Europäischer Gerichtshof
"Antrag auf Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung"
Der Antrag der Carmen Media Group Ltd auf Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung wird zurückgewiesen.

EuGH, Beschluss vom 2. 9. 2010 – C-46/08 (lexetius.com/2010,3063)

[1] In der Rechtssache C-46/08 betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgericht (Deutschland) mit Entscheidung vom 30. Januar 2008, beim Gerichtshof eingegangen am 8. Februar 2008, in dem Verfahren Carmen Media Group Ltd gegen Land Schleswig-Holstein, Innenminister des Landes Schleswig-Holstein erlässt DER GERICHTSHOF (Große Kammer) unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten A. Tizzano, J. N. Cunha Rodrigues, K. Lenaerts und J.-C. Bonichot, der Kammerpräsidentin P. Lindh sowie der Richter K. Schiemann (Berichterstatter), A. Borg Barthet, M. Ileši, J. Malenovský, U. Lõhmus, A. Ó Caoimh und L. Bay Larsen, Generalanwalt: P. Mengozzi, Kanzler: R. Grass, nach Anhörung des Generalanwalts folgenden Beschluss (*):
[2] 1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 49 EG.
[3] 2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Carmen Media Group Ltd (im Folgenden: Carmen Media) einerseits und dem Land Schleswig-Holstein und dem Innenminister des Landes Schleswig-Holstein andererseits über deren Zurückweisung eines Antrags von Carmen Media auf Anerkennung bzw. Erteilung des Rechts, in diesem Bundesland Sportwetten über das Internet anzubieten.
[4] 3 Carmen Media trägt vor, dass das staatliche Sportwettenmonopol, das den Grund für diese Zurückweisung darstellt, gegen Art. 49 EG verstoße.
[5] 4 Das Land Schleswig-Holstein macht geltend, dass das Monopol mit dem Unionsrecht vereinbar sei. Außerdem hindere der Umstand, dass die Carmen Media von den Behörden Gibraltars erteilte Lizenz auf "offshore bookmaking" beschränkt sei, diese daran, sich auf die Vorschriften des Unionsrechts über den freien Dienstleistungsverkehr zu berufen, da sie im Mitgliedstaat ihrer Niederlassung nicht rechtmäßig derartige Dienstleistungen erbringen könne.
[6] 5 Die Sitzung hat am 8. Dezember 2009 stattgefunden. Die mündliche Verhandlung ist am 4. März 2010 nach der Verlesung der Schlussanträge des Generalanwalts geschlossen worden.
[7] 6 Mit Schreiben vom 17. Juli 2010, das am 22. Juli 2010 beim Gerichtshof eingegangen ist, hat Carmen Media die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung beantragt.
[8] 7 Zur Stützung ihres Antrags beruft sich Carmen Media zum einen darauf, dass unlängst in der deutschen Presse aufgedeckt worden sei, dass eine von den deutschen Ländern in Auftrag gegebene Studie aus dem Jahr 2009 über die Suchtgefahren im Zusammenhang mit Sportwetten und geeignete Maßnahmen zur Bekämpfung dieser Gefahren in bestimmter Weise manipuliert worden sei. Unter diesen Umständen dürfe sich das Land Schleswig-Holstein nicht auf diese Studie stützen, um die Verhältnismäßigkeit eines Monopols, wie es Gegenstand des Ausgangsverfahrens sei, zu untermauern.
[9] 8 Zum anderen habe sich der Generalanwalt in seinen Schlussanträgen über den rechtlichen Rahmen für die Erteilung von Lizenzen im Bereich der Spiele und Wetten im Gebiet von Gibraltar getäuscht. Insbesondere habe der Umstand, dass in Gibraltar niedergelassene Gesellschaften, die ihre Tätigkeit nur außerhalb Gibraltars ausübten, dort in den Genuss eines besonderen steuerrechtlichen Status kämen, keinen Einfluss auf die Bedingungen für die Erteilung der Lizenz für das Anbieten von Spielen und Wetten. Diese Bedingungen seien nämlich gleichermaßen strikt, ungeachtet dessen, ob die betreffende Tätigkeit auf in Gibraltar ansässige Verbraucher ausgerichtet sei oder ausschließlich "offshore" betrieben werde.
[10] 9 Dazu ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof gemäß Art. 61 seiner Verfahrensordnung von Amts wegen, auf Vorschlag des Generalanwalts oder auf Antrag der Parteien die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung anordnen kann, wenn er sich für unzureichend unterrichtet hält oder ein zwischen den Parteien nicht erörtertes Vorbringen als entscheidungserheblich ansieht (vgl. u. a. Urteil vom 8. September 2009, Liga Portuguesa de Futebol Profissional und Bwin International, C-42/07, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).
[11] 10 Im Übrigen fällt in einem Verfahren nach Art. 234 EG, der auf einer klaren Aufgabentrennung zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof beruht, die Würdigung des Sachverhalts in die Zuständigkeit des vorlegenden Gerichts. Der Gerichtshof ist insbesondere nur befugt, sich auf der Grundlage des ihm vom nationalen Gericht unterbreiteten Sachverhalts zur Auslegung oder zur Gültigkeit einer Vorschrift der Union zu äußern. Hierbei ist es dessen Sache, die dem Rechtsstreit zugrunde liegenden Tatsachen festzustellen und daraus die Folgerungen für seine Entscheidung zu ziehen (vgl. u. a. Urteil vom 8. Mai 2008, Danske Svineproducenter, C-491/06, Slg. 2008, I-3339, Randnr. 23 und die dort angeführte Rechtsprechung).
[12] 11 In Bezug auf die Studie, die Carmen Media in ihrem Antrag anspricht, genügt insoweit der Hinweis, dass sie vom vorlegenden Gericht nicht erwähnt wurde und im Übrigen auch nicht erwähnt werden konnte, weil sie aus dem Jahr 2009 stammt und damit erst geraume Zeit nach der Anrufung des Gerichtshofs durch dieses Gericht erstellt wurde.
[13] 12 Im Übrigen ist der Gerichtshof im vorliegenden Fall der Auffassung, dass er über die für die Beantwortung der vorgelegten Fragen erforderlichen Angaben verfügt und dass diese vor ihm erörtert worden sind.
[14] 13 Daher ist der Antrag von Carmen Media auf Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung zurückzuweisen.
* Verfahrenssprache: Deutsch.