Bundessozialgericht

BSG, Urteil vom 17. 2. 2016 – B 4 AS 2/15 R (lexetius.com/2016,686)

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 15. Januar 2015 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander auch für das Revisionsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
[1] Tatbestand: Der Kläger begehrt Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem SGB II für die Zeit vom 1. 4. bis 30. 9. 2009 wegen der Mitnutzung der Wohnung seines umgangsberechtigten Vaters während der Besuchszeiten.
[2] Die Eltern des am 1. 7. 2001 geborenen Klägers trennten sich im Jahr 2008. Bei gemeinsamer elterlicher Sorge einigten sie sich in einem gerichtlichen Vergleich vom 10. 11. 2008 darauf, dass der ständige Aufenthalt des Klägers bei der Mutter sein sollte. Der Vater verblieb alleine in der ursprünglichen Ehewohnung. Sein Umgang mit dem Kläger erfolgte alle 14 Tage in dieser Wohnung jeweils von Freitagnachmittag bis Montag.
[3] Der Kläger und seine Mutter erhielten in dem streitbefangenen Zeitraum Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II, darunter auch Kosten der Unterkunft und Heizung für die neue, von beiden gemeinsam bewohnte Wohnung.
[4] Der Vater des Klägers studierte seit dem 1. 4. 2009 an der Fernuniversität Hagen, zunächst als Gasthörer und nach Erwerb der Hochschulzugangsberechtigung im Juni 2009 rückwirkend zum Semesterbeginn mit dem Status als Vollzeitstudent. Das Studentenwerk bewilligte ihm für die Monate Juni 2009 bis März 2010 Leistungen nach dem BAföG. Zuvor hatte der Beklagte dem Vater des Klägers für den Zeitraum 1. 4. bis 30. 9. 2009 ua Leistungen für Unterkunft und Heizung unter Abzug der Einnahmen aus einer Untervermietung bewilligt (Bescheid vom 17. 3. 2009). Für die Monate Juli bis September erfolgte eine Erhöhung der Regelleistung entsprechend der gesetzlichen Anpassung (Bescheid vom 7. 6. 2009). Den Widerspruch wegen der Höhe der Leistungen für Unterkunft und Heizung wies der Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom 13. 7. 2009).
[5] Dagegen haben der Kläger und sein Vater Klage erhoben. Während des Klageverfahrens hat der Beklagte seine Leistungsbewilligung gegenüber dem Vater des Klägers für den streitbefangenen Zeitraum zurückgenommen, weil dieser als Student vom Leistungsbezug ausgeschlossen sei (Bescheid vom 2. 12. 2009). Gegenüber dem Kläger hat sich der Beklagte verpflichtet, Sozialgeld in Höhe von 42,20 Euro für die Monate April bis Juni 2009 und 50,20 Euro für die Monate Juli bis September 2009 (1/5 des monatlichen Leistungssatzes) zu zahlen (Teilanerkenntnis vom 9. 4. 2010). Darüber hinaus hat er sich bereit erklärt, auch Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 34,26 Euro für die Monate April bis September 2009 zu erbringen (Teilanerkenntnis vom 20. 8. 2010). Der Kläger habe unabhängig vom Leistungsausschluss seines Vaters Anspruch auf anteiliges Sozialgeld und anteilige Leistungen für Unterkunft und Heizung für jeweils lediglich 6 Tage im Monat, an denen er sich bei seinem Vater aufhalte.
