Europäischer Gerichtshof
"Geistiges und gewerbliches Eigentum – Gemeinschaftlicher Sortenschutz – Verordnung (EG) Nr. 2100/94 – Landwirteprivileg – Begriff 'angemessene Vergütung' – Ersatz des erlittenen Schadens – Verletzung"
1. Zur Festsetzung der "angemessenen Vergütung", die nach Art. 94 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 2100/94 des Rates vom 27. Juli 1994 über den gemeinschaftlichen Sortenschutz ein Landwirt schuldet, der durch Nachbau gewonnenes Vermehrungsgut einer geschützten Sorte genutzt hat, ohne die ihm nach Art. 14 Abs. 3 dieser Verordnung in Verbindung mit Art. 8 der Verordnung (EG) Nr. 1768/95 der Kommission vom 24. Juli 1995 über die Ausnahmeregelung gemäß Artikel 14 Absatz 3 der Verordnung Nr. 2100/94 in der durch die Verordnung (EG) Nr. 2605/98 der Kommission vom 3. Dezember 1998 geänderten Fassung obliegenden Verpflichtungen zu erfüllen, ist als Berechnungsgrundlage der Betrag der Gebühr heranzuziehen, die in demselben Gebiet für die Erzeugung von Vermehrungsmaterial der geschützten Sorten der betreffenden Pflanzenart in Lizenz geschuldet wird.
2. Die Zahlung einer Entschädigung für die Kosten der Kontrolle der Einhaltung der Rechte des Inhabers eines Sortenschutzrechts kann nicht in die Berechnung der in Art. 94 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2100/94 vorgesehenen "angemessenen Vergütung" einbezogen werden.

EuGH, Urteil vom 5. 7. 2012 – C-509/10 (lexetius.com/2012,2647)

In der Rechtssache C-509/10 betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesgerichtshof (Deutschland) mit Entscheidung vom 30. September 2010, beim Gerichtshof eingegangen am 26. Oktober 2010, in dem Verfahren Josef Geistbeck, Thomas Geistbeck gegen Saatgut-Treuhandverwaltungs GmbH erlässt DER GERICHTSHOF (Erste Kammer) unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Tizzano, der Richter A. Borg Barthet, E. Levits (Berichterstatter) und J.-J. Kasel sowie der Richterin M. Berger, Generalanwalt: N. Jääskinen, Kanzler: K. Malacek, Verwaltungsrat, aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 18. Januar 2012, unter Berücksichtigung der Erklärungen – von Josef und Thomas Geistbeck, vertreten durch die Rechtsanwälte J. Beismann und M. Miersch, – der Saatgut-Treuhandverwaltungs GmbH, vertreten durch die Rechtsanwälte K. von Gierke und C. von Gierke, – der griechischen Regierung, vertreten durch X. Basakou und A.-E. Vasilopoulou als Bevollmächtigte, – der spanischen Regierung, vertreten durch F. Díez Moreno als Bevollmächtigten, – der Europäischen Kommission, vertreten durch B. Schima, F. Wilman und M. Vollkommer als Bevollmächtigte, – nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 29. März 2012 folgendes Urteil (*):
[1] 1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung mehrerer Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 2100/94 des Rates vom 27. Juli 1994 über den gemeinschaftlichen Sortenschutz (ABl. L 227, S. 1) und der Verordnung (EG) Nr. 1768/95 der Kommission vom 24. Juli 1995 über die Ausnahmeregelung gemäß Artikel 14 Absatz 3 der Verordnung Nr. 2100/94 (ABl. L 173, S. 14) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 2605/98 der Kommission vom 3. Dezember 1998 (ABl. L 328, S. 6) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 1768/95).
[2] 2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen den Landwirten Geistbeck (im Folgenden: Kläger des Ausgangsverfahrens) und der Saatgut-Treuhandverwaltungs GmbH (im Folgenden: STV), die die Rechte der Inhaber der geschützten Pflanzensorten Kuras, Quarta, Solara und Marabel wahrnimmt, wegen des nicht vollständig gemeldeten Nachbaus dieser Pflanzensorten durch die Kläger des Ausgangsverfahrens.
