Bundesarbeitsgericht
ZPO § 234; ArbGG § 9
Die Ausschlußfrist von einem Jahr für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach ZPO § 234 Abs 3 hat zwar grundsätzlich absoluten Charakter. Sie ist aber nach ihrem Zweck, Prozeßverschleppung zu verhindern und die Gefährdung der Rechtskraft zu verhüten, dann nicht anzuwenden, wenn das Revisionsgericht im Arbeitsgerichtsverfahren aus allein in der Sphäre des Gerichts liegenden Gründen nicht innerhalb eines Jahres darüber entschieden hat, ob die Revision form- und fristgerecht eingelegt worden ist und beide Parteien auf Grund gerichtlicher Verfügungen der Auffassung sein können, der Rechtsstreit werde demnächst materiellrechtlich entschieden.

BAG, Urteil vom 2. 7. 1981 – 2 AZR 324/79; LAG Düsseldorf (lexetius.com/1981,13)

[1] Tatbestand: Der Kläger war bei der Beklagten als Kraftfahrer beschäftigt. Nachdem der Kläger am 27. Juni 1978 als Alleinfahrer für eine Fahrt 17 Stunden gebraucht hatte, kam er gegen 20. 00 Uhr zu der Beklagten zurück. Der Geschäftsführer B forderte ihn auf, anschließend sofort eine weitere Fahrt nach Essen und Viersen auszuführen. Dabei verlangte der Geschäftsführer, der Kläger müsse am 28. Juni 1978 um 4. 00 Uhr morgens in Viersen sein. Der Kläger lehnte diesen Auftrag ab. Als er nach seinem Erholungsurlaub am 19. Juli 1978 bei der Beklagten eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung abgeben wollte, wurde ihm erklärt, ihm sei bereits fristgemäß zum 15. Juli 1978 gekündigt worden.
[2] Mit seiner beim Arbeitsgericht am 31. Juli 1978 eingegangenen Klage hat der Kläger beantragt festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis ungekündigt fortbestehe.
[3] Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
[4] Sie hat zur Begründung vorgetragen, ihr Geschäftsführer habe dem Kläger am 27. Juni 1978 zum 15. Juli 1978 gekündigt. Da der Kläger erst seit dem 1. April 1978 bei ihr beschäftigt gewesen und das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) noch nicht anzuwenden sei, könne der Kläger nicht geltend machen, daß die Kündigung rechtsunwirksam sei. Zudem habe er die dreiwöchige Klagefrist versäumt. Im übrigen sei eine Weiterbeschäftigung des Klägers nicht mehr tragbar gewesen, nachdem er sich immer nur besonders lohnende Fernfahrten ausgesucht, Fahrten im Nahbereich dagegen abgelehnt und sich notfalls krankgemeldet habe.
[5] Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
[6] Als Prozeßbevollmächtigter der Beklagten hat Rechtsanwalt Be mit einem am 23. März 1979 beim Bundesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vom 22. März 1979 gegen das ihm nach seinen Angaben am 5. März 1978 zugestellte Urteil des Landesarbeitsgerichts Revision eingelegt. Weder die Revisionsschrift noch die beigefügte "Beglaubigte Abschrift" ist von einem der Prozeßbevollmächtigten der Beklagten unterschrieben worden. Die Revisionsbegründung ist am 20. April 1979 eingegangen. Im Januar 1981 ist dem Arbeitsgericht Wesel, bei dem ein weiterer Rechtsstreit zwischen den Parteien anhängig ist, auf Anfrage vom Bundesarbeitsgericht mitgeteilt worden, daß ein Termin zur mündlichen Verhandlung voraussichtlich erst im Juli 1981 möglich sein werde. Nachdem im Zuge der richterlichen Sachbearbeitung der Mangel der Revisionsschrift festgestellt worden war, wurde der Beklagte durch Schreiben des Berichterstatters vom 29. Mai 1981 auf die Bedenken gegen die Zulässigkeit der Revision hingewiesen. Aufgrund des ihm am 2. Juni 1981 zugegangenen Hinweises hat Rechtsanwalt Be mit einem am 15. Juni 1981 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz vom 12. Juni 1981 wegen der Versäumung der Revisionsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Zur weiteren Begründung hat er mit Schriftsatz vom 29. Juni 1981, eingegangen am 30. Juni 1981, ohne Angabe von Mitteln zur Glaubhaftmachung vorgetragen, er habe eine Angestellte angewiesen, ihm die Revisionsschrift vor Absendung zur Unterschrift vorzulegen.