[6] Der Kläger hat beide Teilanerkenntnisse angenommen, aber die Klage, mit der er weitere Ansprüche geltend gemacht hat, aufrechterhalten. Das SG hat den Beklagten verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 1. 4. bis 30. 9. 2009 weitere 764,43 Euro für Unterkunft und Heizung (für April bis Juni jeweils 127,48 Euro, für Juli bis September jeweils 127,33 Euro) zu zahlen (Urteil vom 10. 2. 2011). Der Kläger könne nach dem Kopfteilprinzip die Hälfte der im Monat anfallenden Gesamtkosten für die Wohnung des Vaters als Leistungen für Unterkunft und Heizung beanspruchen. Auf die Berufung des Beklagten hat das Sächsische LSG das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 15. 1. 2015). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, der Kläger habe sich im Zeitraum vom 1. 4. bis 30. 9. 2009 überwiegend bei seiner Mutter aufgehalten. Er habe daher schon dem Grunde nach keine Ansprüche auf Leistungen für Unterkunft und Heizung in einer Bedarfsgemeinschaft mit seinem Vater. Der "Mehrbedarf" für Unterkunft und Heizung infolge der Ausübung des Umgangsrechts durch einen Elternteil sei in Fällen, in denen sich das Kind überwiegend beim anderen Elternteil aufhalte, dem umgangsberechtigten Elternteil und nicht dem Kind zuzurechnen. Das Kind habe insoweit keine eigenen Ansprüche.
[7] Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung von § 22 SGB II. Da es sich bei den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts um Individualansprüche handele, müsse der Wohnbedarf des Kindes in beiden Haushalten berücksichtigt werden. Das BSG habe bereits klargestellt, dass nicht ausschlaggebend sei, wem die Kosten der Ausübung des Umgangsrechts unterhaltsrechtlich zuzuordnen seien. Das LSG gehe auch zu Unrecht davon aus, die Rechtsauffassung des Klägers führe zu Doppelansprüchen. Dies sei jedenfalls dann nicht der Fall, wenn jeweils tatsächlich vorliegende Bedarfe in verschiedenen Bedarfsgemeinschaften nebeneinander bestünden und befriedigt werden müssten. Schließlich müsse berücksichtigt werden, dass der Vater des Klägers nach § 7 Abs 5 SGB II von Leistungen ausgeschlossen und die Zuerkennung eines isolierten Mehrbedarfs für die Ausübung des Umgangsrechts in § 27 SGB II nicht vorgesehen sei.
[8] Der Kläger beantragt, das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 15. Januar 2015 aufzuheben und die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 10. Februar 2011 zurückzuweisen.
[9] Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
[10] Er hält die Ausführungen im Urteil des LSG für zutreffend.
[11] Entscheidungsgründe: Die Revision des Klägers ist zulässig, jedoch nicht begründet und deshalb zurückzuweisen (§ 170 Abs 1 S 1 SGG). Der Kläger hat keinen Anspruch auf weitere Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs 1 S 1 SGB II für den Zeitraum vom 1. 4. bis 30. 9. 2009. Das LSG hat daher zu Recht das Leistungen zusprechende Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen.
[12] Streitgegenstand sind allein Leistungen für Unterkunft und Heizung für den Kläger in einer in Betracht kommenden (temporären) Bedarfsgemeinschaft mit seinem Vater für den Zeitraum vom 1. 4. bis 30. 9. 2009. Der Vater des Klägers hat seine Revision in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat am 17. 2. 2016 zurückgenommen und der Kläger hat sein Begehren zulässigerweise auf Leistungen nach § 22 Abs 1 S 1 SGB II begrenzt (vgl zur Zulässigkeit einer solchen Beschränkung nur Senatsurteil vom 16. 6. 2015 – B 4 AS 37/14 R – SozR 4—4200 § 27 Nr 2 – RdNr 12). Er begehrt Leistungen für Unterkunft und Heizung, die über den Betrag von monatlich 34,26 Euro, den der Beklagte durch Teilanerkenntnis vom 20. 8. 2010 anerkannt hat, hinausgehen. Soweit durch zuvor gegenüber dem Vater des Klägers ergangene Bescheide eine Ablehnung von weiteren Leistungen für Unterkunft und Heizung für den Kläger erfolgt ist, sind diese Bescheide durch das Teilanerkenntnis ersetzt und damit erledigt (§ 39 Abs 2 SGB X).