Rechtlicher Rahmen
Verordnung Nr. 2100/94
[3] 3 Nach Art. 11 der Verordnung Nr. 2100/94 steht das Recht auf den gemeinschaftlichen Sortenschutz dem "Züchter" zu, d. h. "der Person …, die die Sorte hervorgebracht oder entdeckt und entwickelt hat bzw. ihrem Rechtsnachfolger".
[4] 4 Art. 13 ("Rechte des Inhabers des gemeinschaftlichen Sortenschutzes und verbotene Handlungen") dieser Verordnung bestimmt:
"(1) Der gemeinschaftliche Sortenschutz hat die Wirkung, dass allein der oder die Inhaber des gemeinschaftlichen Sortenschutzes, im Folgenden 'Inhaber' genannt, befugt sind, die in Absatz 2 genannten Handlungen vorzunehmen.
(2) Unbeschadet der Artikel 15 und 16 bedürfen die nachstehend aufgeführten Handlungen in Bezug auf Sortenbestandteile oder Erntegut der geschützten Sorte – beides im Folgenden 'Material' genannt – der Zustimmung des Inhabers:
a) Erzeugung oder Fortpflanzung (Vermehrung), …
Der Inhaber kann seine Zustimmung von Bedingungen und Einschränkungen abhängig machen. …"
[5] 5 Art. 14 ("Abweichung vom gemeinschaftlichen Sortenschutz") der Verordnung bestimmt in Abs. 1:
"Unbeschadet des Artikels 13 Absatz 2 können Landwirte zur Sicherung der landwirtschaftlichen Erzeugung zu Vermehrungszwecken im Feldanbau in ihrem eigenen Betrieb das Ernteerzeugnis verwenden, das sie in ihrem eigenen Betrieb durch Anbau von Vermehrungsgut einer unter den gemeinschaftlichen Sortenschutz fallenden Sorte gewonnen haben, wobei es sich nicht um eine Hybride oder eine synthetische Sorte handeln darf."
[6] 6 Art. 14 Abs. 3 der Verordnung Nr. 2100/94 sieht vor:
"Die Bedingungen für die Wirksamkeit der Ausnahmeregelung gemäß Absatz 1 sowie für die Wahrung der legitimen Interessen des Pflanzenzüchters und des Landwirts werden vor dem Inkrafttreten dieser Verordnung in einer Durchführungsordnung gemäß Artikel 114 nach Maßgabe folgender Kriterien festgelegt: …
- Kleinlandwirte sind nicht zu Entschädigungszahlungen an den Inhaber des Sortenschutzes verpflichtet. …
- andere Landwirte sind verpflichtet, dem Inhaber des Sortenschutzes eine angemessene Entschädigung zu zahlen, die deutlich niedriger sein muss als der Betrag, der im selben Gebiet für die Erzeugung von Vermehrungsmaterial derselben Sorte in Lizenz verlangt wird; die tatsächliche Höhe dieser angemessenen Entschädigung kann im Laufe der Zeit Veränderungen unterliegen, wobei berücksichtigt wird, inwieweit von der Ausnahmeregelung gemäß Absatz 1 in Bezug auf die betreffende Sorte Gebrauch gemacht wird; …
- die Landwirte sowie die Erbringer vorbereitender Dienstleistungen übermitteln den Inhabern des Sortenschutzes auf Antrag relevante Informationen; …"
[7] 7 In Art. 94 dieser Verordnung, der zivilrechtliche Ansprüche betrifft, die bei Verwendung einer Pflanzensorte geltend gemacht werden können, die eine Verletzung darstellt, heißt es:
"(1) Wer
a) hinsichtlich einer Sorte, für die ein gemeinschaftlicher Sortenschutz erteilt wurde, eine der in Artikel 13 Absatz 2 genannten Handlungen vornimmt, ohne dazu berechtigt zu sein, …
kann vom Inhaber auf Unterlassung der Verletzung oder Zahlung einer angemessenen Vergütung oder auf beides in Anspruch genommen werden.
(2) Wer vorsätzlich oder fahrlässig handelt, ist dem Inhaber darüber hinaus zum Ersatz des weiteren aus der Verletzung entstandenen Schadens verpflichtet. Bei leichter Fahrlässigkeit kann sich dieser Anspruch entsprechend dem Grad der leichten Fahrlässigkeit, jedoch nicht unter die Höhe des Vorteils, der dem Verletzer aus der Verletzung erwachsen ist, vermindern."