[7] Mit der Revision begehrt die Beklagte die Aufhebung der Vorentscheidungen und die Abweisung der Klage, während der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
[8] Entscheidungsgründe: Die Revision ist unzulässig.
[9] I. 1. Nach § 553 ZPO wird die Revision durch Einreichung einer Revisionsschrift bei dem Revisionsgericht eingelegt. Nach allgemeiner Meinung in Rechtsprechung und Literatur (vgl. u. a. BAG vom 26. 7. 1967 – 4 AZR 172/66 – und 30. 5. 1978 – 1 AZR 664/75 – AP Nr. 11 und 42 zu § 518 ZPO; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 39. Aufl., § 518 Anm. 1 B; Stein/Jonas/Pohle, ZPO, 19. Aufl., § 129 Anm. I 2) muß die Revisionsschrift eigenhändig von einem zugelassenen Rechtsanwalt unterschrieben sein. Dieses zwingende Formerfordernis ist weder bei dem Original noch bei der "beglaubigten Abschrift", die an sich den Mangel der Urschrift heilen könnte (vgl. BAG vom 21. 3. 1973 – 4 AZR 225/72 – AP Nr. 12 zu § 4 TVG Geltungsbereich), erfüllt. Die am 29. März 1979 eingelegte Revision ist damit unzulässig.
[10] 2. Der Mangel wäre dennoch geheilt, wenn die vom Prozeßbevollmächtigten der Revisionsklägerin unterschriebene Revisionsbegründungsschrift vom 17. April 1979 innerhalb der Rechtsmittelfrist beim Revisionsgericht eingegangen wäre (vgl. BAG vom 21. 9. 1954 – 1 AZB 22/54 – BAG 1, 82 (83 f.) = AP Nr. 2 zu § 518 ZPO). Das war im Streitfall nicht möglich, weil die Revisionsfrist nach § 74 Abs. 1 ArbGG 1953 bereits mit dem 5. April 1979 abgelaufen war. Nach dem Empfangsbekenntnis gemäß § 212 a ZPO des Prozeßbevollmächtigten der Beklagten soll das Urteil des Landesarbeitsgerichts zwar erst am 11. April 1979 zugestellt worden sein. Danach wäre die Rechtsmittelfrist gewahrt. Der Prozeßbevollmächtigte hat jedoch die Beweiskraft des Empfangsbekenntnisses selbst zerstört, indem er in der beim Bundesarbeitsgericht am 23. März 1979 eingegangenen Revisionsschrift angibt, ihm sei das Urteil des Landesarbeitsgerichts bereits am 5. März 1979 zugestellt worden und diese Darstellung auch nicht berichtigt hat (vgl. dazu BAG vom 30. 5. 1974 – 5 AZR 31/71 – AP Nr. 4 zu § 212 a ZPO). Dafür, daß der zunächst genannte Zeitpunkt der Zustellung richtig ist, spricht auch die bereits am 2. März 1979 erfolgte Absendung der Ausfertigung des angefochtenen Urteils an die Prozeßbevollmächtigten der Beklagten. Danach ist die Revisionsbegründungsschrift erst nach Ablauf der einmonatigen Rechtsmittelfrist bei Gericht eingegangen. Eine unterzeichnete Rechtsmittelbegründungsschrift, die erst nach Ablauf der Rechtsmittelfrist eingegangen ist, kann den Mangel der nicht ordnungsgemäßen Revisionseinlegung nicht mehr heilen.