[13] Der Kläger hat keinen Anspruch auf Leistungen für Unterkunft und Heizung, selbst wenn in dem streitgegenständlichen Zeitraum von einer temporären Bedarfsgemeinschaft mit seinem Vater auszugehen sein sollte. Nach § 28 Abs 1 S 1 SGB II (in der hier anwendbaren Normfassung des Gesetzes zur Sicherung von Beschäftigung und Stabilität in Deutschland vom 2. 3. 2009 – BGBl I 416) erhalten nicht erwerbsfähige Angehörige, die mit erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in Bedarfsgemeinschaft leben, Sozialgeld, soweit sie keinen Anspruch auf Leistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII haben. Das Sozialgeld umfasst die sich aus § 19 S 1 SGB II (in der Normfassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20. 6. 2006 – BGBl I 1706) ergebenden Leistungen (§ 28 Abs 1 S 2 SGB II), zu denen die angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs 1 S 1 SGB II (in der Normfassung des Gesetzes zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente vom 21. 12. 2008 – BGBl I 2917) gehören. Dahinstehen kann hier, ob der Vater des Klägers diesem überhaupt (zumindest temporär) einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II als "Kopf" einer Bedarfsgemeinschaft vermitteln konnte, obwohl er selbst im streitigen Zeitraum nach § 7 Abs 5 S 1 SGB II (in der Normfassung des Zweiundzwanzigsten Gesetzes zur Änderung des BAföG vom 23. 12. 2007 – BGBl I 3254) von den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ausgeschlossen war. Es mangelt vorliegend bereits an einem entsprechenden Bedarf des Klägers.
[14] Inhaber des Individualanspruchs auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (grundlegend BSG Urteil vom 7. 11. 2006 – B 7b AS 8/06 RBSGE 97, 217, 219 = SozR 4—4200 § 22 Nr 1 – RdNr 12), einschließlich des Anspruchs auf Leistungen für Unterkunft und Heizung, ist derjenige, bei dem der notwendige Bedarf in eigener Person vorliegt. Nach § 22 Abs 1 S 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Erfasst sind davon sämtliche Zahlungsverpflichtungen, die sich aus einem Mietvertrag bzw einer mit dem Vermieter getroffenen Vereinbarung für die Unterkunft ergeben und tatsächlich gezahlt werden (BSG Urteil vom 7. 5. 2009 – B 14 AS 14/08 R – SozR 4—4200 § 22 Nr 20 RdNr 19 ff). Angeknüpft wird an die rechtliche und tatsächliche Verpflichtung zur Mietzinszahlung im Rahmen des Mietverhältnisses (BSG Urteil vom 7. 5. 2009 – B 14 AS 31/07 R – SozR 4—4200 § 22 Nr 21 – RdNr 16 ff; BSG Urteil vom 22. 9. 2009 – B 4 AS 8/09 RBSGE 104, 179 = SozR 4—4200 § 22 Nr 24 – RdNr 16; BSG Urteil vom 19. 10. 2010 – B 14 AS 2/10 R – RdNr 15).
[15] Nutzen Hilfebedürftige eine Unterkunft gemeinsam mit anderen Personen, insbesondere anderen Familienangehörigen, können diese Aufwendungen unabhängig von Alter und Nutzungsintensität, anteilig pro Kopf – worauf sich die Revision stützt – aufzuteilen sein (vgl nur BSG Urteil vom 23. 11. 2006 – B 11a AS 1/06 R – BSGE 97, 265 = SozR 4—4200 § 20 Nr 3 – RdNr 28 f), was auch unabhängig davon ist, ob alle Personen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft sind (BSG Urteil vom 23. 5. 2013 – B 4 AS 67/12 RBSGE 113, 270 ff = SozR 4—4200 § 22 Nr 68 – RdNr 18 mwN). Bei der Aufteilung nach Kopfteilen im Rahmen des § 22 Abs 1 SGB II handelt es sich jedoch um eine generalisierende und typisierende Annahme aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität, die nicht gesetzlich festgeschrieben ist. Eine grundsätzliche Festlegung auf das Prinzip der anteiligen Verteilung der KdU nach der Anzahl der im Haushalt lebenden Personen sieht die Vorschrift nicht vor (vgl BSG Urteil vom 23. 5. 2013 – B 4 AS 67/12 RBSGE 113, 270 ff = SozR 4—4200 § 22 Nr 68 – RdNr 18 f mwN).