[8] 8 Zur ergänzenden Anwendung des nationalen Rechts bei Verletzungen sieht Art. 97 Abs. 1 der Verordnung vor:
"Hat der nach Artikel 94 Verpflichtete durch die Verletzung auf Kosten des Inhabers oder eines Nutzungsberechtigen etwas erlangt, so wenden die nach den Artikeln 101 oder 102 zuständigen Gerichte hinsichtlich der Herausgabe ihr nationales Recht einschließlich ihres internationalen Privatrechts an."
Verordnung Nr. 1768/95
[9] 9 Art. 2 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1768/95 besagt:
"Die in Artikel 1 genannten Bedingungen sind von dem Sortenschutzinhaber, der insoweit den Züchter vertritt, und von dem Landwirt so umzusetzen, dass die legitimen Interessen des jeweils anderen gewahrt bleiben."
[10] 10 In Art. 5 der Verordnung Nr. 1768/95, der die Entschädigung des Sortenschutzinhabers regelt, heißt es:
"(1) Die Höhe der dem Sortenschutzinhaber zu zahlenden angemessenen Entschädigung gemäß Artikel 14 Absatz 3 vierter Gedankenstrich der Grundverordnung kann zwischen dem Betriebsinhaber und dem betreffenden Landwirt vertraglich vereinbart werden.
(2) Wurde ein solcher Vertrag nicht geschlossen oder ist ein solcher nicht anwendbar, so muss der Entschädigungsbetrag deutlich niedriger sein als der Betrag, der im selben Gebiet für die Erzeugung von Vermehrungsmaterial in Lizenz derselben Sorte der untersten zur amtlichen Zertifizierung zugelassenen Kategorie verlangt wird. …
(5) Liegt im Falle von Absatz 2 keine Vereinbarung im Sinne von Absatz 4 vor, so beläuft sich die Entschädigung auf 50 % des Betrags, der für die Erzeugung des Vermehrungsmaterials in Lizenz gemäß Absatz 2 verlangt wird. …"
[11] 11 Art. 14 dieser Verordnung, der die Überwachung der Erfüllung der Pflichten des Landwirts durch den Sortenschutzinhaber betrifft, sieht in Abs. 1 vor:
"Damit der Sortenschutzinhaber überwachen kann, ob die Bestimmungen des Artikels 14 der Grundverordnung nach Maßgabe dieser Verordnung erfüllt sind, soweit es sich um die Erfüllung der Pflichten des betreffenden Landwirts handelt, muss dieser Landwirt auf Verlangen des Sortenschutzinhabers
a) Nachweise für die von ihm übermittelten Aufstellungen von Informationen gemäß Artikel 8 erbringen, so durch Vorlage der verfügbaren einschlägigen Unterlagen, wie Rechnungen, verwendete Etiketten oder andere geeignete Belege, wie sie gemäß Artikel 13 Absatz 1 erster Gedankenstrich verlangt werden, und die sich beziehen sollen
- auf die Erbringung von Dienstleistungen zwecks der Aufbereitung des Ernteerzeugnisses einer dem Sortenschutzinhaber gehörenden Sorte durch Dritte oder
- im Falle des Artikels 8 Absatz 2 Buchstabe e auf die Belieferung mit Vermehrungsmaterial einer dem Sortenschutzinhaber gehörenden Sorte
oder durch den Nachweis von Anbauflächen oder Lagerungseinrichtungen;
b) den gemäß Artikel 4 Absatz 3 oder gemäß Artikel 7 Absatz 5 vorgeschriebenen Nachweis [erbringen]."
[12] 12 Art. 18 der Verordnung Nr. 1768/95 lautet:
"(1) Der Sortenschutzinhaber kann den Verletzer gemäß Artikel 17 auf Erfüllung seiner Pflichten gemäß Artikel 14 Absatz 3 der Grundverordnung nach den Bestimmungen dieser Verordnung verklagen.