[11] II. Der von der Beklagten nach dem gerichtlichen Hinweis gemäß § 139 ZPO erst länger als zwei Jahre nach dem Ablauf der versäumten Revisionsfrist gestellte Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist zwar trotz der im § 234 Abs. 3 ZPO vorgesehenen Ausschlußfrist noch fristgerecht. Die begehrte Wiedereinsetzung konnte der Beklagten aber dennoch nicht gewährt werden, weil im Schriftsatz vom 12. Juni 1981 dafür keine ausreichenden Gründe dargelegt worden und für die "ergänzenden Angaben" in dem weiteren Schriftsatz vom 29. Juni 1981 – eingegangen am 30. Juni 1981 – keine Mittel zur Glaubhaftmachung angeboten worden sind.
[12] 1. Nach § 234 Abs. 3 ZPO kann nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, an sich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht mehr beantragt werden.
[13] a) Das Oberlandesgericht Braunschweig (Urteil vom 17. 4. 1962, NJW 1962, 1823 ff.) und ihm folgend der Bundesgerichtshof (Beschluß vom 12. 6. 1973, LM Nr. 3 zu § 234 (C) ZPO = NJW 1973, 1373) haben aber bereits die Vorschrift des § 234 Abs. 3 ZPO zutreffend restriktiv ausgelegt und entschieden, die Ausschlußfrist von einem Jahr gelte nicht, wenn die Jahresfrist infolge der Dauer des Armenrechtsverfahrens überschritten wird.
[14] Mit dem Oberlandesgericht Braunschweig (aaO) ist davon auszugehen, daß es der Wille des Gesetzgebers gewesen ist, der Ausschlußfrist grundsätzlich einen absoluten Charakter zu geben. Nach den Motiven zur ZPO (Hahn, Materialien zu den Reichsjustizgesetzen, Band II, 1. Abt., Seite 246) würden "außerordentliche Remedien nicht als wünschenswert erscheinen, … weil sie die Rechtskraft der Urteile und damit die Rechts- und Verkehrssicherheit gefährden". Der Gesetzgeber hat dadurch, daß er zunächst nur höhere Gewalt und unabwendbare Zufälle als Wiedereinsetzungsgründe anerkannt hatte, "dem Mißbrauch und der Prozeßverschleppung vorbeugen wollen, zu welchem mildere Restitutionsgründe erfahrungsgemäß Gelegenheit bieten" und erreichen wollen, daß der Rechtskraft die Sicherheit nicht entzogen wird. "Gleichen Zwecken dient es, … daß die Restitution nach Ablauf eines Jahres von dem Ende der versäumten Notfrist an gerechnet, gänzlich ausgeschlossen wird" (Hahn, aaO, S. 247). Zweck der Ausschlußfrist ist es also, eine Prozeßverschleppung und die Gefährdung der Rechtskraft zu verhüten, damit also die Rechtssicherheit zu schützen (Hahn, aaO, S. 247).
[15] Für Fälle, in denen ein Armenrechtsgesuch innerhalb der Rechtsmittelfrist gestellt, aber erst nach Ablauf eines Jahres beschieden worden ist, wird die Unanwendbarkeit des § 234 ZPO damit begründet, bei der Verabschiedung des Gesetzes habe man nur an Naturereignisse, wie Eisgang und dergleichen gedacht (OLG Braunschweig, aaO; BGH, aaO; BGH vom 19. 2. 1976, LM Nr. 4 zu § 234 (C) ZPO; Hahn, aaO, S. 583; Krönig, ZZP 46, 266 ff.), nicht jedoch an die Armut einer Partei oder gar an eine verspätete Bewilligung des Armenrechts. Das Oberlandesgericht Braunschweig hat bei seiner Begründung auch darauf abgestellt, bei der Verhinderung durch Naturereignisse oder andere unabwendbarer Zufälle hielten die Gegenpartei und das Gericht den Fall für abgeschlossen, während dies in einem Falle, in dem über ein Armenrechtsgesuch zu entscheiden ist, gerade nicht so sei. Einen wesentlichen Unterschied hat das Oberlandesgericht Braunschweig auch darin gesehen, daß der Wiedereinsetzungsgrund "Naturereignisse" in die Sphäre der Partei falle, während bei der verzögerten Bescheidung des Armenrechtsgesuches die Ursache für die Versäumung der Jahresfrist die Dauer des Armenrechtsverfahrens, also die mangelnde Funktionsfähigkeit der Gerichtsbarkeit sei.