[16] Doch fehlt es hier an der gemeinsamen Nutzung der Wohnung des Vaters des Klägers durch den Kläger und seinen Vater, sodass schon aus diesem Grund eine Aufteilung der allein den Vater treffenden Zahlungsverpflichtungen aus dessen Mietvertrag nicht in Betracht kommt. Eine gemeinsame Nutzung würde voraussetzten, dass der Kläger seinen Lebensmittelpunkt in dieser Wohnung hat. Denn nach Sinn und Zweck von § 22 Abs 1 S 1 SGB II in Verbindung mit der Gesetzessystematik ist ein eigener notwendiger Wohnbedarf nur bezogen auf den Lebensmittelpunkt des Leistungsberechtigen anzuerkennen. Die Nutzung der Wohnung nur im Rahmen der Besuchszeiten während des Umgangsrechts, nicht aber als ständiger Mitbewohner, reicht für die Annahme, dass hier der Lebensmittelpunkt liegt, nicht aus.
[17] Sinn und Zweck der im Rahmen des SGB II zu gewährenden Leistungen für Unterkunft und Heizung ist die Befriedigung des Grundbedürfnisses, eine Wohnung als räumlichen Lebensmittelpunkt zu besitzen (vgl nur Luick in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 22 RdNr 7; Piepenstock in Schlegel/Voelzke, SGB II, 4. Aufl 2015, § 22 RdNr 46 f; jeweils mwN). Werden mehrere Wohnungen genutzt, ist daher grundsicherungsrechtlich ein Wohnbedarf nur für die Wohnung anzuerkennen, die den Lebensmittelpunkt bildet, also (nur) für die Wohnung, die überwiegend genutzt wird. Durch Leistungen für diese Wohnung wird der Grundbedarf gedeckt. Unterkunftskosten sind daher stets nur für eine einzige Wohnung anzuerkennen, selbst wenn tatsächlich zwei Wohnungen als Unterkunft zur Verfügung stehen (so LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 16. 6. 2006 – L 10 B 488/06 AS ER – RdNr 5; Hessisches LSG Beschluss vom 8. 10. 2007 – L 7 AS 249/07 ER – RdNr 31; LSG Thüringen Beschluss vom 15. 4. 2008 – L 9 AS 1438/07 ER – RdNr 17). Dem steht mangels Vergleichbarkeit der Fallkonstellationen nicht entgegen, dass ausnahmsweise auch die Übernahme von Kosten für die Anmietung zusätzlicher Räume zur Lagerung von persönlichen Gegenständen von der Rechtsprechung als Kosten der Unterkunft anerkannt wurden (so im Fall BSG Urteil vom 16. 12. 2008 – B 4 AS 1/08 R – SozR 4—4200 § 22 Nr 14 – Lagerraum bei Übergangswohnheim); solche Räume sind nämlich für sich genommen schon nicht selbstständig als Wohnung geeignet.
[18] Bei einem Kind, dessen Eltern getrennt leben, liegt der Lebensmittelpunkt des Kindes in der Wohnung des Elternteils, bei dem es sich überwiegend aufhält. Durch die Sicherstellung des Wohnbedarfs bei diesem Elternteil wird sein Grundbedürfnis auf Wohnen bereits vollständig befriedigt. Eine Aufteilung des Wohnbedarfs je nach dem Umfang des Aufenthalts bei dem einen oder anderen Elternteil kommt nicht in Betracht.