(2) Hat der Betreffende im Hinblick auf eine oder mehrere Sorten desselben Sortenschutzinhabers wiederholt vorsätzlich die Pflicht gemäß Artikel 14 Absatz 3 vierter Gedankenstrich der Grundverordnung verletzt, so ist er gegenüber dem Sortenschutzinhaber zum Ersatz des weiteren Schadens gemäß Artikel 94 Absatz 2 der Grundverordnung verpflichtet; diese Ersatzpflicht umfasst mindestens einen Pauschalbetrag, der auf der Grundlage des Vierfachen des Durchschnittsbetrages der Gebühr berechnet wird, die im selben Gebiet für die Erzeugung einer entsprechenden Menge in Lizenz von Vermehrungsmaterial der geschützten Sorten der betreffenden Pflanzenarten verlangt wird, unbeschadet des Ausgleichs eines höheren Schadens."
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
[13] 13 Die Kläger des Ausgangsverfahrens betrieben in den Jahren 2001 bis 2004 mit den geschützten Sorten Kuras, Quarta, Solara und Marabel Nachbau, nachdem sie die STV davon in Kenntnis gesetzt hatten. Anlässlich einer Prüfung stellte die STV jedoch fest, dass die tatsächlichen Nachbaumengen die gemeldeten Mengen bis zum Dreifachen überstiegen. Daher forderte die STV die Zahlung eines Betrags von 4 576,15 Euro, der der ihr zustehenden Vergütung entsprechen soll. Da die Kläger des Ausgangsverfahrens nur die Hälfte dieses Betrags zahlten, erhob die STV Klage auf Zahlung des verbleibenden Betrags sowie auf Ersatz vorgerichtlicher Kosten in Höhe von 141,05 Euro.
[14] 14 Dieser Klage wurde in erster Instanz stattgegeben. Die von den Klägern des Ausgangsverfahrens eingelegte Berufung wurde zurückgewiesen. Sie legten daher Revision zum vorlegenden Gericht ein.
[15] 15 Gestützt auf das Urteil des Gerichtshofs vom 10. April 2003, Schulin (C-305/00, Slg. 2003, I-3525), vertritt das vorlegende Gericht die Ansicht, dass sich ein Landwirt, der seinen Auskunftspflichten gegenüber dem Sortenschutzinhaber nicht nachgekommen sei, nicht auf Art. 14 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2100/94 berufen könne und nach Art. 94 dieser Verordnung auf Unterlassung der Verletzung und auf Zahlung einer angemessenen Vergütung in Anspruch genommen werden könne.
[16] 16 Das vorlegende Gericht möchte wissen, wie die nach Art. 94 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2100/94 dem Sortenschutzinhaber geschuldete "angemessene Vergütung" und die nach Abs. 2 dieses Artikels geschuldete Entschädigung zu berechnen sind.
[17] 17 Als Grundlage zur Berechnung dieser Vergütung könne entweder der Durchschnittsbetrag herangezogen werden, der im selben Gebiet für die Erzeugung von Vermehrungsmaterial der geschützten Sorten der betreffenden Pflanzenart in Lizenz verlangt werde, oder das Entgelt, das im Fall eines berechtigten Nachbaus nach Art. 14 Abs. 3 vierter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 2100/94 in Verbindung mit Art. 5 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1768/95 zu entrichten sei (im Folgenden: Entgelt für berechtigten Nachbau).
[18] 18 Während im erstgenannten Fall der Zuwiderhandelnde den erwähnten Durchschnittsbetrag zu denselben Bedingungen und zum selben Preis wie ein Dritter zu entrichten hätte, könnte er im letztgenannten Fall die Heranziehung des den Landwirten vorbehaltenen Preises verlangen, d. h. 50 % des Betrags, der für die Erzeugung des Vermehrungsmaterials in Lizenz verlangt werde.
[19] 19 Unter diesen Umständen hat der Bundesgerichtshof das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Ist die angemessene Vergütung, die ein Landwirt dem Inhaber eines gemeinschaftlichen Sortenschutzrechts gemäß Art. 94 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2100/94 zu zahlen hat, weil er durch Nachbau gewonnenes Vermehrungsgut einer geschützten Sorte genutzt und die in Art. 14 Abs. 3 der Verordnung Nr. 2100/94 und Art. 8 der Verordnung Nr. 1768/95 festgelegten Verpflichtungen nicht erfüllt hat, nach dem Durchschnittsbetrag der Gebühr zu berechnen, die in demselben Gebiet für die Erzeugung einer entsprechenden Menge in Lizenz von Vermehrungsmaterial der geschützten Sorten der betreffenden Pflanzenarten verlangt wird, oder ist stattdessen das (niedrigere) Entgelt zugrunde zu legen, das im Fall eines erlaubten Nachbaus nach Art. 14 Abs. 3 vierter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 2100/94 und Art. 5 der Verordnung Nr. 1768/95 zu entrichten wäre?