[16] b) Wenn – wie im vorliegenden Falle – über die Unzulässigkeit eines Rechtsmittels erst nach Ablauf der Frist des § 234 Abs. 3 ZPO entschieden wird, dann ist das sachlich mit dem Tatbestand zu vergleichen, daß aus Gründen, die in der Sphäre des Gerichts liegen, das Armenrechtsverfahren länger als ein Jahr nach Ablauf der versäumten Frist andauert. In beiden Fällen sind weder die Gegenpartei noch das Gericht davon ausgegangen, das angefochtene Urteil sei rechtskräftig. Vielmehr haben sich die Parteien, und bis zur späteren Prüfung nach § 554 a ZPO auch das Gericht, auf eine streitige Verhandlung in der Sache eingestellt und werden überrascht, wenn sich verspätet herausstellt, daß der Prozeß ohne Sachentscheidung durch ein Prozeßurteil zu beenden ist. Auch im vorliegenden Falle ist allein die Behandlung durch das Gericht, d. h. die Dauer des Revisionsverfahrens, ursächlich dafür, daß ein Antrag auf Wiedereinsetzung erst nach Ablauf der Ausschlußfrist gestellt worden ist. Es ist aber nicht Sinn und Zweck des § 234 Abs. 3 ZPO, auch solche Wiedereinsetzungsanträge auszuschließen, zu deren Verspätung es nur deshalb kommt, weil die Revisionsgerichte infolge Überlastung ihrer Aufgabe, Recht zu gewähren, erst nach Ablauf der Jahresfrist nachkommen können. Das gilt jedenfalls dann, wenn die verspätete Prüfung der Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht durch ein unsachgemäßes Verhalten oder ein unrichtiges Vorbringen der Parteien (z. B. unrichtige Angabe der Zustellung des angefochtenen Urteils, die erst durch eine Prüfung der Vorakten ermittelt werden kann) mitverursacht worden ist, sondern ausschließlich der Sphäre des Gerichts zuzuordnen ist. Diese Voraussetzung ist im Streitfall erfüllt. Es ist der Beklagten nicht anzulasten, die Feststellung der Unzulässigkeit der Revision verzögert oder jedenfalls eine eingehende Überprüfung erforderlich gemacht zu haben, die nur aufgrund eines aufwendigen Studiums der Vorakten möglich gewesen wäre. Nach dem von der Revision angegebenen Datum der Zustellung des angefochtenen Urteils wäre vielmehr an sich ohne weiteres sofort zu ermitteln gewesen, daß die Revisionsfrist auch nicht mehr durch die formgerechte Revisionsbegründung gewahrt war. Damit war frühzeitig die Möglichkeit gegeben, die Revision durch Beschluß nach § 554 a ZPO als unzulässig zu verwerfen, was der Beklagten Gelegenheit gegeben hätte, innerhalb der Frist des § 234 Abs. 2 ZPO die Revision, verbunden mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, zu wiederholen.