[19] Dieses Ergebnis wird gestützt durch die Rechtsprechung des Senats zur Aufteilung des Mehrbedarfs für Alleinerziehende nach § 21 Abs 3 SGB II, wenn sich das Kind zeitweise bei dem einen oder bei dem anderen Elternteil aufhält. Danach ist – abgesehen von den Fällen des echten Wechselmodels mit etwa hälftigem Aufenthalt bei beiden Elternteilen (dazu BSG Urteil vom 3. 3. 2009 – B 4 AS 50/07 RBSGE 102, 290 = SozR 4—4200 § 21 Nr 5 – RdNr 15 ff) – keine Aufsplittung dieses Mehrbedarfs nach Tagen der Anwesenheit bei dem einen oder anderen Elternteil vorzunehmen. Vielmehr ist auch der Mehrbedarf nach § 21 Abs 3 SGB II nur dem Elternteil zuzugestehen, bei dem das Kind den Lebensmittelpunkt hat (vgl BSG Urteil vom 11. 2. 2015 – B 4 AS 26/14 R – SozR 4—4200 § 21 Nr 20 – RdNr 15). Hierfür spricht, dass auch während einer zeitweisen Abwesenheit eines Kindes zur Wahrnehmung des Umgangsrechts die wesentlichen Belastungen und Kosten bei dem anderen Elternteil verbleiben. Für Wohnkosten gilt das in besonderer Weise, denn sie fallen – insbesondere wenn es sich um monatliche Mietzahlungspflichten handelt – unabhängig davon an, wie viele Tage das Kind bei dem umgangsberechtigten Elternteil verbringt.
[20] Dass im Allgemeinen während der Wahrnehmung des Umgangsrechts von einer zeitweisen (temporären) Bedarfsgemeinschaft zwischen dem Kind und dem umgangsberechtigten Elternteil auszugehen ist (grundlegend dazu BSG Urteil vom 7. 11. 2006 – B 7b AS 14/06 RBSGE 97, 242 = SozR 4—4200 § 20 Nr 1 – RdNr 27 ff; BSG Urteil vom 2. 7. 2009 – B 14 AS 75/08 R – SozR 4—4200 § 7 Nr 13 – RdNr 15 ff), rechtfertigt kein anderes Ergebnis. Die Rechtsprechung zur temporären Bedarfsgemeinschaft lässt zwar eine tageweise Zuordnung von Leistungen zu. Doch bezieht sich dies allein auf Leistungen, die in Erfüllung monetärer Bedarfe zur Bestreitung der Lebenshaltungskosten erbracht werden (vgl zur Zuordnung der Regelleistungen zuletzt BSG Urteil vom 12. 6. 2013 – B 14 AS 50/12 R – SozR 4—4200 § 7 Nr 35 – RdNr 17 f). Auf den Wohnbedarf kann wegen dessen fehlender Teilbarkeit diese Rechtsprechung indes nicht übertragen werden. Aus dem Befund, dass der Wohnbedarf eines Kindes nicht durch dessen zeitweisen Aufenthalt im Wohnraum des umgangsberechtigten Elternteils sichergestellt wird, folgt umgekehrt, dass die Wohnung des umgangsberechtigten Elternteils – unabhängig von ihrer Größe – auch nur dessen eigenen Wohnbedarf befriedigt (so auch BSG Urteil vom 19. 10. 2010 – B 14 AS 50/10 R – SozR 4—4200 § 22 Nr 42 – RdNr 19, in dem Fall, dass ein Lebenspartner als Mitglied der Bedarfsgemeinschaft eine Wohnung nicht mehr bewohnt), entsprechende Kosten also auch nur von ihm zu decken sind.