2. Falls nur das Entgelt für berechtigten Nachbau zu Grunde zu legen ist:
Kann der Sortenschutzinhaber in der genannten Konstellation bei einem einmaligen schuldhaft begangenen Verstoß den ihm gemäß Art. 94 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2100/94 zu ersetzenden Schaden pauschal auf der Grundlage der Gebühr für die Erteilung einer Lizenz für die Erzeugung von Vermehrungsmaterial berechnen?
3. Ist es zulässig oder sogar geboten, bei der Bemessung der nach Art. 94 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2100/94 geschuldeten angemessenen Vergütung oder des nach Art. 94 Abs. 2 dieser Verordnung geschuldeten weiteren Schadensersatzes einen besonderen Kontrollaufwand einer Organisation, die die Rechte zahlreicher Schutzrechtsinhaber wahrnimmt, in der Weise zu berücksichtigen, dass das Doppelte der üblicherweise vereinbarten Vergütung bzw. des nach Art. 14 Abs. 3 vierter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 2100/94 geschuldeten Entgelts zugesprochen wird?
Zu den Vorlagefragen
Zur ersten Frage
[20] 20 Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, anhand welcher Elemente der Betrag der "angemessenen Vergütung" bestimmt werden kann, die nach Art. 94 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2100/94 ein Landwirt schuldet, der die ihm nach Art. 14 Abs. 3 vierter und sechster Gedankenstrich dieser Verordnung obliegenden Anforderungen nicht erfüllt hat. Insbesondere fragt es, ob der Berechnung dieser Vergütung die Gebühr zugrunde zu legen ist, die in demselben Gebiet für die Erzeugung von Vermehrungsmaterial derselben Sorte in Lizenz – der so genannten Z-Lizenz – verlangt wird, oder das Entgelt für berechtigten Nachbau im Sinne von Art. 14 Abs. 3 vierter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 2100/94, das sich gemäß Art. 5 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1768/95 auf 50 % des Betrags beläuft, der für die Erzeugung des Vermehrungsmaterials in Lizenz verlangt wird.
[21] 21 Zunächst ist daran zu erinnern, dass nach Art. 13 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2100/94 in Bezug auf Sortenbestandteile oder Erntegut einer geschützten Sorte u. a. die Erzeugung oder Fortpflanzung (Vermehrung), die Aufbereitung zum Zweck der Vermehrung, das Anbieten zum Verkauf, der Verkauf oder sonstiges Inverkehrbringen und die Aufbewahrung zu diesen Zwecken der Zustimmung des Inhabers des gemeinschaftlichen Sortenschutzes bedürfen (vgl. Urteil Schulin, Randnr. 46).
[22] 22 In diesem Zusammenhang stellt Art. 14 der Verordnung Nr. 2100/94 eine Abweichung vom Grundsatz der Zustimmung des Inhabers des gemeinschaftlichen Sortenschutzes dar (vgl. in diesem Sinne Urteil Schulin, Randnr. 47), da die Verwendung des Ernteerzeugnisses der Landwirte in ihrem eigenen Betrieb zu Vermehrungszwecken im Feldanbau nicht der Zustimmung des Sortenschutzinhabers bedarf, wenn sie bestimmte, in Art. 14 Abs. 3 ausdrücklich genannte Bedingungen erfüllen.
[23] 23 Der Gerichtshof hat hierzu bereits entschieden, dass sich ein Landwirt, der das durch Nachbau gewonnene Vermehrungsgut einer geschützten Sorte nutzt, ohne dem Sortenschutzinhaber eine angemessene Entschädigung zu zahlen, nicht auf Art. 14 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2100/94 berufen kann und somit eine der in Art. 13 Abs. 2 dieser Verordnung genannten Handlungen vornimmt, ohne dazu berechtigt zu sein (Urteil Schulin, Randnr. 71).
[24] 24 Die Situation der Kläger des Ausgangsverfahrens ist aber mit der von Landwirten vergleichbar, die die in Art. 14 Abs. 3 vierter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 2100/94 vorgesehene "angemessene Entschädigung" nicht gezahlt haben, denn sie haben dadurch, dass sie einen Teil der Menge des von ihnen angebauten Ernteguts nicht gemeldet haben, die genannte Entschädigung nicht entrichtet.