[17] c) Demgegenüber kann nicht eingewandt werden, anders als bei einem für ein beabsichtigtes Rechtsmittel eingeleiteten Armenrechtsverfahren sei das Rechtsmittelgericht nicht gehalten, über ein unzulässiges Rechtsmittel innerhalb einer bestimmten Frist zu entscheiden. Entscheidend ist vielmehr, daß das Revisionsgericht nach § 554 a ZPO von Amts wegen zu prüfen hat, ob die Revision in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Revision als unzulässig zu verwerfen. Aus dem das Arbeitsgerichtsverfahren beherrschenden Beschleunigungsgrundsatz (§ 9 ArbGG) ergibt sich, daß die Entscheidung über die Unzulässigkeit der Revision jedenfalls in den Arbeitsgerichtsverfahren gemäß § 554 a ZPO alsbald zu erfolgen hat. Die vom Gesetzgeber im Arbeitsgerichtsverfahren erwartete zügige Erledigung unzulässiger Rechtsmittel wird zudem dadurch erleichtert, daß die ehrenamtlichen Richter am Verwerfungsbeschluß nicht mitwirken; vielmehr ist dazu nach § 554 a Abs. 2 ZPO in Verbindung mit § 74 Abs. 2 Satz 2 ArbGG keine mündliche Verhandlung erforderlich. Daher kann die Verzögerung einer solchen nicht viel Aufwand erfordernden Entscheidung nicht allein mit der Überlastung des Gerichts begründet werden.
[18] Nach alledem ist die Interessenlage eines Rechtsmittelklägers bei einem nach Ablauf eines Jahres entschiedenen Armenrechtsgesuch mit dem vorliegenden Falle so vergleichbar, daß zumindest im Arbeitsgerichtsverfahren dann, wenn über ein Rechtsmittel nicht vor Ablauf eines Jahres nach der versäumten Frist, entschieden wird, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht wegen Ablaufs der Ausschlußfrist des § 234 Abs. 3 ZPO zu versagen ist.
[19] 2. Dennoch hat der Antrag der Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand keinen Erfolg haben können. Nach § 236 ZPO muß der Antrag die die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen enthalten; diese sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen.
[20] a) Die die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen sind diejenigen, aus denen sich ergeben soll, daß die Versäumung der Rechtsmittelfrist i. S. des § 233 Abs. 1 ZPO nicht verschuldet ist. Ein der Partei oder ihrem Vertreter (vgl. § 85 Abs. 2 ZPO) nicht vorwerfbares Versehen von Angestellten liegt vor, wenn der Prozeßbevollmächtigte hinsichtlich der Organisation des Büros sowie der Auswahl, Unterweisung und Beaufsichtigung der Angestellten – insbesondere hinsichtlich der Führung der Fristenkalender, Absendung von Briefen usw. – alles getan hat, was vernünftigerweise von ihm verlangt werden kann. Fehlt – wie im vorliegenden Falle – die Unterschrift unter einem bestimmenden Schriftsatz, so ist dies nicht unverschuldet, wenn der Prozeßbevollmächtigte nicht durch entsprechende Anweisung an sein gehörig ausgewähltes und überwachtes Büropersonal Vorsorge getroffen hatte, daß ausgehende Post vor Absendung noch einmal darauf überprüft wird, ob erforderliche Unterschriften auch tatsächlich geleistet worden sind (BAG vom 18. 2. 1974 – 5 AZR 578/73 – AP Nr. 66 zu § 233 ZPO). Dabei darf der Rechtsanwalt, um seinen eigentlichen Aufgaben als Organ der Rechtspflege gerecht werden zu können, seinen geschulten, zuverlässigen und von ihm überwachten Angestellten auch die einfache, rein büromäßige Aufgabe der Unterschriftskontrolle übertragen (BGH vom 18. 12. 1975, NJW 1976, 966 f. m. w. N. aus der Rechtsprechung). Bei einer derartigen Organisation genügt der Rechtsanwalt seiner Sorgfaltspflicht, wenn er die Angestellten dadurch kontrolliert, daß er häufig Schriftsätze mit zu Gericht nimmt, dabei deren Unterzeichnung prüft und bisher kein Versehen hat feststellen können (BGH, aaO).
[21] b) Im vorliegenden Falle hat der Prozeßbevollmächtigte der Revisionsklägerin in seinem Schriftsatz vom 12. Juni 1981 zur Begründung des Antrages auf Wiedereinsetzung vorgetragen, aus der Revisionsbegründung ergebe sich, daß er sich mit der Rechtssache besonders identifiziert habe. Deshalb habe er durch eigenhändige Verfügung vom 22. März 1979 den Text der Revisionsantragsschrift sicherheitshalber schriftlich niedergelegt und mit dem Auftrage der sofortigen Ausführung der Mitarbeiterin Christine P übergeben. Der Auftrag sei auch am gleichen Tage ausgeführt worden. Die Tätigkeit der einzelnen Mitarbeiter werde durch Stichproben überwacht.