[21] Soweit dem umgangsberechtigten Elternteil gerade wegen der Wahrnehmung des Umgangsrechts zusätzliche oder höhere Wohnkosten entstehen, stellen diese – ebenso wie andere ihm entstehende Kosten im Zusammenhang mit dem Umgangsrecht, beispielsweise Fahrtkosten (vgl dazu BSG Urteil vom 18. 11. 2014 – B 4 AS 4/14 RBSGE 117, 240 = SozR 4—4200 § 21 Nr 19 – RdNr 13 ff; BSG Urteil vom 11. 2. 2015 – B 4 AS 27/14 R – zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4—4200 § 21 Nr 21 vorgesehen – RdNr 17 ff) einen zusätzlichen Bedarf des umgangsberechtigten Elternteils dar (so etwa Behrend in jurisPK-SGB II, 4. Aufl 2015, § 21 RdNr 114; Behrend jM 2014, 22, 28 f; noch offen gelassen BSG Urteil vom 2. 7. 2009 – B 14 AS 36/08 RBSGE 104, 41 = SozR 4—4200 § 22 Nr 23 – RdNr 25; BSG Urteil vom 12. 6. 2013 – B 14 AS 50/12 R – SozR 4—4200 § 7 Nr 35 – RdNr 19). Besteht wegen der Wahrnehmung des Umgangsrechts etwa ein zusätzlicher Wohnraumbedarf, kann dieser im Rahmen der konkreten Angemessenheit der Unterkunfts- und Heizaufwendungen nach § 22 Abs 1 S 1 iVm S 3 SGB II zu berücksichtigen sein (vgl nur Knickrehm/Hahn in Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 4. Aufl 2015, § 22 SGB II, RdNr 23 aE; Krauß in Hauck/Noftz, Stand X/2012, K § 22 SGB II, RdNr 126; Behrend in jurisPK-SGB II, 4. Aufl 2015, § 21, RdNr 114).
[22] Diese grundsätzliche Zuordnung wird durch die zum 1. 4. 2011 eingeführten Satzungsregelungen (§§ 22a ff SGB II; eingefügt durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24. 3. 2011 – BGBl I 453) indirekt bestätigt. § 22b Abs 3 S 1 SGB II bestimmt, dass bei Erlass einer Satzung über die angemessenen Wohnkosten für Personen mit einem besonderen Bedarf für Unterkunft und Heizung eine Sonderregelung getroffen werden soll. Als Beispiel für einen solchen besonderen Bedarf wird ausdrücklich auch ein erhöhter Raumbedarf wegen der Ausübung des Umgangsrechts genannt (§ 22b Abs 3 S 2 Nr 2 SGB II). Zwar handelt es sich insoweit nur um eine normative Vorgabe für die Inhaltsgestaltung der Satzung nach § 22a SGB II, nach der die Länder die Kreise und kreisfreien Städte durch Gesetz ermächtigen oder verpflichten können, durch Satzung zu bestimmen, in welcher Höhe Aufwendungen für Unterkunft und Heizung in ihrem Gebiet angemessen sind. Auch ist der Raumbedarf nur eine Hilfsgröße für die Ermittlung der angemessenen Unterkunftskosten. Dass die Neuregelung einen erhöhten Raumbedarf insbesondere für Personen anerkennen will, die wegen der Ausübung des Umgangsrechts zusätzliche Wohnfläche bereithalten, weist jedoch indiziell darauf hin, dass der Gesetzgeber diesen Bedarf dem umgangsberechtigten Elternteil und dessen Unterkunftsbedarf zuordnet. Dies gilt unabhängig davon, ob ein solcher Bedarf bei der Festlegung der abstrakten Angemessenheitsgrenze berücksichtigt werden darf, wie es die Festlegung in einer Satzung nahelegt (nur bei realitätsgerechter Ermittlung BSG Urteil vom 17. 10. 2013 – B 14 AS 70/12 RBSGE 114, 257 = SozR 4—4200 § 22a Nr 1 – RdNr 35), oder Teil der Prüfung der konkreten Angemessenheit ist (siehe BSG Urteil vom 11. 12. 2012 – B 4 AS 44/12 R – RdNr 14). Denn hier steht nur die Bedarfszuordnung im Zentrum der Betrachtung und nicht die konkrete Bedarfsermittlung.