[25] 25 Folglich stellt, wie das vorlegende Gericht zutreffend ausgeführt hat, die Aussaat von nicht gemeldetem Saatgut durch die Kläger des Ausgangsverfahrens eine "Verletzung" im Sinne von Art. 94 der Verordnung Nr. 2100/94 dar. Nach dieser Bestimmung richten sich die Modalitäten der Festsetzung einer angemessenen Vergütung, wie sie die Kläger des Ausgangsverfahrens der STV schulden.
[26] 26 Die Kläger des Ausgangsverfahrens machen insoweit geltend, dass die nach Art. 94 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2100/94 geschuldete angemessene Vergütung anhand des Entgelts für berechtigten Nachbau festzulegen sei, da der Wortlaut von Art. 14 Abs. 3 vierter Gedankenstrich und Art. 94 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2100/94 nahezu identisch sei.
[27] 27 Einer solchen Auslegung kann jedoch nicht gefolgt werden.
[28] 28 Erstens ist nämlich festzustellen, dass zwar in der französischen Fassung dieser beiden Vorschriften der Verordnung Nr. 2100/94 der Begriff "rémunération équitable" verwendet wird, doch stimmen in den übrigen Sprachfassungen, insbesondere in den Fassungen in deutscher und in englischer Sprache, die beiden verwendeten Begriffe nicht überein, wie der Generalanwalt in Nr. 43 seiner Schlussanträge dargelegt hat. Daher kann aus der Ähnlichkeit der in den genannten Vorschriften der Verordnung Nr. 2100/94 verwendeten Ausdrücke nicht geschlossen werden, dass ihnen der gleiche Gedanke zugrunde liegt.
[29] 29 Zweitens ist Art. 14 der genannten Verordnung als Vorschrift, die vom Grundsatz des gemeinschaftlichen Sortenschutzes abweicht, restriktiv auszulegen und kann daher nicht in einem anderen als dem durch diesen Artikel ausdrücklich vorgesehenen Kontext angewandt werden.
[30] 30 Wie der Generalanwalt nämlich in den Nrn. 45 bis 47 seiner Schlussanträge hervorgehoben hat, soll mit der "angemessenen Entschädigung" im Sinne von Art. 14 Abs. 3 vierter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 2100/94 in Verbindung mit Art. 5 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1768/95 ein Ausgleich zwischen den gegenseitigen legitimen Interessen der Landwirte und der Sortenschutzinhaber geschaffen werden.
[31] 31 Dagegen zielt Art. 94 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2100/94, dessen Wortlaut nicht danach unterscheidet, wer die Verletzung begeht, speziell auf die Zahlung einer angemessenen Vergütung im Kontext einer Verletzungsklage ab.
[32] 32 Infolgedessen kann unter den Umständen des Ausgangsverfahrens das Entgelt für berechtigten Nachbau im Sinne von Art. 14 der Verordnung Nr. 2100/94 nicht als Berechnungsgrundlage für die in Art. 94 Abs. 1 dieser Verordnung vorgesehene "angemessene Vergütung" herangezogen werden.
[33] 33 Das vorlegende Gericht nennt als alternative Berechnungsgrundlage für die genannte Vergütung die Gebühr für die Erzeugung in Lizenz, d. h. die Z-Lizenz.
[34] 34 Wie in Randnr. 23 des vorliegenden Urteils ausgeführt, kann der Landwirt, der die ihm obliegenden Pflichten, insbesondere nach Art. 14 Abs. 3 der Verordnung Nr. 2100/94 in Verbindung mit Art. 8 der Verordnung Nr. 1768/95, nicht erfüllt, das ihm nach dieser Vorschrift zustehende Privileg nicht geltend machen.
[35] 35 Er ist daher als Dritter anzusehen, der eine der in Art. 13 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2100/94 genannten Handlungen begangen hat, ohne dazu berechtigt zu sein.
