Bundesfinanzhof
Abzug von Versicherungsprämien als Werbungskosten oder Sonderausgabe – Abgrenzung zwischen beruflicher und privater Veranlassung – Berufsunfähigkeits-Versicherung

BFH, Beschluss vom 15. 10. 2013 – VI B 20/13 (lexetius.com/2013,5050)

[1] Gründe: Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Weder ist die Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO -) noch ist eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Fortbildung des Rechts erforderlich (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative FGO). Die Erforderlichkeit einer Revisionszulassung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO) und das Vorliegen eines Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) sind nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO entsprechend dargelegt.
[2] a) Die Revision war nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.
[3] Eine Rechtssache ist von grundsätzlicher Bedeutung, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Die Rechtsfrage muss im konkreten Fall klärungsbedürftig und in einem künftigen Revisionsverfahren klärbar sein (ständige Rechtsprechung, BFH-Beschlüsse vom 24. Juli 2008 VI B 7/08, BFH/NV 2008, 1838; vom 12. Oktober 2007 VI B 161/06, BFH/NV 2008, 45; vom 10. Oktober 2007 VI B 33/07, BFH/NV 2008, 44). Eine Rechtsfrage ist nicht klärungsbedürftig, wenn sie durch die Rechtsprechung des BFH bereits hinreichend geklärt ist und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung dieser Frage erforderlich machen (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 115 Rz 28).
[4] Die im Streitfall aufgeworfenen Rechtsfragen sind durch die BFH-Rechtsprechung bereits hinreichend geklärt.
[5] Nach ständiger Rechtsprechung sind Versicherungsprämien nur dann Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben, wenn sie beruflich veranlasst sind (§ 9 Abs. 1, § 4 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes). Soweit sie privat veranlasst sind, kommt der Sonderausgabenabzug in Betracht. Die Abgrenzung zwischen beruflicher und privater Veranlassung richtet sich danach, ob durch die Versicherung berufliche oder private Risiken abgedeckt werden (BFH-Urteil vom 7. Oktober 1982 IV R 32/80, BFHE 137, 19, BStBl II 1983, 101). Da das abzudeckende Risiko regelmäßig zu einem nicht unwesentlichen Teil im privaten Lebensbereich angesiedelt ist, sind Beiträge zu Personenversicherungen in der Regel Sonderausgaben und nicht Werbungskosten. Entsprechend hat die Rechtsprechung die Beiträge für eine Krankentagegeld-Versicherung ebenso wie diejenigen zu einer Berufsunfähigkeits-Versicherung nicht als Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben anerkannt. Zweck beider Versicherungen ist der Ausgleich krankheitsbedingter Einnahmeausfälle; mithin geht es um das Risiko krankheitsbedingter Vermögenseinbußen. Das Risiko einer Krankheit und daraus folgender Einnahmeausfälle ist letztlich der privaten Lebensführung zuzurechnen (BFH-Urteil in BFHE 137, 19, BStBl II 1983, 101; Senatsbeschluss vom 15. Juni 2005 VI B 64/04, BFH/NV 2005, 1796). Eine Aufteilung der Aufwendungen für eine Berufsunfähigkeits-Versicherung in einen privat und einen beruflich bzw. betrieblich veranlassten Anteil kommt nicht in Betracht, weil es nicht um eine Aufteilung oder Zuordnung beruflich und privat bedingter Risiken (wie z. B. Unfall-, Haftpflicht- oder Diebstahlrisiken) geht, sondern um das einheitlich dem privaten Bereich zuzuordnende Risiko der Sicherung des Lebensunterhalts (vgl. auch Senatsurteil vom 13. April 1976 VI R 87/73, BFHE 119, 149, BStBl II 1976, 599; Senatsbeschluss in BFH/NV 2005, 1796).
[6] Die Vorinstanz ist in der angefochtenen Entscheidung von den angeführten Grundsätzen ausgegangen und zu dem Ergebnis gelangt, der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) habe mit der streitigen Versicherung, mit der keine berufsspezifischen Risiken, sondern nur die allgemeinen krankheitsbedingten Einnahmeausfälle versichert worden seien, ausschließlich Risiken der privaten Lebensführung abgedeckt. Da insoweit Verstöße gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze weder vorgetragen noch sonst ersichtlich sind, ist diese tatrichterliche Würdigung revisionsrechtlich bindend (vgl. § 118 Abs. 2 FGO).
[7] b) Die Revision war auch nicht zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative FGO) zuzulassen.
[8] Der Zulassungsgrund der Rechtsfortbildung als Spezialfall der Grundsatzrevision erfordert die Darlegung einer klärbaren und klärungsbedürftigen Rechtsfrage (Senatsbeschluss vom 1. März 2007 VI B 92/06, BFH/NV 2007, 1172). Da die im Streitfall aufgeworfenen Fragen – wie oben ausgeführt – bereits hinreichend geklärt sind, kommt eine Revisionszulassung zur Fortbildung des Rechts vorliegend nicht in Betracht.
[9] Eine Zulassung der Revision zur Rechtsfortbildung ist im Streitfall auch nicht im Hinblick auf den Beschluss des Großen Senats vom 21. September 2009 GrS 1/06 (BFHE 227, 1, BStBl II 2010, 672) geboten. Die Vorentscheidung ist in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise zum Ergebnis gekommen, dass ein objektiver Maßstab zur Aufteilung der streitigen Aufwendungen in berufliche und private Anteile nicht vorhanden sei; vielmehr sei die Versicherung insgesamt dem privaten Lebensbereich zuzuordnen. Bei dieser Sachlage ist eine Aufteilung in privat bzw. beruflich veranlasste Aufwendungen auch nach den Grundsätzen des Beschlusses in BFHE 227, 1, BStBl II 2010, 672 nicht vorzunehmen.
[10] c) Die Erforderlichkeit der Revisionszulassung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO) und das Vorliegen eines Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) sind in der Beschwerdeschrift nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO entsprechend dargelegt.
[11] Mit ihrem Vorbringen, die Vorentscheidung berücksichtige nicht oder nicht zutreffend die Ausführungen des BFH im Beschluss in BFHE 227, 1, BStBl II 2010, 672, bezeichnen die Kläger und Beschwerdeführer weder einen Verfahrensmangel noch legen sie die Voraussetzungen der Erforderlichkeit einer Revisionszulassung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung dar. Vielmehr machen sie im Grunde geltend, die Vorinstanz habe die Grundsätze dieser Entscheidung nicht zutreffend angewandt. Mit der darin liegenden Rüge der materiellen Unrichtigkeit der Vorentscheidung können sie indes im Beschwerdeverfahren nur unter den weiteren Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO gehört werden.