[22] Diesem Vortrag läßt sich nicht entnehmen, ob das Übersehen der fehlenden Unterzeichnung und damit die Versäumung der Rechtsmittelfrist verschuldet gewesen ist oder nicht. Mit keinem Wort hat der Prozeßbevollmächtigte erläutert, wie sein Büro organisiert ist, ob er beispielsweise einen Mitarbeiter beauftragt hatte, zu überprüfen, daß Schriftsätze nicht ohne die erforderliche Unterschrift zur Post gegeben werden, ob ein solcher Mitarbeiter sich bisher als zuverlässig erwiesen und über die erforderliche Schulung und Erfahrung verfügt hat. Aus der Begründung des Antrages ergibt sich vielmehr eher ein Anhaltspunkt für ein Verschulden des Rechtsanwalts. Wenn er nämlich vorträgt, er habe einer Mitarbeiterin den Auftrag gegeben, noch am gleichen Tage die von ihm verfügte Revisionsschrift abzuschicken, so bestand die Gefahr, daß die Angestellte diese ohne Unterschrift hinausgehen ließ, es sei denn, der Prozeßbevollmächtigte hätte ihr den Auftrag erteilt, ihm die Rechtsmittelschrift vorher zur Unterschrift vorzulegen. Gerade dies behauptet er aber nicht. Dafür, daß der Prozeßbevollmächtigte der Antragstellerin sich nicht allgemein auf sein Personal verlassen konnte, sprechen mehrere Versehen: Nicht nur die Revisionsschrift und deren beglaubigte Abschrift für den Gegner sind ohne Unterschrift geblieben. Auch die beglaubigte Abschrift seines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hat er nicht unterzeichnet und eine Fotokopie seiner Verfügung vom 22. März 1979, die der Antragsschrift beiliegen sollte, ist beim Bundesarbeitsgericht nicht eingegangen.
[23] c) Erst vier Wochen nach Beseitigung des Hindernisses, also nach Ablauf der Frist des § 234 Abs. 1 ZPO, hat der Prozeßbevollmächtigte in einem weiteren Schriftsatz vom 29. Juni 1981 dann Tatsachen vorgetragen, die möglicherweise hätten geeignet sein können, die Fristversäumnis zu entschuldigen. Es kann aber dahingestellt bleiben, ob der Prozeßbevollmächtigte in dem zweiten Schreiben nur sein ursprüngliches tatsächliches Vorbringen ergänzt und vervollständigt oder ob er unzulässig neue Tatsachen nachgeschoben hat, die nicht mehr zu berücksichtigen wären. Der Prozeßbevollmächtigte hat nämlich weder im Schriftsatz vom 12. Juni noch vom 29. Juni 1981 oder gar in der mündlichen Verhandlung die die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen glaubhaft gemacht.
[24] III. Aus Gründen der Prozeßökonomie (d. h. um die weiteren zwischen den Parteien anhängigen Rechtsstreitigkeiten beizulegen oder abzukürzen) hält es der Senat für angezeigt darauf hinzuweisen, daß die Beklagte selbst mit einer zulässigen Revision keinen Erfolg gehabt haben würde.
[25] Das Landesarbeitsgericht hat zwar die Parteien überrascht und damit § 139 ZPO verletzt. Seine Annahme, die von der Beklagten behaupteten Kündigungen seien sittenwidrig, ist jedoch zutreffend, wie sich gerade auch aus dem Vortrag der Beklagten ergibt, den sie nach ihrer Revisionsschrift bei einem Hinweis des Landesarbeitsgerichts gegeben hätte.