[36] 36 Da Art. 94 der Verordnung Nr. 2100/94 auf den Ersatz des dem Sortenschutzinhaber aus einer Verletzung entstandenen Schadens abzielt, ist davon auszugehen, dass sich dieser Schaden im Ausgangsverfahren, in dem sich die Kläger des Ausgangsverfahrens nicht auf das "Landwirteprivileg", d. h. die in Art. 14 Abs. 1 dieser Verordnung vorgesehene und in dessen Abs. 3 näher geregelte Abweichung vom gemeinschaftlichen Sortenschutz, berufen können, mindestens auf den Betrag beläuft, den ein Dritter für die Z-Lizenz hätte entrichten müssen.
[37] 37 Folglich ist zur Festsetzung der in Art. 94 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2100/94 vorgesehenen "angemessenen Vergütung" unter den Umständen des Ausgangsverfahrens als Berechnungsgrundlage ein Betrag anzusetzen, der der für die Erzeugung in Lizenz geschuldeten Gebühr entspricht.
[38] 38 Die Kläger des Ausgangsverfahrens halten einer solchen Auslegung erstens entgegen, dass das aus einer ersten Ernte hervorgehende Vermehrungsmaterial von minderer Qualität als das Vermehrungsgut im Sinne von Art. 13 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2100/94 sei. Dieses Argument ist indessen irrelevant, da die Vermehrung des geschützten Materials keine Auswirkung auf das Bestehen des mit diesem Material verbundenen Rechts am geistigen Eigentum haben kann.
[39] 39 Zweitens können die Kläger des Ausgangsverfahrens auch nicht geltend machen, dass die Heranziehung eines der Gebühr für die Erzeugung in Z-Lizenz entsprechenden Betrags als Grundlage für die Berechnung der "angemessenen Vergütung", die nach Art. 94 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2100/94 ein Landwirt schuldet, der die in Art. 14 Abs. 3 dieser Verordnung in Verbindung mit Art. 8 der Verordnung Nr. 1768/95 vorgesehenen Anforderungen nicht erfüllt hat, darauf hinausliefe, der in Art. 94 geregelten Vergütung den Charakter eines Strafschadensersatzes beizumessen, was dem eigentlichen Ziel dieses Artikels fremd wäre.
[40] 40 Nach den obigen Ausführungen in Randnr. 35 ist nämlich ein Landwirt, der nicht die Bestimmungen von Art. 14 Abs. 3 der Verordnung Nr. 2100/94 in Anspruch genommen hat, als Dritter anzusehen, der unberechtigt eine der in Art. 13 Abs. 2 dieser Verordnung genannten Handlungen begangen hat. Daher entspricht der vom Zuwiderhandelnden aus der Verletzung gezogene Vorteil, zu dessen Ausgleich Art. 94 Abs. 1 der Verordnung dient, einem Betrag in Höhe der von ihm nicht entrichteten Gebühr für die Erzeugung in Z-Lizenz.
[41] 41 Würde als Berechnungsgrundlage für die Festsetzung der im Fall einer Verletzung geschuldeten angemessenen Vergütung nicht ein Betrag in Höhe der Gebühr für die Erzeugung in Z-Lizenz herangezogen, sondern ein niedrigerer, dem Entgelt für berechtigten Nachbau entsprechender Betrag, könnte dies zudem eine Begünstigung der Landwirte, die ihrer Auskunftspflicht gegenüber dem Sortenschutzinhaber gemäß Art. 14 Abs. 3 sechster Gedankenstrich der Verordnung Nr. 2100/94 und Art. 8 der Verordnung Nr. 1768/95 nicht nachkommen, gegenüber den Landwirten zur Folge haben, die das angebaute Saatgut ordnungsgemäß melden.
[42] 42 Der Anreizcharakter, der mit dem in Art. 94 der Verordnung Nr. 2100/94 vorgesehenen Begriff "angemessene Vergütung" verbunden ist, ist aber umso mehr geboten, als nach Art. 14 Abs. 3 fünfter Gedankenstrich der Verordnung ausschließlich die Inhaber des Sortenschutzes für die Kontrolle und die Überwachung der Verwendung der geschützten Sorten im Rahmen des berechtigten Nachbaus verantwortlich und daher auf die Ehrlichkeit und die Kooperation der betroffenen Landwirte angewiesen sind.
