gelangen.
[103] 102 Somit ist zu prüfen, ob die Kommission nachgewiesen hat, dass die Einleitungen der fraglichen Anlagen diesen Anforderungen nicht entsprechen.
[104] 103 Wie das Königreich Schweden dargelegt hat, besteht das Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats aus zahlreichen Seen und Flüssen. Das Königreich Schweden hat außerdem hinzugefügt, dass Stickstoff, der in den Wasserkreislauf gelangt, erst nach einer erheblichen Zeitspanne die Küste erreicht und dass der natürliche Vorgang der Trennung des Stickstoffs in den Einleitungen somit über lange Zeit wirkt. Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass die natürlichen Merkmale des schwedischen Hoheitsgebiets für die Zurückhaltung von Stickstoff günstig zu sein scheinen.
[105] 104 Zum einen hat das Königreich Schweden, ohne dass die Kommission ihm widersprochen hätte, vorgetragen, dass eine klassische Behandlungsanlage, die für eine mechanische, biologische und chemische Verschmutzungsbeseitigung ausgestattet sei, immer eine bestimmte Stickstoffentfernung vornehme, selbst dann, wenn die Anlage hierfür nicht spezifisch ausgestattet sei. In einer derartigen Behandlungsanlage erreicht die Stickstoffverringerung im Durchschnitt einen Wert von 30 %. Zum anderen ergibt sich aus den vom Königreich Schweden in seiner Antwort auf die schriftlichen Fragen übermittelten Informationen, dass der Grad der Stickstoffzurückhaltung nach den 2008 durchgeführten Berechnungen in der Behandlungsanlage von Filipstad 54 %, in der von Kumla 81 %, in der von Flen 47 %, in der von Nässjö 92 %, in der von Tranås 74 %, in der von Vimmerby 70 % und in der von Olofström 48 % beträgt.
[106] 105 Es ist festzustellen, dass unter diesen Umständen die Kommission nicht dargetan hat, dass für alle in Anhang 4 der Klagebeantwortung des Königreichs Schweden genannten Anlagen die kumulierten Wirkungen der Zurückhaltung des Stickstoffs durch die Behandlungsanlagen zum einen und der natürlichen Zurückhaltung zum anderen es nicht erlauben, den minimalen Grad der Stickstoffentfernung zu erreichen, den die Richtlinie 91/271 verlangt.
[107] 106 Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass die Kommission für die genannten Anlagen den Nachweis der geltend gemachten Vertragsverletzung nicht erbracht hat.
[108] 107 Nach alledem hat das Königreich Schweden gegen seine Verpflichtungen aus Art. 5 Abs. 2, 3 und 5 der Richtlinie 91/271 verstoßen, indem es nicht bis spätestens 31. Dezember 1998 sichergestellt hat, dass die Abwässer aus den kommunalen Behandlungsanlagen der in den Anhängen 2 und 3 in geänderter Fassung genannten Gemeinden mit mehr als 10 000 EW, die unmittelbar in empfindliche Gebiete oder deren Wassereinzugsgebiete eingeleitet werden, den einschlägigen Anforderungen in Anhang I der Richtlinie 91/271 entsprechen.
[109] 108 Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Kosten
[110] 109 Nach Art. 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Obwohl die Kommission mit ihrem Vorbringen im Wesentlichen unterlegen ist, hat, weil das Königreich Schweden nicht beantragt hat, sie zur Tragung der Kosten zu verurteilen, jede Partei ihre eigenen Kosten zu tragen.
[111] 110 Nach Art. 69 § 4 der Verfahrensordnung tragen die Mitgliedstaaten, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten.
* Verfahrenssprache: Schwedisch.