[26] 1. Die Revisionsklägerin bestreitet nicht, daß der Kläger ständig über die zulässige Arbeitszeit hinaus eingesetzt worden ist. Sie trägt sogar selbst vor, der Kläger habe ungefähr das Doppelte dessen gearbeitet, was er nach dem einschlägigen Tarifvertrag habe arbeiten dürfen, nämlich 240 Stunden in der Doppelwoche. Zudem wäre der Senat an die Feststellung des Landesarbeitsgerichts gebunden, der Kläger habe am 27. Juni 1978 mindestens 12 Stunden gearbeitet. Hiermit haben die Parteien gegen die Höchstarbeitszeiten nach der Arbeitszeitordnung (AZO) verstoßen. Die Arbeitszeitregelungen der AZO sind Schutzbestimmungen zu Gunsten der Arbeitnehmer. Nach § 7 AZO kann die regelmäßige Arbeitszeit durch Tarifverträge nur bis zu 10 Stunden täglich verlängert werden. Daß der Kläger doppelt soviel gearbeitet hatte, war beiden Parteien bekannt. Aus diesem Grunde hat zumindest der Arbeitgeber gem. § 25 Abs. 1 Ziff. 3 in Verbindung mit Abs. 3 und 4 AZO sich einer Ordnungswidrigkeit schuldig gemacht, die zu einer Geldbuße bis zu 5. 000, – DM bzw. zu einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr führen kann.
[27] 2. Die Revision übersieht auch, daß nach der EWG-Verordnung Nr. 543/69 und der innerstaatlichen Verordnung zur Durchführung der EWG-Verordnung Nr. 543/69 die Ruhezeit des im Güterverkehr eingesetzten Fahrpersonals bei Ein-Mann-Besatzung mindestens elf Stunden beträgt. Im vorliegenden Falle hatte also der Kläger ein Recht darauf, sich elf Stunden auszuruhen, bevor er eine neue Fahrt antrat. Die Beklagte konnte dem Kläger auch nicht vorwerfen, sich in Widerspruch zu seiner früheren Bereitschaft, unzulässige Mehrarbeit zu leisten, gesetzt zu haben (vgl. BAG vom 28. 10. 1971 – 2 AZR 15/71 – AP Nr. 62 zu § 626 BGB). Die Weisung der Beklagten, der Kläger solle nach seiner Rückkehr von der mindestens 12-stündigen Fahrt gegen 20. 00 Uhr sofort erneut laden und über Essen nach Viersen fahren, verstieß gegen die Regelung über Ruhezeiten. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, die Androhung einer Kündigung für den Fall, daß der Kläger die Fahrt nach Essen und Viersen nicht ausführe, habe nur den Zweck haben können, ihn zu veranlassen, unter Verzicht auf die ihm eingeräumten Schutzbestimmungen eine gesetzeswidrige Handlung zu begehen.
[28] 3. Zutreffend ist auch die annahme des Landesarbeitsgerichts, die "Bestätigung" der Kündigung am 28. Juni 1978 sei die Maßregelung und Vergeltung dafür gewesen, daß der Kläger sich dem Willen des Geschäftsführers der Beklagten nicht gebeugt und sich nicht rechtswidrig verhalten hatte. Eine Kündigung ist aber insbesondere dann sittenwidrig, wenn sie aus Rachsucht oder Vergeltung erklärt worden ist (BAG vom 23. 11. 1961 – 2 AZR 301/61 – AP Nr. 22 zu § 138 BGB). Im vorliegenden Falle hat die Beklagte auch unter Berücksichtigung ihres Vortrags in der Revisionsbegründungsschrift dem Kläger gekündigt, weil er auf die ihm zustehende Ruhezeit bestanden hatte. Eine solche Kündigung verstößt gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden, sie beruht auf einem ausgesprochen verwerflichen Motiv. Sie kann nur als Vergeltung dafür verstanden werden, daß der Kläger sich geweigert hatte, unter Gefährdung seiner und seiner Mitmenschen Sicherheit der Weisung der Beklagten Folge zu leisten, die darin bestand, die Ruhezeit nicht zu nutzen und statt dessen gesetzeswidrig weiterzufahren.