[43] 43 Aufgrund all dieser Erwägungen ist auf die erste Vorlagefrage zu antworten, dass zur Festsetzung der "angemessenen Vergütung", die nach Art. 94 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2100/94 ein Landwirt schuldet, der durch Nachbau gewonnenes Vermehrungsgut einer geschützten Sorte genutzt hat, ohne die ihm nach Art. 14 Abs. 3 dieser Verordnung in Verbindung mit Art. 8 der Verordnung Nr. 1768/95 obliegenden Verpflichtungen zu erfüllen, als Berechnungsgrundlage der Betrag heranzuziehen ist, der der Gebühr für die Erzeugung in Z-Lizenz entspricht.
[44] 44 In Anbetracht der Antwort auf die erste Frage ist die zweite Frage nicht zu beantworten.
Zur dritten Frage
[45] 45 Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht zum einen wissen, ob Art. 94 der Verordnung Nr. 2100/94 dahin auszulegen ist, dass die Zahlung einer Entschädigung für die Kosten der Kontrolle der Einhaltung der Rechte eines Sortenschutzinhabers in die Berechnung der in Art. 94 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2100/94 vorgesehenen angemessenen Vergütung einzubeziehen ist, oder ob eine solche Zahlung in die Berechnung des in Art. 94 Abs. 2 vorgesehenen Schadensersatzes einzubeziehen ist. Zum anderen fragt das vorlegende Gericht, ob in den Fällen, in denen der Sortenschutzinhaber einen solchen Schaden geltend macht, die Entschädigung pauschal berechnet werden und mit dem Doppelten der üblicherweise vereinbarten Vergütung bzw. der in Art. 14 Abs. 3 vierter Gedankenstrich der genannten Verordnung vorgesehenen angemessenen Entschädigung angesetzt werden kann.
[46] 46 Die Kommission hat in ihren Erklärungen darauf hingewiesen, dass diese Frage rein hypothetisch sei, da die STV die Zahlung solcher Kosten nicht verlangt habe.
[47] 47 Insoweit geht aus einer ständigen Rechtsprechung hervor, dass das durch Art. 267 AEUV geschaffene Verfahren ein Instrument der Zusammenarbeit zwischen dem Gerichtshof und den nationalen Gerichten ist, mit dem der Gerichtshof diesen Gerichten Hinweise zur Auslegung des Unionsrechts gibt, die sie zur Entscheidung des bei ihnen anhängigen Rechtsstreits benötigen (vgl. u. a. Urteile vom 24. März 2009, Danske Slagterier, C-445/06, Slg. 2009, I-2119, Randnr. 65, und vom 15. September 2011, Unió de Pagesos de Catalunya, C-197/10, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 16 und die dort angeführte Rechtsprechung).
[48] 48 Im Rahmen dieser Zusammenarbeit spricht eine Vermutung für die Entscheidungserheblichkeit der Fragen zum Unionsrecht. Die Zurückweisung des Ersuchens eines nationalen Gerichts ist dem Gerichtshof mithin nur möglich, wenn die erbetene Auslegung des Unionsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn der Gerichtshof nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind (vgl. u. a. Urteil vom 5. Dezember 2006, Cipolla u. a., C-94/04 und C-202/04, Slg. 2006, I-11421, Randnr. 25, und Urteil Unió de Pagesos de Catalunya, Randnr. 17).
[49] 49 Da im vorliegenden Fall dem Vorlagebeschluss zu entnehmen ist, dass die STV im Ausgangsverfahren die Zahlung einer "angemessenen Vergütung" im Sinne von Art. 94 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2100/94 verlangt hat, ist die dritte Frage des vorlegenden Gerichts, die den Begriff "angemessene Vergütung" betrifft, zu beantworten.
[50] 50 Hierzu genügt die Feststellung, dass Art. 94 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2100/94 lediglich eine angemessene Vergütung im Fall der rechtswidrigen Verwendung einer Pflanzensorte vorsieht, ohne sich jedoch auf den Ersatz anderer als der mit der unterbliebenen Zahlung der genannten Vergütung zusammenhängenden Schäden zu erstrecken.
[51] 51 Unter diesen Umständen ist auf die dritte Vorlagefrage zu antworten, dass die Zahlung einer Entschädigung für die Kosten der Kontrolle der Einhaltung der Rechte des Inhabers eines Sortenschutzrechts nicht in die Berechnung der in Art. 94 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2100/94 vorgesehenen "angemessenen Vergütung" einbezogen werden kann.
Kosten
[52] 52 Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
* Verfahrenssprache: Deutsch.