[23] Eine abweichende Zuordnung des Bedarfs wegen zusätzlicher oder höherer Wohnkosten im Zusammenhang mit der Wahrnehmung des Umgangsrechts ist auch nicht veranlasst, wenn – wie hier – der umgangsberechtigte Elternteil als Auszubildender vom Leistungsbezug gemäß § 7 Abs 5 SGB II ausgeschlossen ist. Auszubildende sind gehalten, ihre Bedarfe in den jeweiligen Systemen der Ausbildungsförderung sicherzustellen; durch den Leistungsausschluss nach § 7 Abs 5 SGB II ist bezweckt, eine (verdeckte) Ausbildungsförderung durch SGB II-Leistungen zu verhindern (vgl nur Leopold in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. Aufl 2015, § 7 RdNr 287; Spellbrink/G. Becker in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 7, RdNr 166). Erweisen sich die Ausbildungsförderleistungen, die teilweise im Übrigen auch Bedarfe wegen Kinderbetreuung in temporären Bedarfsgemeinschaften berücksichtigen (vgl § 14 b BAföG; dazu Schaller in Ramsauer/Stallbaum, BAföG, 5. Aufl 2014, § 14b RdNr 7), im Einzelfall als nicht bedarfsdeckend, können sich jedenfalls dann, wenn nichtausbildungsgeprägte Bedarfe betroffen sind, ausnahmsweise ergänzende Leistungsansprüche nach dem SGB II ergeben (vgl nur Spellbrink/G. Becker in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 7, RdNr 168 ff). Ebenso wie die Anerkennung erhöhter Kosten der Unterkunft und Heizung im Rahmen des regulären Bezugs von Leistungen nach dem SGB II sind diese ergänzenden Leistungsansprüche geeignet, auch einen zusätzlichen Bedarf wegen der Wahrnehmung des Umgangsrechts, der als nichtausbildungsgeprägt zu werten ist, zu befriedigen. Bezogen auf erhöhte Unterkunftskosten konnten sich bis zum 31. 3. 2011 etwa Ansprüche aus § 22 Abs 7 SGB II (in der Normfassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20. 7. 2006 – BGBl I 1706, der dem heute geltenden § 27 Abs 3 SGB II entspricht; zur Anwendbarkeit der entsprechenden Gesetzesfassungen vgl BSG Urteil vom 16. 6. 2015 – B 4 AS 37/14 R – zur Veröffentlichung in SozR 4—4200 § 27 Nr 2 vorgesehen – RdNr 15 ff) für den dort genannten Personenkreis – dem der Vater des Klägers allerdings nicht unterfiel – ergeben. Daneben kommen Darlehensleistungen – auch für Bedarfe für Unterkunft und Heizung – in Betracht, wenn der Leistungsausschluss eine besondere Härte bedeutet (§ 7 Abs 5 S 2 SGB II in der bis zum 31. 3. 2011 geltenden Fassung; § 27 Abs 4 SGB II). Soweit gleichwohl Bedarfsunterdeckungen bestehen, verbunden mit dem möglichen Zwang, die Ausbildung aufgeben zu müssen, ist dies eine Folge der Ausgestaltung der Ausbildungsförderleistungen, und keine das Leistungssystem des SGB II berührende Frage (so ausdrücklich BVerfG Nichtannahmebeschluss vom 3. 9. 2014 – 1 BvR 1768/11 – RdNr 21 ff).
[24] Vorliegend hatte der Kläger im streitbefangenen Zeitraum seinen Lebensmittelpunkt bei seiner Mutter, die ihn überwiegend betreute, nicht aber bei seinem Vater. Die Kosten für die vom Kläger zusammen mit seiner Mutter bewohnten Wohnung wurden ausgehend von einer Bedarfsgemeinschaft des Klägers mit seiner Mutter als Leistungen für Unterkunft und Heizung im Rahmen des SGB II vollständig übernommen. Ein darüber hinausgehender Wohnbedarf des Klägers bezogen auf eine mögliche (temporäre) Bedarfsgemeinschaft mit dem umgangsberechtigten Vater, der weitere Ansprüche begründen könnte, besteht nicht.
[25] Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.